FOCUS gewinnt gegen CARPFOCUS

Gericht

Bundespatentgericht


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

26. 06. 2007


Aktenzeichen

27 W (pat) 35/07


Tenor

  1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle vom 11. Mai 2004 sowie vom 4. April 2006 aufgehoben.

  2. Der IR-Marke 751 004 wird auf den Widerspruch aus der Marke 394 07 564 der Schutz in Deutschland versagt.

Entscheidungsgründe


Gründe

I

Die Widersprechende hat gegen die Schutzgewährung der am 22. Dezember 2000 angemeldeten und seit 8. März 2001 für "Fishing tackle" international registrierten Marke Nr. 751 004

Widerspruch eingelegt aus ihrer am 19. Dezember 2001 angemeldeten und seit 23. Mai 1996 für zahlreiche Waren und Dienstleistungen, u. a. für "Turn- und Sportartikel, soweit in Klasse 28 enthalten" eingetragenen Wortmarke Nr. 394 07 564

FOCUS

Die Markenstelle für Klasse 28 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, den Widerspruch zurückgewiesen, weil die Widerspruchsmarke auf dem vorliegend allein interessierenden Warensektor nur über eine unterdurchschnittliche Kennzeichnungskraft verfüge und mangels Prägung des angegriffenen Zeichens allein durch den Bestandteil "FOCUS" eine Zeichenähnlichkeit nicht vorliege; der fehlenden Prägung des angegriffenen Zeichens durch den Bestandteil "FOCUS" stehe dabei die Kennzeichnungsschwäche beider Wortteile der jüngeren Marke entgegen. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr bestehe nicht, weil dem Bestandteil "FOCUS" im angegriffenen Zeichen in dem hier allein in Rede stehenden Warensektor der Angelgeräte keine Funktion als Stammbestandteil einer möglichen Zeichenserie der Widersprechenden zukomme.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält eine Verwechslungsgefahr weiterhin für gegeben, was sie insbesondere darauf stützt, dass die Widerspruchsmarke über eine erhöhte Kennzeichnungskraft verfüge und das angegriffene Zeichen allein durch den Bestandteil "FOCUS" geprägt werde, weil der weitere Wortbestandteil warenbeschreibend sei und die graphische Ausgestaltung nicht kollisionsmindernd ins Gewicht falle.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 28 vom 11. Mai 2004 und 4. April 2006 aufzuheben und der IR-Marke 751 004 den Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu versagen.

Die Inhaberin des angegriffenen Zeichens hat keinen Antrag gestellt und sich zur Beschwerde innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht geäußert.


II

1) Die statthafte Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Nach Auffassung des Senats besteht zwischen den Marken jedenfalls eine assoziative Verwechslungsgefahr im Sinn von § 114 Abs.3, § 42 Abs.2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.

Zwischen den für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren, Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie Art und Aufmerksamkeit des beteiligten Publikums, besteht eine Wechselwirkung. So kann etwa ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2005, 326 - IL PATRONE / PORTONE).

Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen gegeben.

a) Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist die Registerlage maßgeblich. Die Zugehörigkeit beider Waren zu dem gemeinsamen Oberbegriff "Sportartikel" , spricht zumindest für eine weit überdurchschnittliche Warenähnlichkeit.

b) Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist ferner die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke von wesentlicher Bedeutung, sei es als Kennzeichnungskraft von Haus aus, sei es als eine kraft Benutzung erworbene (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, Rn. 24 - SABEL / PUMA, BGH GRUR 2004, 594, 597 - FERRARI-PFERD).

Die Widerspruchsmarke ist auf dem hier zu beurteilenden Warengebiet wegen der für den Angelsport notwendigen Konzentration auf die Beute (Fokussierung) zwar eine sprechende aber keine beschreibende Aussage. Fische werden im allgemeinen Sprachgebrauch beim Angeln nicht "fokussiert". Dagegen spricht schon, dass der Angler in der Regel die Fische nicht sieht.

Soweit die Widersprechende eine Steigerung der Kennzeichnungskraft behauptet hat, fehlt es an Darlegungen dazu; eine Steigerung der Kennzeichnungskraft auf dem hier allein zu beurteilenden Warengebiet ist nicht gerichtsbekannt und war auch nicht im Rahmen der Amtsaufklärung (§ 73 MarkenG) ermittelbar. Die Zumutbarkeit weiterer Aufklärung bestimmt die Grenze der Amtsermittlung, welche insbesondere von der Mitwirkungspflicht der Beteiligten abhängt. Diese besteht in Fällen der vorliegenden Art in besonderem Maße, da die entscheidungserheblichen Tatsachen und Kenntnisse aus der Sphäre eines Beteiligten stammen und der Amtsermittlung gar nicht oder jedenfalls nicht ohne Weiteres zugänglich sind. Daher ist es Aufgabe der Widersprechenden, die stützenden Tatsachen vorzutragen und gegebenenfalls nach § 82 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 294 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. BPatG GRUR 2001, 513, 515 – CEFABRAUSE / CEFASEL).

So fehlt es an Erkenntnissen über den von der Widerspruchsmarke gehaltenen Marktanteil, über Intensität, geographische Verbreitung und Dauer der Markenverwendung sowie über die aufgewendeten Werbemittel und die dadurch erreichte Bekanntheit in den beteiligten Verkehrskreisen. Eine Benutzungslage, die zu einer gesteigerten Verkehrsgeltung führt, kann aber nur berücksichtigt werden, wenn sie liquide ist, das heißt, wenn alle für die behauptete Nutzung und ihren Umfang maßgeblichen Umstände unstreitig oder amtsbekannt sind. Es reicht nicht, wenn der Widersprechende eine gesteigerte Kennzeichnungskraft unwidersprochen behauptet, vielmehr sind Tatsachen notwendig, die diese Rechtsbehauptung stützen.

Die Bekanntheit des Zeitschriftentitels "FOCUS" bietet keine Ansatzmöglichkeiten für eine andere Beurteilung. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft gilt nämlich nur für die Waren und Dienstleistungen, für die eine durch intensive Benutzung gesteigerte Verkehrsgeltung feststellbar ist. Die Verkehrsgeltung strahlt allenfalls auf eng verwandte Waren und Dienstleistungen aus und nimmt mit zunehmender Entfernung ab. Angelgeräte sind von einem Magazin ohne Spezialgebiet Fischen, Sport oder wenigstens Lifestyle in jeder Hinsicht so weit entfernt, dass keine Ausstrahlung mehr berücksichtigt werden kann.

Damit hat die Widerspruchsmarke als durchschnittlich kennzeichnungskräftig zu gelten.

c) Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände sind strenge Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen, soll er eine Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn ausschließen. Diese sind hier nicht erfüllt.

Bildlich unterscheiden sich die Marken allerdings aufgrund der graphischen Gestaltung des angegriffenen Zeichens ausreichend. Die Unterschiede zwischen den verschieden langen Wortbestandteilen treten ebenfalls deutlich in Erscheinung.

Ob allein der klangliche Eindruck der Marken eine Verwechslungsgefahr begründen kann, sei dahingestellt, da der Zeichenbestandteil "CARP" in der Widerspruchsmarke - selbst wenn er mitgesprochen würde - jedenfalls als beschreibender Zusatz hinsichtlich einer speziellen Eignung der so gekennzeichneten Ware eine mittelbare Verwechslungsgefahr bedingt.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist hier gegeben, weil die Verbraucher die Marken wegen des gemeinsamen charakteristischen Bestandteils "FOCUS" im Zusammenhang mit Angelgeräten derselben betrieblichen Ursprungsstätte zuordnen.

Die graphischen Elemente sowie der vorangestellte Wortbestandteil "CARP" im angegriffenen Zeichen sind im Zusammenhang mit Angelgeräten beschreibende Zusätze. Der vorangestellte Wortbestandteil "CARP" mit seiner deutschen Entsprechung "Karpfen" ist für überwiegende Teile der angesprochenen Verbraucher erkennbar.

In dieser Bedeutung weist er auf die Eignung für das Angeln auf Karpfen hin, also auf eine spezielle Beschaffenheit der gekennzeichneten Waren. Wer weiß, dass es Angelgeräte unter der Marke "FOCUS" gibt, hat Veranlassung, das angegriffene Zeichen, wenn er es an Anglergeräten wahrnimmt, irrtümlich mit der Widerspruchsmarke zu assoziieren und als speziell für Karpfenfang geeignete Waren der Widersprechenden zuzuordnen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass die Widersprechende bereits mehrere Zeichen mit "FOCUS" als Stammbestandteil verwendet.

"CARP" und "FOCUS" verbinden sich im angegriffenen Zeichen auch nicht zu einem geschlossenen Begriff, den die Verbraucher nur als solchen wahrnehmen werden (anders BGH GRUR 1967, 660 - SIRAX / SIR; BPatG Mitt. 1995, 225 - JACOMO / JAC). Die Graphik erzeugt keine Klammerwirkung, sondern trennt die in Schwanz und Körper aufgeteilten Wörter, zumal dazwischen ein markantes Dreieck liegt. Gegen einen Gesamtbegriff spricht ferner, dass "Carpfocus" kein nachweisbarer Terminus der Anglersprache ist.

Damit ist zumindest eine assoziative Verwechslungsgefahr gegeben.

2) Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).


Dr. Albrecht
Schwarz
Kruppa

Rechtsgebiete

Markenrecht