neu.de gegen neu.eu

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 02. 2007


Aktenzeichen

9 HK O 17901/06


Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. ist Inhaberin der deutschen Wort-/Bildmarke „NEU.DE“ und der Gemeinschafts-Bildmarke „NEU.EU“. Schließlich ist die Kl. auch Inhaberin der Domains www.neu.de/.com/.at/.ch. Am 7.12.2005 um 11.03 Uhr versuchte der Prozessbevollmächtigte der Kl. in Lizenz für diese die Reservierung der eu-Domain „neu.eu“ zu erlangen. Dieses Unterfangen schlug fehl, weil nach Mitteilung der EuRid v. 7.3.2006 diese Domain bereits an einen Dritten vergeben wurde. Bei diesem Dritten handelte es sich um den Bekl. Recherchen der Kl. hätten dazu geführt, dass der Bekl. weitere eu-Domains angemeldet habe. Die Kl. ist der Meinung, dass ihr gegen den Bekl. wegen seiner Vorgehensweise bzgl. der Reservierung und Blockierung der Domain „neu.eu“ ein Unterlassungsanspruch wegen gezielter Behinderung gem. § 4 Nr. 10 UWG zustehe. Außerdem habe die Kl. einen Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 5 MarkenG, weil sie ein ausschließliches Recht an den Marken „NEU.DE“ und „NEU.EU“ habe.

Der Bekl. trägt vor, er sei Inhaber der deutschen Wortmarke „NE u“. Diese Marke sei insb. für die typischen Waren- und Dienstleistungen eines Zahntechnikers, wie es der Bekl. sei, geschützt. Genau diese Waren- und Dienstleistungen präsentiere der Bekl. auch über seine Internet-Domain „neu.eu“. Die streitgegenständliche Klage sei bereits unzulässig gem. Art. 22 der EU-Verordnung Nr. 874/2004. Dort sei nämlich geregelt, dass Streitigkeiten über die .eu-Domains in einem Schiedsverfahren gem. § 1029 ZPO zu entscheiden seien. Die Klage sei aber auch unbegründet. Bei der Bezeichnung „neu“ handele es sich um ein ganz normales Wort der deutschen Sprache. Eine Art Monopol auf die Benutzung solcher allgemeingültigen Begriffe gebe es nach deutschem Recht nicht.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Klage erwies sich in vollem Umfang als unbegründet. Im Einzelnen ist hierzu auszuführen:

1. Die Klage ist nicht wegen §§ 1029, 1032 ZPO unzulässig. Gem. Art. 22 Abs. 1 der Verordnung Nr. 874/2004 v. 28.4.2004 kann ein alternatives Streitbeilegungsverfahren von jedermann angestrengt werden ... Bei dieser Vorschrift handelt es sich also um eine Kann-Vorschrift und nicht um zwingendes Recht.

2. Streitgegenstand im vorliegenden Verfahren ist die für den Bekl. registrierte Internetdomain „neu.eu“. Sämtliche von der Kl. geltend gemachten Ansprüche haben sich deshalb an diesem Streitgegenstand zu orientieren, wobei zu prüfen ist, ob die Kl. aus ihren eingetragenen Marken „NEU.DE“ und „NEU.EU“, sowie aus ihrer geschäftlichen Bezeichnung „Neu.de GmbH“ die geltend gemachten Rechte herleiten kann oder nicht.

3. Bei der Beurteilung dieser Fragen ist zunächst festzustellen, dass der Wortbestandteil „neu“ sowohl in den Marken der Kl. als auch in deren Geschäftsbezeichnung keinerlei Unterscheidungskraft hat. Es handelt sich hierbei um ein ganz normales Wort der deutschen Sprache, für das gem. § 8 Abs. 2 MarkenG ein Freihaltebedürfnis besteht. Demgemäß erfolgte die Eintragung der klägerischen Marken auch jeweils nur mit den Zusätzen „de“ und „eu“ und darüber hinaus auch noch lediglich als Wort-/Bildmarke, bzw. nur als Bildmarke. Unter diesen Umständen ist im streitgegenständlichen Fall sogar festzustellen, dass bei den klägerischen Marken der Bildbestandteil überwiegt.

Mit dem Bekl. ist festzustellen, dass es sich dann, wenn aus solchen ganz allgemein beschreibenden Begriffen der deutschen Sprache wie hier „neu“ Domains gebildet werden, es sich um sog. generische Domains handelt. Gegenüberzustellen sind deshalb einerseits die komplette Geschäftsbezeichnung der Kl. sowie ihre komplett eingetragenen Marken samt Bildbestandteil und andererseits die für den Bekl. registrierte Domain „neu.eu“.

4. Unter Abwägung der obigen Grundsätze ergibt sich aber, dass der Kl. zunächst aus ihrer Geschäftsbezeichnung „Neu.de GmbH“ gegen die Bekl. keine Ansprüche zustehen, weil insoweit keine Verwechslungsgefahr besteht.

5. Auch aus den beiden Marken der Kl. können die geltend gemachten Rechte nicht hergeleitet werden. Diese beiden Marken lauten nicht „neu“, sondern „NEU.DE“ und „NEU.EU“, jeweils mit einem prägenden Bildbestandteil. Eine Verwechslungsgefahr mit der Domain des Bekl. besteht deshalb ebenfalls nicht.

6. Der geltend gemachte Anspruch aus Art. 21 der Verordnung Nr. 874/2004 besteht ebenfalls nicht, weil für einen Anspruch hieraus Rechte nach nationalen oder gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen bestehen müssten (Art. 21 Abs. 1 der genannten Verordnung). Dass solche Rechte aber tatsächlich nicht bestehen, wurde oben bereits dargelegt.

7. Letztlich bestehen auch keine Ansprüche der Kl. aus § 4 Nr. 10 UWG. Die Benutzung beschreibender Domainnamen (wie hier durch den Bekl.) stellt im Hinblick auf die freie Wählbarkeit der Domainnamen keine wettbewerbswidrige Behinderung dar. Dieses liegt schon daran, dass die auf diese Weise „abgelenkten“ Kunden bisher noch keinem Wettbewerber zuzurechnen waren. Darüber hinaus kennt der typische Internetbenutzer die Vor- und Nachteile der Direkteingabe von Gattungsbegriffen. Damit scheidet aber ein Anspruch wegen Behinderungswettbewerb insoweit aus (vgl. Ingerl/Rohnke, 2. Aufl., Anm. 137 nach § 15 MarkenG mit zahlr. Rechtsprechungshinw.). ...

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht

Normen

EU-VO 874/2004 Art. 22 Abs. 1; ZPO §§ 1029, 1032; UWG § 4 Nr. 10; MarkenG § 8 Abs. 2