Prominente privat in der Öffentlichkeit

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

04. 05. 2007


Aktenzeichen

9 U 279/06


Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Abänderung des am 28. November 2006 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin - 27.0.710/06 - abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Der - in Frankreich gebürtige und dort lebende - Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verbreitung sowie Veröffentlichung von Fotos in Anspruch. Die in der von der Beklagten in Deutschland verlegten Zeitschrift "Freizeit Revue" Nr. 17 vom 19. April 2006 abgedruckten Fotos zeigen den Kläger gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, Frau ..., einer bekannten deutschen Fernsehjournalistin und -moderatorin, auf einem Foto bei einem Spaziergang in Paris sowie auf zwei Fotos in einem Café sitzend, wobei ein Foto den Kläger und Frau ... sich küssend zeigt.

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte meint, der Tenor des erstinstanzlichen Urteils sei unzulässig weit gefasst. Darüber hinaus dürfe die Entscheidung des EGMR (NJW 2004, 2650 - Caroline) im vorliegenden Fall nicht herangezogen werden. An der angegriffenen Berichterstattung habe ein öffentliches Interesse bestanden. Als Begleiter einer absoluten Person der Zeitgeschichte sei auch der Kläger eine Person der Zeitgeschichte.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 28. November 2006 - 27.O.710/06 - insgesamt kostenpflichtig abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Situation einer vertrauten Begleitung habe nicht vorgelegen.


II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Der in der Berufungsinstanz noch zur Entscheidung gestellte Klageantrag ist zulässig, insbesondere ist der Streitgegenstand als auch der nunmehr begehrte Verbotstenor hinreichend im Sinne von § 253 Absatz 2 Nr. 2 ZPO bestimmt.

Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass ein Antrag, bei dem das begehrte Verbot durch die Formulierung "zu unterlassen, Bildnisse des Klägers ... zu veröffentlichen wie in ..." an die konkrete Verletzungshandlung anknüpft, hinreichend bestimmt ist. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Zur Begründung wird auf die in NJW-RR 2007, 47 sowie NJW-RR 2007, 109 veröffentlichten Entscheidungen des Senates Bezug genommen.

2. Die Klage ist jedoch unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823, analog 1004 Absatz 1 Satz 2 BGB, Artikel 1 und 2 Absatz 1 GG, §§ 22, 23 KUG nicht zu.

Der Kläger hat zwar eine gemäß § 22 Satz 1 KUG grundsätzlich für die Verbreitung von Bildnissen einer Person erforderliche Einwilligung weder ausdrücklich noch stillschweigend erteilt, jedoch war die Beklagte vorliegend gemäß § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG, wonach Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte einwilligungsfrei veröffentlicht werden dürfen, berechtigt, die beanstandeten Fotos, die den Kläger in Paris in Begleitung von Frau ... in der Öffentlichkeit zeigten, zu verbreiten.

a) Es handelt sich bei den Fotos um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Absatz 1 KUG.

Die Abwägung der widerstreitenden Rechte des Klägers aus Artikel 1 Absatz 1, 2 Absatz 1 GG einerseits und der Presse aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 GG andererseits, welche bereits bei der Zuordnung zum Bereich der Zeitgeschichte vorzunehmen ist (BGH Urteile vom 6. März 2007 - VI ZR 13/06, VI ZR 14/06, VI ZR 50/06 - VI ZR 53/06), führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Verbreitung der Fotos hinnehmen muss.

aa) Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Dabei ist der Begriff des Zeitgeschehens in § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG zugunsten der Pressefreiheit einerseits in einem weiten Sinn zu verstehen, andererseits ist das Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt, so dass eine Berichterstattung nicht immer zulässig ist. Wo konkret die Grenze für das berechtigte Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden. Eine Ausnahme vom Erfordernis der Einwilligung kommt in Betracht, wenn die Berichterstattung ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft, wovon allerdings nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern ganz allgemein das Zeitgeschehen, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse erfasst sind, wozu grundsätzlich auch unterhaltende Beiträge gehören. (BGH a.a.O.)

Entscheidend für die Güterabwägung zwischen dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre einerseits und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit andererseits ist in erster Linie der Informationswert. Je größer dieser für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse des Betroffenen hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten; umgekehrt wiegt der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen desto schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist. Das Interesse der Leser an bloßer Unterhaltung hat gegenüber dem Schutz der Privatsphäre regelmäßig ein geringeres Gewicht und ist nicht schützenswert. (BGH Urteile vom 6. März 2007 - VI ZR 50/06 - VI ZR 53/06)

bb) Die vertraute Begleitung einer in Deutschland einer breiten Öffentlichkeit sehr bekannten Person, einer absoluten Person der Zeitgeschichte im Sinne der bisherigen Rechtsprechung, in der Öffentlichkeit kann ein solches zeitgeschichtliches Ereignis darstellen (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921). Maßgeblich ist hierbei ein abgeleitetes Interesse der Öffentlichkeit, das nicht um der Person des Klägers willen, sondern wegen des Interesses an der Person der Frau ... (als absoluter Person der Zeitgeschichte - vgl. hierzu Senat NJW-RR 2007, 109) besteht, das aber auf die Person des Klägers ausstrahlt, weil der Kläger von Frau ... in der Öffentlichkeit begleitet wird (BGH NJW 2004, 1795).

Der Kläger ist als Begleiter hierbei nicht weitergehender vor Bildveröffentlichungen geschützt als Frau ... als absolute Person der Zeitgeschichte. Wer eine enge persönliche Beziehung mit einem Prominenten eingeht und sich dabei den Blicken der Öffentlichkeit aussetzt, muss die Verbreitung von Bildern, die beide in der Öffentlichkeit zeigen, grundsätzlich genauso hinnehmen wie sein Partner (Senat Grönemeyer I NJW 2005, 603). Andererseits kann das Recht des Begleiters am eigenen Bild aber nicht weniger geschützt sein als dasjenige des Prominenten selbst (Senat Grönemeyer II - NJW 2005, 605). Auch wenn sich die Urteile des BGH vom 6. März 2007 (VI ZR 13/06, VI ZR 14/06, VI ZR 50/06 - VI ZR 53/06) nicht mit Begleitern absoluter Personen der Zeitgeschichte befassen, müssen die Grundsätze dieser Rechtsprechung auch zu Gunsten eines Begleiters Berücksichtigung finden.

In den auf den Fotos abgebildeten Situationen hat der Kläger Frau ... in der Öffentlichkeit begleitet (vgl. Senat NJW 2005, 603 - Grönemeyer I). Der Kläger ist und war vertrauter Begleiter von Frau ... . Zwischen beiden besteht und bestand auch bereits im Zeitpunkt der Berichterstattung unstreitig eine lebenspartnerschaftliche Beziehung. Situationen, die diese Beziehung wiedergeben, bilden den Gegenstand der angegriffenen Fotos.

Die Behandlung eines Begleiters als relative Person der Zeitgeschichte setzt hierbei nicht zwingend eine bewusste gemeinsame Zuwendung zur Öffentlichkeit voraus. Vielmehr kann ein schlichtes öffentliches Auftreten ausreichen (BVerfG NJW 2001, 1921). Der Situation einer vertrauten Begleitung steht deshalb nicht entgegen, dass der Öffentlichkeit nicht bereits vorher bekannt gewesen ist, dass es einen neuen Lebenspartner gibt und dass diese Beziehung bereits zu einem gewissen Grade gefestigt ist. Erforderlich ist, dass die Begleitperson zu der absoluten Person der Zeitgeschichte in einer engeren bzw. näheren Beziehung steht, die der eines Lebensgefährten entspricht und dass dieses durch das Verhalten des Paares offenkundig ist.

Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil des Senates vom 13. Juli 2004 (9 U 315/03 - Barati). Dort waren die Voraussetzungen des § 23 Absatz 1 Nr. 1 KUG nicht gegeben, weil es an einem besonderen Näheverhältnis der dortigen Antragstellerin zum Prominenten fehlte. Die Antragstellerin war im Zeitpunkt der Erstverbreitung der dort angegriffenen Fotos nicht "vertraute Begleiterin" , jedenfalls konnte die Antragsgegnerin dies seinerzeit nicht glaubhaft machen.

Im vorliegenden Fall ist jedoch unstreitig, dass der Kläger im Zeitpunkt der Veröffentlichung der angegriffenen Fotos am 19. April 2006 bereits Lebensgefährte der Frau ... gewesen ist. Darüber hinaus haben sowohl der Kläger Frau ... als auch umgekehrt Frau ... den Kläger in verschiedenen Verfahren zum damaligen Zeitpunkt als neuen Lebensgefährten bezeichnet. So hat der Kläger in dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 11. April 2006 in dem Verfahren 9 U 142/06 (...) vorgetragen, "seit einigen Wochen mit ... liiert" zu sein. In dem Ordnungsgeldantrag vom 10. April 2006 zu 9 U 143/06 (...) hat Frau ... den Kläger als ihren "neuen Lebensgefährten" bezeichnet.

cc) Die streitgegenständlichen Fotos haben ein Informationsinteresse an den Lebensumständen der vom Kläger begleiteten Prominenten befriedigt, nämlich daran, dass Frau ... einen neuen Partner gefunden hat. Diese Berichterstattung der Beklagten entsprach nicht lediglich einem oberflächlichen Unterhaltungsbedürfnis.

An den konkreten Lebensumständen der Frau ... als absoluter Person der Zeitgeschichte besteht ein Interesse der Öffentlichkeit. Frau ... ist eine der Öffentlichkeit in Deutschland sehr bekannte Persönlichkeit. Sie ist einem breiten Publikum nicht nur, aber vor allem durch ihre politische Fernseh-Talkshow bekannt. Über ihr öffentliches Auftreten und insbesondere mit ihrer Talkshow hat sie einen nicht unerheblichen Einfluss auf den öffentlichen, vor allem politischen Meinungsbildungsprozess in Deutschland. In Bezug auf ihre Person als erfolgreiche Fernsehjournalistin und -moderatorin interessieren die Öffentlichkeit deshalb aber auch Fragen nach Partnerschaft und Familie, sowie nach der Vereinbarkeit von Karriere und Beziehungsleben. Sie steht als eine solch bekannte Persönlichkeit derart im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung, dass in diesem Zusammenhang auch die Frage, wer ihr neuer Lebenspartner ist, die Öffentlichkeit bewegt.

Letzteres gilt in besonderem Maße deshalb, weil - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - die Öffentlichkeit in der Vergangenheit auch Anteil an Trennungen von ihren Ehe¬ bzw. Lebenspartnern genommen hat und Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit der Frau ... sogar öffentlich wahrnehmbar waren. So blieb seinerzeit im September 2001 die Trennung von ihrem damaligen Ehemann einem Millionenpublikum bei einer ihrer Sendungen nicht verborgen wie auch die besonderen persönlichen Umstände der Trennung. Auch ihr folgender Lebensgefährte war in Deutschland kein Unbekannter. Schließlich hat die Öffentlichkeit, was entsprechende Medienberichte belegen, auch immer wieder verfolgt, mit wem sich Frau ... bei öffentlichen Anlässen gezeigt hat. Insoweit ist im Zeitpunkt der damaligen Berichterstattung ein gesteigertes Interesse der Öffentlichkeit daran, dass es seinerzeit einen neuen Partner im Leben von Frau ... gab, in erheblichen Teilen der Bevölkerung anzuerkennen. Gleichermaßen entstand dadurch ein Interesse an der Person des Klägers als neuem Partner von Frau Christiansen.

Dies thematisiert der angegriffene Artikel der Beklagten. Der Kläger wird als "ihr Neuer" vorgestellt. Auch wird berichtet, dass "das Paar jetzt eine Wohnung" in Paris sucht. Diese Berichterstattung wird mit den beanstandeten Fotos belegt und illustriert.

Hinter diesem Informationsinteresse der Öffentlichkeit muss das Interesse des Klägers, sich in seinem privaten Alltag in den Straßen einer Großstadt frei und unbeobachtet bewegen zu können sowie von der deutschen Unterhaltungspresse nicht in das Licht der Öffentlichkeit geholt zu werden, angesichts der Prominenz seiner Lebensgefährtin zurücktreten, jedenfalls für die konkrete Situation im April 2006, als ein besonderes Interesse an der Person des Klägers als neuem Partner der Frau ... bestand.

Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit war seinerzeit auch höchstaktuell. Unstreitig gab es damals die ersten Bildbelege für die neue Beziehung der Frau ... mit dem Kläger.

Unerheblich ist, dass bereits andere Zeitschriften eine Woche früher (erstmals am 8. April 2006 "Neue Woche") Fotos des Klägers mit Frau ... veröffentlicht haben und die hier streitgegenständlichen Fotos der Beklagten mithin zehn Tage später erfolgt sind. Innerhalb dieser kurzen Zeit bestand das Informationsinteresse der Öffentlichkeit noch fort. Jedenfalls durfte die Beklagte auch ihren Lesern insoweit noch den neuen Lebensgefährten von Frau ... im Bild vorstellen.

b) Dem Berichterstattungsinteresse der Beklagten stehen Belange des Klägers im Sinne von § 23 Absatz 2 KUG nicht entgegen.

Der Kläger mag in Deutschland seinerzeit weitestgehend unbekannt gewesen sein. Er mag von sich aus keine Informationen über sein Privatleben an die Öffentlichkeit gebracht haben und auch Frau ... mag nicht öffentlich Interesse an ihrem neuen Partner geweckt haben.

Andererseits sind die Fotos auf öffentlichem Straßenland in Paris entstanden, mithin in einer Situation, die nicht die Anforderungen an einen Bereich der örtliche Abgeschiedenheit im Sinne der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BVerfG NJW 2000, Seite 1021) erfüllen, so dass der Gesichtspunkt der Belästigung durch heimlich aufgenommene Fotos keine Rolle spielt. Auch ist der Kläger durch das Anfertigen des Bildes nicht unmittelbar beeinträchtigt oder belästigt worden.

Den Fotos ist schließlich auch kein eigenständiger Verletzungseffekt zu entnehmen, der eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnte. Der Kläger ist nicht ungünstig dargestellt. Selbst die auf einem der Fotos abgebildete zärtliche Zuneigung wirkt zurückhaltend.

Zwar wird der Kläger durch die angegriffene Berichterstattung bei einem Spaziergang oder Bummel, also in einer privaten und alltäglichen Lebenssituation der Medienöffentlichkeit präsentiert. Auch liegt die Befürchtung nahe, dass die Unbefangenheit des Klägers im Alltag beeinträchtigt wird, wenn er bei derart alltäglichen und privaten Tätigkeiten stets und ständig die Anfertigung von Bildnissen ihrer Person gegenwärtigen muss. Allerdings rechtfertigt es der Umstand, dass die Bildberichterstattung der Beklagten in der konkreten Situation im April 2006, als ein besonderes Interesse an der Person des Klägers als neuem Partner der Frau ... bestand, zulässig gewesen ist, nicht, den Kläger nunmehr fortwährend und losgelöst von einem entsprechenden Anlass in einer privaten und alltäglichen Lebenssituation mit Frau .... zum Gegenstand einer Bildberichterstattung zu machen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Absatz 2 ZPO). Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Urteile des BGH vom 6. März 2007 (VI ZR 13/06, VI ZR 14/06, VI ZR 50/06 - VI ZR 53/06), von denen der Senat nicht abweicht, geklärt.


Nippe
Bulling
Damaske

Vorinstanzen

LG Berlin, 27 O 710/06

Rechtsgebiete

Presserecht