Videoüberwachung eines gemeinschaftseigenen Kfz-Stellplatzes
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
05. 01. 2007
Aktenzeichen
I-3 Wx 199/06
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten der weiteren Beschwerde und die in diesem Rechtszug dem Antragsteller notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten.
Wert: 1.000 €.
I.
Die Beteiligten sind Mitglieder der oben näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft. Beide sind sondernutzungsberechtigt an je einem Kfz-Stellplatz auf dem Garagenhof der Anlage. Im Jahre 2004 installierte die Antragsgegnerin auf dem Balkon ihrer Wohnung eine Videokamera, die ihren Stellplatz und teilweise auch die benachbarten Stellplätze erfasst. Der Antragsteller, der an dem übernächsten Stellplatz sondernutzungsberechtigt ist, muss auf dem direkten Weg zum Haus am Stellplatz der Antragsgegnerin vorbeigehen. Er fühlt sich durch die Videokamera in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die auf ihrem Balkon zum Garagenhof befindliche Kamera zu entfernen.
Die Antragsgegnerin hat Abweisung des Antrags beantragt.
Der Verwalter hat sich ebenfalls geäußert und Anträge gestellt.
Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, die Kamera werde nur nachts bzw. bei Einbruch der Dunkelheit eingeschaltet, um ihr Auto zu überwachen. Auf ihrem Stellplatz sei im Jahre 2002 ihr Ehemann angegriffen und körperlich verletzt worden. Außerdem sei es in 2004 zweimal zu Beschädigungen ihres Autos gekommen. Die Kamera zeichne nur auf, wenn sich eine Person dem Auto nähere, falls diese Person den Wagen nicht beschädige, würden die Aufzeichnungen sofort gelöscht.
Das Amtsgericht hat dem Antrag des Antragstellers entsprochen mit der Begründung, die Installation der Videokamera verstoße gegen § 14 Nr. 1 WEG. Der Nachteil für den Antragsteller – wie auch die anderen Nutzer des Garagenhofes - bestehe darin, dass er sich unter einem ständigen Überwachungsdruck befinde, auch dann wenn die Kamera tatsächlich nur den Stellplatz der Antragsgegnerin zuzüglich eines Bereichs von einem Meter rundum aufnähme. Dies bewirke eine schwerwiegende Beeinträchtigung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Schutz des Eigentums dürfe nicht in unverhältnismäßiger Weise auf Kosten des Eingriffs in hochrangige Rechtsgüter unbeteiligter Dritter geschehen.
Die sofortige Beschwerde ist vom Landgericht zurückgewiesen worden. Hiergegen hat die Antragsgegnerin sofortige weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht nicht auf einem Rechtsfehler im Sinne von § 27 FGG.
Die Kammer hat zur Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt: Sie schließe sich den in dem amtsgerichtlichen Beschluss ausgeführten Gründen inhaltlich in Ergebnis und Begründung an. Zusätzlich hat die Kammer bemerkt, es handele sich bei der Installation der Videokamera um eine bauliche Veränderung, die die Gemeinschaft nicht genehmigt habe. Auch wenn die Kamera durch eine Blumenampel zum Teil verdeckt sei, wie es einige Lichtbilder nahe legten, sei eine Veränderung der Fassade festzustellen.
Im Ergebnis ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Ob die Installation der Videokamera eine bauliche Veränderung darstellt, kann offen bleiben. (Es ist nicht bekannt, ob ein nicht nur unwesentlicher Eingriff in die Bausubstanz stattgefunden hat; auch eine optische Veränderung der Hausfassade kann anhand der Lichtbilder nicht ohne weiteres festgestellt werden).
Jedenfalls ist der geltend gemachte Beseitigungsanspruch nach §§ 1004 BGB, 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG begründet:
Durch die Videoüberwachung des Garagenhofs wird nicht nur das eigene Sondernutzungsrecht der Antragsgegnerin sondern auch das Gemeinschaftseigentum beeinträchtigt (vgl. zu dieser Unterscheidung BayObLG NZM 2005, 668). Diese Beeinträchtigung muss der Antragsteller als Miteigentümer nicht dulden; vielmehr kann er von der Antragsgegnerin als der störenden Miteigentümerin einen "Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile und des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und .... dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht" (§ 15 Abs. 3 WEG). Dabei ist § 14 Nr. 1 WEG zu beachten, wonach ein Wohnungseigentümer von seinem Sondereigentum und dem gemeinschaftlichem Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch machen darf, dass keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst (§ 14 Nr. 1 WEG). Diese Schwelle ist im vorliegenden Fall überschritten:
Der Antragsteller ist nicht nur in seinem Miteigentumsrecht, sondern zugleich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht betroffen. Da das Recht am eigenen Bild eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt (vgl. nur BVerfG 35, 202), kann die Herstellung eines Bildes ohne Einwilligung des Abgebildeten einen unzulässigen Eingriff in dessen – verfassungsrechtlich und zivilrechtlich geschütztes – allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellen (BGH NJW 1995, 1955 m.w.N.). Ob und in welchem Umfang dies rechtswidrig und unzulässig ist oder aber vom Betroffenen hingenommen werden muss, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung zu ermitteln (BGH a.a.O.; ähnlich formuliert § 6 b Bundesdatenschutzgesetz, der sich allerdings auf die Beobachtung "öffentlich zugänglicher Räume" bezieht – eine Voraussetzung die mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen im vorliegenden Fall nicht bejaht werden kann).
Hier geht es um die gezielte Videoüberwachung eines bestimmten Teils der gemeinschaftseigenen Hoffläche, der vom Antragsteller notwendigerweise begangen werden muss, wenn er sein Wohnungseigentum erreichen will; d. h. der Antragsteller kann nicht vermeiden, von der Kamera erfasst zu werden. Die Überwachung geschieht über längere Zeiträume und mit Regelmäßigkeit. Der Antragsteller kann selbst nicht feststellen, wann die Kamera eingeschaltet ist; er hat auch keine Kontrolle darüber, ob die Aufzeichnungen wie behauptet, "sofort" gelöscht oder ob sie in irgendeiner Form weiterverwendet werden. Eine solche – objektiv bestehende – Möglichkeit dauernder Beobachtung und der Weiterverwendung der gespeicherten Bilder stellt eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung, einen nicht hinzunehmenden Nachteil im Sinne von 14 Nr. 1 WEG dar, da die Überwachung sich nicht auf den privaten, dem Sondernutzungsrecht unterliegenden Bereich beschränkt, sondern darüber hinaus zwangsläufig einen Bereich des Gemeinschaftseigentums erfasst und der Maßnahme überwiegende schutzwürdige Interessen nicht gegenüber stehen.
Die Antragsgegnerin beruft sich auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen im Hinblick auf die Vorfälle aus 2002 und 2004. Der körperliche Angriff auf ihren Ehemann kann allerdings nicht zur Rechtfertigung der Videoüberwachung herangezogen werden, weil die Antragsgegnerin bis zur Installation der Kamera mehr als 2 ½ Jahre hat verstreichen lassen und dadurch gezeigt hat, dass sie insoweit offenbar nicht von einer Wiederholungsgefahr und dementsprechend nicht vom Erfordernis einer Videoüberwachung ausging.
Soweit sich die Antragsgegnerin auf die im Januar und Februar 2004 auf ihrem Stellplatz vorgekommenen Sachbeschädigungen bezieht, die zu einem Reparaturaufwand von knapp 5.600 € geführt haben sollen, kann sie zwar ebenfalls eine rechtlich, auch verfassungsrechtlich geschützte Position für sich in Anspruch nehmen. Ihr Eigentumsrecht am PKW und das grundsätzlich berechtigte Interesse, Eigentum vor Beschädigungen durch Dritte zu schützen, muss allerdings im vorliegenden Fall hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers zurücktreten. Denn die Installation einer Videokamera, die, wie hier, nicht nur den eigenen Sondernutzungsbereich erfasst, sondern darüber hinaus Gemeinschaftseigentum bzw. Sondernutzungsbereiche anderer Wohnungseigentümer, ist unverhältnismäßig (vgl. dazu OLG München NZM 05, 668; BayObLG MietRB 05, 180; Staudinger/Bub § 21 WEG Rdnr. 174 a).
Der Verwalter, der sich im vorliegenden Verfahren geäußert und Anträge gestellt hat und im Rubrum des angefochtenen Beschlusses als Beteiligter aufgeführt ist, ist am vorliegenden Verfahren nicht beteiligt, §§ 43 Abs. 4 Nr. 1 Abs. 1 Nr. 1 WEG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 Satz 1 und 2 WEG. Angesichts des überzeugend begründeten Beschlusses des Landgerichts entspricht es der Billigkeit, dass die Antragsgegnerin auch die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers erstattet, da sie die Aussichtslosigkeit ihres Rechtsmittels hätte erkennen können.
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