Abwehranspruch gegen Grillplatz
Gericht
VGH Mannheim
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
11. 04. 1994
Aktenzeichen
1 S 1081/93
Bei einem Grillplatz handelt es sich um eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage i. S. von § 22 I BImSchG.
Betreibt eine Gemeinde einen Grillplatz als öffentliche Einrichtung, so sind ihr grundsätzlich die von den Benutzern ausgehenden Lärmimmissionen zuzurechnen. Der Zurechnungszusammenhang wird allein durch den Erlaß einer Grillplatzordnung, die u. a. die Benutzungszeiten regelt, nicht unterbrochen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. begehren von der Bekl. die Abwendung von Lärmbelästigungen, die von einem von der Bekl. eingerichteten Grillplatz ausgehen. Die Kl. sind seit 1979 Eigentümer eines Anwesens auf Gemarkung der Bekl., das nördlich an den Grillplatz anschließt. Das Haus der Kl. entstand in den 40er Jahren als Behelfsheim. Weitere Bebauung ist in der näheren Umgebung nicht vorhanden.
Mit Schreiben vom 27. 5. 1989 wandte sich die Kl. an die Bekl. mit der Bitte, die unzumutbaren Lärmbelästigungen auf dem Grillplatz zu unterbinden. Daraufhin wurden durch die Bekl. Pfosten aufgestellt, die ein Befahren des Grillplatzes von der Straße aus verhindern sollten, und an dem auf dem Platz errichteten Toilettenhäuschen wurden Schilder angebracht, auf denen die Grillplatzordnung bekanntgegeben wird. Die Grillplatzordnung hat folgenden Wortlaut:
Die Benutzung kann durch Jedermann erfolgen.
Feuer darf nur in den dafür vorgesehenen Feuerstellen gemacht werden.
Abfälle sind in die aufgestellten Behälter zu bringen.
Lärm ist so zu bemessen, daß andere Benutzer des Platzes sowie die Anlieger nicht gestört werden.
Die Benutzung des Platzes ist nur bis 23 Uhr gestattet.
Zelten und Lagern ist auf dem Platz verboten.
Das Befahren des Grillplatzes und das Abstellen von Fahrzeugen ist verboten
Stadt K - Forstverwaltung
Wegen der anhaltenden Lärmbelästigungen durch die Benutzer des Grillplatzes wandten sich die Kl. im Jahre 1991 erneut an die Bekl. mit dem Antrag, die unzumutbaren Verhältnisse auf dem Grillplatz durch geeignete polizeiliche Maßnahmen abzustellen. Nach Einholung einer Stellungnahme des Polizeireviers vom 16. 9. 1991, aus der ersichtlich ist, daß bei entsprechendem Wetter in den Sommermonaten der Grillplatz zumindest jedes Wochenende von Besuchern belegt ist, lehnte die Bekl. jegliches Tätigwerden ab und führte insbesondere aus, den Kl. stehe ein Abwehranspruch nach § 1004 BGB analog nicht zu. Vielmehr seien sie zur Duldung der Lärmbeeinträchtigungen verpflichtet. Nach erfolglosem Widerspruch haben die Kl. in der mündlichen Verhandlung vor dem VG ihre Klage auf polizeiliches Einschreiten zurückgenommen und beantragt, die Bekl. zu verurteilen, dafür Sorge zu tragen, daß die Grillplatzordnung des Grillplatzes eingehalten wird. Das VG hat das Verfahren eingestellt, soweit die Klage zurückgenommen wurde, und im übrigen die Bekl. antragsgemäß zur Einhaltung der Grillplatzordnung verurteilt. Die Berufung der Bekl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig. Streitgegenstand der Klage in der Berufungsinstanz ist lediglich noch der öffentlichrechtliche Abwehranspruch, den die Kl. zulässigerweise im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend machen können. Der allgemeinen Leistungsklage fehlt auch - entgegen der Auffassung der Bekl. - nicht das Rechtsschutzinteresse, da den Kl. weder ein einfacherer Weg zur Erreichung ihres Klageziels zur Verfügung steht noch die Inanspruchnahme des Gerichts unnütz wäre. Insbesondere ist der erstinstanzlich gestellte Antrag, „dafür Sorge zu tragen, daß die Grillplatzordnung des Grillplatzes ... eingehalten wird“, auch nicht zu unbestimmt. Zwar werden der Bekl. keine konkreten Maßnahmen auferlegt, sondern sie wird nur zu einem bestimmten Erfolg verurteilt, jedoch ist auch eine Vollstreckung eines derartigen Urteils möglich (vgl. allg. Medicus, in: MünchKomm, 2. Aufl., § 1004 BGB Rdnr. 86).
Zu Recht hat das VG auch den öffentlichrechtlichen Abwehranspruch für begründet erachtet.
Bei dem Grillplatz der Bekl. handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung (§ 10 II BadWürttGO), die durch Zurverfügungstellung für jedermann schlicht hoheitlich betrieben wird. Der Senat kann offen lassen, welches die Grundlage eines nachbarlichen Abwehranspruches gegen Immissionen einer hoheitlich betriebenen Anlage ist: der grundrechtliche Abwehranspruch aus Art. 2 I 1 GG und Art. 14 I 1 GG oder die §§ 1004, 906 BGB analog oder ein öffentlichrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch. Der Maßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit des Lärms bleibt jeweils - unabhängig von der Ableitung seines Anspruchs - der gleiche. Er ergibt sich für die von der Benutzung des Grillplatzes ausgehenden Geräusche aus § 22 I BImSchG, denn der Grillplatz ist eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage gemäß dieser Vorschrift. Als Anlagen im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes gelten Betriebsstätten und sonstige ortsfeste Einrichtungen (§ 3 V Nr. 1 BImSchG). Als ortsfeste Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift ist auch der Grillplatz der Bekl. anzusehen, denn er verfügt über ein Toilettenhäuschen, Feuerstellen, zwei offene Schutzhütten sowie über Tische und Bänke. Nach § 22 I BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen, hier die Geräusche, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen (§ 3 I BImSchG), zu vermeiden, soweit sie nach dem Stand der Technik vermeidbar sind und, sofern dies nicht der Fall ist, auf ein Mindestmaß zu beschränken. Der Maßstab führt im öffentlichrechtlichen Nachbarschaftsverhältnis zu demselben Ergebnis wie der nach §§ 906, 1004 BGB im privatrechtlichen Nachbarschaftsverhältnis (vgl. hierzu und zum Vorstehenden BVerwG, NJW 1989, 1291). Allerdings ist festzustellen, daß es keinen festen und einheitlichen Maßstab dafür gibt, ob Belästigungen erheblich und damit auch schädliche Umwelteinwirkungen i. S. von §§ 3 I und 22 II BImSchG sind. Unerheblich dürften Geräuschimmissionen sein, die billigerweise hinzunehmen sind. Dabei kommt es auf eine situationsbezogene Abwägung und auf einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen an (vgl. BVerwG, NJW 1989, 1291). In die den Einzelfall und die konkrete Situation berücksichtigende Abwägung sind insbesondere die Gebietsart und die durch die tatsächlichen Verhältnisse bestimmte Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit mit einzubeziehen (vgl. BVerwG, Buchholz, 406.25, § 22 BImSchG Nr. 10 = NJW 1992, 2779 = NVwZ 1992, 1186 L). Der Senat kann vorliegend offen lassen, ob grundsätzlich auch bei der Beurteilung der Zumutbarkeit von Grillplätzen die Hinweise des Länderausschusses für Immissionsschutz zur Beurteilung der durch Freizeitlärm verursachten Geräusche (LAI-Hinweise - abgedr. in: NVwZ 1985, 98 und 1988, 135 - sowie ergänzend die Regeln der Sportanlagenlärmschutzverordnung - 18. BImSchV) heranzuziehen sind (vgl. dazu VGH Mannheim, Urt. v. 13. 12. 1993 - 8 S 1800/93), denn der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, daß die Bekl. die Zumutbarkeitsgrenze durch die Grillplatzordnung selbst festgelegt hat. Die Einhaltung dieser Ordnung gerade auch in zeitlicher Hinsicht wird aber von den Kl. erstrebt. Nr. 5 der Grillplatzordnung gestattet die Benutzung des Platzes nur bis 23 Uhr. Die Bekl. kann sich insoweit nicht darauf berufen, daß dieser Vorschrift drittschützende Wirkung nicht zukommt. Die drittschützende Wirkung ergibt sich bereits aus den Regelungen selbst, denn in § 4 der Grillplatzordnung ist festgelegt, daß der Lärm so zu bemessen ist, daß andere Benutzer des Platzes sowie die Anlieger nicht gestört werden, was nur bedeuten kann, da die Kl. die einzigen Anlieger des Platzes sind, daß ihr Schutz bezweckt ist. Darüber hinaus ergibt sich die drittschützende Wirkung dieser Regelungen hier auch aus ihrer Entstehungsgeschichte, denn die Regelungen sind erlassen und angebracht worden, um eine Beruhigung der Situation und einen Rückgang der Belästigungen der Kl. herbeizuführen, wie sich aus einem Schreiben der Bekl. vom 19. 12. 1989 ergibt. Der drittschützende Charakter der Regelungen gilt hier unabhängig von ihrem Rechtscharakter. Der „Grillplatzordnung“ kommt im vorliegenden Fall Rechtssatzcharakter nicht zu. Die Grillplatzordnung ist nicht vom Gemeinderat der Bekl. beschlossen worden und hat keinen Satzungscharakter. Sie wurde auch nicht als Polizeiverordnung gem. § 10 BadWürttPolG erlassen, so daß sie auch nicht als Rechtsverordnung qualifiziert werden kann. Bei der Regelung dürfte es sich vielmehr um eine Allgemeinverfügung handeln, denn sie beschränkt die Widmung der öffentlichen Einrichtung, hier des Grillplatzes. Die Widmung selbst ist ein Verwaltungsakt i. S. von § 35 II BadWürttVwVfG, so daß Modalitäten der Widmung durch Verwaltungsakt, soweit sie nicht den grundsätzlichen Zulassungsanspruch zu gemeindlichen Einrichtungen betreffen (vgl. zum Problem der Einschränkung des Zulassungsanspruches VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, 111), ohne Mitwirkung des Gemeinderats zulässig sind.
Wegen der von der Bekl. selbst zur Regelung der Benutzung erlassenen Grillplatzordnung kommt es für die Bewertung der Zumutbarkeit des Lärms auch nicht darauf an, daß der Grillplatz und das Wohnhaus der Kl. im Außenbereich liegen und daß es sich bei dem Grillplatz um ein privilegiertes Vorhaben handelt (§ 35 I Nr. 5 BauGB), wobei allerdings der Senat darauf hinweist, daß nicht nur dieser Gesichtspunkt bei der Beurteilung der Zumutbarkeitsschwelle ohne eine Grillplatzordnung zu berücksichtigen wäre, sondern auch die bestandsgeschützte Wohnnutzung der Kl. abwägungsrelevant wäre.
Als Betreiberin des Grillplatzes sind der Bekl. auch die Lärmbelästigungen, die nach 23 Uhr von dem Grillplatz ausgehen, zuzurechnen. Entgegen ihrer Auffassung kann der Grillplatz insoweit nicht mit einem Kinderspielplatz oder einer Parkanlage verglichen werden. Der Grillplatz dient dem Zweck, dort Grillfeste zu feiern, und ist so ausgestaltet, daß seine mißbräuchliche Nutzung ohne weiteres möglich ist (vgl. BVerwG, NVwZ 1990, 858); Vorkehrungen, die die mißbräuchliche Nutzung, d. h. hier die Nutzung über 23 Uhr hinaus, verhindern, hat die Bekl. mit Ausnahme der Regelungen über die Grillplatzordnung nicht getroffen, doch sind diese nicht ausreichend, um den Zurechnungszusammenhang zwischen dem Betrieb der Anlage, dessen Benutzung mit erheblicher Lärmentfaltung verbunden ist, zu unterbrechen. Der Bekl. sind daher die von der Anlage grundsätzlich bestimmungsgemäß ausgehenden Störungen - auch nach 23 Uhr - zuzurechnen.
Zu Recht hat das VG auch ausgeführt, daß die Bekl. als Betreiberin der Anlage und auch als Zustandsstörerin weitere Maßnahmen zu ergreifen hat, um die mißbräuchliche Nutzung, die zwischen den Bet. unstreitig ist, zu verhindern. Das VG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die Bekl. bereits die von ihr erlassene Grillplatzordnung dadurch effektiver durchsetzen könnte, daß sie eine Benutzung des Grillplatzes erst nach vorheriger Anmeldung gestattet, womit ihr auch eine Möglichkeit eröffnet wäre, die Belegungshäufigkeit des Grillplatzes zu steuern. Zumindest könnte sie aber eine Anmeldepflicht festlegen, damit Verantwortliche bei Verstößen gegen die Grillplatzordnung von der Bekl. herangezogen werden können. Entgegen der Auffassung der Bekl. ist eine Anmeldepflicht für die Benutzung des Grillplatzes nicht unzumutbar oder unangemessen, abgesehen davon, daß im eigenen Interesse der Gemeinde bei Anmeldepflicht oder Genehmigungspflicht auch die Verantwortlichen für etwaige Beschädigungen des Grillplatzes festgestellt werden können. Im übrigen entspricht es häufiger Verwaltungsübung, öffentliche Einrichtungen nur nach vorheriger Anmeldung und gegebenenfalls entsprechend den dafür maßgeblichen Richtlinien (vgl. dazu nochmals VGH Mannheim, NVwZ-RR 1994, 111) zu vergeben. Darüber hinaus kann die Bekl. den Polizeivollzugsdienst veranlassen, den Grillplatz zu kontrollieren oder auch eigene Kontrollen durch besonderes Ordnungspersonal durchzuführen. Bei Erlaß einer entsprechenden Polizeiverordnung steht schließlich auch das Instrument der Bußgeldbewehrung von Überschreitungen zur Verfügung, so daß kontrollierende Polizeibeamte über Ermahnungen hinausgehende gebührenpflichtige Verwarnungen verhängen bzw. Bußgeldbescheide veranlassen können.
Letztlich steht es der Bekl. auch frei, den Grillplatz zu schließen oder zu verlegen.
Aufgrund der Ausführungen der Bekl. in der mündlichen Verhandlung, die deutlich machten, daß dem extensiven Mißbrauch der Anlage durch Gruppen von bis zu 70 Personen teilweise nur mit massivem polizeilichen Einsatz (2 Hundestaffeln) begegnet werden kann, weist der Senat ergänzend darauf hin, daß eine geeignete und zugleich nicht unzumutbare Maßnahme für die Bekl. - um den Schwierigkeiten eines Vollstreckungsverfahrens zu entgehen und gleichzeitig einen dauerhaften Rechtsfrieden herzustellen - wohl die Verlegung des Grillplatzes sein dürfte. Die in der mündlichen Verhandlung dargelegten Belästigungen durch nicht friedfertige Benutzergruppen überschreiten - wie dargelegt - das Maß dessen, was einer bestandsgeschützten Wohnnutzung auch im Außenbereich zumutbar ist.
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