Keine Erstattung von Gebühren eines Anwalts mit weit entfernter Kanzlei
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
22. 02. 2007
Aktenzeichen
VII ZB 93/06
Zur Erstattungsfähigkeit der Mehrkosten durch Einschaltung eines auswärtigen Rechtsanwalts.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 15. September 2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt von den Beklagten die Erstattung von Anwaltskosten.
Der in G. ansässige Kläger machte gegen die Beklagten vor dem 15 Kilometer entfernten Amtsgericht in S. 929,16 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Mahnkosten geltend. In diesem Rechtsstreit ließ er sich durch einen Anwalt seines Vertrauens vertreten, der seine Kanzlei in dem von dem Amtsgericht 235 Kilometer entfernten E. unterhält.
Das Amtsgericht hat die Beklagten entsprechend dem Klageantrag verurteilt und ihnen die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Vor dem Amtsgericht fanden zwei Verhandlungstermine statt, zu denen der Prozessbevollmächtigte des Klägers jeweils mit dem Pkw anreiste. Die dafür geltend gemachten Reisekosten und Abwesenheitsgelder in Höhe von insgesamt 352 € hat der Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht als erstattungsfähig anerkannt. Die sofortige Beschwerde des Klägers hatte einen Teilerfolg. Das Landgericht hat die geltend gemachten Kosten in Höhe von 58,50 € als erstattungsfähig angesehen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Kläger die Festsetzung der für seinen Prozessbevollmächtigten angefallenen Reisekosten und Abwesenheitsgelder in voller Höhe erreichen.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht führt aus, die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts sei für die im eigenen Gerichtsstand klagende Partei nicht als notwendig anzusehen. Eine vernünftige, kostenbewusste Partei beauftrage in einem solchen Fall entweder einen bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung oder einen solchen in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes. Besonderheiten, die davon abweichend die Beauftragung des vom Kläger eingeschalteten Rechtsanwalts als notwendig erscheinen ließen, lägen nicht vor. Eine solche Notwendigkeit ergebe sich weder aus der ständigen Zusammenarbeit des Klägers mit dem beauftragten Rechtsanwalt noch aus dessen vorprozessualem Tätigwerden in derselben Angelegenheit. Da am Geschäfts- und Wohnort des Klägers kein Rechtsanwalt ansässig sei, seien die durch die Reisen des Prozessbevollmächtigten zum Amtsgericht entstandenen Kosten lediglich in Höhe der fiktiven Reisekosten des Klägers für ein Informationsgespräch erstattungsfähig, die bei Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort entstanden wären.
2. Die Rechtsbeschwerde vertritt die Auffassung, einer Partei müsse es ohne kostenrechtliche Nachteile möglich sein, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, mit dem sie ständig zusammenarbeite und zu dem sie ein langjähriges Vertrauensverhältnis unterhalte, auch wenn dieser weder am Gerichtsort noch in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes der Partei ansässig sei. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 11. März 2004 - VII ZB 27/03, NJW-RR 2004, 858) führt sie aus, allein dadurch werde der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und den gesetzgeberischen Vorstellungen zur Änderung des Lokalitätsprinzips Rechnung getragen. Auch komme einem solchen Prozessbevollmächtigten aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit eine besondere Spezialisierung insoweit zu, als er mit den persönlichen und beruflichen Verhältnissen der Partei in besonderem Maße vertraut sei.
Selbst wenn die Zusatzkosten bei Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts zu Lasten der Partei gingen, seien nicht lediglich die Kosten einer fiktiven Informationsreise des Klägers in Ansatz zu bringen. Dieser sei berechtigt gewesen, einen an seinem Wohnort in G. ansässigen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu beauftragen. Angesichts zweier Gerichtstermine vor dem Amtsgericht habe der Kläger zumindest Anspruch auf Erstattung der fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwalts aus G. zum Gerichtsort in S. in Höhe von insgesamt 88 €.
3. Das Beschwerdegericht hat dem Kläger zu Recht die über den Betrag von 58,50 € hinausgehenden Reisekosten und Abwesenheitsgelder versagt.
a) Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Beschluss vom 12. Dezember 2002 (I ZB 29/02, JurBüro 2003, 205 = NJW 2003, 901) entschieden, dass die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts, der zwar bei dem Prozessgericht auftreten kann, dort aber nicht zugelassen ist, grundsätzlich nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig angesehen werden kann, wenn die Partei in ihrem eigenen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird. Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. Eine vernünftige, kostenbewusste Partei, die Klage im eigenen Gerichtsstand erheben möchte, wird, wenn nicht besondere Umstände die Einschaltung eines auswärtigen Anwalts geboten erscheinen lassen, einen Rechtsanwalt beauftragen, der entweder seine Kanzlei in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes oder am Gerichtsort selbst hat. Die Beauftragung eines solchen Rechtsanwalts empfiehlt sich in aller Regel nicht nur wegen der geringeren Kosten, sondern auch im Hinblick auf die erleichterte persönliche Unterrichtung und Beratung.
b) Der Senat hat mit Beschluss vom 11. März 2004 (VII ZB 27/03, NJW-RR 2004, 858) ausgeführt, dass ebenso gewichtig wie ein persönliches Gespräch das Interesse der Partei sein kann, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu lassen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Partei ohne kostenrechtliche Nachteile einen auswärtigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens mit ihrer gerichtlichen Vertretung beauftragen kann, unabhängig davon, wie weit dessen Kanzlei von ihrem Wohn- oder Geschäftsort oder dem Gerichtsort entfernt ist. Aus der genannten Entscheidung ergibt sich nur, dass eine Partei unter Kostenaspekten nicht darauf beschränkt ist, einen am Gerichtsort ansässigen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, sondern ohne kostenrechtliche Nachteile auch einen Rechtsanwalt an ihrem Wohn- oder Geschäftsort oder in dessen Nähe mandatieren kann. Im Übrigen hat der Senat klargestellt, dass eine Prozesspartei nicht ohne kostenrechtliche Nachteile jeden beliebigen Rechtsanwalt in der Bundesrepublik für ihre Prozessvertretung auswählen kann. Die unterlegene Partei muss grundsätzlich nur die Kosten tragen, die aus dem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnort einer Prozesspartei andererseits entstehen.
c) Etwas Anderes lässt sich auch nicht daraus entnehmen, dass sich eine Partei gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO vor dem Landgericht durch jeden bei einem Amts- oder Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen kann. Daraus folgt nicht, dass die durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstandenen Kosten auch jeweils als notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO anzusehen wären. Gleiches gilt für den Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 13. Dezember 2000 (1 BvR 335/97 - BVerfGE 103, 1, 16) im Rahmen des Streits um die Singular- oder Simultanzulassung von Rechtsanwälten das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant als einen rechtlich anzuerkennenden Vorteil aus der Sicht des Mandanten gewürdigt hat.
d) Besondere Gegebenheiten, die die Einschaltung des von ihm beauftragten auswärtigen Rechtsanwalts erforderlich machten, hat der Kläger nicht vorgetragen. Die Vertretung des Klägers setzte keine besondere Spezialisierung auf einem Rechtsgebiet voraus. Die bloße langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit des Klägers mit dem von ihm eingeschalteten Rechtsanwalt stellt keinen Umstand dar, der dessen - kostenträchtige - Mandatierung als notwendig erscheinen ließe. Dies gilt um so mehr, als die Rechtsbeschwerde nicht einmal behauptet, dass es für eine ordnungsgemäße Vertretung des Klägers auf die Kenntnis von dessen beruflichen und privaten Verhältnissen angekommen sei.
Dass der Kläger den Anwalt seines Vertrauens bereits vorgerichtlich mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hatte, gibt ebenfalls keinen Grund, die durch seine Prozessvertretung entstandenen Reisekosten einschließlich der Abwesenheitsgelder als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten anzusehen. Zwar ist es im Allgemeinen für die Partei kostengünstiger, den von ihr vorgerichtlich eingeschalteten Rechtsanwalt auch mit der Prozessvertretung zu beauftragen. Für die Frage der Notwendigkeit, einen auswärtigen Rechtsanwalt einzuschalten, ist jedoch nicht auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem sich die Frage stellt, welcher Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung mandatiert werden soll, sondern auf den der Beauftragung des Rechtsanwalts mit der außergerichtlichen Wahrnehmung der Interessen der Partei. Insoweit wird eine vernünftige und kostenorientierte Partei einen in ihrer Nähe oder am Gerichtsort tätigen Rechtsanwalt einschalten (BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, JurBüro 2003, 205 = NJW 2003, 901).
e) Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts, die von der Rechtsbeschwerde nicht substantiiert angegriffen werden, hatte der Kläger nicht die Möglichkeit, einen an seinem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen, weil dort kein Rechtsanwalt eine Kanzlei unterhält. Reisekosten eines Rechtsanwalts vom Wohn- oder Geschäftsort des Klägers zum Gerichtsort, wie sie die Rechtsbeschwerde darlegt, konnten daher zwangsläufig nicht anfallen. Die Berücksichtigung der Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten in Höhe der fiktiven Kosten einer Informationsreise des Klägers zu einem am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt begegnet daher keinen Bedenken.
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