Mobile Parabolantenne eines deutschen Wohnungseigentümers zum Empfang ausländischer Programme
Gericht
OLG Zweibrücken
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
25. 09. 2006
Aktenzeichen
3 W 213/05
Die Frage, ob die Wohnungseigentümer verpflichtet sind, das Aufstellen einer mobilen Parabolantenne zu dulden, ist auf der Grundlage der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten zu beurteilen.
Das Festhalten an einem generellen Verbot von Parabolantennen kann treuwidrig sein, wenn diese auf Grund ihrer Größe und des Installationsortes das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage nicht beeinträchtigen und auch sonstige Interessen der Wohnungseigentümer nicht berührt sind.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das LG Landau i. d. Pfalz zurückverwiesen.
Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 4 000,-- EUR festgesetzt.
Gründe:
Die sofortige weitere Beschwerde ist gem. §§ 45 I, 43 I Nr. 1 WEG, §§ 20, 27, 29 I und 4 FGG zulässig.
In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 43 I WEG, § 27 I FGG, § 546 ZPO). Das LG hat den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt (§ 12 FGG).
Die Kammer hat den von dem Beteiligten zu 1) geltend gemachten Anspruch, ihm das Aufstellen einer mobilen Parabolantenne auf dem Balkon seiner Eigentumswohnung zu gestatten, letztlich mit der Begründung zurückgewiesen, der Beteiligte zu 1) könne sich gegenüber dem „eindeutig drohenden optisch nachteiligen Eindruck“ nicht auf eigene schutzwürdige Interessen berufen, die denjenigen der Eigentümergemeinschaft vorgehen. Dieses Ergebnis tragen die von der Kammer getroffenen Feststellungen jedoch nicht. Die Frage, ob die übrigen Wohnungseigentümer (Beteiligte zu 2) verpflichtet sind, das von dem Beteiligten zu 1) geplante Aufstellen einer mobilen Parabolantenne zum Satelittenempfang zu dulden, ist auf der Grundlage der Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten zu beurteilen. Auszugehen ist hierbei von der in § 7 Nr. 10 c) der Teilungserklärung vom 9. 1. 1991 getroffenen Vereinbarung, wonach die Anbringung von Außenantennen nicht gestattet ist. Mangels anderweitiger gesetzlicher Regelungen können die Wohnungseigentümer gem. § 10 I Satz 2 WEG von den Vorschriften des § 14 WEG abweichende Vereinbarungen treffen (vgl. BGH NJW 2004, 937, 940 m.w. Nachw.). Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH auch dann, wenn derartige Vereinbarungen eine Einschränkung der grundrechtlich geschützten Informationsfreiheit eines Wohnungseigentümers zur Folge haben (vgl. hierzu auch Senat ZWE 2002, 238, 240). Die Möglichkeit einer solchen privatautonomen Regelung wird ihrerseits durch Art. 2 I GG verfassungsrechtlich gewährleistet (BVerfG WuM 1981, 77). Hieraus folgt im Grundsatz die Möglichkeit, in der Gemeinschaftsordnung Regelungen zu treffen, die die Befugnis zur Anbringung von Parabolantennen einschränken. Eine solche, die Nutzungsbefugnisse von Wohnungseigentümern einschränkende Vereinbarung unterliegt jedoch der Inhaltskontrolle nach den Maßstäben des § 242 BGB (vgl. BGH aaO und NJW 1994, 2950, 2952). Ausgehend hiervon kann etwa das Festhalten an einem generellen Verbot von Parabolantennen treuwidrig sein, wenn Satellitenempfangsanlagen inzwischen auf Grund ihrer Größe und der nun geeigneten Installationsorte das optische Erscheinungsbild der Wohnanlage nicht beeinträchtigen und auch sonstige berechtigte Interessen der Wohnungseigentümer nicht berührt sind. Dem haben die Wohnungseigentümer im hier vorliegenden Fall durch den am 18. 9. 2002 gefassten Beschluss Rechnung getragen, in welchem sie das generelle Verbot von Außenantennen dahin relativiert haben, dass „Ausnahmen von dieser Regelung schriftlich zu beantragen sind. Sie bedürfen als Einzelfallregelung der gemeinsamen Zustimmung von Verwaltungsbeirat und Verwalter. Dabei sind – unter Berücksichtigung der Rechtslage – die persönlichen Verhältnisse des Ast. abzuwägen gegen die Interessen der Eigentümergemeinschaft, insbesondere hinsichtlich einer möglichen Beeinträchtigung der Außenansicht des Anwesens“. An der Wirksamkeit dieses – mangels entgegenstehender Anhaltspunkte unangefochten gebliebenen - Beschlusses bestehen keine Bedenken; er ist auch nicht nichtig. Denn die Wohnungseigentümer können durch Mehrheitsbeschluss nach § 15 II WEG den Gebrauch des Sondereigentums und des gemeinschaftlichen Eigentums soweit regeln, als die Grenzen der Ordnungsmäßigkeit nicht überschritten sind und eine durch Vereinbarung getroffene Gebrauchsregelung nicht entgegensteht. Liegt eine solche Vereinbarung vor, so fehlt es den Wohnungseigentümern – mangels entsprechenden Vorbehaltes – an der Kompetenz, durch vereinbarungsändernden Mehrheitsbeschluss eine abweichende Regelung zu treffen. Eine aus diesem Grund gegebene absolute Beschlussunzuständigkeit macht den Beschluss nicht nur anfechtbar, sondern nichtig (vgl. BGH aaO und BGHZ 145, 158, 168).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Denn der Beschluss vom 18. 9. 2002 bestätigt das in der Teilungserklärung enthaltene allgemeine Verbot und gestattet lediglich Ausnahmen, die auf der Grundlage der vorstehend dargelegten Inhaltskontrolle nach den Maßstäben des § 242 BGB ohnehin in Betracht gekommen wären.
Ausgehend von dieser Regelung kann der von dem Beteiligten zu 1) geltend gemachte Anspruch dann versagt werden, wenn das Aufstellen der Parabolantenne für die Beteiligten zu 2) mit einem Nachteil verbunden wäre, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausginge (§ 14 Nr. 1 WEG). Anderenfalls hätten die Beteiligten zu 2) das Aufstellen der Parabolantenne selbst dann zu dulden (§ 14 Nr. 3 WEG, § 1004 II BGB), wenn diese Maßnahme als bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums zu qualifizieren wäre (§ 22 I Satz 2 WEG), woran im vorliegenden Fall bereits deshalb Bedenken bestehen könnten, weil der Beteiligte zu 1) von Anfang an darauf abgestellt hat, eine mobile, d. h. nicht fest am Gebäude zu installierende Parabolantenne errichten zu wollen (vgl. zum Meinungsstand etwa OLG Köln, Beschluss vom 5. 11. 2004 – 16 Wx 207/04 – m.w. Nachw.; OLG Schleswig, Beschluss vom 18. 6. 2003 – 2 W 56/03 – und vom 2. 9. 2004 – 2 W 94/04 -; OLG Celle, Beschluss vom 10. 7. 2006 – 4 W 89/06, jeweils zitiert nach JURIS).
Das LG hat bislang nicht hinreichend geklärt, ob das von dem Beteiligten zu 1) beabsichtigte Aufstellen der Parabolantenne für die Beteiligten zu 2) mit einem über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehenden Nachteil verbunden wäre. Ein solcher Nachteil wäre etwa dann gegeben, wenn zum einen auch eine mobile Parabolantenne als bauliche Veränderung in vorbezeichnetem Sinne zu qualifizieren wäre und/oder zum anderen diese zu einer nicht ganz unerheblichen, konkreten und objektiven Beeinträchtigung führen würde (vgl. BGH NJW 2004, aaO). Eine relevante Beeinträchtigung ist allerdings nicht schon immer dann zu bejahen, wenn der optische Gesamteindruck der Wohnanlage verändert wird; erforderlich ist vielmehr weiter, dass sich die Veränderung objektiv nachteilig auf das äußere Bild der Anlage auswirkt (BGH aaO und NJW 1992, 978, 979; Senat, etwa Beschlüsse vom 8. 11. 2005 – 3 W 101/05 – und vom 21. 9. 1999 – 3 W 141/99 = FGPrax 1999, 220 und OLGR 2000, 131; BayObLG NJW-RR 1996, 266 und 2003, 952, 953, NJW-RR 1991, 1234, 1235, Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl. § 22 Rdrn. 232 ff; Niedenführ/Schulze, WEG 5. Aufl. § 22 Rdnr. 43, jew. M.w.N.).
Insoweit hat das LG im vorliegenden Fall bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Es steht weder fest, wie die mobile Anlage aussieht und ob sie ohne jede Verankerung mit dem Gebäude standsicher aufgestellt werden kann noch hat die Kammer die Wohnanlage in Augenschein genommen, obwohl dies hier unerlässlich gewesen ist. Die Frage einer optischen Beeinträchtigung lässt sich in aller Regel nicht ohne einen vor Ort gewonnenen Eindruck von der Wohnanlage beurteilen (vgl. etwa BayObLG Z 1998, 173 f: OLG Schleswig, Beschluss vom 2. 9. 2004 aaO). Im vorliegenden Fall sind keine besonderen Umstände ersichtlich, die eine Augenscheinseinnahme ausnahmsweise als entbehrlich erscheinen lassen könnten, zumal die Frage der optischen Beeinträchtigung zwischen den Beteiligten streitig ist. So hat der Beteiligte zu 1) durch das gesamte Verfahren hindurch behauptet, die Parabolantenne, deren Durchmesser er im Laufe des Verfahrens auch mit 60 cm als ausreichend erachtet hat, beeinträchtige das Gesamtbild der WEG-Anlage nicht, „da die Antenne hinter der Balkonbrüstung nicht bzw. nur ganz minimal sichtbar ist“ (Schriftsatz vom 24. 9. 2004, dort S. 8 = Bl. 72 d.A.) bzw. nur zu einer „unwesentlichen und geringen optischen Beeinträchtigung führen“ würde (Schriftsatz vom 18. 2. 2005, dort S. 3 = Bl. 127 d.A.). Dies haben die Beteiligten zu 2) bestritten. Auch die vorgelegten Lichtbilder ließen im vorliegenden Fall die Notwendigkeit einer Augenscheinseinnahme nicht entfallen. Denn auf diesen Bildern sind gerade nur die Parabolantennen der unmittelbaren Nachbarn ersichtlich, naturgemäß nicht aber die von dem Beteiligten zu 1) erst geplante. Es hätte hier deshalb nahe gelegen, sich vor Ort von dem Beteiligten zu 1) demonstrieren zu lassen – etwa auf der Grundlage einer maßgetreuen Schablone –, inwieweit der beabsichtigte Parabolspiegel von außen überhaupt sichtbar ist. Sollte dieser nicht sichtbar sein, so wäre eine ästhetische Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Anlage von vorneherein ausgeschlossen (vgl. Senat, ZWE aaO). Wäre die Parabolantenne nur geringfügig sichtbar, so würde sich die Frage stellen, inwieweit dadurch der optische Gesamteindruck der Wohnanlage beeinträchtigt wird. Im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Abwägung wird auch nicht unberücksichtigt bleiben können, dass in unmittelbarer Nachbarschaft des Beteiligten zu 1) bereits drei Parabolantennen deutlich sichtbar angebracht sind.
Sollte der optische Gesamteindruck gerade durch die von dem Beteiligten zu 1) geplante Maßnahme mehr als unerheblich beeinträchtigt werden, wird die Kammer abzuwägen haben, ob der mit der Installation einer Parabolantenne verbundene Nachteil das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß übersteigt. Die erforderliche Abwägung hat fallbezogenen unter Berücksichtigung der beiderseits grundrechtlich geschützten Interessen zu erfolgen (vgl. BGH, etwa NJW 2004 aaO; BVerfG NJW 1995, 1665, 1666 ff und 1996, 2858). Hierbei ist auf Seiten des Wohnungseigentümers, der einen Anspruch auf Errichtung einer Parabolantenne geltend macht, neben seinem Eigentumsrecht (Art. 14 GG) vor allem das ihm zustehende Grundrecht auf Informationsfreiheit (Art. 5 I Satz 1 Halbs. 2 GG) zu beachten. Dem steht auf Seiten der widersprechenden Wohnungseigentümer deren durch die Duldung einer solchen Anlage berührtes Eigentumsrecht (Art. 14 I Satz 1 GG) gegenüber. Vor dem Hintergrund des Standes der Technik zum Zeitpunkt der Entwicklung der geschilderten Rechtsprechungsgrundsätze hat dies zur Folge, dass ein Wohnungseigentümer, der eine Satellitenantenne installieren will, in aller Regel zwar auf einen bestehenden Kabelanschluss verwiesen werden kann, wegen der damit verbundenen erheblichen Informationseinbußen jedoch nicht auf die Möglichkeit des Empfangs ausgestrahlter Rundfunkprogramme über herkömmliche Antennenanlagen. Selbst bei vorhandenem Kabelanschluss kann ausnahmsweise ein besonderes Informationsinteresse das Aufstellen der Parabolantenne rechtfertigen. Dies trifft zwar grundsätzlich insbesondere auf Wohnungseigentümer mit ausländischer Staatsangehörigkeit zu, deren Heimatprogramme nicht oder nur in geringer Zahl in das deutsche Kabelnetz eingespeist werden. Ob das im Kabelnetz verfügbare Medienangebot die Meinungsvielfalt jedoch insgesamt noch hinreichend widerspiegelt, kann angesichts der zwischenzeitlichen technischen Entwicklung bezweifelt werden (vgl. BGH aaO m.w. Nachw.), in deren Folge mehrere hundert Hörfunk- und Fernsehprogramme über Satellit in Europa zu empfangen sind (so die Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet der Nutzung von Parabolantennen vom 27. 6. 2001 – KOM 2001, 351). Dieser Umstand könnte – auch nach der zitierten Rechtsprechung des BGH – dazu führen, dass in weitergehendem Umfang auch deutsche Wohnungsnutzer nicht länger auf einen vorhandenen Kabelanschluss verwiesen werden können, zumal nach Art. 10 I EMRK jeder Bürger eines Vertragsstaates das Recht auf Teilhabe an der dort garantierten Informationsfreiheit hat (vgl. in diesem Zusammenhang auch EGMR NJW 1991, 620 und dazu Dörr, Die Auswirkungen der EU-Mitteilung zum freien Dienstleistungs - und Warenverkehr, Seite 9ff, zitiert nach http:www.mainzer-medieninstitut.de/para-bolantenne.doc). Der BGH konnte diese Frage in dem von ihm entschiedenen Fall offen lassen.
Sollten die vor Ort zu treffenden Feststellungen ergeben, dass von der geplanten Parabolantenne eine ästhetische Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Anlage ausgeht, wird die Kammer deshalb bei der von ihr vorzunehmenden Abwägung die im Vordringen befindliche Auffassung zu erwägen haben, dass einem deutschen Wohnungsnutzer ein Informationsgrundrecht im Hinblick auf fremdsprachige Programme nicht ohne weiteres versagt werden kann, selbst wenn er daran kein berufliches Interesse hat wie etwa ein Übersetzer und Dolmetscher, sondern diese privat nutzen will. Im Hinblick auf das Zusammenwachsen Europas, den zunehmenden internationalen Austausch und die Globalisierung der Arbeitsmärkte könnte es genügen, wenn ein deutscher Wohnungsnutzer die Programme ausländischer Sender etwa auf Grund eines abstrakten Fortbildungsinteresses oder zur Verbreiterung seiner Kommunikationsfähigkeiten empfangen will (vgl. hierzu Derleder ZWE 2006, 220, 225). Sollte sich die Kammer dieser Auffassung nicht anschließen, wird sie festzustellen haben, ob die von dem Beteiligten zu 1) behauptete - und von den Beteiligten zu 2) bestrittene - Schwerbehinderung mit etwa daraus herrührenden Beeinträchtigungen besteht und geeignet ist, das Informationsinteresse des Beteiligten zu 1) höher zu bewerten als die widerstreitenden Interessen der anderen Wohnungseigentümer.
Eine Kostenentscheidung kommt im Hinblick auf den lediglich vorläufigen Charakter der Entscheidung des Senat nicht in Betracht.
Den Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat in Übereinstimmung mit der unbeanstandet gebliebenen Festsetzung der Vorinstanzen bestimmt.
Petry Simon-Bach Stutz
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