Einführung einer Videoüberwachung
Gericht
BayObLG
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
27. 10. 2004
Aktenzeichen
2Z BR 124/04
Die Einführung einer Videoüberwachung des Hauseingangsbereichs einer Wohnungseigentumsanlage ohne technische Beschränkung dergestalt, dass Besucher nur von den Wohnungen aus identifiziert werden können, die der Videoüberwachungsanlage angeschlossen sind und deren Klingel betätigt wurde, dürfte gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung verstoßen.
Im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot von Eigentümerbeschlüssen muss ein Eigentümerbeschluss über die Einführung einer Videoüberwachung des Hauseingangsbereichs einer Wohnungseigentumsanlage klar zum Ausdruck bringen, ob die Videoüberwachung ohne technische Beschränkungen darauf installiert werden soll, dass Besucher nur von den Wohnungen aus identifiziert werden können, die dem System angeschlossen sind und deren Klingel betätigt wurde. Außerdem muss der Eigentümerbeschluss die durch § 6 II und 5 BDSG vorgeschriebenen Einschränkungen berücksichtigen.
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Ast. wird der Beschluss des LG München I vom 30. 4. 2004 in den Nummern I, II und IV aufgehoben.
Die sofortige Beschwerde der Ag. gegen den Teilbeschluss des AG München vom 22. 2. 2002 wird insoweit zurückgewiesen, als der Eigentümerbeschluss vom 14. 5. 2001 zu Tagesordnungspunkt (TOP) 8 für ungültig erklärt worden ist.
Die Ag. haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind in diesen Verfahren nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die seit 16.6.2001 ohne Verwalter ist.
Die Wohnungseigentümer fassten am 14.5.2001 mehrere Eigentümerbeschlüsse, u.a. zu TOP 8:
a) Installation einer Videokamera in der Briefkastenanlage neben dem gemeinsamen Hofeingangstor der aus mehreren Häusern bestehenden Wohnanlage,
b) Lage der Videokamera:
Alternativ: entweder als erstes Modul, wodurch alle anderen jeweils eine Etage nach unten rücken, oder zuerst die Lampe, dann das Videoauge und alle anderen Module rücken eine Etage nach unten …,
c) Kostentragung erfolgt durch die jeweils angeschlossenen Eigentümer, bei späterem Anschluss Kostenbeteiligung.
In der Folgezeit wurde eine Türsprechanlage installiert mit Klingeltableau und integrierter Kamera am Hofeingangstor und jeweils einem Monitor in zwei Häusern. Beim Betätigen der Klingeltaste am Außentableau ertönt im betreffenden Haus innen ein elektronischer Gong. Zugleich schaltet sich nur in diesem Haus die Videoübertragung ein und überträgt das Videobild für eine einstellbare Zeit von null Sekunden bis drei Minuten.
Die Ast. haben, soweit es für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, beantragt, den Eigentümerbeschluss zu TOP 8 für ungültig zu erklären. Das AG hat mit Teilbeschluss vom 22.2.2002 u.a. diesem Antrag stattgegeben. Das LG hat am 30.4.2004 auf die sofortige Beschwerde der Ag. den Teilbeschluss des AG insoweit aufgehoben, als der Eigentümerbeschluss zu TOP 8 für ungültig erklärt worden ist; es hat den Antrag abgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Ast..
II.
Das Rechtsmittel ist begründet.
1. Das LG hat ausgeführt:
Der Eigentümerbeschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Es sei zwar nicht ersichtlich, genau welche Videokamera eingebaut werden solle; für einen unbefangenen Betrachter sei aber erkennbar, dass ein technisch zur vorhandenen Briefkastenanlage passendes Videoauge in das Klingeltableau installiert werden solle. Die Ast. würden durch den Einbau des Videoauges auch nicht über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt. Insbesondere seien die Vorgaben des § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) beachtet.
2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Eigentümerbeschluss ist für ungültig zu erklären, weil ihm die hinreichende Bestimmtheit fehlt.
a) Es kann offen bleiben, ob sich der Antrag, den Eigentümerbeschluss für ungültig zu erklären, durch die zwischenzeitlich vorgenommene Installation erledigt hat. Desgleichen ist nicht entscheidungserheblich, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung des Eigentümerbeschlusses deshalb fehlt, weil ein Antrag auf Beseitigung der Anlage, der nach Abschluss des vorliegenden Verfahrens möglicherweise gestellt wird, erfolglos sein könnte. Die Ast. könnten nämlich, wie das LG ausgeführt hat und hier nicht abschließend zu klären ist, durch die jetzige Überwachungsanlage keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus erwachsenden Nachteil erleiden. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2003, 3124) ist ein Rechtsschutzbedürfnis im Beschlussanfechtungsverfahren im Regelfall nicht zu prüfen. Möglich ist zwar, dass ein Antrag auf Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses im Einzelfall wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist (BayObLG NZM 2004, 358 und 623). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
b) Ein Eigentümerbeschluss muss inhaltlich klar und bestimmt, jedenfalls aber, gegebenenfalls nach Auslegung, bestimmbar sein. Andernfalls ist er anfechtbar (§ 23 IV WEG), unter Umständen auch nichtig (BayObLG WE 1995, 245; WuM 1999, 179; OLG Düsseldorf ZMR 2004, 282/284). Der Beschluss selbst ist objektiv und normativ auszulegen; was die Beteiligten erörtert oder gewollt haben, kann zur Auslegung nicht herangezogen werden, wenn es in der Niederschrift keinen Niederschlag gefunden hat. Maßgebend ist vielmehr die nächstliegende Bedeutung für einen unbefangenen Betrachter. Die Auslegung kann der Senat ohne Bindung an die des LG vornehmen (BayObLG Beschluss vom 29.4.2004 - Az.: 2Z BR 245/03).
Dem angefochtenen Eigentümerbeschluss kann, auch nicht durch Auslegung, nicht entnommen werden, wie die Videoüberwachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage technisch gestaltet werden soll. Dies muss aber im Eigentümerbeschluss im Einzelnen geklärt sein (KG FGPrax 2002, 211 f. = NZM 2002, 702). Die Frage der Zulässigkeit und der Grenzen einer Videoüberwachung ist umstritten (vgl. OLG Karlsruhe NZM 2002, 703; KG FGPrax 2002, 211; AG Frankfurt a. 5.n NZM 2003, 68 f.; Bärmann/Pick WEG 9. Aufl. § 15 Rn. 22; Gottschalg, Rechtsprechungsübersicht zum Wohnungseigentumsrecht, FGPrax 2003, 47/51; Drasdo, Literaturübersicht zum Wohnungseigentum, NZM 2003, 704/708). Auch nach Ansicht des Senats dürfte, ohne dass dies hier abschließend geklärt werden muss, die Installation eines Videoüberwachungssystems zulässig sein, durch das Besucher nur von den Wohnungen aus identifiziert werden können, die dem System angeschlossen sind und deren Klingel betätigt wurde. Demgegenüber dürfte eine Videoüberwachung des Hauseingangsbereichs ohne solche technischen Beschränkungen den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen. Im Hinblick auf die weitreichenden tatsächlichen Folgen beider Systeme und im Hinblick auf die Rechtsprobleme, die dadurch aufgeworfen werden, muss im Eigentümerbeschluss klar zum Ausdruck gebracht werden, was gewollt ist. Jedenfalls muss im Eigentümerbeschluss auch festgelegt sein (so auch KG FGPrax 2002, 211 f.), dass und wie der Umstand der Beobachtung und der verantwortlichen Stelle erkennbar gemacht wird (vgl. § 6 II BDSG) und wie das erforderliche Löschen der Daten geregelt wird (vgl. § 6 Abs. 5 BDSG). Auch daran fehlt es hier.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Geschäftswertfestsetzung auf § 48 III Satz 1 WEG.
Dr. Reichold Dr. Delius Dr. Deneke-Stoll
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