Nachbaranspruch auf behördliches Einschreiten

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

10. 12. 1997


Aktenzeichen

4 B 204/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Ob dem Nachbarn bei der Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift - hier des Abstandsflächenrechts - ein im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null gebundener Anspruch auf behördliches Einschreiten zusteht, entscheidet sich grundsätzlich nach Landesrecht (im Anschluß an BVerwG, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 80 = NVwZ 1988, 824 = BRS 48 Nr. 161).

  2. Die Möglichkeit des Nachbarn, seine Rechte unmittelbar gegenüber dem „Störer“ zivilrechtlich (§§ 1004, 906, 823 II BGB) geltend zu machen, kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein beachtlicher Ermessensgesichtspunkt sein (im Anschluß an BVerwG, DVBl 1969, 586).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Beschwerden des Bekl. und der Beigel. zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision durch den VGH wurden zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die auf die Zulassungsgründe des § 132 II Nrn. 1 und 3 VwGO gestützten Beschwerden bleiben erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.

1. Die vom Bekl. aufgeworfene Frage, ob „es mit dem zugunsten des Gesetzgebers bestehenden Schutzvorbehalt des Art. 14 I 2 GG vereinbar (ist), wenn ein Gericht auf einen Nachbarrechtsbehelf hin den Staat zwingend verpflichtet, von einer im Ermessen der Behörde stehenden Anordnung der Baubeseitigung nach Bauordnungsrecht Gebrauch zu machen, wenn das Gericht die ebenfalls vom Gesetzgeber zur Verfügung stehenden zivilrechtlichen Schutzmöglichkeiten des Nachbarn nicht in Erwägung zieht, obwohl diese zivilrechtlichen Möglichkeiten mindestens so effektiv wie die bauaufsichtlichen sind und keinerlei öffentliches Interesse an der Durchsetzung der nachbarlichen Interessen besteht“, hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 132 II Nr. 1 VwGO), die ihr der Bekl. beimißt. Ob dem Nachbarn bei der Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift - hier einer landesrechtlichen Vorschrift des Abstandsflächenrechts - ein im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null gebundener Anspruch auf behördliches Einschreiten zusteht, entscheidet sich grundsätzlich nach dem gem. §§ 137 I, 173 VwGO i.V. mit § 562 ZPO irrevisiblen Landesrecht (vgl. BVerwG, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 80 = NVwZ 1988, 824 = BRS 48 Nr. 161). Dem Landesbaurecht - hier dem § 89 S. 1 BayBauO 1994 - ist nämlich grundsätzlich zu entnehmen, wie das Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben ist und wo die Grenzen des Ermessens liegen; ebenso entscheidet sich grundsätzlich nach Landesrecht, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen eine Ermessensreduzierung auf Null dann in Betracht kommt, wenn die Fallgestaltung die Erteilung einer landesrechtlichen Befreiung oder einer Abweichung nicht gestattet. Die Bauaufsichtsbehörde hat die für und gegen ein Einschreiten sprechenden Gesichtspunkte sachgerecht abzuwägen und bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften neben dem besonderen öffentlichen Interesse an der Wiederherstellung baurechtmäßiger Zustände auch die Interessen des in seinen Rechten verletzten Nachbarn zu berücksichtigen (vgl. bereits BVerwGE 11, 95 (97) = NJW 1961, 793). Auch die Möglichkeit des Nachbarn, seine Rechte unmittelbar gegenüber dem „Störer“ zivilrechtlich (§§ 1004, 906, 823 II BGB) geltend zu machen, kann je nach den konkreten Umständen des Einzelfalls ein beachtlicher Ermessensgesichtspunkt sein (vgl. BVerwG, DVBl 1969, 586; vgl. auch BVerwG, Buchholz 406.25 § 24 BImSchG Nr. 3).

Soweit die vom Bekl. aufgeworfene Frage und sein weiteres Beschwerdevorbringen hierzu den „Schutzvorbehalt des Art. 14 I 2 GG“ betreffen, wird zwar revisibles Recht berührt. Das verhilft der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Ihrer Darlegungslast (§ 133 III 3 VwGO) würde die Beschwerde nur dann genügen, wenn sie zur Auslegung dieser verfassungsrechtlichen Norm eine rechtsgrundsätzliche Frage aufwerfen würde. Daran fehlt es. Die Beschwerde macht lediglich geltend, daß das BerGer. das hier einschlägige Landesrecht in verfassungswidriger Weise angewendet habe. Allein mit einer Kritik an der berufungsgerichtlichen Sachverhaltswürdigung und Rechtsanwendung im Einzelfall ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache jedoch nicht dargetan.

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

BayBauO 1994 § 89 S. 1