Anspruch bei einer Änderung, wenn zuvor geduldet worden ist
Gericht
OVG Koblenz
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
29. 09. 2004
Aktenzeichen
8 A 10664/04.OVG
Werden an einem unter Verletzung der Abstandsvorschriften errichteten Gebäude, gegen das der Nachbar unter Verwirkung seiner nachbarlichen Abwehransprüche bisher nicht einge-schritten ist, Änderungen vorgenommen, die zwar selbst keine Auswirkungen auf den Um-fang der erforderlichen Abstandsfläche haben, aber die vom bisherigen Baubestand ausge-hende Beeinträchtigung der durch § 8 LBauO geschützten Belange des Nachbarn verstärken, so ist es nicht treuwidrig, wenn der Nachbar die Beseitigung dieser Änderungen verlangt.
Die Berufung der Beigeladenen gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 16. 12. 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladenen haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beigeladenen können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kl. begehrt die Verpflichtung des Bekl. zum bauaufsichtlichen Einschreiten gegen eine Gaube auf dem Haus der Beigeladenen.
Die Kl. ist zusammen mit ihrem Ehemann Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung S. Flurstück Nr. ..., das mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebaut ist. Das östlich angrenzende Grundstück Nr. ... gehört den Beigeladenen. Durch Bauschein vom 30. 10. 1959 ist mit schriftlicher Zustimmung des Rechtsvorgängers der Kl. eine Bebauung dieses Grundstücks mit Wohnhaus (Dachneigung 47 Grad) und Nebengebäude genehmigt worden, wobei nach den genehmigten Plänen die nordwestliche Ecke des Wohnhauses einen Abstand von ca. 3 m von der Ostgrenze des Flurstücks Nr. ... einhalten sollte. Tatsächlich beträgt der Abstand ca. 1,20 m.
Unter dem 13. 10. 2000 erhielten die Beigeladenen vom Bekl. im vereinfachten Verfahren eine Baugenehmigung zum Dachgeschossausbau ihres Wohnhauses. Diese umfasste hinsichtlich der westlichen Dachseite auch die Errichtung einer ca. 2,50 m von der Dachkante zurückgesetzten, ca. 4,50 m breiten Gaube sowie eines unmittelbar daran anschließenden, ca. 0,80 cm von der Dachkante zurückgesetzten, ca. 2,65 m breiten Dachaufbaus zur Belichtung des Treppenhauses. Die Genehmigung, die ausdrücklich ohne bauordnungsrechtliche Prüfung erging, wurde nach erfolglosem Widerspruch der Kl. bestandskräftig.
Nachdem zwischenzeitlich ein Tektur- und Befreiungsantrag der Beigeladenen zur Legalisierung einer genehmigungsabweichenden Bauausführung (Gaubenbreite 5,39 m) abgelehnt worden war, beantragte die Kl. unter dem 30. 12. 2001 ein bauaufsichtliches Einschreiten des Bekl. gegen die Dachgaube.
Mit Bescheid vom 11. 7. 2002 forderte der Bekl. den Beigeladenen zu 1) auf, die westliche Gaube auf eine Breite von 3,659 m zurückzubauen, wobei der zum Treppenhaus gehörende Dachaufbau als eigenes Bauteil nicht hinzuzurechnen sei. Zugleich erließ er gegen die Beigeladene zu 2) eine entsprechende Duldungsverfügung. Zur Begründung der Rückbauverfügung führte er aus, der zum Treppenhaus gehörende Dachaufbau sei lediglich eine Fortführung der darunter liegenden Außenwand und halte für sich gesehen die erforderliche Abstandsfläche ein. Im Übrigen halte die Dachgaube, weil das Haus selbst im nordwestlichen Bereich weniger als 3 m von der Grenze zum Grundstück der Kl. entfernt sei, nicht den erforderlichen Mindestabstand ein und dürfe daher, um nicht abstandsflächenrechtlich relevant zu werden, nur halb so breit sein wie die darunter liegende Wand.
Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Beigeladenen blieb ebenso wie die nachfolgend eingelegten gerichtlichen Rechtsbehelfe ohne Erfolg.
Nachdem auch der auf weitergehende Reduzierung der Gaubenbreite gerichtete Widerspruch der Kl. erfolglos geblieben war, verpflichtete das Verwaltungsgericht den Bekl., die Beseitigung der Gaube auf dem Haus der Beigeladenen insoweit anzuordnen, als das Wohnhaus einen Abstand von 3 m zur Grundstücksgrenze der Kl. nicht einhält: Die Gaube verstoße, soweit sie sich auf dem den Grenzabstand von 3 m unterschreitenden Teil des Hauses befinde, gegen § 8 I und 4 LBauO. Der Beseitigungsanspruch der Kl. sei auch nicht durch die langjährige Duldung des unter Verletzung der Abstandsvorschriften errichteten Wohnhauses verwirkt.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung machen die Beigeladenen geltend, der Einschreitensanspruch der als Miteigentümerin nicht allein aktiv legitimierten Kl. sei durch die langjährige Duldung des Wohnhauses verwirkt. Die strittige Gaube sei bei isolierter Betrachtung abstandsflächenrechtlich unbedenklich. Überdies sei auch der Klageantrag völlig unbestimmt und habe keinen vollstreckungsfähigen Inhalt.
Die Beigeladenen beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Bekl. verweist, ohne einen Antrag zu stellen, auf die eigene abstandsrechtliche Relevanz einer Dachgaube gem. § 8 IV Nr. 2b LBauO.
Die Kl. beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie meint, die Dachgaube verstoße bereits im Hinblick auf ihre Breite selbstständig gegen nachbarschützende Vorschriften über Grenzabstände, sodass es auf die bisherige Duldung des Wohnhauses der Beigeladenen nicht ankomme. Das Haus werde zudem durch die Gaube in einer Weise verändert, die Auswirkungen auf die von den Abstandsflächenvorschriften geschützten Belange habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Bekl. sowie die Gerichtsakten 5 K 1765/01.NW (8 A 10225/02.OVG), 5 K 2075/03. NW und 5 K 2280/03.NW (8 A 10396/04.OVG) lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Bekl. zu Recht verpflichtet, den Beigeladenen die Beseitigung der strittigen Gaube auf der dem Grundstück der Kl. zugewandten Westseite ihres Hausdaches insoweit aufzugeben, als das Haus der Beigeladenen einen Abstand von 3 m zum Grundstück der Kl. nicht einhält.
Der Senat teilt die Bedenken der Beigeladenen gegen die hinreichende Bestimmtheit des erstinstanzlichen Klageantrages nicht. Der Umfang der beantragten Beseitigung lässt sich anhand des angegebenen Maßes ohne weiteres bestimmen. Auch die Aktivlegitimation der Kl. als bloßer Miteigentümerin ihres Wohngrundstückes unterliegt bei Geltendmachung öffentlichrechtlicher Abwehransprüche im Hinblick auf § 1011 BGB keinen Bedenken (s. z.B. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. 12. 1991, BRS 54 Nr. 80 und Saarl. OVG, Beschluss vom 08. 1. 1996, - 2 W 46/95 -; juris).
Der Anspruch der Kl. auf bauaufsichtliches Einschreiten des Bekl. im erstinstanzlich beantragten Umfang folgt aus § 81 Satz 1 LBauO. Denn die strittige Gaube ist Bestandteil eines Gebäudes, das wegen nicht bestandsgeschützter Unterschreitung des erforderlichen Grenzabstandes zum Grundstück der Kl. gegen nachbarschützende Bestimmmungen des § 8 LBauO verstößt (1). Dieser Verstoß rechtfertigt das hier in Rede stehende Beseitigungsverlangen der Kl. trotz langjähriger Duldung des bisherigen Bestandes, weil die beanstandete Änderung des Daches sich negativ auf durch § 8 LBauO geschützte Belange der Kl. auswirkt (2).
1. Das Haus der Beigeladenen hält entgegen §§ 8 I Satz 1, Abs. 6 Satz 3 LBauO nicht den Mindestabstand von 3 m zum Grundstück der Kl. ein. Dieser Rechtsverstoß ist auch nicht durch Bestandsschutz gedeckt. Denn wegen des nur ca. 1,20 m betragenden Grenzabstandes zum Grundstück der Kl. widersprach des Haus bereits im Zeitpunkt seiner Errichtung den damals geltenden bauordnungsrechtlichen Vorschriften und ist insoweit auch abweichend von der unter dem 30. 10. 1959 erteilten Baugenehmigung errichtet worden. Da dies zwischen den Beteiligten unstreitig ist, kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zwischen denselben Beteiligten ergangene Urteil der Vorinstanz vom 03. 12. 2001 (5 K 1765/01.NW, S. 9f. UA) sowie den diesbezüglichen Beschluss des Senats vom 13. 3. 2002 (8 A 10225/02. OVG) Bezug genommen werden. Genießt aber das Gesamtgebäude keinen Bestandsschutz, so gilt dies gleichermaßen für die strittige Dachgaube, die auch ihrerseits ‑ weil abweichend von der unter dem 13. 10. 2000 erteilten, Bauordnungsrecht ohnehin nicht einschließenden Genehmigung errichtet - nicht durch eine Baugenehmigung gedeckt ist.
2. Die Beigeladenen können sich gegenüber der von der Kl. verlangten Teilbeseitigung ihres baurechtswidrigen Wohnhauses auch nicht auf Verwirkung berufen.
Zwar mögen die aus Verletzung der Abstandsvorschriften folgenden Abwehrrechte der Kl. gegen das Haus in seiner seit 1959 bestehenden Form verwirkt sein, weil ihre Rechtsvorgänger diese Rechte unter Berücksichtigung des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (s. dazu BVerwG, Beschluss vom 18. 3. 1988, BRS 48 Nr. 176) nicht rechtzeitig geltend gemacht haben und ihr dies wegen der Grundstücksbezogenheit nachbarlicher Abwehrrechte zuzurechnen ist (s. Senatsurteil vom 16. 4. 2003, BauR 2003, 1187). Dies zwingt die Kl. indessen nach Treu und Glauben nicht, Änderungen des illegalen Baubestandes unbegrenzt hinzunehmen. Denn dies müsste sie selbst dann nicht tun, wenn sie das Haus der Beigeladenen nicht nur geduldet, sondern seiner Errichtung unter Verletzung von Abstandsvorschriften durch Unterzeichnen der Bauantragsunterlagen gem. § 68 I LBauO zugestimmt hätte. Vielmehr führten in einem solchen Fall nachträgliche Änderungen an der Planung zum Erlöschen der Zustimmung (s. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. 5. 1981, BRS 38 Nr. 180 = AS 16, 292).
Daraus folgt allerdings nicht, dass nachträgliche Änderungen einer geduldeten nachbarrechtswidrigen Bebauung in gleichem Maße zu einem Wegfall der Verwirkung führen, wie Planungsänderungen ein Erlöschen der Nachbarzustimmung bewirken: Bei der Nachbarunterschrift auf dem Bauantrag (s. § 68 I Satz 2 und 3 LBauO) findet der Vertrauensschutz des Bauherrn seine Grundlage in einer ausdrücklichen Erklärung, die in Kenntnis sämtlicher, aus den Bauplänen ersichtlicher Einzelheiten des konkreten Bauvorhabens abgegeben wird und die kraft Gesetzes als Zustimmung gilt (§ 68 I Satz 3 LBauO). Diese Erklärung beruht regelmäßig auf einer umfassenden Abwägungsentscheidung des Nachbarn, die sich auf die gesamte Ausgestaltung des Bauvorhabens bezieht und nicht allein das Ausmaß der Beeinträchtigung nachbarlicher Belange zum Gegenstand hat (s. dazu Lang in Jeromin, LBauO, § 68 Rn 55). Ihr wird deshalb durch jegliche Planungsänderung die Grundlage entzogen und nicht erst durch eine solche, die zur Beeinträchtigung nachbarlicher Belange geeignet ist (OVG Rheinland-Pfalz, aaO.).
Im Falle der Verwirkung, die einen Unterfall des venire contra factum proprium bildet (s. BVerwG, Beschluss vom 12. 1. 2004, NVwZ-RR 2004, 314), fehlt es hingegen an einer nachbarlichen Willenserklärung, die auf einer das gesamte Bauvorhaben umfassenden Geschäftsgrundlage beruht. Vielmehr richtet sich hier die Reichweite des Vertrauensschutzes allein danach, inwieweit eine Geltendmachung nachbarlicher Abwehrrechte nach Änderung des geduldeten Baubestandes einen treuwidrigen Widerspruch zum bisherigen Verhalten des Nachbarn darstellen würde. Die Verwirkungsrelevanz des mangelnden Vorgehens gegen ein nachbarrechtswidriges Bauvorhaben knüpft aber nicht an die – vom Nachbarn häufig gar nicht zu erlangende - detaillierte Kenntnis des gesamten Bauvorhabens, sondern lediglich an die Erkennbarkeit der nachbarlichen Beeinträchtigung an (s. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. 6. 1999 - 1 A 12573/98.OVG – ESOVGRP für die Verwirkung der Widerspruchbefugnis). Tritt diese ein, ohne dass der Nachbar hierauf innerhalb angemessener Zeit reagiert, so kann der Bauherr darauf vertrauen, dass der Nachbar die erkennbar gewordene Beeinträchtigung ungeachtet der Ausgestaltung des Vorhabens im Übrigen hinnehmen wird. Ist daher nicht das Bauvorhaben als Ganzes, sondern lediglich der Umfang der nachbarlichen Beeinträchtigung “Geschäftsgrundlage“ der Verwirkung, so bleibt diese von Änderungen des Bauvorhabens, die die nachbarliche Beeinträchtigung nicht intensivieren, unberührt.
Vorliegend haben die Beigeladenen durch den Umbau der westlichen Dachhälfte ihr nachbarrechtswidriges Vorhaben indessen in einer Weise geändert, die die von der Unterschreitung der Abstandsfläche ausgehende Beeinträchtigung rechtlich geschützter Belange der Kl. verschärft und daher von der bisherigen Verwirkung der nachbarlichen Abwehrrechte insoweit unberührt bleibt. Dies folgt schon daraus, dass der Einbau zusätzlicher Fenster in Gaube und Treppenhausaufbau im Vergleich zu den drei bisher vorhandenen Dachfenstern (s. Westansicht – alt – in der Anlage zum Bauantrag vom 16. 5. 2000) die Einblicksmöglichkeiten auf das Grundstück der Kl. quantitativ und qualitativ verbessert und damit den von § 8 LBauO auch geschützten Belang des Wohnfriedens (s. z.B. Senatsbeschluss vom 08. 6. 2001 – 8 B 10855/01.OVG -, ESOVGRP) stärker berührt.
Die verstärkte Beeinträchtigung nachbarlicher Belange ist im Hinblick auf die Verwirkung entgegen der Auffassung der Beigeladenen auch nicht deshalb unbeachtlich, weil der Einbau der Dachgaube wegen einer vorhandenen Dachneigung von mehr als 45 Grad (s. dazu § 8 IV Satz 5 Nr. 2a LBauO) ungeachtet der Gaubenbreite nicht gem. § 8 IV Satz 5 Nr. 2b LBauO zu einer Vergrößerung der an sich erforderlichen Abstandsfläche führen kann (s. dazu schon den Senatsbeschluss vom 13. 3. 2002, aaO. S. 4). Zwar sind nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (s. z.B. Urteil vom 25. 11. 1993 – 1 A 10793/93.OVG – sowie Beschluss vom 19. 11. 1996 – 1 B 12937/96.OVG; beide ESOVGRP) Änderungen an einem genehmigten, gegen die Abstandsvorschriften verstoßenden Bauwerk dann zulässig und vom Nachbarn hinzunehmen, wenn sie die für die Abstandsberechnung nach § 8 LBauO maßgebenden Faktoren nicht zum Nachteil des Nachbarn verändern.
Diese, die Reichweite des Bestandsschutzes betreffenden Grundsätze können jedoch nicht auf den Umfang einer bloßen Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte gegen ein nicht bestandsgeschütztes Vorhaben übertragen werden. Denn die Feststellungswirkung einer bestandskräftigen Baugenehmigung führt – anders als die Verwirkung von Abwehrrechten gegen ungenehmigte Vorhaben – dazu, dass die materielle Legalität des Bauvorhabens behördlicherseits nicht mehr in Frage gestellt werden darf (s. Ortloff: “Inhalt und Bindungswirkungen der Baugenehmigung“, NJW 1987, 1665, 1670). Das genehmigte Vorhaben gilt daher als legal. Die Zulässigkeitsbeurteilung von Änderungen kann deshalb nicht an die Nachbarrechtswidrigkeit des genehmigten Bestandes und eine bloße Intensivierung von deren Auswirkungen anknüpfen, sondern muss auf selbständige Rechtsverstöße der Änderung abstellen. Im Unterschied dazu sind ungenehmigte, nachbarrechtswidrige Vorhaben grundsätzlich nicht davor geschützt, behördlicherseits als illegal behandelt zu werden. Im Falle einer Verwirkung nachbarrechtlicher Abwehransprüche durch Untätigkeit des Nachbarn kann der Bauherr lediglich darauf vertrauen, dass dieser die Bauaufsichtsbehörde nicht zwingen kann, gegen die vom vorhandenen Bestand ausgehenden Beeinträchtigungen seiner Belange vorzugehen. Ändert sich hingegen das Ausmaß dieser Beeinträchtigung, entfällt insoweit auch der Vertrauensschutz, ohne dass es darauf ankommt, ob die Änderung einen zusätzlichen, eigenständigen Rechtsverstoß bewirkt.
Konnten daher die Beigeladenen angesichts der ungenehmigten Änderung der westlichen Dachhälfte ihres Hauses nach Treu und Glauben nicht mehr davon ausgehen, dass die Kl. in Zukunft den geänderten illegalen Baubestand innerhalb des Bauwichs hinnehmen werde, so steht jedenfalls einem Beseitigungsverlangen in dem von der Kl. geltend gemachten Umfang nicht der Einwand der Verwirkung entgegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 II VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten aus §§ 167 VwGO, 708ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe nach § 132 II VwGO nicht gegeben sind.
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