Beseitigungsanspruch wegen wesentlicher Beeinträchtigung durch Vogelgeräusche
Gericht
AG Bremen
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
10. 05. 2004
Aktenzeichen
22 C 0227/03
Der Bekl. wird verurteilt, die Vögel aus der Voliere im Garten des von ihm genutzten Grundstücks (Insterburger Str. 13, 28207 Bremen) zu entfernen.
Der Bekl. trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 3.200,-- vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Kl. verlangen die Entfernung von Sittichen aus einer Voliere im Garten des Bekl..
Die Parteien sind Nachbarn. Die beiden Grundstücke befinden sich im Gewerbegebiet ...... in Bremen und grenzen unmittelbar an die Bahnlinie nach Hannover. Im Verlaufe des Jahres 2002 oder Anfang des Jahres 2003 begann der Bekl. mit der Aufzucht von Sittichen. Im März 2003 baute er zu diesem Zweck eine Voliere im Garten, an der Grenze zum Grundstück der Kl. ca. 2 m von der Terrasse der Kl. entfernt abgetrennt durch einen Holzsichtschutzzaun. Die Voliere besteht aus einem offenen und einem geschlossenen Teil. Darin hielt er zunächst 10 Wellensittiche, 2 Ziegensittiche (die ziegenähnliche Laute von sich geben) und 9 Nymphensittiche. Nachdem die Kl. sich wegen des Lärms beschwert und ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung angestrengt hatten, nahm der Bekl. die Nymphensittiche aus der Voliere heraus. Diese befinden sich nicht mehr auf dem Grundstück des Bekl..
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (AG Bremen, Gesch.-Nr. 22 C 0132/03) war dem Bekl. aufgegeben worden, die Vögel nicht länger als eines Stunde täglich ausserhalb des geschlossenen Teils der Voliere zu halten. Der Bekl. hat daraufhin den Antrag nach § 926 Abs.1 ZPO gestellt.
Die Kl. behaupten, die Vögel machten in der Zeit von morgens 4.00 Uhr bis abends 21.00 Uhr, teilweise auch länger, nur mit geringfügigen Unterbrechungen Lärm. Die Geräuschbelästigung seien nicht nur im Garten und auf der Terrasse sondern – bei offenen Fenstern – auch im Haus der Kl. zu hören. Wegen der permanenten Vogelgeräusche seien die Kl. in ihrer (nächtlichen) Ruhe und Konzentrationsfähigkeit gestört, was zu erheblichen psychischen Beeinträchtigungen geführt habe.
Die Kl. haben zunächst einen der Entscheidung im Verfahren auf Erlass der einstweiligen Verfügung entsprechenden Antrag gestellt. Sodann haben sie beantragt, die Voliere zu entfernen.
Die Kl. beantragen nunmehr,
den Bekl. zu verurteilen, die Vögel aus der Voliere im Garten des Hauses ....... zu entfernen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, die Vögel machten nicht ununterbrochen Lärm, es gäbe auch längere Ruhephasen. Die Geräusche gingen nicht über diejenigen der freilebenden Vögel hinaus. Die Tiere machten allerdings dann Geräusche, wenn – was gelegentlich vorkomme - von Seiten der Kl. mit Holzlatten oder Steinen auf die Voliere gehauen wird. Anfang 2003 sei der Kl. zu 1) mit einer fahrbaren Voliere einverstanden gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Kl. vom 12.9.2003 nebst Anlage (Bl.1 ff. d.A.), vom 28.11.2003 (Bl.17 ff. d.A.) sowie vom 31.3.2004 (Bl.57 f. d.A.) und des Bekl. vom 20.10.2003 (Bl.10 ff. d.A.), vom 6.1.2004 (Bl.30 ff. d.A.), vom 17.2.2004 (Bl.42 d.A.) sowie vom 14.4.2004 (Bl.60 f. d.A.) ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben duch Einnahme des Augenscheins und durch Anhörung einer Sachverständigen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 16.3.2004 (Bl.50 ff. d.A.) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist mit dem jetzt gestellten Antrag begründet.
Die Kl. haben gem. §§ 1004, 903, 906 BGB einen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung durch die Vogelgeräusche, dies ist nur durch die Entfernung der Vögel zu erreichen.
Dass die Vogelgeräusche auf dem Nachbargrundstück der Kl. zu hören sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Nach der Beweisaufnahme ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass es sich dabei nur um unwesentliche Beeinträchtigungen i. S. v. § 906 Abs.1 S.1 BGB handelt. Bei der Augenscheinseinnahme waren von der Terrasse der Kl. aus in unregelmäßigem Abstand deutliche Zwitschergeräusche (nicht Vogelgesang) durch die Wellensittiche zu hören. Die Ziegensittiche sind während der Augenscheinseinnahme (die ca. 45 – 60 Minuten gedauert hat) geräuschlos geblieben. Die Sachverständige hat dazu angegeben, dass die Vögel unterschiedliche Zeiten der Lautaktivitäten haben, dass diese insbesondere mit länger andauernden Tageshelligkeit auch länger andauern. Der Zustand der Vögel am Tag der Beweiserhebung sei normal gewesen.
Nach Ansicht des Gerichts kommt es nicht auf eine gemessene Phonezahl an, sondern darauf, dass die Vögel quasi permanent – wenn auch unterschiedlich häufig – und plötzlich Laute von sich geben. Im Gegensatz zu den frei aufwachsenden Vögeln, die sich überwiegend in den Bäumen in erheblicher Höhe aufhalten, befinden sich die Vögel des Bekl. praktisch direkt neben der Terrasse der Kl. und damit in unmittelbarer Nähe zu dessen Wohngebäude.
Auf den Hinweis des Bekl., dass bei dem Begriff der Wesentlichkeit auch auf das allgemeine Toleranzgebot abzustellen sei, kommt es in diesem Zusammenhang nicht entscheidend an. Im vorliegenden Fall stehen sich nicht private und öffentliche bzw. soziale Interessen gegenüber, sondern ausschließlich zwei private Interessen, nämlich der Eigentumsschutz bzw. die Ruhebedürftigkeit der Kl. einerseits und die Handlungsfreiheit bzw. das Vogelzuchtinteresse des Bekl.. Dabei kommt es allein auf die Frage an, ob der Bekl. mit seinem Verhalten das Eigentumsrecht der Kl. nur unerheblich beeinträchtigt, das ist nach Ansicht des Gerichts aus den genannten Gründen nicht der Fall.
Die Kl. müssen die Einwirkung der Geräusche auf ihr Grundstück auch nicht etwa deswegen dulden, weil es sich dabei um eine ortsübliche Benutzung des Nachbargrundstücks handelt. Weitere Vogelvolieren oder Tierzuchten befinden sich in der Nachbarschaft nicht. Allerdings wohnen die Parteien in einem Gewerbegebiet, angrenzend an eine Bahnlinie. Der Charakter der dadurch verursachten Geräusche liegt jedoch darin, dass sie zeitlich beschränkt sind, während die Vögel permanent Laute von sich geben. In dem Gewerbegebiet befindet sich auch nicht etwa mit erheblichen Geräuschen verbundenes produzierendes Gewerbe, sondern eher handelndes Gewerbe. Die gewerblichen Tätigkeiten sind zudem auf den Arbeitstag und die Arbeitswoche beschränkt. Ausserhalb dieser Zeiten sind dadurch keine Geräuschbelästigungen vorhanden. Bei den von der Bahn verursachten Geräuschen handelt es sich um seltene kurze Beinträchtigungen. Bei dem Ortstermin an einem Wochentag vormittags, hoben sich die durch die Vögel verursachten Geräusche deutlich von denjenigen der umliegenden Grundstücke und auch der Straßen (......) ab, zumal die Gärten der Parteien nach hinten liegen. Der Zugverkehr war dagegen deutlich zu hören, aber eben nur ein- oder zweimal jedenfalls mit hinreichenden Ruhepausen dazwischen.
Schließlich kann sich der Bekl. auch nicht auf eine Einwilligung der Kl. berufen. Der Vortrag zu der möglicherweise gegeben Einwilligung ist unsubstantiiert, weil schon gar nicht erkennbar ist, wann der Bekl. sein Einverständnis erklärt haben soll. Entscheidend ist aber, dass es sich dabei um eine fahrbahre Voliere gehandelt haben soll, die auch – im falle übermäßiger Beeinträchtigung - wieder in das Haus des Bekl. hereingeholt werden konnte. Im übrigen ist auch nicht erkennbar, wie viele Vögel der Bekl. damals hielt, in die Haltung welcher Zahl von Vögeln der Kl. zu 1) damals eingewilligt haben soll.
Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 91 Abs.1, 92 Abs.2 Nr.1 ZPO. Sollte in der Änderung des Antrags der Kl. von der Entfernung der Voliere zur Entfernung der Vögel aus der Voliere überhaupt eine teilweise Klagrücknahme zu sehen sein, so wäre diese im Hinblick auf die Kosten des Verfahrens verhältnismäßig geringfügig, weil es den Kl. von Anfang an um die Beendigung der Vogelgeräusche und nicht um die Beseitigung der Voliere ging.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff.11, 709 ZPO.
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