Gegendarstellung: Frühere pauschale Äußerungen als Vergleichsmaßstab

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

31. 01. 2007


Aktenzeichen

9 O 22168/06


Tenor

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Verfügungsklägerin.

  3. Das urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung abwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Verfügungsbeklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Verfügungsklägerin macht gegen die Verfügungsbeklagte einen presserechtlichen Gegendarstellungsanspruch geltend.

Im Heft Nr. ..., dessen Verlegerin die Verfügungsbeklagte ist, erschien unter der Überschrift ... der streitgegenständliche Artikel, der sich mit der Verfügungsklägerin und deren Vorsitzenden ... beschäftigt. Neben einem Bild ... heißt es:

"Auf Talfahrt
Aktuell hat die ... nur noch knapp 37.000 Mitglieder - etwa 3.000 weniger als vor ... Antritt."

In dem Artikel heißt es weiter:

"Ohne Widerstand von ... hatte ... zunächst die ... ihrer Selbständigkeit beraubt und anschließend die bis dahin eigenständige ... angedockt. Daraufhin schmähten ... ihre ... als ,Papiertiger'. Zerknirscht räumt der Gescholtene gegenüber ... ein: ,Wir haben uns offensichtlich von der Basis zu weit entfernt'. Die teils sehr persönlichen Angriffe treffen den ...: ‚So ein Jahr, wie ich es erlebe, wünsche ich niemandem.’"

Nach mehrfacher Zuleitung verschiedener Gegendarstellungen, deren Abdrucke die Verfügungsbeklagte stets abgelehnt hat, beantragte die Verfügungsklägerin zunächst unter dem 11.12.2006, der Verfügungsbeklagten den Abdruck folgender Gegendarstellung aufzuerlegen:

Gegendarstellung

In dem ...

Hilfsweise:

Gegendarstellung:

In dem Magazin ...

Angekündigt mit Schriftsatz vom 5.1.2007 beantragt die Verfügungsklägerin nunmehr zuletzt:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe ... im gleichen Teil der Zeitschrift, in dem der Artikel ... erschienen ist und mit gleicher Schrift wie die Erstmitteilung unter Hervorhebung des Wortes Gegendarstellung als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße ohne Einschaltungen und Weglassungen die nachfolgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung:

In dem Magazin ... werden im Hinblick auf den ... in dem Artikel ... unrichtige Behauptungen verbreitet, die wir wie folgt richtig stellen.

  1. Der Artikel behauptet, der ... habe aktuell etwa 3.000 Mitglieder weniger als vor Amtsantritt des ...

    Dies ist falsch. Vom Amtsantritt Herrn ... im September 2005 bis November 2006 hat die ... 1.118 Mitglieder verloren.

  2. Weiter wird behauptet:

    "Ohne Widerstand von ... hatte ... zunächst die Präsidien ... ihrer Selbständigkeit beraubt und anschließend die bis dahin eigenständige ... am Präsidium ... angedockt."

    Dies entspricht nicht den Tatsachen. Richtig ist vielmehr, dass der ... als Berufsvertretung gegen die Pläne mit ... Aktionen, öffentlichen Erklärungen und politischen Gesprächen Widerstand geleistet hat. ... hat als ..., z.B. an einer außerordentlichen Personalversammlung der ... diese Pläne kritisiert und sich dafür ausgesprochen, an der bestehenden Struktur festzuhalten.

    Ferner hat der ... gegen diese Vorhaben eine Demonstration mit mehr als 2.000 Teilnehmern veranstaltet. Im Frühjahr 2006 hat der ... Demonstrationen und Flugblattaktionen an den Autobahnzubringern in ... gegen die ... durchgeführt.

  3. Der Artikel behauptet ferner, Herr ... habe mehrere Aufsichtsrats- und Geschäftsführerposten.

    Diese Behauptung ist falsch. Wie seine beiden Vorgänger ist Herr ... Geschäftsführer der ... . Einen weiteren Posten als Geschäftsführer oder Aufsichtsrat hat er nicht inne.

  4. Der Artikel zitiert Herrn ... mit den Worten: "Wir haben uns offensichtlich von der Basis zu weit entfernt."

    Dieses Zitat ist falsch. Vielmehr hat er geäußert: "Wir haben uns in der Vergangenheit offensichtlich in einigen Fragen von der Basis zu weit entfernt." Die Äußerung bezieht sich daher auf einen bereits zurückliegenden Zeitraum.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte meint, der begehrte Gegendarstellungsanspruch sei in Ziffer 1. von Rechts wegen nicht gegeben, weil sich die Verfügungsklägerin zu ihren eigenen Verlautbarungen in Widerspruch setze. In ihrem eigenen Internet-Auftritt habe sie unter anderem die Grundsatzrede zur Amtseinführung des Herrn ... veröffentlicht, in der es heiße, er habe "die Aufgaben übernommen, eine Gewerkschaft mit immerhin knapp 40.000 Mitgliedern zu führen". Aus der von der Verfügungsklägerin selbst vorgelegten Anlage AST 9 ergebe sich weiter, dass der Mitgliederbestand zum 10.11.2006 nurmehr 37.043 Mitglieder betragen habe. Unter Zugrundelegung dieser Zahlen dürfe berichtet werden, dass die Verfügungsklägerin im relevanten Zeitraum etwa 3.000 Mitglieder verloren habe.

Bezüglich der von Ziffer 2. der begehrten Gegendarstellung umfassten Berichterstattung sei die Verfügungsklägerin selbst nicht unmittelbar betroffen, sondern nur deren Vorsitzender. Zwar sei grundsätzlich anerkannt, dass die Berichterstattung über einen prominenten Repräsentanten regelmäßig auch auf den von ihm vertretenen Verband, das Unternehmen oder die Körperschaft zurückfällt, was dann auch zu einer unmittelbaren Betroffenheit derer selbst führe. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch anders, weil die Repräsentanten ... in der streitgegenständlichen Berichterstattung gerade vom Landesverband der ... abgegrenzt und beide zum Gegenstand einer letztlich widerstreitenden Berichterstattung gemacht würden.

Zu Ziffer 4. der begehrten Gegendarstellung sei ein rechtliches Interesse nicht erkennbar.

Die Verfügungsklägerin tritt dem entgegen. Bezüglich Ziffer 1. bestreite sie die Authentizität des als Anlage AG 5 vorgelegten Internetauszugs.

Hinsichtlich Ziffer 2. sei sehr wohl auch die Verfügungsklägerin berührt, wenn über ihren Vorsitzenden berichtet werde.

Hinsichtlich Ziffer 4. stimme das Zitat nicht mit den tatsächlichen Äußerungen des Herrn ... überein, weshalb es der Gegendarstellung bedürfe.

Es wird verwiesen auf das Sitzungsprotokoll vom 31.1.2007. Ferner wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere die streitgegenständliche Berichterstattung sowie die Anlage AST 9 und AG 5 sowie sämtliche sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen, weil der Verfügungsklägerin der begehrte Gegendarstellungsanspruch nach Art. 10 Bayerisches Pressegesetz nicht zusteht.

1. Die begehrte Gegendarstellung scheitert bereits in ihrer Ziffer 1.

a) Bei der Frage der Mitgliederentwicklung seit Amtsantritt des Vorsitzenden ... der Verfügungsklägerin handelt es sich grundsätzlich um eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung.

b) Im vorliegenden Fall kommt der Verfügungsklägerin indessen kein Rechtsschutzbedürfnis zu, da sie sich durch die Gegendarstellung in Widerspruch zu ihren eigenen Verlautbarungen setzt. Aus der Anlage AG 5, deren Authentizität vom Verfügungsbeklagtenvertreter zur Anwaltsehre versichert wurde und aus deren äußerlicher Beschaffenheit sich keinerlei Zweifel bezüglich ihrer Echtheit auftun, ergibt sich, dass der Vorsitzende der Verfügungsklägerin ... in seiner Grundsatzrede zum Amtsantritt geäußert habe, "eine ... mit immerhin knapp 40.000 Mitgliedern zu führen". Aus der von der Verfügungsklägerin vorgelegten Anlage AST 9 ergibt sich weiter, dass die Verfügungsklägerin zum 10.11.2006 und damit zeitnah zur streitgegenständlichen Berichterstattung (noch) 37.043 Mitglieder hatte. Dies sind jedoch in der Tat etwa 3.000 Mitglieder weniger als zum Zeitpunkt des Amtsantritts des Vorsitzenden der Verfügungsklägerin.

c) Schon aus diesem Grunde war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, da das Gericht im Gegendarstellungsverfahren die beantragte Gegendarstellung nur entweder voll umfänglich oder gar nicht zusprechen kann ("Alles oder Nichts-Prinzip"). Anders wäre dies nur, wenn die Verfügungsklägerin eine genau bestimmte Kürzungsermächtigung vorgelegt hätte; dem war jedoch nicht so.

2. Die Kammer hält darüber hinaus dafür, dass ein Anspruch auf Abdruck der Gegendarstellung auch in Ziffer 2. nicht begründet wäre und die Rechtsprechung, der zufolge die Berichterstattung über einen Repräsentanten regelmäßig auch auf die von ihm repräsentierte Körperschaft zurückfällt und diese selbst damit (unmittelbar) betroffen ist, im vorliegenden Fall nicht verfängt. Der streitgegenständliche Artikel befasst sich nicht etwa nur mit der Verfügungsklägerin oder nur mit deren Vorsitzenden oder beiden in ihrem gemeinsamen Wirken; vielmehr will der Artikel gerade Gegensätze zwischen der Führungsebene einerseits und der Basis bzw. dem Rest des Verbandes andererseits aufzeigen. Es geht im Artikel also gerade erkennbar darum, das Funktionärshandeln als Gegensatz zu den Wünschen der Repräsentierten darzustellen, so dass es am Vorsitzenden der Verfügungsklägerin selbst gewesen wäre, den behaupteten Gegendarstellungsanspruch auf dem Rechtswege zu verfolgen, da nach Auffassung der Kammer nur er durch die fragliche Passage der streitgegenständlichen Berichterstattung unmittelbar betroffen ist und die Berichterstattung insoweit gerade nicht auf die Verfügungsklägerin als solche zurückfällt.

3. Die Kammer vermag schließlich kein Rechtsschutzinteresse an Ziffer 4. der begehrten Gegendarstellung zu erkennen. Zwar ist richtig, dass ein Zitat regelmäßig wörtlich wiederzugeben ist. Zum einen jedoch ist die behauptete Abweichung im Rahmen der streitgegenständlichen Berichterstattung nach Auffassung der Kammer derart marginal, dass ein rechtliches Interesse an einer Gegendarstellung fraglich erscheint. Jedenfalls. aber besteht - ginge es der Verfügungsklägerin ausschließlich um die "Richtigstellung" - kein Anspruch auf den erläuternden Zusatz in Satz 3 der Entgegnung. Denn mit diesem Zusatz wird nicht auf die behauptete unkorrekte Wiedergabe des Zitats in der Erstmitteilung entgegnet, der Zusatz ist daher nicht erforderlich im Sinne des Art. 10 Bayerisches Pressegesetz.

Nach alledem war der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.


II.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.


III.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.


Dr. Steiner
Vors. Richter
am Landgericht

Dr. Sonnabend
Richterin

Schütz
Richter
am Landgericht

Rechtsgebiete

Presserecht