Keine Detailprüfung bei eklatant irreführender Werbung erforderlich
Gericht
LG Bonn
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
04. 10. 2006
Aktenzeichen
16 0 80/05
Auszüge aus dem Sachverhalt:
... Die Beklagte ist Herausgeberin der Zeitschrift "N.". Für den Bezug dieser Zeitschrift warb die Beklagte durch Versenden eines von einer Frau K. verfassten Werbeschreibens. Gerichtet war das Werbeschreiben auf den Abschluss eines Abonnementvertrages, wobei die ersten 50 Einsender zusätzlich zu einer Entspannungs-CD eine neuartige Augen-Massage-Brille erhalten sollten. Diese Augen-Massage-Brille wurde in einem dem Werbeschreiben mitversandten Werbeflyer "So stärken Sie mit einer einfachen Augenmassage Ihr Sehvermögen!" beworben. ...
Dementsprechend beantragt der Kläger, der Beklagten wird untersagt,
im geschäftlichen Verkehr gegenüber Verbrauchern für den Bezug von Zeitschriften, insbesondere der Zeitschrift
"N. - Aktuelle Informationen aus der Naturheilkunde",
zu werben mit Angaben, wonach im Falle des Abschlusses eines Abonnementvertrages als Zugabe eine Augen-Massage-Brille gegeben wird, wenn dies geschieht wie folgt:
1. "So stärken Sie mit einer einfachen Augenmassage Ihr Sehvermögen!",
2. "Praktisch alle Teile Ihrer Augen können erkranken. Neben einer angeborenen Neigung zu bestimmten Erkrankungen können Stress und Überarbeitung sowie weitere Risikofaktoren Ihre Augen schädigen. Welche das sind und wie sie sich vor einer Einschränkung Ihres Sehvermögens rechtzeitig schützen, lesen Sie hier"
und/oder
"Krankheiten wie Diabetes oder Bluthochdruck sind eine Bedrohung für unsere Augen, aber meistens kommen bei schweren Augenerkrankungen gleich mehrere Faktoren zusammen"
und/oder
"Zu den häufigsten Risikofaktoren für Augenschäden zählen:
wenn vorstehende Angaben erfolgen mit der Angabe:
"Zur Behandlung und Vorbeugung stellt Ihnen die Naturheilkunde eine große Palette an wirksamen Möglichkeiten zur Verfügung. Neben (...) hilft oft schon eine allgemeine Entspannung wie zum Beispiel eine einfache Augenmassage"
und/oder
"Dafür gibt es jetzt eine neuartige Massagebrille (...)",
3. "Diese Brille (...) verbessert die Sehkraft"
und/oder
"beugt Tränensäcken"
und/oder
"...Augenringen vor",
4. "Täglich 5 Minuten reichen, um die Sehkraft zu verbessern"
und/oder
"...Falten"
und/oder
"... Tränensäcke sichtbar zu reduzieren!",
5. "Dank der gezielten Akupunkturmassage der Schläfen und anderer Gehirnakupunktur verbessert sich die Durchblutung des Gewebes und die Nerven im Auge werden stimuliert."
6. "Augenringe werden verschwinden",
7. "Sogar Tränensäcke"
und/oder
"... Krähenfüße bilden sich zurück",
8. "Sie können schon mit 2 x 3 Minuten täglich eine deutliche Verbesserung der Gehirn- und Sehleistung erreichen..."
und/oder
"... Ihre Konzentrationsfähigkeit erhöhen"
und/oder
"... Augenringen"
und/oder
"... Tränensäcken"
und/oder
"Fältchen vorbeugen",
9. "Benutzen Sie das Gerät bei ... Schwindelgefühl"
und/oder
"... Kopfschmerzen, z. B. wenn Sie lange auf einen Fernsehbildschirm geschaut haben",
10. "Die Massagebrille eignet sich auch für Menschen mit leicht verstopfenden Tränenkanälen"
und/oder
für Personen, die zu Linsenerhärtung neigen".
Die Beklagte ist der Auffassung, ...
Im Übrigen verteidigt die Beklagte die angegriffene Werbung sowie die Wirkung der Augen-Massage-Brille im Einzelnen.
Auszüge aus den Gründen:
... Die Klage hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg.
Die Werbung der Beklagten für die von der Streithelferin produzierte Augen-Massage-Brille ist in so eklatanter Weise irreführend, dass sie in vollem Umfang zu untersagen war, ohne dass es hier auf die nähere Aufklärung des Wahrheitsgehaltes einzelner Formulierungen dieser Werbeaussage angekommen wäre.
Aufgrund der reißerischen Anpreisung die "neuartige Massagebrille ... verbessere die Sehkraft", handelt es sich nach Auffassung der Kammer vorliegend um eine Werbung für ein Heilmittel i.S.v. § 1 I Nr. 2 HWG, für deren Inhalt die Beklagte unabhängig von den Anpreisungen der Herstellerin in vollem Umfang allein verantwortlich ist. Insoweit ist nämlich nach überwiegender Auffassung (vgl. hierzu im Einzelnen Fezer/Reinhart, Wettbewerbsrecht, zu § 4-84, Rdnr. 368) entscheidend auf die Werbeaussage selbst abzustellen, die unter Umständen ein Mittel oder einen Gegenstand erst zu einem Heilmittel i.S.v. § 1 I Nr. 2 HWG macht. Zudem liegt eine Irreführung nach § 5 UWG vor. Insoweit ist anerkannt, dass eine Irreführung im Fall wirkungsbezogener Angaben immer dann vorliegt, wenn eine konkrete Wirkung nach Auffassung des angesprochenen Verkehrs behauptet wird, die dem Produkt tatsächlich nicht zukommt. Der Inhalt einer Wirkungsaussage wird dabei nach dem Maßstab des situationsadäquat aufmerksamen und umsichtigen Durchschnittsverbrauchers ermittelt (Fezer/Pfeifer, a.a.O., § 5, Rdnr. 300 f.). Dabei ist bei gesundheitsbezogenen Wirkungsaussagen ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Wer seinem Produkt gesundheitsfördernde Wirkung beimisst, führt bereits irre, wenn die behauptete Wirkung nach wissenschaftlicher Erkenntnis umstritten ist und eine wissenschaftliche Absicherung der Aussage nicht erbracht werden kann (vgl. etwa BGH GRUR, 2002, 273 ff.).
So liegt der Fall hier. Nach Auffassung der Kammer ergibt sich dies - ohne dass es hier einer weiteren Aufklärung bedurft hätte - bereits aus der Stellungnahme der Streithelferin, die sich in weitem Umfang ausdrücklich von den Werbeaussagen der Beklagten distanziert hat. So stellt sie etwa ausdrücklich klar, dass ihr Produkt (lediglich) der "Unterstützung der Sehkraft" diene, da "durch die rein entspannende Wirkung im Bereich der Augen allgemein ein verbessertes Wohlbefinden erreicht werden" könne. Soweit die Herstellerin sich hinsichtlich ihrer Darstellung der - eingeschränkten - Wirkung ihres Produktes im Übrigen auf die ärztlichen Gutachten von Dr. Dr. M. und Dr. R. bezieht, ergibt sich schon aus den insoweit vorgelegten Unterlagen, dass die zugrunde liegenden Untersuchungen "keinen wissenschaftlichen Aufbau hatten und damit keine statistisch aussagekräftigen Behauptungen daraus abgeleitet werden können" bzw. sich ausschließlich mit der (bei weitem eingeschränkteren) Werbeaussage der Streithelferin befassen (vgl. Einleitung im Gutachten Dr. R. vom 03.05.2006).
Sie sind daher zum Nachweis der von der Beklagten behaupteten Wirkung (Verbesserung der Sehleistung) schlicht unzureichend. Da diese - auch im Übrigen - weit über die vom Hersteller angegebene Wirkung hinaus gehen soll, hätte es - worauf die Kammer in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hingewiesen hat - der Beklagten oblegen, diese Auswirkung im Einzelnen substantiiert näher darzulegen. Allein der Antrag, insoweit ein Sachverständigengutachten einzuholen, ist unzureichend.
Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, es handele sich vorliegend lediglich um eine unerhebliche Beeinträchtigung, da sie die Augen-Massage-Brille lediglich für die ersten 50 Einsender als kostenfreie Zugabe versprochen habe.
Insoweit entspricht es vielmehr gefestigter Rechtsprechung, dass insbesondere dann, wenn besonders geschützte Rechtsgüter der Verbraucher von hohem Rang (z.B. Gesundheit) auf dem Spiel stehen, regelmäßig von einer Erheblichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung zum Nachteil der Verbraucher auszugehen ist (vgl. dazu nur Baumbach/Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 3 UWG, Rdnr. 57, m.w.N.). Dies gilt in besonderem Maße hier, wo mit der Werbung für den Bezug der Zeitschrift "N." geworben wird. In diesem sensiblen Bereich sind besonders strenge Anforderungen an den Wahrheitsgehalt der Werbung zu legen.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass die reißerische Anpreisung eines solchen in seinem Wirkungsbereich völlig unbewiesenen Produktes in Gänze zu verbieten ist. Sie hält es insoweit aus Rechtsgründen nicht für erforderlich, sich mit einzelnen Werbeaussagen im Detail auseinander zu setzen und ist vielmehr der Meinung, dass diese Werbung in der vorliegenden Art und Weise schlicht unzulässig ist.
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