Überbau, Zustimmung zu Erweiterungsbau durch Rechtsvorgänger
Gericht
OLG Bamberg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
03. 02. 2004
Aktenzeichen
5 U 181/03
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 17. Juli 2003 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zutragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger, können die Vollstreckung seitens des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000,-- EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Kläger verlangen vom Beklagten die Beseitigung eines auf seinen Grundstück unter Nichteinhaltung der baurechtlichen Abstandsflächen errichteten Wohnhauserweiterungsbaus.
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in .... Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks F1.-Nr. ... mit dem Hausanwesen .... Die Kläger sind Miteigentümer zu je 1/2 des westlich benachbarten Grundstücks Fl. -Nr. ... mit dem Hausanwesen .... Die Eingänge der beiden Wohnanwesen und der aus den Freiflächen der beiden Grundstücke gebildete Hofraum sind über einen gemeinsamen Durchgang an der straßenseitig ununterbrochenen Häuserfront erreichbar. Die gemeinsame Grundstücksgrenze verläuft etwa im rechten Winkel zur Straße auf dem genannten Durchgang und über den Hofraum nach Süden. Die vorbestehende Bebauung beider Grundstücke weist jeweils ein Erd-, ein Obergeschoß und ein Satteldach auf. Das Wohngebäude auf dem Grundstück Fl. -Nr. ... setzt sich parallel zur gemeinsamen Grundstücksgrenze nach Süden fort. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse wird auf die bei den Akten befindlichen Pläne und Karten (Bl. 60 d.A. Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.12.2003, Bl. 114 ff. d.A., Anlage zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 2.1.2004, Bl. 118 ff. d.A.) und Lichtbilder (zu Bl. 61 d.A., Anlage zum Protokoll vom 13.1.2004, Bl. 132 ff. d.A.) verwiesen.
Vormaliger Eigentümer des Grundstücks. F1.-Nr. ... war .... Mit Zustimmung seiner Ehefrau ... verkaufte er das Grundstück am 19.8.1994 zur Urkunde des Notars ... in ..., Urkundenrollennummer ..., für 180.000,-- DM an die Kläger. Wegen des weiteren Inhalts der Urkunde wird auf diese Bezug genommen (Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 22.12.2003). Die Auflassung an die Kläger wurde, nachdem der Kaufpreis Ende Februar 1995 gezahlt worden war, am 14.3.1995 im Grundbuch eingetragen. Die Kläger nahmen das Anwesen im März 1995 in Besitz.
Der Beklagte errichtete im Hofraum seines Grundstücks Fl.-Nr. ..., anschließend an die Südwand seines Altbaus, einen Wohnhauserweiterungsbau im Grundriß von. ca. 3,85 x 5,20 Meter, bestehend aus Kellergeschoß, Erdgeschoß, Obergeschoß und Flachdach. Im Kellergeschoß befindet sich eine Gaszentralheizungsanlage und im Erdgeschoß eine Küche. Der Erweiterungsbau hat einen Abstand zur gemeinsamen Grundstücksgrenzen zur F1.-Nr. ... von nur ca. 1 Meter. ... hatte dem Beklagten vor Baubeginn die Zustimmung zur Errichtung dieses Bauwerks erteilt, auch in schriftlicher Form. Zwischen den Parteien ist streitig, wann der Erweiterungsbau begonnen; ausgeführt und fertiggestellt wurde.
Eine öffentlich-rechtliche Baugenehmigung hatte der Beklagte nicht eingeholt. Erst im Jahre 2001, nachdem sich die Kläger wegen des Erweiterungsbaus an die Bauaufsichtsbehörde gewandt hatten, stellte der Beklagte nachträglich einen Bauantrag. Das Landratsamt Miltenberg - Dienststelle ... - hat eine Baugenehmigung nicht erteilt, weil die nach Art. 6 BayBO erforderliche Abstandsfläche nicht eingehalten ist. Von bauaufsichtlichen Maßnahmen gegen den Beklagten sah das Landratsamt gleichwohl ab(vgl. Schreiben des Landratsamtes Miltenberg vom 12.11.2001, Bl. 6 d.A.). Zur Veranschaulichung von Lage und Größe des Erweiterungsbaus wird auf den Eingabeplan vom 23.6.2001 verwiesen (Anlage zum Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.12.2003).
Im Juli 1993 beantragte der Beklagte bei der Gasversorgung Unterfranken GmbH einen Gashausanschluß für sein Anwesen; hierfür wurde ihm am 31.12.1993 eine Baukostenzuschußrechnung gestellt. Der Bezirkskaminkehrermeister ... bestätigte am 8.12.1995 schriftlich, dass vor der Installation der Gasfeuerstätte die Abstimmung mit ihm erfolgt sei (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 11.11.2003, Bl. 83 ff. d.A., Bl. 89 d.A.). Mit schriftlicher Bestellung vom 10.9.1994 kaufte der Beklagte zum Einbau in das Erdgeschoß des Erweiterungsbaues bei der Firma ... Einrichtungsmärkte eine Küchenzeile ... Eiche rustikal zum Gesamtpreis von 12.209,-- DM (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 11.11.2003, Bl. 90 d.A.). Mit Schreiben vom 16.1.1995 kündigte die Firma ... Einrichtungsmärkte dem Beklagten unter Bezugnahme auf den genannten Kaufvertrag und die Lieferung der Arbeitsplatte den Besuch eines Kundendienstspezialisten für den 25.1.1995 zur Behebung eines vom Beklagten reklamierten Schadens an (Anlage zum Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 8.1.2004, Bl. 124.ff. d.A.).
Am 13.12.1996 wurde hinsichtlich der Grundstücke F1.-Nr. ..., ... und ... der Gemarkung ... eine Grenzregelung gemäß §§ 80 ff. BauGB beschlossen. (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Klägervertreter vom 2.1.2004, Bl. 118 ff .d.A.).
Die Kläger haben in erster Instanz im wesentlichen vorgetragen:
Im Zeitpunkt des Erwerbs des Anwesens ... Fl. -Nr. ...) im Jahre 1994 sei der Erweiterungsbau des Beklagten (auf dem Grundstück Fl. Nr. ...) noch nicht vorhanden gewesen; damals sei noch keine Baumaßnahme im Hofraum des Nachbaranwesens ersichtlich gewesen. Erst im Sommer 1996 sei das Bauwerk begonnene und im Jahre 2000 fertiggestellt worden. Die Baumaßnahmen des Beklagten seien jeweils, zu der Zeit ausgeführt worden, als sie, die Kläger, sich mit ihren Familien in Urlaub in der Türkei befunden hätten. So sei im Sommer 1997 die "Erdgeschoßdecke" (gemeint ist ersichtlich die Kellergeschoßdecke bzw. der Erdgeschoßboden), fertiggestellt worden, im August/September1999 das Erdgeschoß aufgemauert und im August/September 2000 das Obergeschoß aufgemauert sowie das Flachdach und der gesamte Außenputz aufgebracht worden. 1996 und 1997 habe der Beklagte ihnen auf Frage erklärt, eine Baugenehmigung läge vor. Nach Errichtung des Erdgeschosses im Jahre 1999 hätte der Beklagte auf ihre Vorhaltungen erklärt, dass weitere Baumaßnahmen nicht erfolgen würden. Das Erdgeschoß sei damals innen bereits ausgebaut gewesen. In der Meinung es verbleibe bei dem erdgeschossigen Bau, wären sie, die Kläger, damals bereit gewesen, den Bau hinzunehmen. Der Beklagte habe jedoch weitergebaut. Durch den ohne Baugenehmigung und unter Nichteinhaltung der Abstandsflächen rechtswidrig errichteten Anbau, den sie nicht dulden müßten, werde ihr Eigentum erheblich und unzumutbar beeinträchtigt. Der Beklagte sei daher gemäß § 1004 Abs. 1 BGB beseitigungspflichtig.
Die Kläger haben daher beantragt,
Der Beklagte wird verurteilt, das ohne Baugenehmigung errichtete Anwesen zu beseitigen.
Der Beklagte hat beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte hat in erster Instanz im wesentlichen vorgetragen:
Er habe seinen Wohnhauserweiterungsbau in der Zeit von 1991 bis 1994 im Rohbau errichtet. Beim Erwerb des Nachbaranwesens durch die Kläger im Jahre 1994 sei der Rohbau einschließlich des Flachdachs bereits fertiggestellt gewesen und die Kläger seien vor dem Kauf durch Besichtigung über das Vorhandensein des Anbaus informiert gewesen. Die weiteten Ausbaumaßnahmen hätten auch nicht etwa während des Urlaubs der Kläger stattgefunden. Vielmehr hätten die Kläger, als der Anbau im Jahre 2000 verputzt worden sei, interessiert zugeschaut. Erst durch den rechtswidrigen Ausbau eines Balkons am Anwesen der Kläger durch diese hätten sie sich selbst den Licht- und Lufteinfall vermindert. Das Beseitigungsverlangen sei - abgesehen von der Genehmigung des Voreigentümers - jedenfalls rechtsmissbräuchlich, insbesondere verwirkt.
Das Landgericht Aschaffenburg hat eine Auskunft des Landratsamte Miltenberg - Dienststelle ... - vom 8.5.2003 erholt und einen Ortstermin durchgeführt. Auf das Schreiben des Landratsamts (Bl. 24 d.A.) und das Protokoll vom 5.6.2003. (Bl. 25 bis 27 d.A.) wird Bezug genommen.
Mit dem am 17.7.2003 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten antragsgemäß zur Beseitigung verurteilt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Ausweislich der Auskunft des Landratsamts Miltenberg vom 8.5.2003 halte der Erweiterungsbau die Abstandsfläche gemäß Art. 6 BayBO nicht ein und sei daher nicht genehmigungsfähig. Die Erlaubnis des Rechtsvorgängers der Kläger im Eigentum entfalte, da sie nicht in einem Baugenehmigungsverfahren abgegeben wurde, keine Wirkungen zu Lasten der Kläger, so dass die Abstandsflächenverletzung dadurch nicht beseitigt und die Kläger auch nicht zur Duldung verpflichtet seien. Der Beseitigungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Für den Beklagten sei ein Vertrauenstatbestand nicht geschaffen worden. Da der Beklagte das Bauwerk vorsätzlich ohne Baugenehmigung errichtet habe, hätte er ohnehin jederzeit mit einer öffentlich-rechtlichen Beseitigungsanordnung rechnen müssen. Der derzeitige Zustand sei aufgrund des geringen Abstands der Gebäude für die Kläger unzumutbar. Der Verkehrswert ihres Anwesens werde durch das Bauwerk gemindert.
Gegen dieses ihm am 29.7.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 13.8.2003 eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am 26.9.2003 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Der Beklagte rügt im wesentlichen:
Das Landgericht hätte angesichts eines Gebäudeabstands von ca. 4 Meter zwischen Wohnhaus der Kläger und Erweiterungsbau darüber Beweis erheben müssen; inwieweit der rechtswidrige Balkonausbau der Kläger die Einhaltung der Abstandsfläche durch den Erweiterungsbau beeinflusse. Das Landgericht hätte über die bestrittene Behauptung Beweis erheben müssen, daß der Erweiterungsbau beim Kauf des Nachbaranwesens durch die Kläger im Jahre 1994 bereits im Rohbau fertiggestellt war; denn eine etwaige Verkehrswertminderung des klägerischen Anwesens hätte, sich dann schon im Kaufpreis niedergeschlagen, so daß die Kläger finanziell nicht tangiert seien, sondern bei Beseitigung des Erweiterungsbaus sogar eine ungerechtfertigte Wertsteigerung ihres Anwesens erfahren würden. Die unstreitige Zustimmung des Voreigentümers wirke auch gegen die Kläger. Er, der Beklagte, habe davon ausgehen dürfen, daß eine öffentlichrechtliche Baugenehmigung aufgrund dieser Zustimmung jederzeit noch hätte erwirkt werden können. Das Beseitigungsverlangen der Kläger sei jedenfalls rechtsmissbräuchlich, da der in den Erweiterungsbau gesteckte hohe finanzielle Aufwand vernichtet werden würde und der Vorteil der Kläger an Lichteinfall hierzu in keinem Verhältnis stünde. Das Landgericht habe hierzu keine näheren Feststellungen getroffen.
Der Beklagte beantragt daher zu erkennen:
Das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg, Az.: 1 O 73/03, verkündet am 17.7.2003, wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen
Die Zurückweisung der Berufung.
Der Senat hat zunächst beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluß zurückzuweisen. Hierauf hat er die Parteien unter Angabe der Gründe mit Verfügung vom 9.10.2003, auf die Bezug genommen wird, hingewiesen (Bl. 62 bis 67 d.A.). Der Beklagte hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.11.2003 hierzu Stellung genommen (Bl. 70 bis 73 d.A.) und im wesentlichen ausgeführt:
Die Duldungspflicht der Kläger ergebe sich auch aus der entsprechenden Anwendung der §§ 912 ff. BGB, da die Abstandsflächenverletzung beim Kauf des Nachbaranwesens durch die Kläger bereits mit Zustimmung des Voreigentümers vollzogen gewesen sei, so daß die Kläger der dadurch entschuldigten Abstandsflächenverletzung nicht mehr widersprechen könnten. Die Kläger seien im übrigen schon vor dem Kauf des Nachbaranwesens informiert worden, daß der Erweiterungsbau ohne Baugenehmigung errichtet worden sei. Nach Sachlage sei das Beseitigungsverlangen auch deswegen mißbräuchlich, weil die Kläger nach eigenem Vortrag einen erdgeschossigen Ausbau hätten dulden wollen.
Der Beklagte präzisiert die Baugeschichte in weiteren Schriftsätzen noch dahin, daß die Kellerdecke im März 1992 fertiggestellt und im Dezember 1993 der Gashausanschluß in den Keller des Erweiterungsbaus gelegt worden sei. Kurz vor dem Winter 1993 sei das Obergeschoß einschließlich Decke bereits im Rohbau fertiggestellt gewesen und mit einer Schweißbahn abgedichtet worden.
Die Kläger entgegnen dazu im wesentlichen wie folgt:
Die Voraussetzungen einer Duldungspflicht aus § 912 BGB lägen auch nicht analog vor; der Vortrag des Beklagten, der Anbau sei 1994 bereits errichtet gewesen, sei ebenso verspätet wie die Behauptung einer hieraus folgenden Duldungspflicht. Verspätet sei außerdem das erst in zweiten Instanz erfolgte Bestreiten des Beklagten hinsichtlich ihrer in erster Instanz unstreitig gebliebenen Behauptung, der Beklagte hätte ihnen das Vorhandensein einer Baugenehmigung vorgespiegelt. Der Erweiterungsbau sei erst 1994 oder 1995 mit der Errichtung von Keller und Bodenplatte auf der bis dahin unbebauten gepflasterten Hoffläche begonnen worden, als sie, die Kläger, sich in der Türkei in Urlaub befunden hätten. Ihr weiteres Verhalten, und ihre Bereitschaft, einen erdgeschossigen Bau hinzunehmen, könnten nicht als Duldung gewertet werden, da der Beklagte stets behauptet habe, über eine Baugenehmigung zu verfügen, und weil der Beklagte das Bauwerk über das Erdgeschoß hinaus während ihrer Urlaubsabwesenheit fortgesetzt habe. Aus dem Grenzregelungsbeschluß vom 13.12.1996 nebst beigefügten Karten ergebe sich, daß der Erweiterungsbau damals noch nicht vorhanden gewesen sei.
Aufgrund der Stellungnahme des Beklagtenvertreters vom 11.11.2003 hat der Senat vom Beschlußverfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO Abstand genommen und mündlich verhandelt. Die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme im Hinblick auf die entsprechende Anwendbarkeit von § 912 BGB ist mit den Parteien erörtert worden. Auf das Protokoll des Senatstermins vom 2.12.2003 wird Bezug genommen (Bl. 100 bis 102 d.A.). Zur Durchführung der erforderlichen Beweiserhebungen hat der Senat den Rechtsstreit durch Beschluß vom 2.12,.2003 dem Berichterstatter, Richter am Oberlandesgericht ..., als vorbereitendem Einzelrichter übertragen ( § 527 ZPO). Der Einzelrichter hat im Termin vom 13.1:2004 - unter Zuziehung einer Dolmetscherin für die türkische Sprache - Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und .... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 13.1.2004 Bezug genommen (Bl. 132 bis 163 d.A.). Auf die übrigen geladenen Zeugen haben die Parteien verzichtet (vgl. Ziffer 5. der Verfügung vom 16.12.2003, Bl. 112 d.A., sowie Seite 11 und 25 des Protokolls vom 13.1.2004, Bl. 142 und 156 d.A.). Die Parteien haben im Termin vom 13.1.2004 ihr Einverständnis erklärt, daß der Einzelrichter auch im übrigen entscheidet (§ 527 Abs. 4 ZPO S. 2 des Protokolls, Bl. 133 d.A.).
Die Kläger haben mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 30.1.2004 ergänzende Rechtsausführungen gemacht.
Wegen des weiteren Inhalts des angefochtenen Urteils wird auf dieses (Bl. 36 bis 38 d.A.) und wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig ( §§ 511 ff. ZPO n.F.) und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Klageabweisung. Der geltend gemachte Beseitigungsanspruch ( § 1004 Abs. 1 BGB) ist ausgeschlossen, weil die Kläger die Beeinträchtigung ihres Eigentums durch den ohne ausreichenden Grenzabstand errichteten Erweiterungsbau des Beklagten in entsprechender Anwendung der Überbauvorschriften zu dulden haben (§ 1004 Abs. 2. BGB i.V.m. § 912 Abs. 1 BGB analog).
1. Zutreffend geht das Landgericht im angefochtenen Urteile allerdings davon aus, daß der Erweiterungsbau auf dem Gründstück Flur-Nr. ... unter Verletzung der nachbarschützenden Vorschriften des öffentlichen Baurechts über die einzuhaltende Abstandsfläche errichtet wurde, wodurch das Eigentum der Kläger an ihrem benachbarten Grundstück Flur-Nr. ... rechtswidrig beeinträchtigt wird. Vorbehaltlich einer Duldungspflicht stünde den Klägern daher ein Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu, die hier wohl nur durch Abriß des Bauwerks erfolgen könnte.
Die dagegen mit der Berufung vorgetragenen Einwände sind - wie der Senat bereits in der Hinweisverfügung vom 9.10.2003 ausgeführt hat - unbegründet:
Die Ausführungen des Beklagten zum Abstand des benachbarten Gebäudes und zu dessen Verringerung durch den von den Klägern ausgebauten Balkon sind für das Bestehen des Beseitigungsanspruchs nicht entscheidungserheblich und veranlassen keine diesbezügliche Beweiserhebung, da nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts der nach Art. 6 Abs. 4 und 5 BayBO erforderliche Abstand zur Grundstücksgrenze von mindestens 3 m eindeutig nicht eingehalten ist (tatsächlich nur ca. 1 m). Die erforderliche Abstandsfläche, die gemäß Art. 6 Abs. 2 BavBO auf dem Grundstück des Beklagten liegen müsste, ist daher nicht vorhanden, weswegen der Erweiterungsbau des Beklagten nicht genehmigungsfähig ist und deshalb auch nicht genehmigt wurde. Dies wird durch die amtliche Auskunft des Landratsamts Miltenberg vom 8.5.2003 bestätigt. Da schon der Mindestabstand (3 m) eindeutig nicht eingehalten ist, bedurfte es keiner weiteren Berechnungen nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 3 ff. BayBO.
Die Zustimmung des früheren Eigentümers des klägerischen Grundstücks zur Errichtung des Erweiterungsbaus beeinflußt die Nichteinhaltung der Abstandsflächen und die Baurechtswidrigkeit dieses Bauwerks nicht. Denn gemäß Art. 7 Abs. 5 BayBO kann eine Verlagerung einer Abstandsfläche auf das Nachbargrundstück - dann auch mit Wirkung für den Rechtsnachfolger - nur durch eine im Baugenehmigungsverfahren schriftlich gegenüber der Bauaufsichtsbehörde abgegebene Zustimmungserklärung des Nachbarn gestattet werden, die sich nicht nur auf das Bauvorhaben als solches, sondern ausdrücklich auf die Zustimmung zu einer Abstandsfläche in bestimmter Breite und Tiefe auf dem eigenen Grundstück beziehen muß, die dann von Bebauung freizuhalten ist.(vg1. Simon/Busse, BayBO, Stand: Juni 2003, Rdnr. 525 ff. zu Art. 7) Nach der Rechtslage bis 1994 wäre sogar die Eintragung einer Grunddienstbarkeit auf dem Nachbargrundstück erforderlich gewesen (vg1. Simon/Busse a.a.O., Rdnr. 526 und 561). Eine solche - qualifizierte - Zustimmung oder eine entsprechende Grunddienstbarkeit liegen unstreitig nicht vor.
Eine Verletzung der bauordnungsrechtlichen Vorschriften über die Abstandsflächen, die unstreitig nachbarschützenden Inhalt haben, kann der Eigentümer des benachteiligten Grundstücks im Wege eines verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruchs gemäß § 1004 Abs. 1 BGB geltend machen (vgl. Soergel-Baur, BGB, Stand:2002, Rdnr. 60, 67, 70 und 71 zu § 903, mit zahlreichen Nachweisen).
Auf die Frage, ob der 1994 von den Klägern für das erworbene Grundstück bezahlte Kaufpreis dem Verkehrswert entspricht, der unter Berücksichtigung der Nichteinhaltung der Abstandsflächen durch das Bauwerk des Beklagten zu ermitteln wäre, weil der Anbau - wie der Beklagte vorträgt - damals bereits im Rohbau fertig gestellt gewesen sein soll, kommt es für den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB nicht entscheidend an. Die Kläger machen keinen Schadensersatzanspruch (z.B. wegen Wertminderung des Grundstücks) geltend. Die gemäß § 1004 Abs. 1 BGB abwehrfähige tatsächliche Beeinträchtigung des Eigentums erfordert keinen Vermögensschaden. Auch hierzu bedurfte es daher keiner Beweiserhebungen.
2. Bei Zugrundelegung der Sachdarstellung des Beklagten zur zeitlichen Einordnung der Errichtung des Erweiterungsbaus ist der Beseitigungsanspruch der Kläger gemäß § 1004 Abs. 2 BGB ausgeschlossen, weil die Kläger nach den entsprechend anwendbaren Überbauvorschriften dann zur Duldung der Beeinträchtigung verpflichtet sind.
a) Allerdings ist dem Landgericht im Ausgangspunkt darin beizutreten, daß eine Duldungspflicht nicht schon allein - unabhängig vom Zeitpunkt der Errichtung des Bauwerks - aus der vom Rechtsvorgänger der Kläger als Grundstückseigentümer erteilten Zustimmung zur Baumaßnahme des Beklagten folgt. Die vom Rechtsvorgänger erteilte Zustimmung hat nur schuldrechtlichen Charakter und wirkt nicht gegen den Einzelrechtsnachfolger. Eine etwa bestehende Duldungspflicht des Rechtsvorgängers ist von den Klägern nach dem Vortrag der Parteien auch nicht etwa vertraglich übernommen worden. Der notarielle Kaufvertrag enthält eine solche Vereinbarung nicht. Die bloße Kenntnisnahme von der Existenz des nach Vortrag des Beklagten 1994 bereits im Rohbau hergestellten Erweiterungsbaus durch die Kläger beim Grundstückserwerb beinhaltet noch nicht die konkludente Erklärung, eine entsprechende Duldungsverpflichtung begründen zu wollen (vgl. Staudinger, BGB, Stand: 1999, Rdnr. 187 und 191 zu § 1004, m.w.N.). Dies gilt im übrigen unabhängig davon, ob den Klägern bekannt war, daß eine öffentlich-rechtliche Baugenehmigung nicht vorlag.
b) Soweit die Kläger in der Klage selbst vorgetragen haben, sie hätten einen nur erdgeschoßigen Erweiterungsbau an dieser Stelle hingenommen, folgt auch daraus noch nicht die Übernahme einer schuldrechtlichen Duldungsverpflichtung hinsichtlich der Nichteinhaltung des Grenzabstands. Denn die bloße Hinnahme des Zustands, also das Unterlassen rechtlicher Schritte, hat einen solchen Erklärungswert grundsätzlich nicht. Außerdem bezog sich die Bereitschaft der Kläger zur Hinnahme nicht auf das tatsächlich errichtete mehrgeschoßige Bauwerk, sondern auf einen nur erdgeschoßigen Bau. Daß die Kläger - ausgehend von ihrem Sachvortrag - die Grenzabstandsverletzung auch bei mehrgeschoßiger Ausführung hinzunehmen bereit gewesen wären, ist nicht ersichtlich. Die negativen Folgen von Abstandsflächenverletzungen hängen vielmehr entscheidend von der Gebäudehöhe ab (z.B. Verminderung des Lichteinfalls).
c) Bei der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts - und zunächst auch bei der Vorprüfung der Erfolgsaussicht der Berufung im Verfahren gemäß § 522 Abs. 2 ZPO - ist jedoch außer Betracht geblieben, daß die Zustimmung des Rechtsvorgängers der Kläger zu dem Bauvorhaben des Beklagten in Verbindung mit dem vom Beklagten vorgetragenen Zeitraum der Bauausführung die Voraussetzungen einer Duldungspflicht analog § 912 Abs. 1 BGB erfüllt.
Ein Fall des in § 912 BGB unmittelbar geregelten Überbaus liegt zwar nicht vor, da der Erweiterungsbau des Beklagten nicht über die gemeinsame Grundstücksgrenze hinaus auf das klägerische Grundstück Flur-Nr. ... reicht, sondern nur unter Nichteinhaltung der Abstandsfläche gemäß Art. 6.BayBO auf dem Grundstück Flur-Nr. ... errichtet wurde. In der obergerichtlichen Rechtsprechung besteht jedoch Einigkeit, daß die gesetzlichen Überbauvorschriften analog auf andere, weniger gravierende Eigentumsbeeinträchtigungen, wie z.B. die rechtswidrige Nichteinhaltung der Abstandsfläche, anzuwenden sind (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 93, 665, 666, OLG Koblenz NJW-RR 99, 1394; BGHZ 42, 63, 68, und BGHZ 39, 5 ff. zum Fall der Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit; vgl. auch Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2002, Rdnr. 59 zu § 912; Palandt, BGB, 63. Aufl., Rdnr. 1 zu § 912). Dies leuchtet auch unmittelbar ein. Wenn schon ein Nachbar unter den Voraussetzungen des § 912 Abs. 1 die Überbauung seines Grundstücks mit einem Gebäude dulden muß, weil das Gesetz die wertvernichtende Zerstörung von Gebäuden möglichst verhindern will, so kann er keine weitergehenden Rechte haben, wenn die Grenze gar nicht überschritten und nicht in sein Grundstück eingegriffen wurde.
Außerdem ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, daß in analoger Anwendung des § 912 BGB eine Duldungspflicht des Einzelrechtsnachfolgers im Eigentum des benachbarten Grundstücks dann begründet wird, wenn der Rechtsvorgänger dem Überbau zugestimmt hat und der Überbau im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsnachfolge bereits durchgeführt war (vgl. BGH NJW 83, 1112, 1113; 83, 2022, 2024; BGH LM, § 912 BGB Nr. 1; OLG Karlsruhe NJW-RR 88, 524, 525; Staudinger a.a.O., Rdnr. 69 zu § 912; Palandt a.a.O., Rdnr. 2 zu § 912). Der Einzelrechtsnachfolger ist, zwar nicht an die nur schuldrechtlich wirkende Zustimmung seines Vorgängers gebunden (vgl. oben). Deshalb wird der Überbau ihm gegenüber rechtswidrig und er kann dem Überbau widersprechen, solange dieser noch nicht ausgeführt ist. Ist der Überbau dagegen vor der Einzelrechtsnachfolge bereits durchgeführt worden, so hat der Rechtsnachfolger, also z.B. der Käufer, den Überbau zu dulden und kann ihm nicht mehr widersprechen. Denn wenn der Rechtsvorgänger zugestimmt hat, trifft den Überbauenden bei Ausführung vor dem Eigentumswechsel hinsichtlich der Eigentumsbeeinträchtigung weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit; so daß der Überbau als entschuldigt gi1t. Ein Widerspruch des Einzelrechtsnachfolgers gegen den zunächst rechtmäßigen Überbau wäre im Sinne des § 912 Abs. 1 BGB verspätet.
d) In der Kombination dieser beiden anerkannten Analogien erfüllt der Tatsachenvortrag des Beklagten die Voraussetzungen einer Duldungspflicht der Kläger aus § 912 Abs.1 BGB. Diesen Tatsachenvortrag hat der Beklagte auch bereits in erster Instanz gebracht. Nicht nur die Zustimmung, des früheren Eigentümers ... sondern auch die Rohbaufertigstellung des Erweiterungsbaus auf dem Grundstück Flur-Nr. ... schon vor dem Kauf des Grundstücks Flur-Nr. ... durch die Kläger waren bereits in der Klageerwiderung des Beklagten vom 25.4.2003 mit Beweisantritten ausgeführt worden (Bl. 15 ff. d,A.). Entgegen der Ansicht der Kläger handelt es sich somit nicht um neues "verspätetes" Vorbringen, welches gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs.2 ZPO nicht zuzulassen wäre. Der Beklagte hat zwar erst mit Schriftsatz vom 11.11.2003 auf die analoge Anwendbarkeit von § 912 ff. BGB und eine daraus folgende Duldungspflicht der Kläger hingewiesen. Dabei handelte es eich jedoch lediglich um stets zulässige Rechtsausführungen, nicht um Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Sinne des § 531 ZPO (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., Rdnr. 12 ff. zu § 531, Rdnr. 2 zu § 146). Es ist Sache des Gerichts, einen ihm unterbreiteten Tatsachenvortrag in den Grenzen der gestellten Anträge rechtlich umfassend zu würdigen.
Die Zustimmung des Rechtsvorgängers der Kläger zur Errichtung des Erweiterungsbaus mit dem Grenzabstand von nur ca. 1 Meter war bereits in erster Instanz unstreitig, da die Kläger den diesbezüglichen Vortrag des Beklagten in dessen Klageerwiderung nebst Belegen nicht bestritten haben. Auch in der Berufungsinstanz ist die Zustimmung als solche nicht bestritten worden.
3. Aufgrund der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, daß der Erweiterungsbau auf dem Grundstück Flur-Nr. ... vor Eintritt der Einzelrechtsnachfolge der Kläger hinsichtlich des Eigentums am Grundstück Flur-Nr. ... errichtet war, so daß in Verbindung mit der unstreitig im Zeitpunkt der Errichtung vorliegenden Zustimmung des damaligen Eigentümers analog § 912 Abs. 1 BGB eine Pflicht der Kläger zur Duldung der Beeinträchtigung ihres Eigentums begründet ist.
a) Zu der für eine Duldungspflicht analog § 912 Abs. 1 BGB entscheidungserheblichen Frage, ob der Erweiterungsbau schon bis 1994 im Rohbau vorhanden war - so der Beklagte - oder so die Kläger - erst nach ihrem Erwerb des Nachbargrundstücks begonnen wurde, hat das Landgericht - aus seiner rechtlichen Beurteilung heraus folgerichtig - noch keinen Beweis erhoben. Diese Beweisaufnahme war daher in der Berufungsinstanz nachzuholen ( § 538 Abs. 1 ZPO). Nachdem dieser Gesichtspunkt in erster Instanz infolge der anderen materiell-rechtlichen Beurteilung für unerheblich gehalten worden ist, war auch das ergänzende Vorbringen der Parteien hierzu zuzulassen, insbesondere auch das nach Erörterung der Sach- und Rechtslage im Senatstermin vom 2.12.2003 noch erfolgte Vorbringen einschließlich der erstmals in der Berufungsinstanz gebrachten Beweisantritte des Klägers.
Die Beweislast für die Voraussetzungen einer "entschuldigten" Abstandsflächenverletzung, also auch für die Bauausführung vor Eintritt der Rechtsnachfolge, trägt der Beklagte als derjenige, der sich auf die Duldungspflicht der Kläger beruft (vgl. BGHZ 42, 63, 68; 39, 5, 14; Staudinger a.a.O., Rdnr. 26 zu § 912). Seiner Beweislast hat der Beklagte aus den nachfolgenden Gründen zu genügen vermocht.
b) Die Aussagen der vom Beklagten benannten Zeugen ... zur Baugeschichte des Erweiterungsbaus einerseits und die Aussagen der von den Klägern benannten Zeugen ... andererseits sind miteinander ebenso unvereinbar wieder diesbezügliche Sachvortrag des Beklagten einerseits und der Kläger andererseits. Zusammengefaßt bestätigten die vom Beklagten benannten Zeugen dessen Behauptung, daß das Bauwerk einschließlich Obergeschoß und Flachdach im Rohbau bis 1994 schon. errichtet war; die von den Klägern benannten Zeugen gaben hingegen an, daß im Zeitpunkt des Kaufs des Anwesens Flur-Nr. ... durch die Kläger der Erweiterungsbau noch nicht begonnen war. Zur Darstellung des Inhalts der Aussagen im einzelnen wird auf das Protokoll vom 13.1.2004 (Bl. 132 bis 163 d.A.) Bezug genommen.
Es kann daher in diesem wesentlichen Punkt nur entweder die eine oder die andere Darstellung zutreffen. Die Aussagen einer der beiden Gruppen von Zeugen muß unwahr sein.
Die vom Beklagten benannten Zeugen sind glaubwürdig; ihre Aussagen sind auch im wesentlichen glaubhaft. Hingegen sind die klägerseits benannten Zeugen nichtglaubwürdig; sie haben im Kernpunkt die Unwahrheit gesagt. Für diese Beweiswürdigung sind folgende Gründe wesentlich:
Die vom Beklagten benannten Zeugen haben fast durchweg - von einer Ausnahme, dem Zeugen ... abgesehen - einen unparteiischen, ergebnisoffenen, auf Fragen bereitwillig in ihrer Erinnerung suchenden und nicht auf die Darstellung bestimmter Fixpunkte von (vermeintlicher) Entscheidungserheblichkeit festgelegten Eindruck gemacht. Sie haben unterschiedliche konkrete Einzelerlebnisse aus der Baugeschichte des Erweiterungsbaus geschildert und durch Verknüpfungen mit anderen Ereignissen, z.B. aus ihrer eigenen Lebensgeschichte, die gegebenenfalls auch objektiv nachprüfbar wären, zeitlich nachvollziehbar zuordnen können. Sie haben auch etwaige Unsicherheiten in ihrer Erinnerung und die beschränkte Aussagekraft mancher Wahrnehmungen offen eingeräumt. Lediglich der Zeuge ... hat für den Beklagten Partei ergriffen, er hat seine Abneigung gegen die Beklagten deutlich spüren lassen, und er hat z.B. durch Vorlage einer Materialrechnung gezielt einen "Beweis" zugunsten des Beklagten zu liefern versucht. Allerdings hat er seine Einstellung und deren Gründe auch ganz offen ausgesprochen; er hat nicht etwa versucht, den Eindruck eines völlig unvoreingenommenen, den Parteien gleichermaßen wohl gesonnenen objektiven Beobachters zu erwecken.
Dem gegenüber wirkten die klägerischen Zeugen auf die pauschale Wiedergabe bestimmter Punkte fixiert. Auf Nachfragen und Vorhalte reagierten sie teilweise nur mit allgemeinen Bekräftigungen und Versicherungen der Richtigkeit ihrer Angaben. Bei ergänzenden Fragen griff man bei den klägerischen Zeugen meist ins "Leere", auch bezüglich solcher Fragen, die den Wahrnehmungsbereich der Zeugen betrafen und auf die zumindest irgendwelche, wenn auch vielleicht unsichere Angaben zu erwarten waren. Lebensnahe Details oder Verknüpfungen der mitgeteilten "Daten" mit anderen, gegebenenfalls objektiv nachprüfbaren Ereignissen fehlten. Auffallend war, daß die beiden zuerst vernommenen Zeugen der Kläger, ..., Vater der Kläger und ..., Ehefrau des Klägers zu 2), eine fast deckungsgleiche "Baugeschichte" beginnend mit der Errichtung des Kellers des Erweiterungsbaus während der klägerischen Urlaubsabwesenheit im Sommer 1995, über die Errichtung des Erdgeschoßes während der klägerischen Urlaubsabwesenheit im Sommer 1997 bis zur Errichtung des Obergeschoßes während der klägerischen Urlaubsabwesenheit im Sommer 1998 vortrugen. An dieser selbst von den Zeitangaben der Kläger in der Klageschrift wesentlich abweichenden Darstellung hielten diese beiden Zeugen auch auf eindringliche Vorhalte mit "100 %iger" Sicherheit fest. Nachdem diese Diskrepanz offensichtlich geworden und Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugen ausgesprochen worden waren, vermieden alle später noch vernommenen Zeugen der Kläger jede halbwegs faßbare Angabe zum Verlauf der Bauwerkserrichtung, obwohl sie, etwa weil sie seit 1992 in der Nachbarschaft wohnten, wie der Zeuge ... oder weil sie in der fraglichen Zeit im klägerischen Anwesen besuchsweise verkehrten, wie die übrigen Zeugen, irgendwelche Wahrnehmungen gemacht haben dürften, wenn der Vortrag der Kläger richtig wäre. In merkwürdiger Diskrepanz dazu gaben sich diese Zeugen, abgesehen vom Zeugen ... aber in dem einen Punkt absolut sicher, dass im Zeitpunkt des Erwerbs des klägerischen Anwesens durch diese der Erweiterungsbau des Beklagten noch nicht vorhanden gewesen sei; allenfalls im Hof gelagerte Baumaterialien wollen sie wahrgenommen haben. Allein der Zeuge ... hat angegeben, daß der Erweiterungsbau 1994 oder 1995 begonnen und 1998 oder 1999 fertig gestellt worden sei; auch dies stimmt allerdings nicht mit der Darstellung der Kläger überein, die die Aufmauerung des Obergeschoßes und die Errichtung des Dachs ins Jahr 2000 datieren. Es drängt sich der Eindruck auf, daß die klägerischen Zeugen nicht freimütig aus ihrer Erinnerung berichtet haben, sondern einen hinsichtlich des entscheidungserheblichen Punktes vorab festgelegten Aussageinhalt wiedergaben.
Bei dieser Würdigung ist durchaus berücksichtigt, daß der von den klägerischen Zeugen gewonnene Eindruck hinsichtlich ihrer Persönlichkeit, ihrer Reaktionen und ihrer Wortwahl nicht auf dem gleichen direkten Weg wie bei den deutschsprachigen Zeugen gewonnen werden kann, sondern zwangsläufig durch die Vermittlung seitens der Dolmetscherin mit beeinflußt ist. Auch ist in Rechnung gestellt, daß die klägerischen Zeugen aufgrund ihrer anderen Herkunft und Muttersprache andere Verhaltensmuster gewohnt sind oder andere Formulierungen gebrauchen, als man sonst erwarten würde. Deswegen ist eine gewisse "Großzügigkeit" bei der Bewertung von Details ihres Aussageverhaltens geboten. Gleichwohl hat das Gericht im Ergebnis keinen Zweifel an der vorgenommenen Beweiswürdigung.
Allerdings sind ungeachtet der persönlichen Glaubwürdigkeit auch nicht alle Angaben der vom Beklagten benannten Zeugen glaubhaft. So kann die Angabe der Zeugin ... sie sehe den Rohbau des Erweiterungsbaus aus roten Ziegelsteinen und mit einem schrägen ziegelgedeckten Dach in ihrer Erinnerung noch vor sich, nicht zutreffen. Denn der Beklagte hat später selbst klargestellt, dass der Anbau, abgesehen vom Kellergeschoß, aus Betonsteinen errichtet wurde, wie es die Zeugen ... und ... zutreffend angegeben haben. Ferner war der Erweiterungsbau unstreitig seit der Rohbaufertigstellung mit einem Flachdach ausgestattet, nicht mit einem Ziegeldach. Allerdings hat die Zeugin ... die Verlässlichkeit dieser Ihrer Aussage auch selbst etwas eingeschränkt, indem sie sagte, sich nicht mehr mit "100 %iger", sondern nur mit "90 %iger" Sicherheit erinnern zu können. Das Gericht hat keinen Zweifel, daß sie sich ehrlich um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht hat und daß ihre Erinnerung im übrigen, der Erweiterungsbau sei schon in der Zeit ihrer Bemühungen um den Verkauf des Anwesens errichtet worden, zutrifft. Dies zeigen auch die Aussagen der Zeugen .... Der Zeuge ..., "der im Anwesen ... bis März 1993 Mieter war, hat ganz lebensnah und völlig glaubhaft berichtet, daß er zweifelsfrei noch vor seinem Auszug beim Anbau des Beklagten selbst mitgeholten hat. Der Zeuge ist im übrigen auch auf einem Lichtbild. (Nr.2 der Anlage zum Schriftsatz vom 8.1.2004, Bl. 124 ff., Original Anlage zum Protokoll vom 13.1.2004) in dieser "Funktion" zu sehen.
Der Zeuge ... und die Zeugin ..., die mit dem Beklagten weder befreundet noch näher bekannt, also am Streit der Parteien völlig unbeteiligt sind, haben ebenfalls glaubhaft ihre Beobachtungen als Nachbarn über die Bautätigkeit beim Beklagten geschildert. (Seite.17 - 19 des Protokolls) und u.a. angegeben, daß bei Auszug der Familie ... im März 1993, die sie näher kannten, jedenfalls schon das Erdgeschoß des Erweiterungsbaues stand.
Die Aussage des Zeugen ..., der 1990 beim Aushub des Kellers mithalf und die Abfuhr des Aushubs mit seinem Pkw erledigte, deckt sich mit der Aussage des Zeugen ... der den Beginn der Arbeiten in Erinnerung an die gleichzeitige Schwangerschaft seiner Ehefrau ebenfalls auf den Sommer 1990 datieren konnte. Der Zeuge ... hat weiter glaubhaft berichtet, dass er während der Zeit seiner Arbeitslosigkeit von Juli bis November 1994 im damals schon errichteten Erweiterungsbau die Elektroinstallation ausgeführt hat.
Der Zeuge ..., früherer Arbeitskollege des Beklagten, hat anschaulich geschildert, dass er noch im Jahr 1993 die Obergeschoßdecke des Erweiterungsbaus mit Teerpappe regendicht gemacht habe; diese Tätigkeit hat er mit Sicherheit in 1993 datieren können, da er im Frühjahr 1994 im König-Ludwig-Haus in ... zwei Knieoperationen hatte, weswegen er in der Folgezeit nicht mehr mitarbeiten konnte.
Der Zeuge ... hat glaubhaft ausgesagt, daß er schon Ende 1991 oder Anfang 1992 beim Einbau der Kellerdecke und später beim Einbau der Erdgeschoßdecke mithalf; er hat dies zeitlich plausibel fixieren können, da er 1991 selbst ein Haus gekauft hat und dieses erst bezugsfertig machen mußte, weswegen er damals wenig Zeit hatte und daher nur beim Betonieren dieser Decken beim Beklagten mithelfen konnte.
Die zeitliche Einordnung des Baugeschehens durch die Zeugen des Beklagten wird gestützt durch die vom Beklagten vorgelegten schriftlichen Unterlagen über die Bestellung der Einbauküche, zum Gasversorgungsanschluß und zur Gasheizungsinstallation. So paßt die Bestellung der Küche vom 10.9.1994 (Lieferzeit 8 - 10 Wochen) und die für 25.1.1995 angekündigte Mangelbeseitigung an der Arbeitsplatte der Küche zwanglos zu einer Rohbaufertigstellung bereits Ende 1993, zur Elektroinstallation zwischen Mitte und November 1994, ebenso die Gasanschlussverlegung im Jahr 1993 zu einer Fertigstellung der Kellerdecke 1991 oder 1992 und die Bestätigung des Bezirkskaminkehrermeisters hinsichtlich der Gasfeuerstätte vom 8.12.1995 zu einem Bezug des vom Außenputz abgesehen fertigen Erweiterungsbaus bereits in dieser Zeit. Die Aussagen der klägerischen Zeugen sind mit diesen im übrigen unstreitig gebliebenen Daten dagegen schwerlich in Einklang zu bringen.
Demgegenüber gibt der von den Klägern vorgelegte Grenzregelungsbeschluß nebst Flurkarten nichts her. Es trifft zwar zu, daß der Erweiterungsbau des Beklagten in den Karten anders als der alte Baubestand nicht eingezeichnet ist. Daraus läßt sich über den Zeitpunkt der Errichtung aber nichts ableiten. Abgesehen davon, daß das Vorhandensein des Erweiterungsbaus für den Gegenstand des Grenzregelungsbeschlusses irrelevant war (das Grundstück Fl-Nr. ... war auch gar nicht betroffen), beruhte der Grenzregelungsbeschluss vom 13.12.1996 auf einer Eignungsbescheinigung des Vermessungsamtes vom 9.12.1991. Das verwendete Kartenmaterial mußte den Erweiterungsbau daher nicht aufweisen, selbst wenn er bis 1993 im Rohbau fertig gestellt war. Im übrigen handelte es sich unstreitig um einen "Schwarzbau", so daß sein Fehlen in den Flurkarten nachvollziehbar wäre.
c) Nach alledem bestehen keine Zweifel, daß der Erweiterungsbau schon Ende 1993 im Rohbau fertiggestellt war. Die Abstandsflächenverletzung durch den Erweiterungsbau war daher schon im Zeitpunkt des Kaufvertrags der Kläger vom 19.8.1994, erst recht aber im Zeitpunkt des Eigentumswechsels durch Eintragung der Kläger als neue Eigentümer im Grundbuch am 14.3.1995 vollständig erfolgt. Die Abstandsflächenverletzung erfolgte daher nachgewiesenermaßen noch mit Zustimmung des damaligen Eigentümers ... und war somit ihm gegenüber nicht widerrechtlich und den späteren Eigentümern, den Klägern, gegenüber "entschuldigt" i.S.d. § 912 Abs.1 BGB. Der Beklagte hat also bewiesen, daß die Bauausführung und damit die Abstandsflächenverletzung nicht erst nach dem Eigentumswechsel, durch welchen die Zustimmung des früheren Eigentümers irrelevant geworden wäre; ausgeführt wurde.
Auf die Frage, ob die Kläger dem Bau widersprochen haben oder nicht, kommt es daher nicht mehr an; ihr Widerspruch wäre, da das Bauwerk vor Einzelrechtsnachfolge errichtet war, verspätet gewesen.
4. Der Beseitigungsanspruch der Kläger ist daher gemäß § 1004 Abs.2 BGB ausgeschlossen.
Für die zivilrechtliche Beurteilung spielt es keine Rolle, dass das Bauwerk öffentlich-rechtlich auch formell rechtswidrig ist und bleiben wird, weil eine Baugenehmigung unstreitig nicht erteilt werden kann (wegen der Nichteinhaltung der Abstandsflächen und möglicherweise auch wegen der infolge des geringen Grenzabstands nach Vortrag der Kläger baurechtlich geforderten Brandmauer). Wenn - wie hier- der Nachbar den daraus folgenden Beeinträchtigungen seines Grundstückseigentums durch Gestattung des Bauwerks ohne ausreichenden Grenzabstand zustimmt, so haben er und - unter den hier gegebenen Voraussetzungen - auch sein Rechtsnachfolger diese Beeinträchtigungen zivilrechtlich zu dulden.
Ohne Bedeutung ist damit letztlich auch, ob den Klägern das Fehlen der Baugenehmigung bekannt gegeben oder verheimlicht und ihnen das Vorliegen einer Baugenehmigung vorgespiegelt wurde. Die Vorschriften über die Baugenehmigungspflicht selbst sind nicht nachbarschützend, sondern dienen nur dem öffentlichen Interesse.
Nach alledem kommt es nicht mehr darauf an, ob das Beseitigungsverlangen etwa verwirkt oder aus anderen Gründen rechtsmißbräuchlich wäre,( § 242 BGB).
Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe den Klägern gegenüber dem Beklagten im Hinblick auf die gemäß § 912 Abs. 1 BGB analog begründete Duldungspflicht aus §§ 912 Abs. 2, 913 BGB ein Entschädigungsanspruch in Form einer Geldrente zusteht, bedarf keiner Erörterung, da sie nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Geltend gemacht war ausschließlich der Beseitigungsanspruch.
5. Auf die Berufung der Beklagten ist die Klage somit unter Abänderung des angefochtenen Urteils mit der Kostenfolge der §§ 91 Abs. 1, 100 Abs..1 ZPO abzuweisen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2, 12 Abs.1, 14. Abs. 1 u. 2 GKG, § 3 ZPO und entspricht der von den Klägern in der Klageschrift vorgenommenen Bewertung ihres Interesses. Der Wert von 50.000,-- EURO erscheint auch insofern gerechtfertigt, als es in erster Instanz zur Verurteilung des Beklagten zur Beseitigung des Bauwerks gekommen ist, so daß auch das Interesse des Beklagten an der Abwendung der Vernichtung des Bauwerks berücksichtigt werden kann (vgl. Zöller, ZPO, 24. Auf1., RdNr. 16 zu § 3, Stichwort "Beseitigungsklage", m.w.Nachw.).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2. ZPO liegen nicht vor. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind, wie oben unter II. 2. c ausgeführt; durch die Rechtsprechung bereits geklärt. Das von den Klägern im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 30.1.2004 angeführte Urteil des OLG München vom 22.6.1993, Az.: 25 U 6426/91, welches bei einer vorsätzlichen Verletzung nachbarschützender Bauvorschriften eine Duldungspflicht analog § 912 BGB verneinte, betrifft eine andere Fallgestaltung. Anders als in jenem Fall erfolgte hier die baurechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung mit ausdrücklicher Zustimmung des damaligen Eigentümers.
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