Verlängerung der Benutzungsschonfrist wegen vorübergehenden Werbeverbots
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
28. 09. 2006
Aktenzeichen
I ZB 100/05
Zwischen der Ware "Zigarren" und der Dienstleistung "Verpflegung" besteht keine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Ein berechtigter Grund für die Nichtbenutzung einer Marke i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG kann sich aus einem für einen vorübergehenden Zeitraum geltenden Werbeverbot für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen ergeben.
Ein nur vorübergehender Hinderungsgrund für eine Markenbenutzung ist kein Tatbestand, der den Lauf der Benutzungsschonfrist hemmt. Ob ein in den Fünfjahreszeitraum fallender vorübergehender Hinderungsgrund für eine Markenbenutzung ausreicht, um vom Vorliegen berechtigter Gründe für eine Nichtbenutzung i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG während des in § 43 Abs. 1 Satz 2 bestimmten Zeitraums auszugehen, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Die Rechtsbeschwerde gegen den an Verkündungs Statt am 23. und 24. August 2005 zugestellten Beschluss des 25. Senats (Marken- Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Widersprechenden zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe:
I. Gegen die Eintragung der am 19. Juli 2000 für die Waren und Dienstleistungen "Biere, Fruchtgetränke und -säfte; Geschäftsführung, Büroarbeiten; Verpflegung" angemeldeten Wort-/Bildmarke
hat die Widersprechende Widerspruch erhoben aus ihrer am 16. November 1998 eingetragenen Wortmarke Nr. 398 59 108
COHIBA
und ihrer ebenfalls prioritätsälteren farbigen Wort-/Bildmarke Nr. 1188739
Die Wortmarke "COHIBA" (Nr. 398 59 108) ist eingetragen für die Waren und Dienstleistungen
"Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen; Verpflegung; Beherbergung von Gästen; ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft; Rechtsberatung und -vertretung; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung".
Die Wort-/Bildmarke "COHIBA" (Nr. 1188739) ist eingetragen für die Waren
"Zigarren (einschließlich Stumpen) und Zigarillos, sämtliche vorgenannten Waren aus oder unter Verwendung von Tabaken kubanischer Provenienz; Raucherartikel, nämlich Zigarrenspitzen und -etuis und Aschenbecher, sämtliche vorgenannten Waren nicht aus Edelmetallen, deren Legierungen oder damit plattiert, Zigarrenabschneider, Tabakfeuchthalter, nämlich solche für Zigarren; Streichhölzer".
Das deutsche Patent- und Markenamt hat die Löschung der angegriffenen Marke wegen Verwechslungsgefahr mit der Wortmarke Nr. 398 59 108 hinsichtlich "Biere, Fruchtgetränke und -säfte; Verpflegung" angeordnet. Im Übrigen hat es die Widersprüche aus den Widerspruchsmarken zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts angefochten.
Der Markeninhaber hat im Verfahren vor dem Bundespatentgericht die Benutzung der Widerspruchsmarke Nr. 398 59 108 bestritten. Die Widersprechende hat sich auf berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung (nur) hinsichtlich der Dienstleistungen "Verpflegung, Rechtsberatung und -vertretung, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung" berufen. Hierzu hat sie geltend gemacht, die Wort-/Bildmarke Nr. 1188739 sei eine seit Jahrzehnten intensiv genutzte Zigarrenmarke, die im Verkehr für hochwertigste Zigarren bekannt sei. Aufgrund europäischer Richtlinienvorschriften habe sie mit einem nationalen Werbeverbot für die Verwendung von Tabakmarken für andere Waren und Dienstleistungen rechnen müssen. Eine Benutzung der Wortmarke Nr. 398 59 108 sei ihr deshalb wegen des Risikos, diese wieder einstellen zu müssen, nicht zumutbar gewesen.
Das Bundespatentgericht hat auf die Beschwerde des Markeninhabers den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben, soweit darin die Löschung der Marke angeordnet worden ist, und hat den Widerspruch aus der Marke Nr. 398 59 108 zurückgewiesen. Die Beschwerde und die Anschlussbeschwerde der Widersprechenden hat das Bundespatentgericht zurückgewiesen (BPatG, Beschl. v. 24.8.2005 - 25 W (pat) 240/03 - zitiert nach juris).
Mit der (zugelassenen) Rechtsbeschwerde verfolgt die Widersprechende ihre Widersprüche weiter.
II. Das Bundespatentgericht hat den Widerspruch aus der Wortmarke Nr. 398 59 108 nach § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen, weil eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht gegeben sei. Den Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke Nr. 1188739 hat das Bundespatentgericht wegen fehlender Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG für unbegründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Widersprechende, die eine rechtserhaltende Benutzung der Wortmarke Nr. 398 59 108 nicht geltend gemacht habe, könne sich auch nicht mit Erfolg auf berechtigte Gründe für eine Nichtbenutzung i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG berufen. Sie sei zu keinem Zeitpunkt gehindert gewesen, tabakfremde Waren und Dienstleistungen mit der Marke zu kennzeichnen und zu bewerben. Zwar habe Art. 3 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 98/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen (ABl. EG Nr. L 213 v. 30.7.1998, S. 9) ein indirektes Werbeverbot enthalten. Dieses sei jedoch nicht in eine nationale Verbotsnorm umgesetzt worden. Durch Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften sei die Richtlinie sodann für nichtig erklärt worden. Auch anschließend habe es kein Werbeverbot bei der Verwendung von Marken, die auch für Tabakerzeugnisse eingetragen seien, für andere Produkte und Dienstleistungen gegeben. Auch wenn für die Hersteller von Tabakerzeugnissen aufgrund der öffentlichen Diskussion nicht vorhersehbar gewesen sei, ob die Werbung für Marken, die für Tabakerzeugnisse geschützt seien, für andere Waren und Dienstleistungen eingeschränkt oder verboten werde, stelle dies keine Rechtfertigung für eine Nichtbenutzung dar. Ansonsten könnten sich die Inhaber von für Tabakerzeugnisse eingetragenen Marken Markenschutz für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen ohne Markenbenutzung auf unabsehbare Zeit sichern. Ob ein drohendes Verbot grundsätzlich nicht als berechtigter Grund für eine Nichtbenutzung angesehen werden könne, bedürfe indes keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls habe sich hinsichtlich der Wortmarke Nr. 398 59 108 ein indirektes Verbot zu keinem Zeitpunkt so konkretisiert, dass eine Benutzung der Marke nicht habe verlangt werden können. Im Hinblick auf die Klage der Bundesrepublik Deutschland vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gegen die Richtlinie 98/43/EG sei deren Umsetzung von Anfang an ungewiss gewesen. Bis zum Abschluss des Klageverfahrens sei der Widersprechenden die Benutzung der Marke nicht so erschwert gewesen, dass sie diese für die registrierten Waren und Dienstleistungen aus wirtschaftlichen Gründen nicht habe verwenden können. Spätestens seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Oktober 2000 (Rs. C-376/98, GRUR 2001, 67) seien Gründe für eine Nichtbenutzung i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG weggefallen. Im Übrigen bestünden erhebliche Bedenken, ein umfassendes und generelles Verbotsgesetz zur Kennzeichnung anderer Waren und Dienstleistungen mit Marken von Tabakerzeugnissen als Rechtfertigung für eine Nichtbenutzung anzusehen. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 9 MarkenG seien solche Marken von der Eintragung ausgeschlossen, deren Benutzung nach sonstigen Vorschriften im öffentlichen Interesse untersagt werden könne. Zu diesen Vorschriften rechneten generelle Werbeverbote.
Den Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke Nr. 1188739 habe das Deutsche Patent- und Markenamt zu Recht zurückgewiesen. Zwischen den im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Waren und den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke bestehe keine Ähnlichkeit. Auch bei großer Bekanntheit der Widerspruchsmarke und unterstellter Zeichenidentität habe der Verkehr bei den sich gegenüberstehenden Waren "Zigarren" auf Seiten der Widerspruchsmarke und "Biere, Fruchtgetränke und -säfte" bei der angegriffenen Marke keinen Anlass anzunehmen, diese stammten aus demselben oder miteinander verbundenen Unternehmen. Es bestünden gravierende Unterschiede in Herstellung, Art und Verwendungszweck, so dass allein die mögliche Gleichzeitigkeit der Einnahme von Getränken und des Genusses einer Zigarre eine Warenähnlichkeit nicht begründen könne.
Zwischen dem Produkt "Zigarren" und der Dienstleistung "Verpflegung" bestehe ebenfalls keine Ähnlichkeit. Auch wenn in den von der Widersprechenden angeführten Raucherklubs neben Zigarren auch Verpflegungsdienstleistungen angeboten würden, unterliege der Verkehr nicht der Fehlvorstellung, dass Hersteller von Zigarren auch als Anbieter der Dienstleistung "Verpflegung" in Erscheinung träten oder ein entsprechendes Dienstleistungsunternehmen Zigarren herstelle und vertreibe. Es bestehe auch keine Übung von Zigarrenherstellern, Verpflegungsdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Angebot von Zigarren zu erbringen. Selbst wenn es im Einzelfall einmal in den von der Widersprechenden angeführten Raucherklubs zu der unzutreffenden Annahme einer Zuordnung der dort erbrachten Verpflegungsdienstleistungen zum Hersteller von Zigarren kommen sollte, könne daraus angesichts der Exklusivität solcher Klubs und des nur geringen Teils der insgesamt angesprochenen Verkehrskreise keine generelle Ähnlichkeit von "Zigarren" mit der Dienstleistung "Verpflegung" hergeleitet werden.
Keine Ähnlichkeit bestehe schließlich auch zwischen "Zigarren" und den Dienstleistungen "Geschäftsführung, Büroarbeiten", für die die angegriffene Marke eingetragen sei.
III. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der Markeninhaber ist in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten gewesen. Gleichwohl ist in der Sache zu entscheiden, weil Säumnisfolgen im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Markengesetz nicht vorgesehen sind (vgl. BGH, Beschl. v. 1.3.2001 - I ZB 42/98, GRUR 2001, 1151, 1152 = WRP 2001, 1082 - marktfrisch).
2. Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke Nr. 1188739 16
Das Bundespatentgericht hat das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zwischen der Widerspruchsmarke Nr. 1188739 und der angegriffenen Marke rechtsfehlerfrei verneint, so dass der Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke erfolglos bleiben muss (§ 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, ob Verwechslungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ebenso wie bei § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.10.2004 - I ZB 4/02, GRUR 2005, 326 = WRP 2005, 341 - il Padrone/Il Portone; Beschl. v. 11.5.2006 - I ZB 28/04, GRUR 2006, 859 Tz 16 = WRP 2006, 1227 - Malteserkreuz).
b) Von diesen Grundsätzen ist auch das Bundespatentgericht ausgegangen und hat in nicht zu beanstandender Weise eine Ähnlichkeit zwischen den Waren, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, und den für die angegriffene Marke registrierten Waren und Dienstleistungen verneint.
aa) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren und Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere die Art der Waren und Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistungen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (BGH, Urt. v. 10.10.2002 - I ZR 235/00, GRUR 2003, 428, 432 = WRP 2003, 647 - BIG BERTHA; Urt. v. 13.11.2003 - I ZR 103/01, GRUR 2004, 241, 243 = WRP 2004, 357 - GeDIOS). Von einer Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen kann nur ausgegangen werden, wenn trotz (unterstellter) Identität der Marken die Annahme einer Verwechslungsgefahr wegen des Abstands der Waren und Dienstleistungen von vornherein ausgeschlossen ist. Dabei gibt es eine absolute Waren- und Dienstleistungsunähnlichkeit, die auch bei Identität der Zeichen nicht durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 29.9.1998 - C-39/97, Slg. 1998, I-5507 Tz 15 = GRUR 1998, 922 - Canon; BGH, Urt. v. 30.3.2006 - I ZR 96/03, GRUR 2006, 941 Tz 13 = WRP 2006, 1235 - TOSCA BLU).
bb) Das Bundespatentgericht hat angenommen, dass der Verkehr bei den sich gegenüberstehenden Waren "Zigarren", für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, und den für die angegriffene Marke registrierten Waren "Biere, Fruchtgetränke und -säfte" keinen Anlass hat anzunehmen, sie stammten aus denselben oder miteinander verbundenen Unternehmen, weil sie aus verschiedenen Stoffen bestehen, völlig verschieden hergestellt werden und aus unterschiedlichen Betrieben stammen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
cc) Zu Recht hat das Bundespatentgericht auch eine Ähnlichkeit zwischen den Waren "Zigarren" der Widerspruchsmarke und den Dienstleistungen "Verpflegung, Geschäftsführung, Büroarbeiten", für die die angegriffene Marke geschützt ist, verneint.
(1) Zwischen der Herstellung von Zigarren und der Erbringung von Verpflegungsdienstleistungen besteht kein Zusammenhang. Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts werden im Allgemeinen nicht von denselben Unternehmen oder unter ihrer Qualitätskontrolle Zigarren hergestellt und Verpflegungsdienstleistungen erbracht. Der Verkehr hat deshalb keinen Anlass, etwas anderes anzunehmen.
Bei der Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit der Dienstleistung "Verpflegung" mit der Ware "Zigarren" hat das Bundespatentgericht, anders als die Rechtsbeschwerde meint, nicht einseitig auf die Zubereitung von Speisen abgestellt. Es hat vielmehr auch die Versorgung mit Getränken in seine Beurteilung einbezogen und festgestellt, dass bei den Herstellern von Zigarren, anders als bei den Unternehmen, die Bier, Wein, Sekt und Spirituosen produzieren, nicht bekannt ist, dass sie zugleich Hotels, Gaststätten und Restaurants betreiben, und dass umgekehrt die Gastronomie auch keine Zigarren herstellt. Bei der Ermittlung des daraus folgenden Verkehrsverständnisses konnte das Bundespatentgericht Gastronomieformen wie Raucherklubs außer Betracht lassen, weil diese wegen ihrer geringen Zahl und ihrer Exklusivität keinen relevanten Einfluss auf das Verkehrsverständnis haben. Dasselbe Ergebnis gilt für die von der Rechtsbeschwerde angeführte Trendgastronomie, zu der ein das Verkehrsverständnis prägender Einfluss ebenfalls nicht dargelegt ist.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde wird der Abstand der Waren und Dienstleistungen auch nicht durch den Zeichenbestandteil "Lounge" in der angegriffenen Marke verringert. Selbst wenn dieser Zeichenbestandteil vom angesprochenen Publikum als beschreibend erkannt wird, bleibt er ohne Einfluss auf das Verkehrsverständnis zur Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, weil aus dem Begriff "Lounge" keine Aussage über dieselbe Herkunftsstätte oder eine einheitliche Qualitätskontrolle der Waren und Dienstleistungen folgt. Die Frage, ob ein beschreibender Bestandteil des Zeichens Einfluss auf die Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit haben kann oder dies nicht schon aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist, weil in diesem Zusammenhang Zeichenidentität und erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke unterstellt werden (hierzu oben unter III 2 b aa), braucht danach nicht entschieden zu werden. Ohne Einfluss auf die Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit zwischen "Zigarren" und "Verpflegung" ist schließlich auch, ob Gastronomiebetriebe versuchen, den Ruf bekannter Zigarrenmarken auszunutzen.
(2) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde zur Darlegung einer Ähnlichkeit der Waren, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist, gegenüber den Dienstleistungen "Geschäftsführung, Büroarbeiten" auf eine angebliche Praxis, Betrieben der Gastronomie, insbesondere solchen der Trendgastronomie, die Benutzung von Marken, die für Zigarren eingetragen sind, zu gestatten. Durch die Erteilung von Vermarktungsrechten bleibt der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeitsbereich grundsätzlich unberührt (vgl. BGH, Urt. v. 19.2.2004 - I ZR 172/01, GRUR 2004, 594, 596 = WRP 2004, 909 - Ferrari- Pferd; BGH GRUR 2006, 941 Tz 14 - TOSCA BLU).
3. Widerspruch aus der Wortmarke Nr. 398 59 108 28
Die Rechtsbeschwerde bleibt ebenfalls ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Widerspruchs aus der Wortmarke Nr. 398 59 108 richtet. Die Annahme des Bundespatentgerichts, es lägen keine berechtigten Gründe für eine Nichtbenutzung dieser Marke i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG vor, hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Für den nach § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG maßgeblichen Fünfjahreszeitraum vor der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am 9. Juni 2005 kann nicht vom Vorliegen berechtigter Gründe für eine Nichtbenutzung ausgegangen werden.
a) Der Benutzungszwang findet seine Rechtfertigung in dem Zweck der Marke, der Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen nach ihrer Herkunft zu dienen, und in dem Interesse der Allgemeinheit daran, die Zeichenrolle von unbenutzten Zeichen freizumachen, um andere Gewerbetreibende in die Lage zu versetzen, diese oder ähnliche Zeichen selbst zu benutzen oder für sich eintragen zu lassen (BGH, Beschl. v. 24.11.1999 - I ZB 17/97, GRUR 2000, 890, 891 = WRP 2000, 743 - IMMUNINE/IMUKIN). Als berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung sind in der Senatsrechtsprechung Umstände anerkannt, die der Markeninhaber nicht beeinflussen kann, wie Tatbestände höherer Gewalt (BGH, Urt. v. 20.3.1997 - I ZR 6/95, GRUR 1997, 747, 749 = WRP 1997, 1089 - Cirkulin) oder auch die Unmöglichkeit, mit der Marke gekennzeichnete Waren vor Abschluss eines vorgeschriebenen behördlichen Zulassungsverfahrens in den Verkehr zu bringen (BGH GRUR 2000, 890, 891 - IMMUNINE/IMUKIN), sowie ein unberechtigtes Einfuhrverbot (BGH, Urt. v. 21.4.1994 - I ZR 291/91, GRUR 1994, 512, 514 = WRP 1994, 621 - Simmenthal).
Durch die in § 26 Abs. 1 MarkenG vorgesehene Regelung über die Nichtbenutzung wird Art. 10 Abs. 1 MarkenRL umgesetzt, der seinerseits Art. 5 C Abs. 1 PVÜ Rechnung trägt. Nach dieser Vorschrift der PVÜ darf eine dem Benutzungszwang unterliegende eingetragene Marke nach Ablauf einer angemessenen Frist nur für ungültig erklärt werden, wenn der Beteiligte seine Untätigkeit nicht rechtfertigt. In Art. 19 Abs. 1 Satz 2 TRIPS werden als triftige Gründe für die Nichtbenutzung einer Marke Umstände anerkannt, die unabhängig vom Willen des Inhabers der Marke eintreten und ein Hindernis für die Benutzung der Marke bilden, wie z.B. Einfuhrbeschränkungen oder sonstige staatliche Auflagen für durch die Marke geschützte Waren oder Dienstleistungen.
Ein berechtigter Grund für eine Nichtbenutzung kann sich auch aus einem nur für einen vorübergehenden Zeitraum geltenden gesetzlichen Werbeverbot ergeben (vgl. Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 26 Rdn. 66). Ein entsprechendes Werbeverbot fällt nicht in die Risikosphäre des Markeninhabers und macht ihm die Benutzung der Marke während des nur vorübergehenden Zeitraums, in dem das Werbeverbot gilt, unzumutbar. Ist die Werbung für mit einer bestimmten Marke gekennzeichnete Waren oder Dienstleistungen untersagt, kann von einem Unternehmen die Benutzung dieser Marke für den Produktabsatz regelmäßig nicht erwartet werden.
Von einer Unzumutbarkeit der Markenbenutzung kann auch auszugehen sein, wenn zwar ein nationales Werbeverbot für mit der Marke gekennzeichnete Waren oder Dienstleistungen (noch) nicht besteht, mit seinem Erlass aber aufgrund europarechtlicher Rechtsakte jederzeit gerechnet werden muss (a.A. Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rdn. 66). Dem betroffenen Unternehmen ist es nicht zuzumuten, die mit der Einführung einer Marke häufig verbundenen erheblichen Kosten aufzuwenden, wenn ein Werbeverbot und daraus folgend die Einstellung der Markenbenutzung droht.
b) Es kann offenbleiben, ob sich aus Art. 3 der Richtlinie 98/43/EG, der Werbebeschränkungen für Marken vorsah, die für ein Tabakerzeugnis verwendet werden, ein berechtigter Grund für eine Nichtbenutzung i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG ergab. Jedenfalls wäre dieser mit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Oktober 2000 (Rs. C-376/98, GRUR 2001, 67), durch die die Richtlinie für nichtig erklärt worden ist, entfallen. Für die folgende Zeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein nationales Werbeverbot für die Benutzung von Marken für Waren oder Dienstleistungen, die nicht in einem Zusammenhang mit Tabakerzeugnissen standen, drohte, wenn eine entsprechende Marke für ein Tabakerzeugnis benutzt wurde. Die Ankündigung des für Gesundheits- und Verbraucherschutz zuständigen Kommissars der Europäischen Gemeinschaft nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 5. Oktober 2000 - Rs. C-376/98 zur Nichtigkeit der Richtlinie 98/43/EG, neue Maßnahmen vorzuschlagen, und die Empfehlung des Rates vom 2. Dezember 2002 zur Prävention des Rauchens und für Maßnahmen zur gezielten Eindämmung des Tabakkonsums (ABl. EG Nr. L 22 v. 25.1.2003, S. 31) waren unverbindlich. Anhaltspunkte dafür, dass auf der Grundlage dieser Empfehlung oder aus anderen Gründen ein nationales Werbeverbot für Marken umgesetzt werden könnte, die mit Tabakmarken identisch waren, bestanden nicht.
c) Drohte seit dem 5. Oktober 2000 kein nationales Werbeverbot für die Waren und Dienstleistungen (mehr), für die die Widerspruchsmarke Nr. 398 59 108 eingetragen ist, kann sich die Widersprechende nicht mit Erfolg auf berechtigte Gründe für eine Nichtbenutzung während des Zeitraums von fünf Jahren vom 9. Juni 2000 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht am 9. Juni 2005 berufen (§ 26 Abs. 1, § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Dies gilt auch, wenn davon ausgegangen wird, dass die Widersprechende im Zeitraum vom 9. Juni 2000 bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über die Nichtigkeit der Richtlinie 98/43/EG am 5. Oktober 2000 gehindert war, die Widerspruchsmarke zu benutzen.
Ob ein in den Fünfjahreszeitraum fallender vorübergehender Hinderungsgrund für eine Markenbenutzung ausreicht, um davon auszugehen, dass berechtigte Gründe i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG vorlagen, die Marke während des in § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG bestimmten Zeitraums nicht zu benutzen, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BPatG GRUR 1999, 1002, 1004; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 26 Rdn. 166). Dagegen führt das Vorliegen eines nur vorübergehenden Hinderungsgrundes nicht dazu, dass der Lauf der Benutzungsschonfrist gehemmt wird (a.A. Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 26 Rdn. 47; Stuckel in v. Schultz, Markenrecht, § 26 Rdn. 44; Bous in HK-MarkenR, § 26 Rdn. 62). Eine Hemmung der Fristen des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG ist im Markengesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Auch Sinn und Zweck der Bestimmungen über den Benutzungszwang sprechen gegen die Annahme einer Fristenhemmung, wenn für einen vorübergehenden Zeitraum berechtigte Gründe für eine Nichtbenutzung vorliegen. Die Benutzungsschonfrist ist der Zeitraum, der dem Markeninhaber zur Vorbereitung und Aufnahme der Benutzung zur Verfügung steht (Ströbele in Ströbele/Hacker aaO § 26 Rdn. 62 u. § 43 Rdn. 6). Eine Benutzungsschonfrist von fünf Jahren wird vom Gesetz grundsätzlich als dafür ausreichend angesehen. Würde der vorübergehende Zeitraum, in dem berechtigte Gründe für eine Nichtbenutzung vorliegen, zu einer Hemmung der Fünfjahresfrist des § 43 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 MarkenG führen, könnte dadurch eine Verlängerung dieses Zeitraums eintreten, die im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Im Streitfall lag während der Benutzungsschonfrist allenfalls in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum von annähernd vier Monaten ein Grund vor, der die Benutzung der Widerspruchsmarke hinderte. Dies reicht nicht aus, um anzunehmen, dass die Widersprechende berechtigte Gründe i.S. von § 26 Abs. 1 MarkenG hatte, die Marke während des Zeitraums des § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG nicht zu benutzen. Der Widersprechenden war es ohne Weiteres möglich, während des verbliebenen Zeitraums von vier Jahren und acht Monaten, der den vollen Fünfjahreszeitraum annähernd erreichte, die Benutzung der Widerspruchsmarke aufzunehmen.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG. 38
v. Ungern-Sternberg Bornkamm Büscher
Schaffert Bergmann
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