"Gesund abnehmen ohne zu hungern!"
Gericht
LG Hamburg
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
19. 12. 2006
Aktenzeichen
416 O 44/05
Auszüge aus dem Sachverhalt:
... Die Beklagte warb im Anzeigenblatt "H." vom 11.08.2004 mit der Werbeaussage
"Gesund abnehmen ohne zu hungern!".
...
Der Kläger trägt vor, ...
Er beantragt, der Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für ein sogenanntes "Degasport Ernährungsseminar" zu werben
"Gesund abnehmen ohne zu hungern!".
Die Beklagte trägt vor, ...
Das Gericht hat mit Beweisbeschluss vom 19.04.2005 Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8, 3, 5 I, II Nr. 2 UWG zu. Die angegriffene Werbeaussage "Gesund abnehmen ohne zu hungern" ist irreführend.
Nach § 5, 3, 8 I UWG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer über seine Angebote Angaben macht, die geeignet sind, den Umworbenen irrezuführen und zu falschen Entscheidungen zu beeinflussen. Es reichen demnach Angaben, die in irgendeiner Weise - einschließlich ihrer Aufmachung - die Personen, an die sie sich richten oder die von ihr erreicht werden, täuschen oder zu täuschen geeignet sind (Bornkamm in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 5 UWG, Rdnr. 2.63 unter Hinweis auf Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 97/55 EG). Dabei geht die Kammer bei der Frage, in welchem Sinn eine Werbeaussage zu verstehen ist, von dem Verständnis des durchschnittlich informierten, verständigen und der Situation, in der er mit der Aussage konfrontiert wird, entsprechend aufmerksamen Durchschnittsverbraucher (BGH WRP 2003, 273, 274 - Computerwerbung 1/; BGH WRP 2000, 517 - Orient-Teppichmuster; BGH WRP 2002, 74, 77 - Das Beste jeden Morgen) aus.
Der angesprochene Verkehr entnimmt der beanstandeten Aussage, dass mit dem von der Beklagen angebotenen "Degasport Ernährungsseminar" ein Abnehmen möglich ist, ohne mehr Hungergefühle zu haben, als diejenigen, die sich einer Gewichtsreduzierungsprozedur nicht unterziehen. Insoweit unterliegt der Verkehr einem Irrtum, da insbesondere nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine ernsthafte Gewichtsreduzierung ohne ein Mehr an Hungergefühlen zu erreichen ist.
Grundsätzlich trifft auch bei behaupteter Irreführung den Kläger die Darlegungs- und Beweislast. Allerdings können ihm Beweiserleichterungen zu gute kommen. Gerade bei Werbebehauptungen fehlt dem außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Kläger oft eine genaue Kenntnis der entscheidenden Tatumstände, so dass es ihm nicht möglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während der Beklagte über diese Kenntnisse verfügt und die notwendige Aufklärung ohne weiteres leisten kann. In solchen Fällen entspricht es auch dem im Prozess geltenden Gebot von Treu und Glauben, dass der Beklagte die erforderliche Aufklärung leistet, sofern ihm das nach den Umständen zuzumuten ist. Kommt der Beklagte der Darlegungs- und Beweispflicht nicht nach, so kann das Gericht davon ausgehen, dass die Behauptung unrichtig oder jedenfalls irreführend ist (Bornkamm in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 5 UWG, Rdnr. 3.23, m.w.N.).
Dies vorausgeschickt ist bezüglich des hier interessierenden Ernährungsseminars nicht ersichtlich, dass dort ein Abnehmen ohne zu hungern möglich. sein kann. Das Sachverständigengutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. ergibt die Richtigkeit dieser Aussage jedenfalls nicht. Der Sachverständige führt im Gutachten aus, genauere Aussagen über das DEGA-Ernährungskonzept ließen sich nicht treffen. Anhand der Folien könne nur eine grobe Bewertung vorgenommen werden, da etwa die Nährstoffzusammensetzung der Reduktionskost nicht bekannt sei. Im Gutachten heißt es dann weiter, gerade neuere Interventionsstudien belegten, dass mit gezielter Senkung der Energiedichte gleichzeitig ein Erhalt der Sättigung und eine Gewichtsabnahme möglich seien. Es könne also gelingen, eine Reduktion der Energiezufuhr von 500 bis 800 kcal/Tag zu erreichen bei unverändertem Sättigungsgefühl. Die im DEGA- Ernährungskonzept empfohlene Kost entspreche diesem Prinzip und könne daher in dieser Art und Weise funktionieren. Wie der Sachverständige weiter ausführt, sind aber genaue Aussagen zu dem hier interessierenden Ernährungskonzept nicht möglich, da es keiner objektiven wissenschaftlichen Evaluation unterzogen wurde. Da insoweit keine Daten vorlägen, könne das Programm nicht unmittelbar für sich in Anspruch nehmen, dass es die gewünschte Gewichtsreduktion ohne Zunahme des Hungergefühls erreiche. Zusammenfassend stellt der Sachverständige fest, das mit der vorgesehenen Unterstützung durch ein Sportprogramm mit dem Ernährungskonzept eine Gewichtsreduzierung von 3 bis 10 kg durchaus gelingen könne, auch ohne das es zu einer signifikanten Zunahme des Hungergefühls komme, sicher sei dies allerdings nicht.
Vor diesem Hintergrund ist die Aussage irreführend, weil sie nicht belegt ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang nämlich auch, dass es an sich Sache der Beklagten gewesen wäre, vor Verbreiten der beanstandeten Behauptung zunächst einmal selbst zu klären, ob das eigene Ernährungskonzept den ausgelobten Vorteil hat. Dies ist ersichtlich nicht geschehen, jedenfalls hat die Beklagte keinerlei diesbezügliche Nachweise (Gutachten, Studien u. ä.) vorgelegt. Solcher Nachweise hätte es schon deswegen bedurft, weil nach dem bisherigen Stand der Wissenschaft ein Abnehmen ohne vermehrte Hungergefühle nicht möglich ist, wie der Kläger dargelegt hat.
Insoweit handelt es sich bei der Behauptung der Beklagten, ihr Konzept ermögliche eine Gewichtsreduzierung ohne vermehrte Hungergefühle, um eine ebenfalls unzulässige Behauptung ins Blaue, die auch durch das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten nach den obigen Ausführungen nicht weiter verifiziert werden konnte. Dies geht zu Lasten der Beklagten.
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