Keine Rechts-/Parteifähigkeit der Erbengemeinschaft
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
17. 10. 2006
Aktenzeichen
VIII ZB 94/05
BGB § 2032; GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b
Die Erbengemeinschaft ist weder rechtsfähig noch parteifähig. Die Grundsätze zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGHZ 146, 341) und zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (BGHZ 163, 154) sind nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München I, 14. Zivilkammer, vom 12. September 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens haben die Beklagten zu tragen.
Beschwerdewert: 1.555,32 Euro
Gründe:
I.
Die Kläger verlangen von den Beklagten die Zustimmung zur Mieterhö-hung für eine Wohnung. Den Mietvertrag haben die Kläger, die Mitglieder einer Erbengemeinschaft sind, auf den Namen "F. S. 's Erben" geschlos-sen. Im Zeitpunkt der Klagezustellung hatte die Klägerin zu 5 ihren Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika. Das Amtsgericht hat die Beklagten an-tragsgemäß verurteilt. Dagegen haben die Beklagten Berufung zum Landge-richt eingelegt. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss als unzuläs-sig verworfen. Hiergegen wenden die Beklagten sich mit der Rechtsbeschwer-de.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässig, weil sich die Frage stellt, ob die Erbengemeinschaft in ent-sprechender Anwendung der Grundsätze zur Teilrechtsfähigkeit der Woh-nungseigentümergemeinschaft (BGHZ 163, 154) als rechtsfähig und damit par-teifähig anzusehen ist. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 575 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das Beru-fungsgericht die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO als unzulässig verworfen, weil für die Entscheidung über das Rechtsmittel nicht das Landgericht, sondern das Oberlandesgericht zuständig ist. Die Oberlandesge-richte sind nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG zuständig für die Verhand-lung und Entscheidung über die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte in Streitigkeiten über Ansprüche, die von einer oder gegen eine Partei erhoben werden, die ihren allgemeinen Ge-richtsstand im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit in erster Instanz außerhalb des Geltungsbereichs des Gerichtsverfassungsgesetzes hatte. Diese Vorausset-zungen für die Berufungszuständigkeit des Oberlandesgerichts sind hier erfüllt.
a) Die Klägerin zu 5 hatte im Zeitpunkt der Zustellung der vor dem Amts-gericht erhobenen Klage ihren Wohnsitz und damit gemäß § 13 ZPO ihren all-gemeinen Gerichtsstand im Ausland. Die Klägerin zu 5 ist - wie das Berufungs-gericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat - auch Partei.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ergibt sich dies allerdings nicht schon daraus, dass die Kläger zu 1 bis 8 in der Klageschrift als "Kläger" bezeichnet sind. Denn es ist unklar, ob damit die Kläger zu 1 bis 8 als Einzel-personen oder als Gemeinschaft gemeint sind. Da die Kläger die Zustimmung zur Mieterhöhung aufgrund eines Mietvertrages verlangen, den sie als Mitglie-der einer Erbengemeinschaft auf den Namen "F. S. ’s Erben" ge-schlossen haben, kommen als Partei sowohl die einzelnen Erben als auch die Erbengemeinschaft in Betracht. Ist eine Parteibezeichnung - wie hier - mehr-deutig, ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Partei mit der Bezeichnung gemeint ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1987 - II ZR 21/87, WM 1988, 635 = NJW 1988, 1585 unter II 3 a m.w.Nachw.). Dabei ist maßgeblich auf die Sicht des Empfängers der prozessualen Erklärung abzustellen. Ist nur eine der als Partei in Frage kommenden Personen oder Personenmehrheiten parteifähig, ist die Parteibezeichnung im Zweifel dahin auszulegen, dass damit die parteifähige Person oder Personenmehrheit gemeint ist. Denn der Empfänger der prozes-sualen Erklärung kann bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise nicht annehmen, dass eine nicht parteifähige Partei am Prozess beteiligt sein soll.
Im Streitfall kommt es demnach entgegen der Ansicht des Berufungsge-richts darauf an, ob die Erbengemeinschaft rechtsfähig ist. Nur wenn und soweit die Erbengemeinschaft rechtsfähig und damit parteifähig ist, kann sie selbst am Prozess als Kläger beteiligt sein; andernfalls sind die einzelnen Erben als Klä-ger anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden (Urteil vom 11. September 2002 - XII ZR 187/00, NJW 2002, 3389 unter II 1; Beschluss vom 16. März 2004 - VIII ZB 114/03, NJW-RR 2004, 1006 unter 3 a), dass die Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft sich nicht aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGHZ 146, 341) herleiten lässt.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde sind auch die Grundsät-ze zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (BGHZ 163, 154) nicht auf die Erbengemeinschaft zu übertragen. Die Rechtsstellung der Erbengemeinschaft ist nicht mit der Rechtsstellung der Wohnungseigentümer-gemeinschaft vergleichbar.
Insbesondere ist sie - anders als diese - nicht zur dauerhaften Teilnahme am Rechtsverkehr bestimmt oder geeignet. Sie ist nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet. Sie verfügt nicht über eigene Organe, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte. Die Erbengemeinschaft ist daher kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechts-subjekt, sondern lediglich eine gesamthänderisch verbundene Personenmehr-heit, der mit dem Nachlass ein Sondervermögen zugeordnet ist (vgl. BGH, Ur-teil vom 11. September 2002 aaO m.w.Nachw. auch zur Gegenansicht). Im Streitfall sind daher die einzelnen Erben, darunter die Klägerin zu 5, als Kläger anzusehen.
b) Das Oberlandesgericht ist auch dann nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG einheitlich zuständig, wenn nur einer von mehreren Streitgenos-sen - wie hier die Klägerin zu 5 - seinen allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat. Das gilt - entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde - grundsätzlich un-abhängig davon, ob es sich um eine einfache oder um eine notwendige Streit-genossenschaft handelt. Für diese Auslegung spricht, wie der Senat bereits ausgeführt hat, sowohl die Vereinfachungstendenz des Gesetzes als auch sein Zweck, in Fällen mit Auslandsberührung die Rechtssicherheit durch eine ober-gerichtliche Rechtsprechung zu verstärken (Senat, Beschluss vom 15. Juli 2003 - VIII ZB 30/03, NJW 2003, 3278 unter II 2 b; BGHZ 155, 46, 48 f. m.w.Nachw.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ball
Dr. Wolst
Hermanns
Dr. Milger
Dr. Koch
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