Schädigung nachbarlicher Unter-Glas-Rosenkulturen durch güllebedingte Ammoniak-Verflüchtigungen

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

28. 07. 1995


Aktenzeichen

11 U 24/94


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Düngung mit Gülle verstößt auch in Regionen, die durch einen hohen Anteil von Unter-Glas-Kulturen geprägt sind, nicht gegen objektive Sorgfaltsmaßstäbe. Zur Vermeidung von Pflanzenschäden durch abdriftende Ammoniak-Verflüchtigungen ist jedoch für eine unverzügliche Einarbeitung in den Boden Sorge zu tragen.

  2. Die Unkenntnis der Gefährdung empfindlicher Unter-Glas-Kulturen durch abdriftende Ammoniak-Verflüchtigungen war einem niederrheinischen Landwirt jedenfalls im Frühjahr 1990 nicht als Verschulden anzulasten.

  3. Die schuldlose Schädigung benachbarter Unter-Glas-Kulturen durch abdriftende Ammoniak-Verflüchtigungen kann einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch begründen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kläger und seine Ehefrau sind Inhaber eines Gartenbaubetriebs in Straelen, in dem sie u.a. Rosen in Treibhäusern kultivieren. Der Beklagte bewirtschaftet eine benachbarte Ackerparzelle, die am nächstgelegenen Punkt einen Abstand von etwa 20 m, an der entferntesten Stelle einen Abstand von rd. 120 m von den Gewächshäusern des Klägers aufweist. Am 21. 4. 1990 ließ der Beklagte zwischen 8 und 10 Uhr durch einen Lohnunternehmer Gülle auf seinem Acker ausbringen, die er am Nachmittag desselben Tages - nach seiner eigenen Darstellung zwischen 14 und 15 Uhr, nach Darstellung des Klägers zwischen 15 und 17 Uhr - selbst untergrubberte. Zwei Tage später zeigten sich an einer Rosenkultur der Sorte „Madelon“, mit der eines der Gewächshäuser des Klägers seit 1983 zur Hälfte (ca. 1400 qm) besetzt war, Verfärbungen an den älteren, ausgereiften Blättern, die eine Fachberaterin der Landwirtschaftskammer Rheinland und ein vom Kläger zugezogener Sachverständiger in der Folge als durch Immissionen verursachte Blattrandnekrosen identifizierten. Der Kläger hat vorgetragen, der Beklagte habe die Gülle - insb. unter Berücksichtigung der damaligen Witterungsverhältnisse - verspätet eingearbeitet. Die in der Zwischenzeit freigesetzten Ammoniakgase (NH3) seien in sein Gewächshaus eingedrungen und hätten dort die Schäden an der Rosensorte „Madelon“ hervorgerufen. Die geschädigten Rosen hätten nicht oder nur zu erheblich geminderten Preisen abgesetzt werden können. Zudem sei die Ernte im weiteren Verlauf des Jahres geringer ausgefallen. Den dadurch entstandenen Schaden, dessen Ersatz er aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau vom Bekl. begehrt, beziffert der Kläger auf 12000 DM zzgl. 316,92 DM Gutachterkosten.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Der Bekl. ist dem Kl. weder aus §§ 823 I, 398 BGB noch aus anderen verschuldensabhängigen Anspruchsgrundlagen zum Ersatz des an der Rosenkultur „Madelon“ entstandenen Schadens und der Folgekosten für Privatgutachten und sonstigen Abwicklungsaufwand verpflichtet.

1. Allerdings bestehen nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine begründeten Zweifel daran, dass die Schäden an der Rosenkultur „Madelon“ durch vom Feld des Bekl. ausgegangene Ammoniakgase verursacht wurden.

2. Die eingangs genannten Schadensersatzansprüche scheitern indes am Erfordernis eines Verschuldens. Die Verwendung von Gülle zur Düngung verstößt als solche auch in Gebieten, die - wie die Region um Straelen - durch einen hohen Anteil von Unter-Glas-Kulturen geprägt sind, nicht gegen objektive Sorgfaltsmaßstäbe. Der Sachverständige S hat eingehend erläutert, dass der Einsatz von Gülle bei fachgerechter, nicht nur der Entsorgung dienender Anwendung weiterhin ökologisch und ökonomisch sinnvoll und aus seiner Sicht der Düngung mit chemischen Mitteln vorzuziehen ist. Umweltschäden und Beeinträchtigungen benachbarter Kulturen können durch richtige Dosierung, gezielte Ausbringung bei geeigneter Witterung und sofortige Einarbeitung vermieden werden. Ein Schuldvorwurf könnte danach allenfalls an die näheren Umstände der Ausbringung und Einarbeitung anknüpfen.

Insoweit hat der Bekl. nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S gegen objektive, zum Standardwissen eines jeden Landwirts gehörende Sorgfaltsmaßstäbe verstoßen. Der Sachverständige hat anhand zahlreicher Textquellen aus landwirtschaftlichen Arbeitsblättern, auf den Landwirt ausgerichteten Fachzeitschriften und Publikationen der Landwirtschaftskammern belegt, dass allgemein eine „direkte“, „unmittelbare“ oder „unverzügliche“ Einarbeitung der Gülle empfohlen wird.

Er hat dem Senat erläutert, dass dies nach seiner Beurteilung in einem Arbeitsgang mit dem Ausbringen geschehen sollte und dass bei intensiver Sonneneinstrahlung und den daraus über feuchtem Boden entstehenden hohen Temperaturen, wie sie am fraglichen Tage herrschten, ganz auf das Güllen verzichtet werden sollte. Der Senat lässt offen, ob dieser Fachansicht vor dem Hintergrund teilweise moderaterer Formulierungen in den landwirtschaftlichen Veröffentlichungen uneingeschränkt zu folgen ist. Jedenfalls entsprach es nicht mehr den fachlichen Empfehlungen, bei der beschriebenen Witterung erst nach mehrstündiger Unterbrechung mit dem Einarbeiten der Gülle zu beginnen. Die technischen Voraussetzungen für eine sofortige Einarbeitung hätten zur Verfügung gestanden.

Gleichwohl ist dem Bekl. keine fahrlässige Schädigung des Kl. anzulasten, weil nicht feststellbar ist, dass er Beeinträchtigungen benachbarter Anpflanzungen voraussehen konnte. Zwar braucht sich das Verschuldensmerkmal der Voraussehbarkeit nicht auf alle Einzelheiten der Schadensentwicklung zu erstrecken. Ein Schuldvorwurf scheidet jedoch aus, wenn der Schädiger nicht erkennen konnte, dass sein Verhalten überhaupt einen schädigenden Erfolg der in Rede stehenden Art bewirken konnte (vgl. BGHZ 57, 25 (33); BGHZ 59, 30 (39); BGH, NJW-RR 1993, 345, 346; Palandt/Heinrichs, BGB, § 276 Rdnr. 20). An dieser Erkennbarkeit fehlte es jedenfalls zum Zeitpunkt der Schadensverursachung im Frühjahr 1990:

Der sachverständige Zeuge K hat zwar einen Hinweis der Landwirtschaftskammer erwähnt, wonach „NH3-Verflüchtigungen unter bestimmten Umständen zu Pflanzenschädigungen führen“ könnten. Er räumte aber ein, dass diese Feststellung in der betreffenden Veröffentlichung nicht näher erläutert worden sei und er auch nicht wisse, ob vor dem Schadensfall bereits Warnungen an die Landwirte ergangen seien. Der Sachverständige S hat vor dem Senat im einzelnen aufgezeigt, dass die Hinweise und Empfehlungen zum Umgang mit Gülle in den landwirtschaftlichen Publikationen bislang nicht unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Schädigung benachbarter Kulturen durch Ammoniakgase erteilt wurden.

Den Landwirten im Bereich des linken Niederrheins musste danach zwar bekannt sein, dass Ammoniak sich insb. bei intensiver Sonneneinstrahlung schnell verflüchtigt und damit der Wirkungsgrad der Düngung innerhalb kurzer Zeit stark absinkt, wenn die Gülle nicht sogleich in den Boden eingearbeitet wird. Es gehörte auch zum Standardwissen eines Landwirts, dass Ammoniak bei unmittelbarer Benetzung von Pflanzen ("Überkopfdüngung“) unter bestimmten Begleitumständen die Zellstrukturen verätzen und damit schwerwiegende Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen verursachen kann. Schließlich war in landwirtschaftlichen Fachkreisen allgemein bekannt, dass Ammoniak als beißendes und ätzendes Gas nicht nur als Geruchsbelästigung empfunden wird, sondern darüber hinaus das menschliche Wohlbefinden ernsthaft beeinträchtigen kann, und dass Gülle eine potentielle Belastung für das Grundwasser darstellt. Diese gesamten Kenntnisse stellen indes nur Verknüpfungen zwischen dem Umgang mit Gülle und der Effizienz der Düngung, allgemeinen Umweltbelastungen und Kontaktschäden beim Ausbringen des Stoffes her. Die Frage, ob einem Landwirt im Frühjahr 1990 auch bekannt war, dass abdriftende Ammoniakgase benachbarte Anpflanzungen - insb. solche in Gewächshäusern - in Mitleidenschaft ziehen können, hat der Sachverständige in seiner Anhörung vor dem Senat dagegen eindeutig verneint. Allerdings waren Pflanzenschäden durch Ammoniakimmissionen zum damaligen Zeitpunkt nicht gänzlich unbekannt. Soweit der Sachverständige auf entsprechende Untersuchungen - etwa zur Schädigung von Fichten durch Stallabluft - verwiesen hat, handelte es sich indes um wissenschaftliche Ausarbeitungen, die in den auf den Landwirt ausgerichteten Publikationen keinen Niederschlag gefunden hatten und deshalb für seine Erkenntnisfähigkeit nicht bestimmend waren.

Der Bekl. konnte die Beeinträchtigung benachbarter Kulturen, die mit dem ausgebrachten Stoff nicht unmittelbar in Berührung kamen, auch nicht deshalb voraussehen, weil ihm die schnelle Verflüchtigung und die grundsätzlich ätzende Wirkung von Ammoniak sowie die negativen Auswirkungen auf pflanzliche Zellstrukturen je für sich geläufig sein mussten. Zum einen ist aus dem Wissen um die Gefahren einer „Überkopfdüngung“ noch nicht ohne weiteres auf mögliche Schäden bei gasförmiger Einwirkung zu schließen. Zum anderen hat der Sachverständige S bestätigt, dass selbst ihm in seiner langjährigen beruflichen Laufbahn noch kein vergleichbarer Fall bekanntgeworden sei. Bei dieser Sachlage würde die Kombinations- und Einsichtsfähigkeit des Bekl. überfordert, wenn man ihm die Verkennung der Gefahr der Beeinträchtigung von Rosenkulturen des Kl. als Verschulden anlasten wollte, zumal auch in der Vergangenheit keine entsprechenden Schäden aufgetreten waren. Es bleibt Aufgabe der Landwirtschaftskammern und der weiteren landwirtschaftlichen Vereinigungen, ihre Mitglieder auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen und ihnen Empfehlungen zur Vermeidung solcher Schäden an die Hand zu geben. Der bloße Verstoß gegen Sorgfaltsmaßstäbe, deren Bedeutung für benachbarte Kulturen der Bekl. nicht erkennen musste, reicht dagegen zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs nicht aus.

II. Damit entfällt indes noch nicht jede Haftung des Bekl. Dem Kl. steht vielmehr aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau (§ 398 BGB) ein gegenüber der Verschuldenshaftung subsidiärer (BGHZ 120, 239 (249)) nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 II 2 BGB zu, dessen Umfang sich nach den Grundsätzen für die Bemessung einer Enteignungsentschädigung bestimmt (BGHZ 90, 255 (263); BGH, NJW 1990, 3195 (3197) = LM § 1004 BGB Nr. 193; NJW 1992, 2884) und der sich vorliegend nach Abwägung aller Umstände auf ein Viertel des nachgewiesenen Schadens beläuft. Eine unmittelbare Anwendung des § 906 II 2 BGB kommt nicht in Betracht, weil sich Beeinträchtigungen durch Ammoniakgase durch sofortiges Einarbeiten der ausgebrachten Gülle in wirtschaftlich zumutbarer Weise vermeiden lassen und deshalb vom Kl. nicht zu dulden sind.

1. Der - verschuldensunabhängige - nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 II 2 BGB umfasst alle von einem Grundstück im Rahmen seiner privatrechtlichen Nutzung ausgehenden Einwirkungen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der davon betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen - tatsächlich oder rechtlich - gehindert war, die Beeinträchtigung gem. § 1004 I BGB rechtzeitig zu unterbinden (vgl. BGHZ48, 98 (101); BGHZ 72, 289 (291f.); BGHZ 85, 375 (384); BGHZ 90, 255 (262); BGH, NJW 1990, 3195 (3196) = LM § 1004 BGB Nr. 193). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt: Das Grundstück des Kl. wurde durch die von der Ackerparzelle des Bekl. ausgehenden Ammoniakgase wesentlich beeinträchtigt. Das Gewicht der Störung kann nicht deshalb als unwesentlich bezeichnet werden, weil nur eine besonders empfindliche Rosensorte Schaden nahm, während die übrigen Kulturen keine Veränderungen zeigten. Ob die Nutzung eines Grundstücks wesentlich beeinträchtigt ist, hängt allein von den tatsächlichen Verhältnissen ab, die vorliegend durch den Anbau der Sorte „Madelon“ maßgeblich mitgeprägt wurden. Da der Kl. sein Eigentum grundsätzlich nach eigenem Belieben nutzen durfte, brauchte er sich nicht auf Kulturen zu beschränken, die NH3-Einwirkungen standgehalten hätten (vgl. BGHZ 90, 255 (260f.)). Die Beeinträchtigungen wären bei sachgerechter Einarbeitung der Gülle auch vermeidbar, entsprechende Vorkehrungen wirtschaftlich zumutbar gewesen. Der Kl. musste die Störung deshalb nicht dulden (§ 906 I 1, II 1 BGB), war jedoch - nachdem er den Güllegeruch wahrgenommen hatte - tatsächlich nicht mehr in der Lage, sie abzuwehren. Der Bekl. ist deshalb verpflichtet, ihm einen angemessenen finanziellen Ausgleich zu gewähren.

2. Bei der Bemessung dieses Anspruchs sind die Grundsätze des § 254 BGB entsprechend heranzuziehen. Das gilt nicht nur bei einem mitwirkenden Verschulden des Geschädigten, sondern auch bei schuldlosen Verursachungsbeiträgen (BGH, NJW-RR 1988, 136 (138) = LM § 906 BGB Nr. 78). Da der Bekl. ohne Verschulden zum Ausgleich verpflichtet ist, wäre es nicht zu rechtfertigen, auf seiten des Kl. nur vorwerfbares Verhalten anspruchsmindernd zu berücksichtigen. Wegen des besonderen Charakters des Anspruchs, der keinen vollen Schadensersatz, sondern nur einen billigen Ausgleich gewährt und deshalb eine umfassende Abwägung aller Umstände erfordert, sind darüber hinaus eine besondere Schadensanfälligkeit (BGH, NJW-RR 1988, 136 (138) = LM § 906 BGB Nr. 78; NJW 1992, 2884 (2885)) und das Maß der von den Beteiligten gesetzten Risiken (vgl. BGHZ 115, 84 (87f.) = LM H. 1/1992 § 7 StVG Nr. 66 zur Bedeutung dieses Kriteriums im Rahmen der Gefährdungshaftung) in die Betrachtung einzubeziehen. In der Gesamtschau führt dies zu folgender Abwägung: Der Bekl. setzte die erste und entscheidende Ursache für den eingetretenen Schaden, indem er es versäumte, die von dem beauftragten Lohnunternehmer ausgebrachte Gülle sogleich unterzugrubbern. Er handelte dabei mangels Vorhersehbarkeit der Schädigung des Kl. zwar nicht fahrlässig, immerhin aber objektiv unsachgemäß, was ihm - wenn auch unter den Gesichtspunkten der Selbstschädigung durch Minderung des Wirkungsgrads der Düngung und einer möglichen Geruchsbelästigung - auch bekannt sein musste. Diese Beteiligung an der Schadensentstehung wiegt so schwer, dass er jedenfalls einen Teil des dem Kl. entstandenen Schadens auszugleichen hat. Andererseits ist auch dem Kl. ein gewisser Verursachungsbeitrag zuzurechnen. Zwar ist ihm weder im Sinne eines Verschuldens noch objektiv anzulasten, dass er nach der Feststellung des Güllegeruchs die Lüftungsklappen des Treibhauses nicht schloss. Der Sachverständige S hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass eine solche Maßnahme die Temperaturen in der Anlage derart erhöht hätte, dass sämtliche Kulturen - nicht nur die Sorte „Madelon“ - irreversibel geschädigt worden wären. Dem Kl. als Mitinhaber eines Gartenbaubetriebs war jedoch bewusst, dass unter Glas gezogene Rosen ein wesentlich weicheres und damit anfälligeres Blattwerk entwickeln als durch die Witterung abgehärtete Freilandrosen. Nur ihm war bekannt, dass er mit der Sorte „Madelon“ eine besonders empfindliche Pflanzensorte kultivierte. Schließlich konnte er aufgrund seiner langjährigen beruflichen Erfahrung die klimatischen Abläufe in einem Gewächshaus besser beurteilen, wusste also insb., dass einmal eingedrungene Schadstoffe durch den reduzierten Luftaustausch länger als im Freiland „festgehalten“ werden und damit intensiver auf die Pflanzen einwirken können. Aufgrund dieses Wissens wäre er eher als der Bekl. in der Lage gewesen, die Gefahren von Ammoniakimmissionen zu erkennen. Der Sachverständige S hat hierzu in seiner Anhörung ausgeführt, Glasbau-Gärtnern sei die toxische Wirkung von NH3-Gasen grundsätzlich bekannt. Der Kl. hat dies mittelbar bestätigt. Er hat zwar erklärt, entsprechende Kenntnis erst aus den nach Schadenseintritt eingeholten Gutachten erlangt zu haben. Gleichzeitig hat er jedoch von späteren Gesprächen mit niederländischen Berufskollegen über die Sorte „Madelon“ berichtet, nach denen schon bei geringen Gerüchen höchste Vorsicht geboten sei. Bei dieser Sachlage wäre es zweckmäßig gewesen, den Bekl. und ggf. die weiteren Nachbarn auf die für sie nicht in gleicher Weise erkennbare Gefahrenlage hinzuweisen und zu bitten, die NH3-Verflüchtigungen durch sofortiges Einarbeiten der Gülle zu minimieren.

Es mag dahinstehen, ob dem Kl. das Unterlassen eines solchen Hinweises bereits als Obliegenheitsverletzung anzulasten ist. Jedenfalls hat er durch dieses Versäumnis objektiv dazu beigetragen, dass der Bekl., der zwar unsachgemäß, nach den Gepflogenheiten in der Landwirtschaft aber nicht völlig ungewöhnlich und damit für den Kl. nicht schlechterdings unkalkulierbar handelte, die entscheidende Schadensursache setzte.

Über diesen Verursachungsbeitrag hinaus ist zu Lasten des Kl. zu berücksichtigen, dass das Schadensrisiko durch die Besonderheiten des Unter-Glas-Anbaus (empfindsamere Pflanzenstrukturen, reduzierter Luftaustausch und dadurch verlangsamter Abzug von Schadstoffen) wesentlich erhöht wurde. Der Bekl. muss bei seinen Arbeitsmethoden zwar die Struktur seines Umfelds, die im Raum Straelen maßgeblich durch ausgedehnte Treibhausanlagen mit geprägt wird, berücksichtigen. Im Rahmen eines angemessenen Ausgleichs für schuldlos herbeigeführte Schäden wäre es aber unbillig, ihm einseitig das vom Kl. - wenn auch zulässig - gesetzte erhöhte Risiko aufzubürden. Entsprechendes gilt für die besondere Schadensanfälligkeit der Rosensorte „Madelon“. Der Sachverständige S hat diese Sorte zwar nicht als „extrem empfindlich" bezeichnen wollen; es handelte sich nicht um eine Kultur, mit der in der fraglichen Region schlechterdings nicht zu rechnen war. Die vom Kl. vor dem Senat eingeräumte, letztlich auch durch den Schadenseintritt bestätigte besondere Empfindlichkeit dieser Sorte ist indes im Rahmen eines Billigkeitsausgleichs der Risikosphäre des Kl. zuzuordnen.

In der Gesamtbetrachtung schließt der entscheidende, durch objektiv unsachgemäßes Verhalten geprägte Ursachenbeitrag des Bekl. seine völlige Entlastung aus. Die Unterlassungen des Kl. und die seiner Risikosphäre zuzurechnende Gefahrerhöhung begründen jedoch ein Übergewicht zu seinen Lasten, so dass ein Ausgleichsanspruch in Höhe eines Viertels des nachgewiesenen Schadens der Billigkeit entspricht.

Rechtsgebiete

Garten- und Nachbarrecht