Ablehnung einer alternativ angebotenen Unterkunft

Gericht

LG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 07. 2006


Aktenzeichen

2-24 S 359/03


Entscheidungsgründe


Aus den Gründen:

I. ...

II. ...

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit gemäß § 651 f Abs. 2 BGB. Nach § 651 f Abs. 2 BGB kann der Reisende, wenn die Reise vereitelt oder beeinträchtigt wird, auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Diese Vorschrift erweitert hinsichtlich des Anspruchsumfangs die Regelung des § 651 f Abs.1 BGB, dass der Reisende unbeschadet der Minderung (§ 651d BGB) oder der Kündigung (§ 651e BGB) Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen kann, es sei denn, der Mangel der Reise beruht auf einem Umstand, den der Reiseveranstalter nicht zu vertreten hat. Der Anspruch auf eine angemessene Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit nach Abs. 2 der Vorschrift hat daher zunächst einmal dieselben Voraussetzungen wie der Schadensersatzanspruch nach Abs. 1. Zusätzliche haftungsbegründende Voraussetzung ist die Vereitelung oder eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise. Hier liegen alle anspruchsbegründenden Voraussetzungen des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs vor.

Nicht nur ein Mangel der Reise im werkvertraglichen Sinne, sondern auch die vollständige Nichterbringung der vertraglich geschuldeten Leistung kann einen Anspruch nach § 651 f Abs.l oder 2 BGB begründen. Umstände, die die gesamte Reise oder Einzelleistungen wie Beförderung, Unterbringung, Verpflegung und sonstige Betreuung ganz oder teilweise unmöglich machen sowie eine Leistungsverweigerung des Reiseveranstalters verhindern oder mindern den nach dem Vertrag vorausgesetzten Nutzen der Reise und werden daher vom reisevertraglichen Gewährleistungsrecht der §§ 651cff. BGB einschließlich des § 651 f BGB erfasst (vgl. zum Ganzen BGH, RRa 2005, 57 = NJW 2005, 1047, 1048).

Wenn hier die Beklagte dem Kläger erklärte, dass sie ihn und seine Partnerin nicht im Hotel P.P. unterbringen könne, weil die dortigen Quartiere überbucht seien, so lag dem entweder die Unmöglichkeit der vertraglich geschuldeten Leistung (§ 275 Abs. 1 BGB) oder eine Leistungsverweigerung zu Grunde. Der Kläger hatte unter verschiedenen Hotels eine Wahl getroffen und nach dem Inhalt des Reisevertrags einen Urlaub im ausgesuchten Hotel P.P. gebucht. Bei der gebuchten Reise handelte es sich deshalb nicht etwa um eine Gattungs- oder Wahlschuld der Beklagten des Inhalts, dass sie für den Kläger einen Urlaub in irgendeinem, erst nach Vertragsschluss von ihr zu bestimmenden Hotel in P. bewerkstelligen musste. Die Leistungspflicht der Beklagten war vielmehr auf das gebuchte Hotel P. P. konkretisiert; nur durch die Verschaffung eines Urlaubs in gerade diesem Hotel konnte die Beklagte ihrer Leistungspflicht genügen. Ebenso wenig hatten die Parteien eine Ersetzungsbefugnis der Beklagten vereinbart. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Reiseveranstalter nicht berechtigt ist, den Reisenden ohne seine Zustimmung an einem anderen Urlaubsort unterzubringen (vgl. zum Ganzen BGH, RRa 2005,57,58 = NJW 2005,1047,1048). Das Angebot der Beklagten, den Kläger in einem anderen als dem gebuchten Hotel einzuquartieren, änderte daher nichts daran, dass sie die Vertragserfüllung ablehnte.

Das Verschulden des Reiseveranstalters oder seiner Erfüllungsgehilfen (§278 BGB) wird nach §651f Abs.l BGB vermutet. Die Beklagte hat nichts zu ihrer Entlastung vorgetragen.

Die Reise ist auch vereitelt worden. Kann oder will der Reiseveranstalter den Reisevertrag nicht ordnungsgemäß erfüllen, zum Beispiel infolge einer Überbuchung, und führt dies dazu, dass der Kunde die Reise nicht antritt, so wird die Reise vereitelt. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine Vereitelung der Reise anzunehmen ist, wenn der gegen seinen Willen an einem anderen Urlaubsort untergebrachte Reisende die Reise alsbald abbricht (zum Ganzen BGH, RRa 2005,57,58 = NJW 2005, 1047, 1048). Dies gilt genauso, wenn der Kunde aus dem gleichen Grund schon den Antritt der Reise ablehnt.

Damit sind alle Anspruchsvoraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs des Klägers nach § 651 f Abs. 2 BGB erfüllt. Einer zusätzlichen Kündigung des Reisevertrags nach § 651e Abs. 1 BGB bedurfte es nicht. Für den Anspruch aus § 651 f Abs. 2 BGB brauchen auch nicht die Voraussetzungen einer Kündigung vorzuliegen. Denn der Wortlaut des Absatzes 1, wonach der Anspruch "unbeschadet der Minderung oder Kündigung" gegeben ist, besagt, dass die verschiedenen Gewährleistungsansprüche unabhängig nebeneinander bestehen (so auch Erman / Seiler, BGB [11. Aufl.], § 651 f, Rn. 1; Staudinger/Eckert, BGB [Neubearb. 2004], § 651 f, Rn. 9). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob die Reise, falls der Kläger das Ersatzangebot angenommen hätte, infolge der Unterschiede zwischen dem ursprünglich gebuchten und dem ersatzweise angenommenen Hotel erheblich beeinträchtigt gewesen wäre. Diese Voraussetzung gilt nur für eine Kündigung, nicht aber für einen Entschädigungsanspruch wegen Vereitelung der Reise (vgl. zum Ganzen BGH, RRa 2005, 57= NJW 2005, 1047, 1048; so zutr. auch OLG Düsseldorf, NJW-RR 1989, 1078; NJW-RR 1994, 950; OLG Frankfurt a.M., RRa 1995, 224).

Die Beklagte kann dem Entschädigungsanspruch des Klägers auch nicht den"Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) mit der Begründung entgegensetzen, der Kläger hätte ein gleichwertiges Ersatzangebot nicht angenommen.

Die tatsächlichen Voraussetzungen einer unzulässigen Rechtsausübung muss der Einwendende darlegen. Grundsätzlich obliegt es deshalb nicht dem Reisenden, Rechtfertigungsgründe für seine Nichtannahme des Ersatzangebots vorzutragen, sondern es ist Sache des Reiseveranstalters, besondere Umstände darzutun und erforderlichenfalls zu beweisen, deretwegen die Ablehnung des Reisenden ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstieß. Diese Umstände müssen letztlich den Schluss rechtfertigen, dass nicht die Unterschiede zwischen den beiden Reiseleistungen der hauptsächliche Beweggrund des Reisenden für seine Ablehnung waren, sondern dass ihn andere, im Verhältnis zum Reiseveranstalter nicht schutzwürdige Motive antrieben, etwa schlichte Vertragsreue (vgl. zum Ganzen BGH, RRa 2005, 57= NJW 2005,1047, 1048 ).

Gründe, die die Ablehnung der Ersatzangebote der Beklagten durch den Kläger als treuwidrig erscheinen lassen, liegen nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Von einem Rechtsmissbrauch kann vorliegend noch nicht ausgegangen werden.

Es ist festzuhalten, dass die zunächst angebotene Ersatzunterkunft dem ursprünglichen Hotel nicht gleichwertig war, da es einer niedrigeren Kategorie angehörte. Schon allein daraus ergibt sich, dass die entsprechende Ablehnung dieses Angebots nicht rechtsmissbräuchlich ist (vgl. BGH, RRa 2005, 57, 59 = NJW 2005, 1047, 1048).

Nach Auffassung des Berufungsgerichts stellt sich aber auch die Ablehnung der zweiten angebotenen Unterkunft noch nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Zwar ist wohl davon auszugehen, dass diese Ersatzunterkunft im Hinblick auf die Ausstattung dem gebuchten Hotel gleichwertig war. Jedoch hat der Kläger plausibel und nachvollziehbar dargetan, warum dieses Ersatzhotel für ihn nicht akzeptabel war. Der Kläger und seine Partnerin wollten nämlich in der Nähe einer mitreisenden Familie wohnen. Bei diesem Umstand handelt es sich insgesamt nicht um eine solch sachfremde Erwägung, die zu einem Verstoß gegen Treu und Glauben führt.

Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn die Annahme des Ersatzangebots zu keiner größeren Beeinträchtigung des Reisenden geführt hätte (vgl. zum Ganzen BGH, RRa 2005, 57, 59 = NJW 2005,1047,1048/1049).

Der Wortlaut des Gesetzes sowie der Sinn und Zweck der Entschädigung, dem Kunden einen Ausgleich für die entgangene Urlaubsfreude zu verschaffen, sprechen dafür, dass bei Vereitelung der Reise ohne weiteres eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geboten ist. Mit der Vereitelung der Reise steht fest, dass der Kunde den von ihm geplanten konkreten Nutzen seiner Urlaubszeit, nämlich den Erfolg der von ihm beim Reiseveranstalter gebuchten Reise, nicht erreichen kann.

Nach all dem war der Kläger wegen nutzlos aufgewandter Urlaubszeit zu entschädigen.

Der Kläger hatte bei der Beklagten ursprünglich eine dreiwöchige Urlaubsreise in das Hotel PP gebucht. Auf Grund seiner Eigeninitiative war es dem Kläger möglich, später Zimmer in dem gewünschten Hotel PP für die letzten beiden Urlaubswochen bei einem anderen Reiseveranstalter zu buchen.

Der Kläger begehrt nunmehr für sich eine Entschädigung für die erste Urlaubswoche, in der er die Reise nach Kroatien in das Hotel pp wegen Überbuchung nicht antreten konnte und zu Hause bleiben musste.

Im Hinblick auf die nunmehrige Rechtsprechung des BGH (RRa 2005,57= NJW 2005,1047) hält die Kammer an ihrer ursprünglichen Berechnungsweise der Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB in Form von pauschalen Tagessätzen nicht mehr fest (vgl. Urteil der 24. Zivilkammer des LG Frankfurt a.M. vom 7.2.2006 - 2-24 S118/05).

Nach der nunmehrigen Rechtsprechung der Kammer ist als geeigneter Maßstab für die Bemessung der Entschädigung nach § 651 f Abs. 2 BGB auf den Reisepreis abzustellen, zu dem die Entschädigung in angemessenem Verhältnis zu stehen hat.

Ausgehend von einem Gesamtreisepreis für den dreiwöchigen Urlaub des Klägers allein in Höhe von 1.522,- DM ergibt sich ein Wochenreisepreis von 507,33 DM.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist im Falle der vorliegenden Vereitelung der Reise in der ersten Urlaubswoche eine Entschädigung in Höhe des hälftigen Wochenreisepreises angemessen (vgl. auch BGH, RRa 2005, 57= NJW 2005, 1047, 1050). Daraus ergibt sich ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 253,67 DM, was 129,70 EUR entspricht.

Der (Rest- )Erholungswert eines zu Hause verbrachten Urlaubs stellt auch keinen Schadensminderungsposten dar, den das Gericht bei der Bemessung der Entschädigung berücksichtigen muss. Der Erholungswert eines häuslichen Urlaubs beruht auf der zu Hause genossenen Freizeit. Freizeitwert hat ein Urlaub aber mit oder ohne Reise. Er ist mithin nicht Gegenstand der vom Reiseveranstalter geschuldeten Leistung. Ihn will der Kunde nicht mit dem Reisepreis erkaufen; er hat nichts mit dem Gewinn zu tun, den der Kunde sich gerade von der Reise, das heißt von dem Ortswechsel, verspricht. Deshalb ist der reine Freizeitwert des vereitelten Urlaubs vom Reiseveranstalter nicht zu entschädigen. Dann darf aber auch kein Abzug von der Entschädigung erfolgen, wenn dieser Freizeitwert dem Kunden erhalten bleibt, wie es bei einem zu Hause verbrachten Urlaub der Fall ist (vgl. zum Ganzen BGH, RRa. 2005,57,61 = NJW 2005, 1047, 1050). ...

Rechtsgebiete

Reiserecht