Unverschuldetes Fristversäumnis bei Reisemangel

Gericht

LG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

13. 07. 2006


Aktenzeichen

1O 254/05


Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang unbegründet.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten aus keinem rechtlichen Grund - weder aus eigenem noch aus abgetretenem Recht - ein Zahlungsanspruch in Höhe von 7.206,35 EUR zu. Dies gilt auch für den hilfsweise geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch. Es besteht weder ein Anspruch aus Reisevertrag gemäß §§ 651d ff. (dazu unter 1.) noch ein deliktischer Anspruch gemäß §§ 831 Abs.l; 823 Abs.l BGB (dazu unter II.).

I. Ein etwaiger Anspruch des Klägers gemäß § 651d Abs.l BGB bzw. § 651 f. Abs. 1 BGB i.V.m. § 398 BGB wegen Mangelhaftigkeit der Reiseleistung ist gemäß § 651g Abs.l Satz 1 BGB ausgeschlossen. Der Kläger bzw. dessen Ehefrau haben es unterlassen, ihre Ansprüche unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses bei der Beklagten anzumelden.

1. Gemäß § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB sind Ansprüche wegen Mängeln der Reise innerhalb eines Monats nach der vertraglich vorgesehenen Beendigung der Reise gegenüber dem Reiseveranstalter geltend zu machen. Nach Ablauf der Frist kann der Reisende seine Ansprüche gemäß § 651g Abs.l Satz3 BGB nur geltend machen, wenn er ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war. Nach Wegfall des Hindernisses muss er die Geltendmachung seines Anspruchs unverzüglich nachholen, wenn er seinen Anspruch nicht auch noch in diesem Fall verlieren will (BGH, NJW 2004, 3178, 3180 = RRa 2004, 227 mit Anm. Staudinger). Die einmonatige Ausschlussfrist ist vorliegend am 12.12.2004 abgelaufen. Der Kläger und die Zeugin E. haben die bei der Beklagten gebuchte Reise am 12.11. 2004 - wie vertraglich vorgesehen - beendet. Die Zeugin E. hat die Ansprüche jedoch erst mit Schreiben vom 16.12.2004 ... und damit nach Fristablauf gegenüber der Beklagten angemeldet. Der Kläger bzw. dessen Ehefrau waren jedoch unverschuldet im Sinne des § 651g Abs.l Satz3 BGB an der Geltendmachung ihrer Ansprüche gehindert. In diesem Fall können Ansprüche auch noch nach Ablauf der Ausschlussfrist gegenüber dem Reiseveranstalter geltend gemacht werden. "Unverschuldet" ist die rechtzeitige Geltendmachung der Ansprüche auch dann, wenn der Anspruchsinhaber ohne Fahrlässigkeit erst nach Fristablauf von dem Anspruch erfährt oder so kurz vorher, dass er die Frist nicht mehr einhalten kann (BGH, a.a.O.).

2. Der Anspruchsinhaber, der unverschuldet die Ausschlussfrist versäumt hat, muss seinen Anspruch unverzüglich, nach Beendigung der Verhinderung gegenüber dem Reiseveranstalter geltend machen, wenn er ihn nicht auch in diesem Fall verlieren will (Palandt/ Sprau, BGB, [64.Aufl.], § 651g, Rn.3; Soergel / Eckert, BGB, [12.Aufl.], § 651g, Rn.13; BGH, a.a.O.). Dies folgt aus dem Sinn der Ausschlussfrist, die dem Reiseveranstalter eine zeitnahe Sachverhaltsaufklärung ermöglichen will. Aus diesem Gesetzeszweck ergibt sich, dass ein Anspruchsinhaber, dem mangels Verschuldens an der Fristversäumung die Möglichkeit zur nachträglichen Geltendmachung seines Anspruchs eröffnet wird, diese Chance so schnell wie möglich nutzen muss, um die Fristüberschreitung gering zu halten. Er darf also mit der Geltendmachung nicht länger als nötig zuwarten. Schon nach dem Wortlaut des Gesetzes wird ihm die Geltendmachung der Ansprüche über die Frist hinaus ermöglicht, weil und auch solange er ohne Verschulden an ihrer Einhaltung gehindert war. Der Anspruchsberechtigte muss daher unverzüglich nach Wegfall des Entschuldigungsgrundes die Anspruchsanmeldung nachholen; die Monatsfrist des § 651g Abs. 1 Satz 1 BGB beginnt nicht erneut zu laufen (BGH, a.a.O.). ...

b) Ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger bzw. die Zeugin E. bereits am 25.11. 2004 Kenntnis von der Ursache der Hautreaktionen hatten, ist die mit Schreiben vom 16.12.2004 gegenüber der Beklagten erfolgte Anspruchsanmeldung nicht mehr als unverzüglich zu bewerten. "Unverzüglich" bedeutet nach der Legaldefinition des § 121 Abs.1 Satz 1 BGB "ohne schuldhaftes Zögern". Bei der Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalls abzustellen, nach denen insbesondere die dem Rechtsinhaber zuzugestehende angemessene Überlegungsfrist zu bemessen ist (BAGE 32,237,247; BGH, a.a.O.). Maßgeblich ist insoweit der Zeitraum zwischen Kenntniserlangung und Anspruchanmeldung (BGH, a. a. O.). Eine Überlegungsfrist von 14 Tagen dürfte jedoch regelmäßig die absolute Obergrenze darstellen (OLG Hamm, NJW-RR 1990, 523; OLG Jena, OLG-NL 2000, 37; Palandt/ Heinrichs, a.a.O., § 121, Rn. 3). Vorliegend hat der Kläger die Obergrenze um mindestens sieben Tage überschritten. Er hat auch keine besonderen Umstände dargelegt, die gegebenenfalls ausnahmsweise eine längere Überlegungsfrist rechtfertigen würden.

3. Der Kläger kann sich zu seinen Gunsten auch nicht auf ein arglistiges Verhalten der Beklagten berufen. Eine (unverzügliche) Anmeldung der Ansprüche des Reisenden bzw. des Anspruchsinhabers ist auch dann erforderlich, wenn der Reiseveranstalter den Mangel arglistig verschwiegen hat (LG Frankfurt a. M., NJW 1987, 132; MünchKomm-BGB / Tonner, [4. Aufl.], § 651g, Rn. 30 m.w.N .). Arglist des Reiseveranstalters ist im Rahmen des § 651g Abs. 1 BGB nur dann relevant, wenn dieser den Reisenden bzw. den Anspruchsinhaber bewusst dazu veranlasst, die Geltendmachung von Ansprüchen innerhalb der Ausschlussfrist zu unterlassen oder deren unverzügliche Nachholung verhindert (Staudinger / Eckert, BGB, [12. Aufl.], § 651g, Rn. 15 m.w.N.). Anknüpfungspunkte für das Vorliegen eines dieser Ausnahmetatbestände sind hier jedoch nicht ersichtlich. Ein arglistiges Verhalten könnte zwar darin gesehen werden, dass der Kläger bzw. dessen Ehefrau - einen Ungezieferbefall in ihrer Kabine unterstellt - von den Leistungsträgern der Beklagten bzw. der örtlichen Reiseleitung nicht über diesen Umstand aufgeklärt worden sind. Dieses Verhalten wäre jedoch nicht ursächlich dafür, dass der Kläger bzw. dessen Ehefrau ihre Ansprüche - nachdem sie die Krankheitsdiagnose erfahren haben - nicht unverzüglich gegenüber der Beklagten angemeldet haben.

4. Im Übrigen ist bereits zweifelhaft, ob das an die Beklagte gerichtete Schreiben der Zeugin E. vom 16.12. 2004 (...) den Anforderungen einer Anspruchsanmeldung nach § 651g Abs.1 Satz 1 BGB genügt. Denn in einer Anspruchsanmeldung sind die Mängel so konkret zu bezeichnen, dass der Reiseveranstalter in die Lage versetzt wird, deren Berechtigung zu überprüfen (Palandt / Sprau, a.a.O., § 651g, Rn. 2 m.w.N.). Daran fehlt es vorliegend.

Ein ausdrücklicher Hinweis auf den behaupteten Ungezieferbefall der Schiffskabine erfolgt an keiner Stelle.

Dem Kläger stehen gegenüber der Beklagten auch keine Ansprüche gemäß §§ 831 Abs. 1; 823 Abs. 1 BGB zu. Die Ausschlussfrist des § 651g Abs.1 Satz 1 BGB gilt zwar wegen ihres Ausnahmecharakters nicht für deliktische Schadensersatzansprüche gegen den Reiseveranstalter (OLG Köln, NJW-RR 1992, 1185; Palandt/ Sprau, a.a.O., Vorb. vor § 651c., Rn. 11; MünchKomm-BGB/Tonner, a.a.O., § 651g, Rn. 9 m.w.N.). Doch sind vorliegend keine Anhaltspunkte für ein eigenes oder der Beklagten zurechenbares deliktisches Verhalten ersichtlich. ...

Rechtsgebiete

Reiserecht