Grundsatzentscheidung: Jauch muss ohne Entschädigung Bildpublikation auf dem Titelblatt eines Rätselheftes hinnehmen
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
05. 12. 2006
Aktenzeichen
7 U 90/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Geschäftsnummer 324 O 868/05, vom 9.6.2006 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
1. Der Kläger, ein Journalist und Fernsehmoderator, der insbesondere auch im Zusammenhang mit der von ihm moderierten, über Jahre hinweg mehrfach wöchentlich ausgestrahlten Fernsehsendung "Wer wird Millionär?" eine außergewöhnliche Bekanntheit erlangt hat, begehrt von der Beklagten Zahlung einer fiktiven Lizenz sowie Schadensersatz wegen der Verwendung seines Bildnisses auf der am 9.6.2005 erschienenen, von der Beklagten verlegten Rätselzeitschrift "SUPERillu, Sonderheft Rätsel und Quiz". Dieses Bildnis zeigt den Kläger vor dem montierten Hintergrund eines Kreuzworträtsels, wobei sich am rechten unteren Rand unmittelbar unter seinem Abbild eine Bildunterschrift mit folgendem Wortlaut befindet: "Günther Jauch zeigt mit "Wer wird Millionär?", wie spannend Quiz sein kann."
Der Innenteil des Heftes enthält verschiedene Rätsel und deren Auflösung, ein redaktioneller Beitrag über den Kläger befindet sich dort nicht. Eine Einwilligung zu der Abbildung hat der Kläger nicht erteilt. Auf Aufforderung hat die Beklagte eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben.
Durch Urteil vom 9.6.2006, auf dessen Inhalt verwiesen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
Gegen dieses dem Kläger am 20.6.2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 4.7.2006 eingegangene Berufung des Klägers, die durch am 18.8.2006 ein¬ gegangenen Schriftsatz begründet worden ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 102.111,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei die Höhe des Schadensersatzes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 100.000 € betragen soll.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zum Vortrag der Parteien im Übrigen wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
2. Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, hat nämlich das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die angegriffene Bildveröffentlichung als Darstellung eines Bildnisses aus dem Bereich der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs.1 Nr. 1 KUG auch ohne Einwilligung des Klägers rechtmäßig war.
a) Angesichts des hohen Bekanntheitsgrades des Klägers und der von ihm moderierten laufenden Quizsendung "Wer wird Millionär?" ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieser die Veröffentlichung von Bildnissen jedenfalls im Zusammenhang mit einer Wortberichterstattung über sich hinzunehmen hat.
Dies gilt allerdings nicht einschränkungslos. Auf die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs.1 KUG kann sich nämlich derjenige nicht berufen, der mit der Veröffentlichung keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken lediglich sein Geschäftsinteresse befriedigen will (vgl. BGH AfP 1996, 66,67; BGH NJW 2002,2317 m.w.N.; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 8 Rn.42). Daher braucht im Grundsatz niemand zu dulden, dass sein Bildnis ohne seine Einwilligung zur Werbung für Waren oder gewerbliche Leistungen ausgenutzt wird (vgl. BGH GRUR 1979, 425; zur Problematik: Schertz, AfP 2000, 495 ff).
Da die Verwendung eines Bildnisses auf dem Titelblatt einer Zeitschrift zumindest auch die Funktion erfüllt, den Absatz dieser Zeitschrift zu fördern, hat freilich jede dort abgebildete Veröffentlichung auch werblichen Charakter. Zur Bewertung ihrer Zulässigkeit ist daher jeweils eine Abwägung zwischen den widerstreitenden grundrechtlich geschützten Interessen des Abgebildeten einerseits und dem durch die Pressefreiheit geschützten Informationsinteresse der Öffentlichkeit andererseits vorzunehmen.
b) Wie das Landgericht zutreffend im einzelnen ausgeführt hat, steht auch ein Rätselheft, welches ganz überwiegend Unterhaltungsinteressen dient, unter dem Schutz der durch Art. 5 Abs.1 Satz 2 GG garantierten Pressefreiheit, da auch sein Inhalt im weiteren Sinne die Wissensvermehrung fördert und der Meinungsbildung dient. Auch wenn die Beiträge im Inneren des hier betroffenen Heftes in erster Linie Wissen und Informationen lediglich abfragen, erfolgt doch durch die Art der Fragestellung selbst, zumindest aber durch die Auflösung der Rätsel am Ende des Heftes auch eine Informationsvermittlung, die - selbst wenn inhaltlich trivial und eher unterhaltender Natur - geeignet ist, Meinungsbildung zu fördern.
c) Es besteht hier allerdings die Besonderheit, dass sich das Abbild des Klägers auf der Titelseite eines Heftes befindet, dessen Inneres, soweit ersichtlich, keinen informierenden Beitrag über den Kläger enthält, auf den das Titelblatt hinweisen könnte, so dass Zweifel daran bestehen könnten, ob die Abbildung überhaupt ein Informationsbedürfnis zu befriedigen vermag. Üblicherweise besteht nämlich der Informationswert eines Titelblattes in erster Linie darin, auf eine Berichterstattung im Inneren des Heftes hinzuweisen (vgl. dazu Wenzel, a.a.O., 8 Rn.28).
Entgegen der Meinung des Klägers gewinnt der Leser bei Betrachtung der Titelseite allerdings nicht etwa den Eindruck, der Kläger empfehle den Kauf dieses Heftes. Zwar mag die abgebildete Haltung des Klägers, insbesondere die nach oben gerichtete Handfläche, der ausgestreckte Unterarm und der auf den Zuschauer gerichtete Blick, an eine Geste der Empfehlung erinnern. Es handelt sich andererseits um keine exponierte und außergewöhnliche Haltung, sondern um eine alltägliche Geste, deren Aussagegehalt nicht eindeutig ist. Zudem legt auch der Begleittext nicht nahe, dass der Kläger hier eine konkrete Empfehlung für dieses Heft abgegeben habe.
Auch wenn die Abbildung des Klägers nicht den Eindruck vermittelt, der Kläger identifiziere sich mit dem Heft und preise es an, ist doch nicht zu verkennen, dass seine Positionierung auf dem Titelblatt die Verbesserung des Absatzes des Rätselheftes und damit einen wirtschaftlichen Nutzen zugunsten des Verlages bezweckt. Zugleich enthält jedoch die Titelseite in der Bildunterschrift eine Berichterstattung über den Kläger, die ein bestehendes Informationsinteresse befriedigt.
Mit dieser Bildunterschrift wird auf die vom Kläger moderierte Sendung hingewiesen und diese als Beleg dafür zu bezeichnet, dass ein Quiz spannend sein könne. Damit enthält die Äußerung die Benennung einer, wenn auch weitgehend bekannten Tatsache, nämlich die Quizsendung und deren Moderation durch den Kläger, sowie deren Bewertung als spannend. Die genannte Bildnebenschrift hat daher nicht nur, wie der Kläger meint, eine "Alibifunktion", indem der Kläger lediglich namentlich vorgestellt und seine Funktion bezeichnet wird. Sie enthält auch eine knappe Charakterisierung und Bewertung der Quizsendung und trägt damit - allerdings in relativ bescheidenem Umfang - zur Meinungsbildung bei. Diese Meldung wird durch das fragliche Foto bebildert. Das Titelblatt enthält somit eine Aussage über die durch das Bildnis des Klägers veranschaulichte Quizsendung "Wer wird Millionär?" und zugleich - verbildlicht durch die Abbildung des Kreuzworträtsels als Hintergrundmontage - eine Verbindung zwischen dieser Sendung und anderen Rätsel- oder Quizspielen.
d) Eine solche Aussage unterliegt dem Bereich der Pressefreiheit und verdient gegenüber dem Bildnisrecht des Klägers und insbesondere seinem Recht an der kommerziellen Nutzung seines Bildnisses den Vorrang.
Angesichts der hohen Prominenz des Klägers und insbesondere der regelmäßigen Präsenz des Klägers im Fernsehen besteht nämlich ein überragendes Informations- und Unterhaltungsinteresse der Öffentlichkeit, das darauf gerichtet ist, über die regelmäßig laufende Sendung und die Einschätzung ihres Unterhaltungswertes durch andere Medien informiert zu werden. Hierzu gehört auch die Erörterung der Frage, ob eine derartige Sendung, die ein Quiz zeigt, als "spannend" bezeichnet werden kann.
Dabei ändert die Tatsache, dass sich diese Aussage nicht im Heftinneren, sondern auf der Titelseite selbst befindet, nichts an ihrem Inhalt und an dem auf sie gerichteten Unterhaltungsinteresse der Öffentlichkeit.
Dass durch die Positionierung auf der Titelseite dem Leser der Kauf des Rätselheftes nahe gebracht werden soll, entspricht, wie ausgeführt, regelmäßig der Funktionen eines Titelblattes. Im Unterschied zu dem von den Parteien diskutierten Fall betreffend die Kundenzeitschrift "Chris Revue" (BGH AfP 1995,495) bezieht sich dieser Kaufanreiz bei der vorliegenden Veröffentlichung nicht auf andere im Inneren der Zeitschrift beworbene Produkte, sondern auf das Presseerzeugnis selbst, dessen Teil die Veröffentlichung ist.
Dieser Kaufanreiz entsteht hier insbesondere wegen des inhaltlichen Zusammenhangs zwischen der - auf dem Titelblatt erwähnten - Tätigkeit des Klägers und dem Inhalt des Heftes. Ist Gegenstand eines Rätselheftes die Unterhaltung und Vermittlung von Informationen durch Ratespiele, liegt es nicht fern, darin auch über die Produkte anderer Medien zu berichten, die gleichfalls Quiz- oder Ratespiele zum Gegenstand haben, und diese Berichte mit den jeweiligen Protagonisten zu bebildern. Die Gestaltungsfreiheit der Presse gebietet es, dass dies von dem Abgebildeten auch auf dem Titelblatt eines solchen Rätselheftes hingenommen werden muss.
Dass dabei der Wortbeitrag, der den Kläger betrifft, von äußerst geringem Informationswert ist, steht dem nicht entgegen. Dieser Umstand ist zwar bei der Abwägung der betroffenen Grundrechte zu berücksichtigen, er wird hier indessen durch die überragende Prominenz des Klägers und den Bekanntheitsgrad der genannten Quizsendung ausgeglichen, die das Informationsinteresse selbst an belanglosen Meldungen hierüber erhöht. Die außergewöhnliche Position des Klägers als Moderator einer Quizsendung führt dazu, dass dieser selbst im Zusammenhang mit einer inhaltsarmen Erwähnung der von ihm moderierten Sendung die Veröffentlichung seines Abbildes auf einer Rätselzeitschrift als Presseorgan hinnehmen und die damit verbundene Umsatzsteigerung des Veröffentlichenden unentgeltlich dulden muss.
Umstände, die dafür sprechen könnten, dass die Veröffentlichung im Hinblick auf § 23 Abs.2 KUG unzulässig sein könnte, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wurde zugelassen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen die einwilligungsfreie Abbildung eines Prominenten auf dem Titelblatt einer Zeitschrift zulässig ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist. Dies gilt insbesondere für die Frage, welche Qualität die mit dem Abbild im Zusammenhang stehende Information haben muss, um das Abbild als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs.1 S.1 KUG erscheinen zu lassen.
Raben
Kleffel
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