Gegendarstellung: „Ich habe keinen Vorwurf erhoben”
Gericht
OLG Karlsruhe
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
06. 12. 2006
Aktenzeichen
14 U 140/06
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer desLandgerichts Offenburg vom 06.07.2006 - 3 O 225/06 - wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 30.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin ist Schauspielerin. Auf S. 11 des Hefts Nr. 21/2006 vom 20.05.2006 der von der (Verfügungs-) Beklagten herausgegebenen Zeitschrift ... wurde in einem Artikel mit den Überschriften
...
Mama hat meine erste Liebe zerstört
Liebeskummer tut so weh. Vor allem wenn die eigene Mutter ihn verursacht hat ..."
darüber berichtet, welche Folgen es hatte, daß die Mutter der damals noch zur Schule gehenden Klägerin diese versehentlich erst Wochen später über den unverhofften Anruf eines von der Klägerin besonders geschätzten jungen Mannes informiert hat. In diesem Zusammenhang heißt es: "Sie war todunglücklich, zumal ausgerechnet ihre geliebte Mama unwissentlich ihre erste Liebe zerstört hatte. Mittlerweile hat sie ihrer Mutter verziehen" .
Die Klägerin hat auf Grund dieser Veröffentlichung beantragt, die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung mit folgendem Inhalt zu verpflichten:
"Gegendarstellung
In der ... vom 20.05.2006 schreiben Sie in der Überschrift auf Seite 11 über mich:
"... Mama hat meine erste Liebe zerstört"
Hierzu stelle ich fest:
Zu keinem Zeitpunkt habe ich einen derartigen Vorwurf gegenüber meiner Mutter erhoben. Diese Aussage stammt auch nicht von mir.
Berlin, 29. Mai 2006
..."
Die Beklagte ist diesem Antrag entgegengetreten.
Wegen des von der Klägerin verfolgten Anspruchs und des zugrunde liegenden Sachverhalts im einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 ZPO).
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, die Erstmitteilung enthalte nicht die Behauptung, die Klägerin habe gegenüber ihrer Mutter den Vorwurf erhoben, ihre erste Liebe zerstört zu haben. Es sei vielmehr allenfalls zum Ausdruck gebracht worden, daß die Klägerin ihre Mutter für ihren Liebeskummer verantwortlich gemacht habe.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung weiter. Sie vertritt die Auffassung, zur Erhebung von Vorwürfen bedürfe es keiner sinnlich wahrnehmbaren Äußerung, sie könne vielmehr auch in einer inneren Einstellung liegen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die
Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze - einschließlich der Schutzschrift der Beklagten vom 01.06.2006 - samt Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht einen Gegendarstellungsanspruch der Klägerin mit dem beantragten Inhalt verneint.
1. Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 bad.-württ. LPG ist der Verleger eines periodischen Druckwerks zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet, soweit der den Abdruck Verlangende durch eine Tatsachenbehauptung betroffen ist. Die beantragte Gegendarstellung muß daher die Qualität einer Entgegnung auf eine in der Erstmitteilung enthaltene Tatsachenbehauptung aufweisen (vgl. etwa Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rdn. 224; Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rdn. 11.100).
2. Daran fehlt es im hier zu entscheidenden Fall: Mit der auf den referierenden Teil "Mama hat meine erste Liebe zerstört" bezogenen Äußerung, sie habe zu keinem Zeitpunkt "einen derartigen Vorwurf gegenüber... (ihrer) Mutter erhoben" will sich die Klägerin gegen eine Behauptung wenden, die nicht aufgestellt wurde.
a) Daß die Erstmitteilung nicht die ausdrückliche Behauptung enthält, die Klägerin habe gegenüber ihrer Mutter entsprechende Vorwürfe erhoben, ist dabei freilich ohne Bedeutung. Denn es ist allgemein anerkannt, daß - worauf die Klägerin zu Recht unter Bezugnahme auf OLG München, NJW 1988, S. 349 f. hinweist - ein Gegendarstellungsanspruch auch bezüglich solcher Tatsachen besteht, die zwar nur schlüssig, gleichsam "zwischen den Zeilen", mitgeteilt sind oder sich erst aus dem Gesamtzusammenhang im Wege einer Sinninterpretation ergeben (hierzu etwa auch Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 221 und 313 ff.; Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.41).
b) Eine verdeckte Äußerung mit dem in der beantragten Gegendarstellung genannten Inhalt ist in der Erstmitteilung jedoch nicht enthalten.
aa) Bezugspunkte dafür, daß die Klägerin gegenüber ihrer Mutter wegen der verspäteten Weitergabe des Anrufs Vorwürfe erhoben hat, sind dem inkriminierten Artikel nicht zu entnehmen (zu diesem Erfordernis Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 317; Wenzel/Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.41 - jeweils m.w.N.). Insbesondere bietet die in dem Bericht enthaltene Formulierung "Mittlerweile hat sie ihrer Mutter verziehen" keinen entsprechenden Anhaltspunkt, denn das Verb "verzeihen" bezeichnet einen auf die innere Einstellung zu einem Dritten aufgrund erlittener Kränkung bezogenen inneren Vorgang, der keine Äußerung der früheren oder der jetzigen Einstellung voraussetzt.
bb) Auch die Klägerin behauptet nicht, daß in der angegriffenen Veröffentlichung zum Ausdruck gebracht worden sei, gegenüber ihrer Mutter Vorwürfe verbalisiert oder in anderer Weise kundgetan zu haben. Sie meint aber, der in der beantragten Gegendarstellung enthaltene Begriff "Erheben von Vorwürfen gegenüber jemandem" umfasse auch innere Vorgänge, die unausgesprochen geblieben sind.
Dem kann nicht gefolgt werden:
Maßgeblich für die Interpretation des Sinngehalts veröffentlichter Äußerungen ist das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers (Nachweise bei Wenzel/Burkhardt, Rdn. 4.4). Dies gilt für Erstmitteilungen und Gegendarstellungen gleichermaßen.
Die Auffassung der Klägerin, wonach das Erheben von Vorwürfen gegenüber jemandem "sowohl äußerlich wie auch innerlich geschehen kann", ist falsch. Es entspricht vielmehr allgemeinem Sprachgebrauch, den Begriff "einen Vorwurf erheben" ausschließlich in dem Sinne zu verwenden, daß der Vorwurf nach außen erkennbar zum Ausdruck gebracht wird (vgl. etwa Brockhaus-Enzyklopädie, Deutsches Wörterbuch, 19. Aufl. 1995, Stichwort "erheben": 6 b) Vorbringen, geltend machen"). Für Verhaltensweisen, bei denen ein Vorwurf nicht geäußert wird, werden dagegen Formulierungen wie "Verübeln", "Nachtragen", "böse sein", "ärgerlich sein" u.s.w. verwendet.
III.
Nach allem hat das Landgericht richtig entschieden, so daß die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen war.
Da das Urteil rechtskräftig ist (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO), bedarf es keines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit.
Bauer
Vorsitzender Richter am
Oberlandesgericht
Dr. Bauer
Richterin am
Oberlandesgericht
Dr. Krauß
Richter am
Oberlandesgericht
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