Recht der Presse auf Recherche per E-Mail

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

15. 11. 2006


Aktenzeichen

33 O 11693/06


Tenor

  1. Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheit in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch wegen einer ihm unverlangt zugesendeten e-mail, einen Vertragsstrafeanspruch sowie einen Zahlungsanspruch auf Ersatz von Abmahnkosten geltend.

Der Kläger ist Rechtsanwalt und unterhält die e-mail-Adresse ...

Die Beklagte verlegt unter anderem ...

Der Kläger beantragt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise durch ihren Geschäftsführer abzuleistende Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, dem Kläger per E-Mail Werbung an dessen geschäftliche E-Mail¬-Adresse ... zu übersenden, es sei denn, der Kläger hat zuvor der Übersendung zugestimmt oder sein Einverständnis kann vermutet werden.

  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.265,70 Euro nebst 5 v. H. über dem Basiszinssatz daraus seit dem 14. Juni 2006 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

...

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Dem Kläger steht weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch der Zahlungsanspruch wegen verwirkter Vertragsstrafe und auf Ersatz der Abmahnkosten zu.

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Zusendung von Werbung per e-mail an seine geschäftliche E-Mail-Adresse ... ohne (mutmaßliche) Zustimmung. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Vertrag wegen Verletzung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2005, noch als gesetzlicher Anspruch aus §§ 823, 1004 BGB.

1. Es liegt keine Verletzung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2005 vor, die einen (vertraglichen) Unterlassungsanspruch begründen könnte (vgl. hierzu Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 24. Auflage 2006, § 12 Rn. 1.157). Bei der streitgegenständlichen e-mail vom 29.05.2006 handelt es sich nicht um ein "Aufmerksam machen auf Produkte ..." im Sinne der Unterlassungsverpflichtungserklärung.

a. Die Unterlassungsverpflichtungserklärung ist vor dem Hintergrund des Wettbewerbsverstoßes, der zu ihrer Abgabe geführt hat, auszulegen. Danach sollte die Erklärung Werbe-e-mails verbieten. ...

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt in der Erklärung keine Verpflichtung der Beklagten, jedweden e-Mail Kontakt mit dem Kläger zu meiden. Es ist ausdrücklich von "Aufmerksammachen auf Produkte" die Rede.

b. Nach dieser Auslegung der Unterlassungsverpflichtungserklärung wurde diese durch die e-mail vom 29.05.2006 nicht verletzt. Durch die e-mail machte die Beklagte nicht auf ihre Produkte in der Weise aufmerksam, dass sie diese bewarb, indem sie den Absatz ihrer Produkte förderte, sondern es handelte sich um eine Recherchemaßnahme der Beklagten.

Aus der e-mail mit Anlagen geht klar hervor, dass es der Beklagten um die Gewinnung von Umfrageergebnissen ging, die ... präsentiert werden sollten. Um eine erfolgreiche Umfrage durchführen zu können, war es für die Beklagte unerlässlich, die Adressaten des Schreibens über den Verwendungszweck des Umfrageergebnisses in Kenntnis zu setzen. Entgegen der Auffassung des Klägers war auch das Ziel der Informationsbeschaffung nicht nur vorgeschoben, so dass es sich um "verkappte Werbung" handeln würde. Nach dem Inhalt des Begleitschreibens und auch der Art der im Fragebogen gestellten Fragen steht sehr sachlich die Informationsgewinnung im Vordergrund. Außer der Verwendung des ...-Logos und dem Hinweis auf ... als Veranstalter der Umfrage findet keine Bezugnahme auf die Beklagte statt.

2. Ebenso wenig besteht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 823 I, 1004 BGB wegen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb.

Zwar fällt auch die Rechtsanwaltskanzlei des Klägers in den Schutzbereich des § 823 I BGB unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 64. Auflage 2005, § 823 R. 127), und im unverlangten Zusenden von Werbung per e-mail kann durchaus ein widerrechtlicher Eingriff in dieses Recht liegen. Zum einen ist jedoch in der e-mail der Beklagten keine Werbung zu sehen, zum anderen handelt es sich auch nicht um einen gezielten Eingriff, und Widerrechtlichkeit i.S.d § 823 I BGB ist ebenfalls zu verneinen.

a. Es liegt keine Werbung vor. Die streitgegenständliche e-mail diente wieder unmittelbar noch mittelbar der Absatzförderung der Produkte der Beklagten, s.o. b. Es ist auch kein gezielter betriebsbezogener Eingriff gegeben. Die e-mail bezweckte in erster Linie die Informationsbeschaffung für eine geplante Veröffentlichung und gab insbesondere auch dem Kläger die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Eine unmittelbare Beeinträchtigung ist hierin nicht zu sehen.

c. Jedenfalls liegt keine Widerrechtlichkeit i.S.d. § 823 I BGB vor. Eine vorzunehmende Interessenabwägung ergibt, dass das Interesse der Beklagten an der Zusendung der streitigen e-mail überwiegt. Auf der einen Seite ist das Interesse des Klägers daran, nicht von unverlangten e-mails behelligt zu werden, in die Abwägung einzustellen. Auf der anderen Seite ist aber das Recht der Presse zur Informationsbeschaffung durch Art.5 I GG umfassend geschützt. Würde man in der Zusendung jeder Umfrage-, oder überhaupt jeder e-Mail einer Redaktion einen rechtswidrigen Eingriff i. S. d. § 823 I BGB sehen, wäre der Presse die Informationsbeschaffungsmöglichkeit über das Internet fast völlig verwehrt. Zudem war zu berücksichtigen, dass die e-mail-Adresse des Klägers in einem frei zugänglichen Online-Verzeichnis aufzufinden war.

II. Mangels Verletzung der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2006 (s. oben Ziff. I. 1.) ist auch kein Vertragsstrafenanspruch gegeben.

III. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der Abmahngebühren in Höhe von 265, 70 € aus der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 24.10.2006 i.V.m. § 280 BGB oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 Satz 1, 670 BGB). Mangels Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs (s. oben Ziff. I) war die Abmahnung vom 30.05.2006 (K 5) nicht berechtigt.

IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 61 I 1ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Informations- und Telekommunikationsrecht