Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung
Gericht
BVerfG
Art der Entscheidung
Beschluss
Datum
18. 07. 2005
Aktenzeichen
2 BvF 2/01
Die Bestimmungen der bundesstaatlichen Finanzverfassung stehen dem Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ist eine reine Zuständigkeitsvorschrift. Aus ihr folgt keine Verpflichtung des Bundes, bei finanziellen Schwierigkeiten in der Sozialversicherung auf ein Finanzausgleichsverfahren zwischen deren Trägern zugunsten der Gewährung steuerfinanzierter Zuschusszahlungen an einzelne Träger zu verzichten.
Die gesetzliche Krankenversicherung dient der Absicherung der als sozial schutzbedürftig angesehenen Versicherten vor den finanziellen Risiken einer Erkrankung. Hierzu kann der Gesetzgeber den Kreis der Pflichtversicherten so abgrenzen, wie es für die Begründung und den Erhalt einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist.
Der Risikostrukturausgleich verwirklicht den sozialen Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung im Einklang mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG kassenübergreifend und bundesweit. Auch die Einbeziehung der ostdeutschen Versicherten in den gesamtdeutschen Solidarverband der gesetzlichen Krankenversicherung dient der Verwirklichung des für die Krankenversicherung charakteristischen sozialen Ausgleichs.
§ 266 und § 267 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sind seit ihrer Neufassung durch Artikel 1 Nummern 143 und 144 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Dezember 1992 (Bundesgesetzblatt I Seite 2266) mit dem Grundgesetz vereinbar.
§ 313a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist seit seiner Einführung durch Artikel 1 Nummer 5 des Gesetzes zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern vom 24. März 1998 (Bundesgesetzblatt I Seite 526) mit dem Grundgesetz vereinbar.
§ 137f, § 137g, § 268 und § 269 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch sind seit ihrer Einführung beziehungsweise Neufassung durch Artikel 1 Nummern 1 und 4 des Gesetzes zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 (Bundesgesetzblatt I Seite 3465) mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe:
A.
1Das Normenkontrollverfahren betrifft den in § 266 und § 267 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelten Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung.
I.
1. Mit Wirkung zum 1. Januar 1994 führte das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992, BGBl I S. 2266) – GSG - den Risikostrukturausgleich ein. Dieser bildete zusammen mit dem Recht der freien Krankenkassenwahl das Kernstück der Organisationsreform der gesetzlichen Krankenversicherung.
Unmittelbarer Anlass für die Neuregelungen waren rapide steigende Kosten im Gesundheitswesen (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 66). Was die Organisationsstruktur anbetrifft, lagen die Ursachen für den Reformbedarf tiefer. So hatte sich eine Ungleichbehandlung zwischen Arbeitern und Angestellten ergeben. Während letztere faktisch zwischen der Mitgliedschaft bei einer Pflichtkrankenkasse oder bei einer Angestelltenersatzkasse wählen konnten, wurden die Arbeiter in der Regel kraft Gesetzes bestimmten Krankenkassen nach regionalen, beruflichen, betrieblichen oder branchenspezifischen Kriterien zugewiesen. Diese überkommenen berufs- und betriebsbezogenen Gliederungsprinzipien führten zu unterschiedlichen Risikostrukturen, zu Risikoselektionen und zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Kassen, wodurch das Solidaritätsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung zunehmend gefährdet wurde.
So bildeten etwa Arbeiter, deren Durchschnittsverdienst deutlich unter dem der Angestellten lag, die Hauptklientel der Allgemeinen Ortskrankenkassen. Auch war die Quote der arbeitslosen Mitglieder dort deutlich höher als bei den AngestelltenErsatz- und den Betriebskrankenkassen. Gute Risiken - Versicherte mit hohen beitragspflichtigen Einnahmen und geringem Krankheitsrisiko - und schlechte Risiken – Versicherte mit niedrigem Einkommen und höherem Krankheitsrisiko - waren unter der Vielzahl der Krankenkassen auch im Übrigen nicht gleichmäßig verteilt.
Die Folgen dieser Entwicklung waren Beitragssatzunterschiede zwischen einzelnen Kassen von bis zu 7,5 vom Hundert bei einem weitgehend identischen Leistungsspektrum. Im Unterschied zu den Angestellten konnte sich ein Arbeiter diesen Mehrbelastungen mangels Kassenwahlrechts in der Regel nicht entziehen. Dem Gesetzgeber des Gesundheitsstrukturgesetzes erschienen daher Kassenwahlfreiheiten sozial- und verteilungspolitisch sowie verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 GG geboten. Seiner Auffassung nach mussten aber, ehe weitgehende Wahlfreiheiten zum Tragen kommen konnten, die über Jahrzehnte verfestigten Verwerfungen durch einen Ausgleich jener Risikostrukturen, auf die die einzelne Krankenkasse keinen Einfluss hat, abgebaut werden. Hierzu wurde der Risikostrukturausgleich als bundesweiter, obligatorischer und kassenartenübergreifender Finanzausgleich eingeführt (vgl. Endbericht der Enquete-Kommission "Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 12. Februar 1990, BTDrucks 11/6380, S. 186 ff.; Gesetzesbegründung, BTDrucks 12/3608, S. 68 f., 74 f.; Schneider, Der Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung, 1994, S. 88 ff., 101 ff., 110 ff.).
2. Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch wurde durch das Gesundheitsstrukturgesetz wie folgt geändert:
a) Bis auf wenige Ausnahmen konnten die Versicherungspflichtigen und die Versicherungsberechtigten gemäß § 173 SGB V die Krankenkasse frei wählen. Die gewählte Krankenkasse durfte die Mitgliedschaft nicht ablehnen (Aufnahmezwang, § 175 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Der Versicherte war an die Wahl der Krankenkasse mindestens zwölf Monate gebunden (§ 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V).
b) In §§ 266 und 267 SGB V wurde der Risikostrukturausgleich gesetzlich verankert.
aa) § 266 Abs. 1 SGB V ordnete an, dass der Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen jährlich unter Einbeziehung aller gesetzlichen Krankenkassen mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen (§ 266 Abs. 8 SGB V) durchzuführen ist. Mit dem Ausgleich der finanziellen Auswirkungen der unterschiedlichen Risikostrukturen der Krankenkassen sollten eine gerechtere Beitragsbelastung der Versicherten erreicht und Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Krankenkassen abgebaut werden. Die Einführung von Kassenwahlfreiheiten erachtete der Gesetzgeber als zwar unabdingbare, aber für sich genommen nicht hinreichende Voraussetzung für mehr Beitragsgerechtigkeit und für einen funktionierenden Wettbewerb (BTDrucks 12/3608, S. 74 f., 117 f.). § 266 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V legte enumerativ fest, dass ausschließlich die finanziellen Auswirkungen ganz bestimmter Faktoren ausgeglichen werden dürfen. Auszugleichende Faktoren waren unter anderem die Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, die Zahl der nach § 10 SGB V Versicherten (Familienversicherung) sowie das Alter und das Geschlecht der Versicherten. § 266 Abs. 2 bis 4 SGB V enthielt die materiellen Vorgaben für die Ermittlung der Höhe des Ausgleichsanspruchs oder der Ausgleichsverpflichtung einer Krankenkasse. In § 267 SGB V traf der Gesetzgeber Regelungen über die Datenerhebungen zum Risikostrukturausgleich.
bb) Für die Krankenkassen in den neuen Ländern enthielt das Gesundheitsstrukturgesetz eine praktisch bedeutsame Sondervorschrift. Mit § 313 Abs. 10 Buchstabe a wurde in das Sozialgesetzbuch V eine Regelung eingefügt, die eine getrennte Durchführung des Risikostrukturausgleichs für das Beitrittsgebiet vorschrieb (Art. 1 Nr. 171 GSG). Mit dieser so genannten Rechtskreistrennung wollte der Gesetzgeber den noch bestehenden Unterschieden in den wirtschaftlichen Verhältnissen im Beitrittsgebiet und in den alten Ländern Rechnung tragen (BTDrucks 12/3608, S. 75). § 313 Abs. 10 Buchstabe a SGB V sollte gemäß Art. 35 Abs. 9 GSG mit Ablauf des Jahres außer Kraft treten, in dem die Bezugsgröße Ost 90 vom Hundert der Bezugsgröße West überschreitet.
11cc) Mit § 266 Abs. 7 SGB V schuf der Gesetzgeber die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV). Die Verordnung regelt Einzelheiten des Berechnungs- und Ausgleichsverfahrens.
dd) Als für die Durchführung des Risikostrukturausgleichs zuständige Behörde bestimmte § 266 Abs. 5 Satz 1 SGB V das Bundesversicherungsamt, dessen Verfahren im Wesentlichen in § 266 Abs. 6 SGB V geregelt wurde.
ee) Die materiellen Regelungen des Risikostrukturausgleichs traten zum 1. Januar 1994 in Kraft, die Regelungen über die Datenerhebungen (§ 267 SGB V) zum Zwecke der organisatorischen Vorbereitung des Risikostrukturausgleichs bereits ein Jahr früher (Art. 35 Abs. 1 und 3 GSG). Erstmalig für das Jahr 1994 war also der Risikostrukturausgleich in der allgemeinen gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführen; zum 1. Januar 1995 folgte die Krankenversicherung der Rentner (Art. 34 § 2 Satz 3 GSG). Ein weiteres Jahr später traten die Vorschriften über das Kassenwahlrecht in Kraft (Art. 35 Abs. 6 GSG). Denn der hiermit verbundene Kassenwettbewerb setzte nach Auffassung des Gesetzgebers die vorherige Durchführung des Risikostrukturausgleichs voraus. Der Übergangszeitraum schien unabdingbar, um größtmögliche Chancengleichheit zwischen allen Krankenkassen herzustellen (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 74, 159).
c) In den Grundzügen lässt sich die Technik des Risikostrukturausgleichs so beschreiben, dass gesondert für jede einzelne Krankenkasse ein Ausgleichsanspruch oder eine Ausgleichsverpflichtung in Höhe eines bestimmten Geldbetrages ermittelt wird. Hierbei ist die Gegenüberstellung der beiden Rechengrößen "Beitragsbedarf" und "Finanzkraft" von zentraler Bedeutung.
aa) Der Beitragsbedarf soll die Höhe der Leistungsausgaben widerspiegeln, die einer Kasse unter Zugrundelegung ihrer spezifischen Versichertenstruktur auf der Basis eines bundesweit ermittelten Durchschnittswerts entstehen. Hierzu werden zunächst die durchschnittlichen Leistungsausgaben je Versicherten aller Krankenkassen ermittelt, indem die Summe der im Risikostrukturausgleich berücksichtigungsfähigen Leistungsausgaben – ausgenommen sind etwa Verwaltungskosten und Ausgaben der Kassen für Ermessensleistungen (vgl. § 266 Abs. 4 SGB V; Gesetzesbegründung, BTDrucks 12/3608, S. 117 f.) – aller Krankenkassen durch die Anzahl aller Versichertenjahre dividiert wird (§ 266 Abs. 2 Satz 3 SGB V, § 6 Abs. 1 Nr. 1 RSAV). Sodann werden - jeweils differenziert nach den im Gesetz genannten Kriterien (u.a. Alter und Geschlecht, vgl. im Einzelnen § 266 Abs. 1 Satz 2, § 267 Abs. 2 SGB V, § 2 RSAV) - mehrere hundert Versichertengruppen gebildet, denen jeder Versicherte zugeordnet wird. Nunmehr werden für jede einzelne Gruppe die bundesdurchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben in dieser Gruppe festgestellt. Das Verfahren dient dazu, den Basiswert, das sind die durchschnittlichen Leistungsausgaben je Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, in ein Verhältnis zu den speziellen Risikostrukturen der einzelnen Versichertengruppen zu setzen. Verursacht etwa jedes Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung jährliche Kosten in Höhe von durchschnittlich 100, dann müssen die Durchschnittskosten in der Versichertengruppe der 80-jährigen Männer in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes wegen des altersbedingt höheren Krankheitsrisikos darüber liegen, die der 20-jährigen Frauen darunter. Die von Versichertengruppe zu Versichertengruppe unterschiedlich hohen Prozentsätze nennt das Gesetz Verhältniswerte (§ 266 Abs. 2 Satz 3 SGB V, § 5 RSAV).
Am Ende des Prozesses stehen die so genannten standardisierten Leistungsausgaben. Sie sind das Produkt aus der Multiplikation des Verhältniswerts der einzelnen Versichertengruppe mit dem Basiswert. Jedem Versicherten können entsprechend seiner Zugehörigkeit zu einer der Versichertengruppen standardisierte Leistungsausgaben in bestimmter Höhe zugeordnet werden. Die Summe der standardisierten Leistungsausgaben aller Versicherten einer Krankenkasse ergibt deren Beitragsbedarf (vgl. § 266 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Versichert also eine bestimmte Kasse besonders viele alte Menschen, dann ist ihr Beitragsbedarf im Vergleich mit einer anderen Kasse, die über eine günstigere Altersstruktur ihrer Mitglieder verfügt, entsprechend höher. Der Risikostrukturausgleich stellt damit sicher, dass eine Krankenkasse die der Risikostruktur ihrer Mitglieder entsprechenden finanziellen Mittel erhält. Die Anknüpfung an standardisierte Werte bedeutet andererseits, dass das Gesetz keinen Ausgleich tatsächlich entstandener Kosten vorsieht. Eine Kasse erhält also für einen bestimmten 70-jährigen Versicherten lediglich diejenigen Kosten im Risikostrukturausgleich erstattet, die ein 70-jähriger Versicherter im Bundesdurchschnitt im Kalenderjahr verursacht, selbst wenn ihr Mitglied tatsächlich Leistungen in doppelter Höhe in Anspruch genommen haben sollte.
bb) In einem zweiten Schritt ist der Ausgleichsbedarfssatz festzustellen (§ 266 Abs. 3 Satz 2 SGB V, § 11 RSAV). Ihn erhält man durch Addition der Beitragsbedarfe aller Kassen (so genannte Beitragsbedarfssumme, vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 1 RSAV) und anschließende Division dieses Gesamtbetrages durch die Summe der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung.
cc) In einem dritten Schritt wird die individuelle Finanzkraft der einzelnen Krankenkasse in der Weise ermittelt, dass der Ausgleichsbedarfssatz mit der Summe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder dieser Kasse multipliziert wird.
dd) Im letzten Schritt sind Beitragsbedarf und Finanzkraft einer individuellen Krankenkasse gegenüberzustellen. In Höhe des Unterschiedsbetrags ist die Kasse entweder ausgleichsverpflichtet oder ausgleichsberechtigt.
ee) Die Rechtskreistrennung (vgl. oben 2 b bb) nahm auf die technische Funktionsweise des Risikostrukturausgleichs keinen Einfluss. Lediglich die erforderlichen Daten und Werte wurden gesondert für Ost und West ermittelt. Die parallele Durchführung des Ausgleichs wurde in jeder Hinsicht konsequent durchgehalten. Selbst die so genannten Erstreckungskassen, also Kassen mit Mitgliedern im Osten und im Westen, mussten intern zwischen Ost und West differenzieren. Die strenge Rechtskreistrennung hatte zur Folge, dass die Beitragszahler im Westen zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung im Osten nicht beitragen mussten. Der Risikostrukturausgleich hatte damit zwar erhebliche interregionale Umverteilungswirkungen. Diese waren allerdings auf die jeweiligen Rechtskreise beschränkt. Es gab keine West-Ost-Transfers (vgl. Schneider/Schawo, Der Einheit ein Stück näher: Gesamtdeutscher Risikostrukturausgleich, Gesundheit und Gesellschaft, Ausgabe 4/2000, S. 24 <26>).
3. Mit der Abschottung der Ausgleichssysteme kam es zu einer gegenläufigen finanziellen Entwicklung in Ost und West. Auf der Einnahmenseite wurden die Krankenkassen in den neuen Ländern durch die hohe Arbeitslosigkeit, einen hohen Rentneranteil und einen geringen Anteil freiwillig Versicherter in besonderer Weise belastet. Auf der Ausgabenseite lagen in einigen Leistungsbereichen die Ausgaben je Versicherten deutlich über dem Westniveau. Defizitäre Entwicklungen und Beitragssatzerhöhungen im Osten waren die Konsequenz (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., BTDrucks 13/9377, S. 6 f.).
Der Gesetzgeber reagierte hierauf mit der zeitlich auf drei Jahre und gegenständlich auf den Ausgleich der Finanzkraftunterschiede aller Krankenkassen begrenzten Einführung des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs. Durch das Gesetz zur Stärkung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern (GKV-Finanzstärkungsgesetz - GKVFG) vom 24. März 1998 (BGBl I S. 526) wurde § 313a SGB V neu eingefügt, wonach in den Jahren 1999 bis 2001 abweichend von § 313 Abs. 10 Buchstabe a SGB V und Art. 35 Abs. 9 GSG - Rechtskreistrennung – der Risikostrukturausgleich modifiziert durchzuführen war. Verhältniswerte, standardisierte Leistungsausgaben und Beitragsbedarf waren zwar weiterhin für Ost und West getrennt zu ermitteln, doch war der Ausgleichsbedarfssatz einheitlich für ganz Deutschland auf der Grundlage der Summe der Beitragsbedarfe und der Summe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder aller Krankenkassen zu ermitteln. Soweit die Veränderungen der Finanzkraft der Ost-Krankenkassen auf dieser partiellen Rechtsangleichung beruhten, schrieb § 313a Abs. 4 SGB V vor, dass sie im Jahr 1999 nicht mehr als 1,2 Mrd. DM betragen durften.
Diese gemeinhin Finanzkraftausgleich genannte Regelung des GKV-Finanzstärkungsgesetzes bewirkte einen finanziellen West-Ost-Transfer, der, vereinfacht dargestellt, darauf beruhte, dass im Osten die standardisierten Leistungsausgaben unter dem Westniveau lagen. In Folge des West-Ost-Lohngefälles war im Osten auch das Einnahmenniveau, also die durchschnittliche Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Krankenkassenmitglieder, deutlich niedriger als im Westen. Schließlich war auch das Verhältnis von - niedrigeren – Ausgaben und dem - ebenfalls niedrigeren - Niveau der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder im Osten ungünstiger als im Westen. Dort war zwar das Ausgabenniveau höher, jedoch lagen die beitragspflichtigen Einnahmen derart deutlich über dem Ostniveau, dass der Ausgleichsbedarfssatz im Westen geringer war als im Osten. Westkassen mussten also einen geringeren Teil des Grundlohnpotentials beanspruchen, um ihre Ausgaben zu decken (vgl. Schneider/Schawo, a.a.O., S. 26 f.). Aufgrund der Ausgleichstechnik des Risikostrukturausgleichs erhöht sich der Ausgleichsanspruch (und verringert sich die Ausgleichsverpflichtung), wenn der Beitragsbedarf steigt und/oder wenn die Finanzkraft sinkt. Das GKV-Finanzstärkungsgesetz machte sich diese Technik beim Finanzkraftausgleich zunutze, indem es vorschrieb, den Ausgleichsbedarfssatz bundeseinheitlich auf der Grundlage der Summe der - in Ost und West zunächst getrennt ermittelten - Beitragsbedarfe und der Summe der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zu ermitteln. Der höhere Ausgleichsbedarfssatz Ost und der niedrigere Ausgleichsbedarfssatz West wurden zu einem neuen bundeseinheitlichen Ausgleichsbedarfssatz zusammengeführt. Für die Kassen in den neuen Ländern hatte die Absenkung des höheren Ausgleichsbedarfssatzes Ost auf das niedrigere bundeseinheitliche Niveau zur Folge, dass ihre Finanzkraft sank und damit ihr Ausgleichsanspruch stieg oder sich ihre Ausgleichsverpflichtung verringerte. Im Westen trat der gegenteilige Effekt ein (vgl. Schneider/Schawo, a.a.O., S. 26).
4. Trotz der Reformen des GKV-Finanzstärkungsgesetzes trat keine nachhaltige Verbesserung der finanziellen Lage der ostdeutschen Krankenkassen ein; insbesondere erwies sich das Volumen des Finanzkraftausgleichs als zu niedrig. Daher entschloss sich der Gesetzgeber, obgleich der für das Ende der Rechtskreistrennung maßgebliche Schwellenwert des Art. 35 Abs. 9 GSG noch nicht erreicht war, seine ursprüngliche Konzeption aufzugeben und den gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich stufenweise einzuführen. Das Gesetz zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 1999 (BGBl I S. 2657) ergänzte den gesamtdeutschen Finanzkraftausgleich durch einen bundesweiten Beitragsbedarfsausgleich. Damit waren nunmehr auch die in Ost und West unterschiedlich hohen Niveaus der standardisierten Leistungsausgaben auszugleichen. Nach der Neuregelung des § 313a Abs. 1 Nr. 1 bis 7 SGB V waren zu diesem Zweck die Verhältniswerte, die standardisierten Leistungsausgaben und der Beitragsbedarf jeweils getrennt für Ost und West und zudem für das gesamte Bundesgebiet - Bund – zu ermitteln. Sodann war festzustellen, wie hoch die Differenz zwischen den standardisierten Leistungsausgaben "Ost" und den standardisierten Leistungsausgaben "Bund" war. Gleiches hatte für die Westkassen zu geschehen.
Die jeweiligen Unterschiedsbeträge mussten dann in sieben Schritten stufenweise auf Null heruntergefahren werden. Die bislang niedrigeren Ost-Werte waren also auf das bundeseinheitliche Niveau anzuheben, die höheren West-Werte auf dieses abzusenken. Der Umfang der stufenweisen Erhöhung und Verringerung wurde durch den in § 313a Abs. 1 Nr. 7 SGB V festgelegten Gewichtungsfaktor bestimmt. Dieser belief sich im Jahr 2001 auf 25 vom Hundert und erhöht sich bis zum Jahr 2007 jährlich um Stufen von jeweils 12,5 vom Hundert auf insgesamt 100 vom Hundert. Der Gewichtungsfaktor 25 vom Hundert bedeutet die Abschmelzung der jeweiligen Differenzbeträge - Ost zu Bund und West zu Bund - um ein Viertel. Durch Rechtsverordnung konnte der Gewichtungsfaktor für die Jahre 2003 bis 2007 abweichend geregelt werden, wenn die Ausgleichsleistungen zu ungerechtfertigten Belastungsunterschieden der Beitragszahler im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet führen. Um diese Voraussetzung feststellen zu können, bestimmte § 313a Abs. 5 Satz 1 SGB V, dass im Jahr 2002 die Auswirkungen des Beitragsbedarfsausgleichs auf die Höhe der Beitragssätze zu überprüfen sind. Die durch § 313a Abs. 5 Satz 2 SGB V ermöglichte Änderung des Gewichtungsfaktors durch Rechtsverordnung betraf nur den Beitragsbedarfsausgleich. Der Finanzkraftausgleich war gesetzlich festgelegt und konnte nur durch Gesetzesänderung beeinflusst werden.
Durch die Neubewertung der Beitragsbedarfe kam es zu einem weiteren finanziellen West-Ost-Transfer im Risikostrukturausgleich. Der höhere Beitragsbedarf der Kassen in den neuen Ländern erhöhte deren Ausgleichsanspruch beziehungsweise reduzierte deren Ausgleichsverpflichtung. Die Kassen in den alten Ländern erhielten dagegen weniger Geld aus dem Risikostrukturausgleich, weil die standardisierten Leistungsausgaben "West" auf das niedrigere Niveau "Bund" verringert wurden. Die Rechtsangleichung bei der Ermittlung der Beitragsbedarfe bewirkt nur dann einen realen Finanztransfer, wenn die tatsächlichen Verhältnisse unverändert bleiben. Nähert sich das Ausgabenniveau Ost demgegenüber auch tatsächlich dem bundesdurchschnittlichen Wert an, verliert der Beitragsbedarfsausgleich als Ursache interregionaler Transfers zunehmend an Bedeutung (vgl. Schneider/Schawo, a.a.O., S. 28 f.; allgemein zu Wirkungsweise und Zusammenspiel von Finanzkraft- und Beitragsbedarfsausgleich ebenda, S. 26 ff.).
Was den Umfang der West-Ost-Transfers anlangt, so ergab die nach § 313a Abs. 5 Satz 1 SGB V vorgeschriebene Prüfung, dass der Beitragsbedarfsausgleich im Jahr 2001 zu einer Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung Ost und einer entsprechenden Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung West in Höhe von (umgerechnet) rund 477 Mio. Euro geführt hat; dies entsprach einer Entlastung von rund 0,3 Beitragssatzpunkten für die Krankenkassen in den neuen Ländern und einer Belastung der Beitragszahler in den alten Ländern von rund 0,06 Beitragssatzpunkten. Der weitaus größere Teil des West-Ost-Transfers im Risikostrukturausgleich beruhte nicht auf der Beitragsbedarfsanpassung, sondern auf dem Finanzkraftausgleich. Letzterer erreichte im Jahr 2001 ein Volumen von (umgerechnet) rund 1,5 Mrd. Euro, was zu einer durchschnittlichen Entlastung der ostdeutschen Krankenkassen von rund einem Beitragssatzpunkt führte.
Die korrespondierende Belastung der Kassen im Westen belief sich auf 0,19 Beitragssatzpunkte. Für die Jahre 2002 bis 2007 rechnet das Bundesgesundheitsministerium beim Beitragsbedarfsausgleich mit steigenden jährlichen Transfervolumina (im Einzelnen
5. Eine von der Bundesregierung in Auftrag gegebene wissenschaftliche Untersuchung über die Wirkung des Risikostrukturausgleichs zeigte, dass dieser grundsätzlich seine Funktion erfüllt hatte. Gleichwohl war nicht zu übersehen, dass weiterhin für die Kassen Anreize bestanden, ihre Geschäftspolitik an unterschiedlichen Risiken zu orientieren (so genannte Risikoselektion). Die Ursache lag im Wesentlichen darin, dass der Risikostrukturausgleich Morbiditätsunterschiede nur indirekt über grobe Raster wie Alter und Geschlecht berücksichtigte. Eine Kasse konnte daher Beitragssatzvorteile erzielen, wenn sie innerhalb der einzelnen Alters- und Geschlechtsgruppen viele gesunde und wenige – chronisch - kranke Menschen aufwies (vgl. Bericht der Bundesregierung über die Untersuchung zu den Wirkungen des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 28. März 2001, BTDrucks 14/5681, S. 5 ff.; Gesetzesbegründung, BTDrucks 14/6432, S. 8 f.). Die Feststellungen der Gutachter nahm der Gesetzgeber zum Anlass, den Risikostrukturausgleich durch kurz- und mittelfristig wirkende Maßnahmen zu reformieren. Er verabschiedete daher das Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S. 3465).
Die vom Gesetzgeber mittelfristig angestrebte inhaltliche Fortentwicklung des Risikostrukturausgleichs wurde in § 268 SGB V verankert. Nach dieser Vorschrift sind die Versichertengruppen nach § 266 Abs. 1 SGB V und die Gewichtungsfaktoren nach § 266 Abs. 2 SGB V vom 1. Januar 2007 an nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden, die zugleich die Morbidität, also die unterschiedlichen Gesundheitszustände der Versicherten unmittelbar berücksichtigen. Die Zeit bis zur Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs im Jahr 2007 ist vorbereitenden Maßnahmen vorbehalten. § 268 Abs. 2 und 3 SGB V regelt hierzu die Einzelheiten. Um bereits kurzfristig Fehlentwicklungen des bisherigen Risikostrukturausgleichs korrigieren zu können, brachte das Gesetz zwei Neuerungen, mit denen insbesondere dem Problem chronisch kranker Menschen Rechnung getragen werden soll.
Zum einen wurden strukturierte Behandlungsprogramme eingeführt (§§ 137f, 137g SGB V). Diese Programme sollen für bestimmte chronische Erkrankungen entwickelt werden, um den Behandlungsablauf und die medizinische Versorgung chronisch Kranker zu verbessern. Versicherte können sich sodann auf freiwilliger Basis in ein derartiges von einer Krankenkasse angebotenes Programm einschreiben lassen. Der Zusammenhang zwischen den strukturierten Behandlungsprogrammen und dem Risikostrukturausgleich besteht darin, dass den Krankenkassen für eingeschriebene Versicherte erhöhte standardisierte Ausgaben zugewiesen werden. Leistungsausgaben der Krankenkassen für chronisch kranke Mitglieder werden also im Risikostrukturausgleich besonders berücksichtigt (§ 266 Abs. 1 Satz 2, § 267 Abs. 2 Satz 4 SGB V). Das Bundesversicherungsamt überwacht im Rahmen eines Zulassungsverfahrens die Einrichtung strukturierter Behandlungsprogramme; es erhebt diesbezüglich eine kostendeckende Gebühr bei den Krankenkassen (§ 137g Abs. 1 Satz 8 SGB V).
Zum anderen wurde ein Risikopool für aufwändige Leistungsfälle eingerichtet (§ 269 SGB V). Aufwendungen für Versicherte, die weit über dem Durchschnitt der Standardausgaben im Risikostrukturausgleich liegen, können damit in einem neuen, ergänzenden Ausgleichsverfahren gesondert berücksichtigt werden. Ausgeglichen wird jedoch nur der Teil der Ausgaben, der über einem bestimmten Schwellenwert liegt. Die betreffende Krankenkasse muss zudem 40 vom Hundert der den Schwellenwert übersteigenden Ausgaben selbst tragen. Die Solidargemeinschaft gleicht die verbleibenden 60 vom Hundert aus. Krankenkassen, die durch besonders kostenintensive Versicherte in spürbarem Umfang belastet sind, erfahren hierdurch eine gewisse Entlastung. Der Zusammenhang zwischen Risikostrukturausgleich und Risikopool besteht darin, dass die im Risikopool ausgeglichenen Aufwendungen bei der Ermittlung der standardisierten Leistungsausgaben im Risikostrukturausgleich außer Betracht bleiben (§ 266 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB V).
6. Die finanzielle Bedeutung des Risikostrukturausgleichs ist enorm. So wurden etwa im Ausgleichsjahr 2002 14,3 Mrd. Euro zwischen den Krankenkassen transferiert (Presseerklärung des Bundesversicherungsamts vom 6. November 2003). Im Risikopool wurden weitere 0,6 Mrd. Euro verteilt. Bezogen auf die einzelnen Kassenarten mussten die Betriebskrankenkassen mit 8,4 Mrd. Euro die höchsten Ausgleichsverpflichtungen tragen. Es folgten die Angestellten-Ersatzkassen mit Ausgleichsverpflichtungen von 5 Mrd. Euro. Ausgleichsberechtigt waren vor allem die Allgemeinen Ortskrankenkassen mit 12,4 Mrd. Euro.
II.
1. Die Antragstellerinnen haben zunächst mit Schriftsatz vom 24. August 2001 im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle die Verfassungswidrigkeit des Risikostrukturausgleichs wegen förmlicher und sachlicher Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz geltend gemacht. Der Antrag richte sich sowohl gegen die gesamte Regelung des Risikostrukturausgleichs mit länderübergreifender Wirkung durch zwingendes Bundesgesetz als auch gegen seine Ausgestaltung, die gezielt Transfers von den Krankenkassen des alten Bundesgebietes zu denen des Beitrittsgebietes hervorrufe.
Der Bund habe zwar die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für das Recht der Sozialversicherung, jedoch sei eine bundesgesetzliche Regelung nicht im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich. Art. 72 Abs. 2 GG verlange die Unerlässlichkeit einer Bundesregelung, die aber dann nicht gegeben sei, wenn Landesregelungen ausreichten. Vorliegend seien Staatsverträge zwischen den Ländern oder Verwaltungsverträge zwischen den gesetzlichen Krankenkassen zulässig, um einen Ausgleich zur Lösung der Finanzprobleme der östlichen Kassen herzustellen. Aufgrund der Staatsqualität der Länder bleibe es diesen unbenommen, auf der Basis freiwillig geschlossener Staatsverträge ausgleichende Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung zu organisieren.
Der Risikostrukturausgleich verstoße gegen die Finanzverfassung des Grundgesetzes. Diese gelte für alle Staatsteile, für die unmittelbare wie die mittelbare Staatsverwaltung. Krankenkassen seien als Körperschaften des öffentlichen Rechts der mittelbaren Staatsverwaltung zuzuordnen. Die Finanzverfassung gehe von der Zweistufigkeit des Gemeinwesens aus, welches aus Bund und Ländern bestehe. Die mittelbare Staatsverwaltung werde dem Bundes- oder Gliedstaat zugerechnet, der sie trage. Eine dritte Ebene der mittelbaren (Sozialversicherungs-) Verwaltung existiere finanzverfassungsrechtlich nicht. Demnach seien die Krankenkassen entweder dem Bund oder einem Land zuzuordnen. Weitere Folge sei, dass sich das Finanzrecht der Sozialversicherung in die Vorgaben der Finanzverfassung einfügen müsse. Aufgrund der Staatsqualität der Länder samt ihrer unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung dürfe der Bund nur aufgrund besonderer verfassungsrechtlicher Ermächtigung in deren autonome Haushaltswirtschaft eingreifen. Insbesondere bundesgesetzlich angeordnete Finanztransfers bedürften einer solchen Ermächtigung, zumal das Transfervolumen des Risikostrukturausgleichs das des Länderfinanzausgleichs übersteige. Der Risikostrukturausgleich begründe Ansprüche und Zahllasten zwischen den Gliedstaaten, obgleich es dem Grundgesetz an einer entsprechenden Ermächtigung ermangele.
Die erforderliche grundgesetzliche Gestattung der Transfers könne nicht aus dem Grundsatz der Beitragssatzsolidarität hergeleitet werden. Der Gleichheitssatz verpflichte nicht zur Herstellung von Gleichheit im Sinne von Beitragssatzgleichheit zwischen verschiedenen Sozialversicherungsträgern. Der Gleichheitssatz gelte nämlich nicht zwischen den verschiedenen Zuständigkeitsbereichen konkreter Verwaltungsträger. Jeder Rechtssetzer und jede Behörde seien nur zur Einhaltung des Gleichheitssatzes im eigenen Zuständigkeitsbereich verpflichtet. Es sei daher grundsätzlich davon auszugehen, dass zwischen verschiedenen Krankenkassen unterschiedliche Beitragssätze bestehen dürften. Dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Februar 1994 (vgl. BVerfGE 89, 365 <375 ff.>) könne im Ergebnis nichts Gegenteiliges entnommen werden. Selbst wenn in dieser Entscheidung der Grundsatz der Beitragssatzsolidarität anerkannt worden sein sollte, so werde der Risikostrukturausgleich hierdurch nicht gerechtfertigt. Denn dieser verfolge gar nicht das Ziel der Beitragssatzsolidarität, er sei vielmehr auf eine Zusatzfinanzierung der östlichen Krankenkassen ausgerichtet und wolle allgemein die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleisten. Zudem müsse den Gleichheitsrechten stets im Rahmen verfassungsrechtlicher Organisations- und Finanzierungsregeln genügt werden.
Art. 87 Abs. 2 GG enthalte für Transferpflichten weder eine Befugnis noch ein Verbot. Die Vorschrift sei eine reine Kompetenznorm zur Organisation der Bundesverwaltung, sie erlaube keine finanzrechtlichen Regelungen. Der Erst-Recht-Schluss von der Zuständigkeit zu allgemeinen Organisationsregelungen auf den Teilbereich lediglich finanzieller Organisationsmaßnahmen verkenne, dass Organisations- und Finanzrecht nach der Systematik des Grundgesetzes alia seien. Dem Bund komme nur die Befugnis zur Gesamtentscheidung über die Organisation einschließlich aller rechtlichen Konsequenzen zu, er dürfe sich also nicht die finanzrechtlichen Rosinen herauspicken, ohne zugleich die Belastung mit Organisation, Trägerschaft und Aufsicht über eine Krankenkasse zu übernehmen. Art. 87 Abs. 2 GG ermögliche also allein die Gesamtentscheidung zur vollständigen Übernahme einer Krankenkasse vom Land auf den Bund, nicht aber Teilentscheidungen, die den Ländern die Lasten von Trägerschaft und Aufsicht beließen und nur die Finanzierungsweise bundeseinheitlich regelten. Die beiläufig geäußerte gegenteilige Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zum Lastenausgleich in der gesetzlichen Unfallversicherung, wonach Art. 87 Abs. 2 GG zur Regelung der einheitlichen Finanzierung berechtigen könne, weil der Bund sogar das umfassende Organisationsrecht besitze (vgl. BVerfGE 36, 383 <393 ff.>), sei wohl aus diesen Gründen dogmatisch unzutreffend.
Die Regelungen in Art. 104a Abs. 2 bis 4 GG erlaubten ausschließlich Transfers vom Bund zu den Ländern in vertikaler Richtung. Der Risikostrukturausgleich ordne aber einen horizontalen Ausgleich zwischen den Ländern an.
Soweit der Risikostrukturausgleich einen Transfer von den Ländern zum Bund auslöse, verstoße er gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Aus der Vorschrift folge nämlich, dass der Bund die Aufwendungen für seine Sozialversicherungsträger selbst bestreiten müsse, er könne also die Kosten seiner Träger nicht den Ländern und deren Sozialversicherung anlasten.
Auch Art. 107 Abs. 2 GG könne den Risikostrukturausgleich nicht rechtfertigen.
Der Risikostrukturausgleich verstoße gegen Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG. Der Bestimmung sei zu entnehmen, dass der Bund, falls die Finanzmittel der Sozialversicherung nicht ausreichten, die darüber hinaus gehenden Lasten tragen müsse. Der Bund habe die Befugnis, aber auch die Last, die mittelbare Landesverwaltung im Bereich der Sozialversicherung zu finanzieren. Nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG dürfe der Bund also einem Land nicht die Last zuschieben, Defizite der zur mittelbaren Landesverwaltung gehörenden Sozialversicherungsträger auszugleichen. Vom Bund erzwungene Landeszuschüsse seien verfassungswidrig. Danach verstoße der Risikostrukturausgleich gegen Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, weil er Zahlungen einer Landeskrankenkasse zugunsten von Krankenkassen anderer Länder erzwinge. Auch die Zahlungen einer Landeskrankenkasse stellten Transfers aus Landesmitteln dar, weil die Krankenkassen zur mittelbaren Landesverwaltung zählten. Die Verfassungswidrigkeit des Risikostrukturausgleichs werde durch § 313a SGB V noch intensiviert, weil hierdurch gezielt Zuschüsse zugunsten der Krankenkassen im Beitrittsgebiet zu Lasten der westlichen Krankenkassen angeordnet würden. Weil der Bund sich hierdurch zugleich seiner ureigenen Zuschusspflicht entledige, verletze der Risikostrukturausgleich Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG in zweifacher Weise. Er belaste zu Unrecht die Länder und entlaste zu Unrecht den Bund.
Der Risikostrukturausgleich sei verfassungswidrig ausgestaltet. Er verletze den grundrechtlichen und den rechtsstaatlichen Gleichheitssatz, er stelle zudem weder ein geeignetes noch ein erforderliches Mittel zur Erreichung der vom Gesetzgeber gesetzten Zwecke dar.
Der Risikostrukturausgleich führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen West-Krankenkassen und Ost-Krankenkassen. Jene würden zugunsten dieser gezielt belastet. Ferner liege eine Ungleichbehandlung zwischen den West-Krankenkassen und den Krankenkassen mit neutralem Ausgleichsergebnis vor. Wenn es Krankenkassen eines Landes seien, würden auch die Länder als deren Träger unterschiedlich behandelt. Schließlich würden die Beitragszahler der West-Krankenkassen ungleich behandelt, weil diese durch ihre Sonderbelastung die Ost-Krankenkassen finanzieren müssten, obwohl deren Finanzierungsproblem von der Allgemeinheit der Steuerzahler zu tragen sei. Beitragszahler West würden somit sowohl gegenüber Beitragszahlern Ost als auch gegenüber nicht krankenversicherungspflichtigen Steuerzahlern ungleich behandelt.
Zu rechtfertigen seien diese Ungleichbehandlungen nicht.
Das politische Schlagwort von der Solidarität könne den Risikostrukturausgleich sachlich nicht legitimieren. Das Sozialversicherungsrecht gliedere die gesetzliche Krankenversicherung in rechtlich und organisatorisch selbständige Solidargemeinschaften. Von deren einzelnen Mitgliedern seien die Risiken ihrer eigenen Versichertengemeinschaft abzudecken. Die Organisationsentscheidung des Gesetzgebers sei für die gesamte gesetzliche Krankenversicherung auf Differenzierung angelegt. Der Risikostrukturausgleich negiere diese Entscheidung und breche damit aus dem selbst gesetzten System aus. Er zweckentfremde den Krankenversicherungsbeitrag, indem er ihn zur Finanzierung fremder Versichertengemeinschaften und der allgemeinen Staatsaufgabe der Herstellung der deutschen Einheit verwende.
Er verstoße zudem gegen ein spezielles verfassungsrechtliches Differenzierungsverbot. Dieses folge aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG. Die dort geregelte Zuschusspflicht bei monetären Schwierigkeiten der Sozialversicherung belaste den mit Steuermitteln gespeisten Bundeshaushalt. Das Grundgesetz wolle hierdurch einen Zuschuss aus von jedermann geleisteten Steuermitteln erreichen und zugleich einen Transfer aus Sozialversicherungsbeiträgen vermeiden. Verboten sei also die Ungleichbehandlung von Steuerbürgern und Beitragszahlern bei der Beseitigung von Defiziten der Sozialversicherung. Dem widersprechend ziehe der Risikostrukturausgleich ausschließlich die Beitragszahler heran, der Steuerzahler werde demgegenüber verschont.
Das Ziel der Herstellung von Wettbewerbsgleichheit könne den Risikostrukturausgleich nicht legitimieren. Die exklusive Berücksichtigung von vier Ausgleichsfaktoren bei gleichzeitiger Nichtberücksichtigung weiterer wettbewerbswesentlicher Faktoren, wie regionaler Preisniveaus und regionaler Versorgungsangebote, führe nicht zu Wettbewerbsgleichheit, sondern zu Wettbewerbsverzerrungen.
Der Hinweis auf einen angeblich höheren Bedarf der östlichen Krankenkassen könne den Risikostrukturausgleich gleichheitsrechtlich nicht rechtfertigen. Denn der Risikostrukturausgleich stelle nicht auf einen konkreten Bedarf, sondern auf einen bundesweit ermittelten Durchschnittsbedarf ab. Ferner führe er zu örtlichen Überkompensationen und zu einer bloßen Subventionierung der östlichen Krankenkassen unter Liquiditätsgesichtspunkten. Die Aufhebung der Rechtskreistrennung bringe den östlichen Krankenkassen einen Gewinn über das Bedarfsnotwendige hinaus.
Der rechtsstaatliche Gleichheitssatz werde weiterhin dadurch verletzt, dass die Erstreckungskassen in den Risikostrukturausgleich eingebunden seien. Sie veranstalteten intern bereits einen Ausgleich und erreichten hierdurch alle gesetzlichen Ziele. Es sei im Verhältnis zu den anderen Krankenkassen gleichheitswidrig, sie im Außensystem der §§ 266, 313a SGB V erneut zum Ausgleich heranzuziehen.
51Die in § 313a Abs. 5 Satz 2 SGB V enthaltene Verordnungsermächtigung verstoße gegen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz. Die Exekutive entscheide über jährliche Transferleistungen in Milliardenhöhe aufgrund ihrer politischen Bewertung des extrem unbestimmten Gesetzesbegriffs der "ungerechtfertigten Belastungsunterschiede".
2. Mit weiterem Schriftsatz vom 21. Januar 2003 haben die Antragstellerinnen beantragt, das Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 unter Einbeziehung in das anhängige Normenkontrollverfahren wegen Verstoßes gegen das Grundgesetz für nichtig zu erklären.
Das Reformgesetz belaste als Ausdifferenzierung des bisherigen Risikostrukturausgleichs die Autonomie der Länder und ihrer Krankenkassen noch weiter.
Die in §§ 137f, 137g, 268 und 269 SGB V enthaltenen Verordnungsermächtigungen verletzten Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Das Reformgesetz versuche, durch weitere Ausdifferenzierung von Ausgleichskriterien und durch Bildung neuer Ausgleichsfonds den Risikostrukturausgleich gerechter zu gestalten. Das Reformgesetz selbst bestimme jedoch die Ausgestaltung des neuen Ausgleichs gar nicht. Vielmehr solle die Rechtsverordnung anstelle eines inhaltlich leeren Gesetzes die notwendigen, an sich dem Parlament vorbehaltenen Entscheidungen treffen. Die nunmehr im Gesetz vorgesehene direkte Morbiditätsausrichtung des Ausgleichs orientiere sich an völlig offenen Kriterien, nähere materielle Vorgaben fehlten. Die gesamte Bewertungsproblematik des Risikostrukturausgleichs werde in § 268 Abs. 2 Satz 1 SGB V auf die Exekutive verlagert. Das Gesetz mache nur vage Vorschläge für das zwingend einzuführende Verteilungssystem. Der Gesetzgeber erkläre letztlich nur noch seinen Willen, ein neues Ausgleichssystem einrichten zu wollen, ohne dieses inhaltlich zu bestimmen.
Mit der Einführung von Disease-Management-Programmen durchbreche der Risikostrukturausgleich sein eigenes System. Denn er führe damit eine Risikoselektion für bis zu sieben chronische Krankheiten ein. Die Programme lösten erhebliche Transfers aus. Der hiermit installierte "Finanzausgleich im Finanzausgleich" verstoße gegen die Finanzautonomie der Länder, Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG und den rechtsstaatlichen Gleichheitssatz. Gleiches gelte für den Risikopool gemäß § 269 SGB V. Hierbei handele es sich um einen Sonderfinanzausgleich, dessen Mechanismus dem allgemeinen Risikostrukturausgleich nachgebildet sei.
Soweit § 137g Abs. 1 Sätze 8 bis 11 SGB V die Gebührenerhebung des Bundesversicherungsamts gegenüber den antragstellenden Krankenkassen regele, verstoße dies gegen Art. 104a Abs. 1 und 5 GG. Danach habe der Bund die Ausgaben für die Wahrnehmung seiner Verwaltungsaufgaben selbst zu tragen. Das Bundesversicherungsamt erfülle mit der Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme eine ihm gesetzlich zugewiesene Verwaltungsaufgabe. Wenn Zulassungsanträge von Landes-Krankenkassen gebührenpflichtig beschieden würden, dann seien es im Ergebnis die Länder, die die Zweck- und Verwaltungsausgaben für eine Bundesaufgabe finanzierten.
III.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung und den Regierungen der Länder Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
1. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hält in seiner für die Bundesregierung abgegebenen Stellungnahme den Normenkontrollantrag vom 24. August 2001 für unbegründet.
Die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG werde durch die Möglichkeit der Selbstkoordination der Länder nicht in Frage gestellt. Der verfassunggebende Gesetzgeber habe 1994 nicht beabsichtigt, die bundeseinheitliche Gesetzgebung des Bundesgesetzgebers durch eine bundeseinheitliche Landesgesetzgebung zu ersetzen. Die Verlagerung von Gesetzgebungsrechten und damit auch die Möglichkeit der Selbstkoordination der Länder durch Staatsverträge hänge somit allein davon ab, wie der Bund die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung beurteile. Danach könne der Risikostrukturausgleich, der bundesweiten Wettbewerb zwischen landes- und bundesunmittelbaren Krankenkassen herstellen wolle, nur durch Bundesgesetz geregelt werden.
Der Risikostrukturausgleich verstoße nicht gegen die bundesstaatliche Finanzverfassung. Denn die Regelungen der Art. 104a ff. GG seien auf die Sozialversicherung nicht anwendbar. Die Sozialversicherung sei vom Verfassungsgeber mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 87 Abs. 2 und Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG als Sondermaterie einem geschlossenen Regelungssystem unterworfen worden. Der Risikostrukturausgleich bewege sich vollständig innerhalb des durch die genannten Normen gezogenen Rahmens der Sozialversicherung. Auswirkungen auf die Mittel der Länderhaushalte seien nicht festzustellen. Die finanzverfassungsrechtliche Stellung der Länder werde in keiner Weise berührt.
Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG stehe dem Risikostrukturausgleich nicht entgegen. Diesbezüglich beruhe der Normenkontrollantrag auf einer unhaltbaren Vermischung und Gleichsetzung der Länder mit denjenigen Trägern der Sozialversicherung, die ein Teil der mittelbaren Landesverwaltung seien. Diese Gleichsetzung sei unzulässig. Die Systeme "Landeshaushalt" und "Haushalt der Sozialversicherungsträger" seien vollkommen getrennt. Der Risikostrukturausgleich betreffe die Landeshaushalte in keiner Weise. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG regele allein die Lastenverteilung im Bund-Länder-Verhältnis, nicht aber die Lastenverteilung zwischen einzelnen Sozialversicherungsträgern.
Der Risikostrukturausgleich verstoße weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das rechtsstaatliche Willkürverbot. Was das Verhältnis der Kassen in den alten und den neuen Ländern angehe, sei schon begrifflich keine Ungleichbehandlung gegeben. Vielmehr habe das Gesetz zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung die für die neuen Länder geltenden Sondervorschriften, die eine Ungleichbehandlung hätten bewirken können, gerade aufgehoben. Verfassungsrechtliche Relevanz käme diesem Gesetz also nur dann zu, wenn die geregelten Sachverhalte so ungleich wären, dass eine Gleichbehandlung sachlich nicht zu rechtfertigen sei. Selbst wenn wegen der bestehenden Unterschiede in den Niveaus des Beitragsbedarfs und der Finanzkraft eine Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte liegen sollte, sei diese gerechtfertigt; denn sonst könne eine gerechte Beitragsbelastung der Versicherten in Ost und West nicht erreicht werden. Im Übrigen habe der Gesetzgeber im Rahmen seiner Typisierungsbefugnis davon ausgehen dürfen, dass sich die Einnahmen- und Ausgabenniveaus langfristig weitgehend angleichen würden. Die Ungleichbehandlungen im Verhältnis zwischen den verschiedenen Krankenkassen und im Verhältnis zwischen den Mitgliedern verschiedener Krankenkassen seien durch sachliche Gründe gedeckt. Mit dem Risikostrukturausgleich werde vom Gesetzgeber eine höhere Beitragsgerechtigkeit angestrebt. Dies sei jedoch nicht das Endziel. Ziel sei vielmehr, gleiche Wettbewerbsbedingungen herzustellen, um auf diese Weise die Effizienz zu steigern und Kostensteigerungen im Gesundheitswesen zu minimieren. Der Risikostrukturausgleich gleiche nicht in erster Linie die Beitragssätze an, sondern er versuche, Unterschiede in der mitgliederbedingten Struktur der Einnahmen und Ausgaben zu mindern. Die von § 266 SGB V vorgenommenen Differenzierungen förderten das Ziel der Herstellung von Wettbewerbsgleichheit. Es sei zulässig, dass nicht alle Wettbewerbsparameter berücksichtigt worden seien, denn der Gesetzgeber habe sich in typisierender Betrachtungsweise auf die wesentlichen und wichtigsten Faktoren beschränken dürfen.
Der Risikostrukturausgleich verstoße auch nicht gegen ein spezielles verfassungsrechtliches Differenzierungsverbot. Ein solches sei Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG nicht zu entnehmen.
2. Nach Auffassung der Regierungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die inhaltlich weitgehend übereinstimmende Stellungnahmen abgegeben haben, ist der Risikostrukturausgleich insgesamt verfassungsgemäß.
Der Bund habe gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 72 Abs. 2 GG die Gesetzgebungskompetenz. Staatsverträge zwischen den Ländern oder Verwaltungsvereinbarungen zwischen den Krankenkassen zur Regelung von kassenübergreifenden Finanztransfers seien nicht zulässig. Zur Regelung eines bundesweiten Ausgleichs sei ein Bundesgesetz erforderlich.
Art. 104a ff. GG seien auf länderübergreifende Finanztransfers im Bereich der Sozialversicherung nicht anwendbar. Hiergegen sprächen schon der Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG sowie der Sachzusammenhang und Textvergleich mit Art. 104a ff. GG. Vor allem sei es unzulässig, die landesunmittelbaren Krankenkassen mit den Ländern gleichzusetzen. Sozialversicherungsträger stünden außerhalb des finanzwirtschaftlichen Verhältnisses von Bund und Ländern. Soweit im Normenkontrollantrag ausschließlich auf den Grundsatz der Zweistufigkeit des Gemeinwesens abgestellt werde, stehe dieser Betrachtung entgegen, dass zwischen Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern klar zu unterscheiden sei. Die Unterschiede zwischen Art. 104a ff. GG einerseits und der Organisation und Finanzierung der Sozialversicherung andererseits würden missachtet. Art. 104a GG betreffe die Ausgabenverteilung zwischen Bund und Ländern, Krankenkassenausgaben würden aber nicht von Bund und Ländern getragen. Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und länderübergreifende Finanztransfers seien auf der Grundlage der Gesetzgebungs- und Organisationskompentenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 87 Abs. 2 GG ein in sich geschlossenes System, das nicht in Bundes- und Länderausgaben gemäß Art. 104a GG aufgegliedert werden könne. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 89, 365) habe Finanztransfers als zweckmäßig erachtet, um Ungleichbehandlungen von Krankenkassenmitgliedern zu verhindern, und damit mittelbar das kassen- und länderübergreifende Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung bestätigt.
Weder der grundrechtliche noch der rechtsstaatliche Gleichheitssatz würden durch den Risikostrukturausgleich verletzt. Die gesetzliche Krankenversicherung sei auf eine kassenübergreifende Solidarität angelegt. Es liege in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, sich für ein gegliedertes System zu entscheiden. Wenn der Gesetzgeber, um dieses System funktionsfähig zu erhalten, einen Risikostrukturausgleich einführe, dann sei diese Entscheidung von vernünftigen Erwägungen getragen. Ohne Risikostrukturausgleich würde es erhebliche Beitragssatzdifferenzen geben. Die Allgemeinen Ortskrankenkassen seien dann im Vergleich mit Betriebs- und Ersatzkassen nicht mehr überlebensfähig. Wahlmöglichkeiten für die Versicherten entfielen, die Versorgung in bestimmten Regionen sei gefährdet. Um gute Risiken würde ein heftiger Wettbewerb entbrennen bei gleichzeitiger Diskriminierung schlechter Risiken. Die Chancen für einen Wettbewerb um mehr Wirtschaftlichkeit stünden in diesem Falle schlecht. Dies zeige, dass der Risikostrukturausgleich notwendig sei, um das gegliederte System
überhaupt zu erhalten, um den Versicherten Wahlmöglichkeiten zu bieten und um einen Wettbewerb um gute Risiken zu vermeiden. Der Risikostrukturausgleich habe seine Hauptziele, nämlich die Herstellung von Beitragsgerechtigkeit und die Ermöglichung von Wettbewerb, weitgehend erreicht.
Was die Begünstigung der Krankenkassen in den neuen Ländern anbelange, so sei daran zu erinnern, dass es auch im Gebiet der alten Länder zu länderübergreifenden Transfers komme. Auch hier werde der Beitragsbedarf auf der Basis bundesweit ermittelter standardisierter Leistungsausgaben bestimmt, obgleich die Leistungsausgaben in einzelnen Ländern und Regionen, wenn sie regional gesondert erfasst würden, unterschiedlich ausfielen. Es sei ein Gebot der Gleichbehandlung gewesen, die Ostkassen nicht länger von dem im Westen praktizierten Ausgleich auszuschließen. Der Gesetzgeber habe interregionale Umverteilungen bezweckt, diese bisher aber in Ost und West getrennt eintreten lassen. Nunmehr werde nicht mehr differenziert, was dem Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung entspreche und der Herstellung der deutschen Einheit diene.
Ein weiterer sachgerechter Grund für die getroffenen Regelungen sei darin zu erblicken, dass die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung Ost dramatisch gewesen sei. Ein Teil der regionalen Krankenkassen sei hoch verschuldet gewesen. Mit der gewollten teilweisen Überkompensation werde lediglich das Defizit ausgeglichen, das bei früherer und weitergehender Einführung des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs vermieden worden wäre.
Die Verordnungsermächtigung in § 313a Abs. 5 Satz 2 SGB V sei hinreichend bestimmt.
3. Zum Normenkontrollantrag vom 21. Januar 2003 haben sich namens der Bundesregierung das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit sowie die Regierungen der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen inhaltlich weitgehend übereinstimmend dahingehend geäußert, dass auch die Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs durch das Bundesgesetz vom 10. Dezember 2001 nicht gegen Verfassungsrecht verstoße.
Eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots im Hinblick auf §§ 137f, 137g, 268 und 269 SGB V sei nicht gegeben. Die Verordnungsermächtigungen entsprächen den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG. Die gesetzlichen Vorschriften seien hinreichend bestimmt. Die Normadressaten seien in der Lage, die Rechtslage zu erkennen und ihr Verhalten danach auszurichten.
Dass das Bundesversicherungsamt für die Zulassung von strukturierten Behandlungsprogrammen Gebühren von den Krankenkassen verlange, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 104a GG gelte zwar für die Staatshaushalte des Bundes und der Länder, jedoch gerade nicht für die Sozialversicherungsträger.
IV.
Die Antragstellerinnen haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
B.
I.
Soweit sich der Normenkontrollantrag zu 1. vom 24. August 2001 gegen die in § 313a Abs. 5 Satz 2 SGB V enthaltene Verordnungsermächtigung richtet, ist er unzulässig; im Übrigen ist der Antrag nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 6, § 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG zulässig.
II.
Im Hinblick auf die zur Prüfung gestellte Verordnungsermächtigung des § 313a Abs. 5 Satz 2 SGB V besteht kein objektives Klarstellungsinteresse.
Das Bundesverfassungsgericht verlangt in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen eines besonderen objektiven Interesses des Antragstellers an der Klarstellung der Geltung der betreffenden Norm (vgl. BVerfGE 6, 104 <110>; 96, 133 <137>). Ein solches objektives Klarstellungsinteresse ist im Falle einer gesetzlichen Ermächtigung der Exekutive zum Erlass von Regelungen selbst dann zu bejahen, wenn von der Ermächtigung - noch - nicht Gebrauch gemacht wurde (vgl. BVerfGE 100, 249 <257 f.>). Hat die Exekutive jedoch von der Verordnungsermächtigung endgültig keinen Gebrauch gemacht und kann sie in Zukunft hiervon auch keinen Gebrauch mehr machen, dann gehen von der als verfassungswidrig gerügten Norm unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt Rechtswirkungen aus. In einem solchen Fall ist das objektive Klarstellungsinteresse zu verneinen (vgl. BVerfGE 97, 198 <213 f.>; 100, 249 <257>; 110, 33 <45>). In zeitlicher Hinsicht ist auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Sachentscheidung abzustellen (vgl. BVerfGE 50, 244 <247>).
Nach diesen Maßstäben ist der Antrag auf Prüfung des § 313a Abs. 5 Satz 2 SGB V unzulässig (geworden), weil der Gesetzgeber der Exekutive erst- und letztmalig für das Jahr 2002 die Möglichkeit eingeräumt hat, im Verordnungswege den gesetzlich festgelegten Gewichtungsfaktor in Bezug auf die Rechtsangleichungsstufen 2003 bis 2007 zu verändern. Da die Exekutive von dieser einmaligen Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, steht zum Entscheidungszeitpunkt fest, dass Rechtswirkungen von der Verordnungsermächtigung weder in der Vergangenheit ausgegangen sind noch in Zukunft ausgehen werden.
Das Bundesverfassungsgericht hat die zur Überprüfung gestellte Verordnungsermächtigung nach ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang dahingehend ausgelegt, dass der Gesetzgeber der Exekutive eine einmalige Überprüfungspflicht mit Anpassungsmöglichkeit auferlegen wollte. Die in Satz 1 des § 313a Abs. 5 SGB V für das Jahr 2002 vorgesehene Überprüfung der Belastungswirkungen des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs nach Vollendung der ersten Rechtsangleichungsphase sollte die Grundlage für die Entscheidung liefern, ob der Gewichtungsfaktor unter Inanspruchnahme der Verordnungsermächtigung in Satz 2 der genannten Vorschrift verändert werden muss. Weitere Überprüfungen in Folgejahren sieht das Gesetz nicht vor. Ohne zweite oder dritte Prüfung der Auswirkungen des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs auf die Beitragssätze kann aber vernünftigerweise auch keine zweite oder dritte Entscheidung über den Anpassungsbedarf im Sinne des Satzes 2 herbeigeführt werden.
C.
Soweit der Normenkontrollantrag zu 1. vom 24. August 2001 zulässig ist, ist er nicht begründet. Die gesetzlichen Grundlagen des Risikostrukturausgleichs sind förmlich und sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Einführung des Risikostrukturausgleichs folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG (I.). Die allgemeinen Vorschriften des X. Abschnitts des Grundgesetzes über das Finanzwesen sind auf den Risikostrukturausgleich als Finanzierungsregelung für den Binnenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht anwendbar und vermögen dessen Verfassungswidrigkeit somit nicht zu begründen (II.). Auch Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG steht dem Risikostrukturausgleich nicht entgegen
(III.). Gleichheitsgrundrechte werden weder im Verhältnis der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zu den Steuerpflichtigen (IV.) noch im Verhältnis verschiedener Mitgliedergruppen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung (V.) verletzt. Gegen das rechtsstaatliche Gleichbehandlungsgebot und gegen Freiheitsgrundrechte verstoßen §§ 266, 267 SGB V nicht (VI. und VII.).
I.
82Der Bund hat gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG das Gesetzgebungsrecht für den Risikostrukturausgleich. Auch soweit die angegriffenen Regelungen vor dem 15. November 1994 erlassen worden sind, sind deren Geltung und deren spätere Novellierungen unabhängig von der Regelung des Art. 125a Abs. 2 GG zu würdigen, denn auch die vor Inkrafttreten der geltenden Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG erlassenen Vorschriften hätten nach deren strengeren Anforderungen als Bundesrecht erlassen werden können (vgl. zum Anwendungsbereich des Art. 125a Abs. 2 GG etwa Degenhart, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 125a, Rn. 5 m.w.N.).
1. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung. Die Einführung des Risikostrukturausgleichs ist eine Maßnahme der Sozialversicherung im Sinne dieser Vorschrift (zum Begriff der Sozialversicherung BVerfGE 11, 105 <111 ff.>; 75, 108 <146 ff.>; 87, 1 <34>; 88, 203 <313>; stRspr). Die Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist bereits aus sich heraus auch auf die Regelung der Finanzierung der Sozialversicherung gerichtet. Dies gilt nicht nur in einem engeren Sinn für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen, sondern in einem weiteren Sinn auch für Regelungen über die Erstattung und den Ausgleich von Sozialversicherungsleistungen (vgl. BVerfGE 75, 108, <146 ff.>; 81, 156 <185>; 99, 202 <212>).
§§ 266, 267 SGB V sind Teil der Regelung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Risikostrukturausgleich dient nicht zuletzt der Verteilung des primären Beitragsaufkommens der Krankenkassen. Mitglieder einer bestimmten Krankenkasse haben mit ihren Beiträgen nicht nur die Aufgaben der eigenen Kasse, sondern, wenn Ausgleichspflichten im Sinne des § 266 SGB V bestehen, auch Aufgaben anderer Kassen mit zu finanzieren. Eines der vom Risikostrukturausgleich verfolgten Hauptziele, nämlich die Herstellung einer gerechteren Beitragsbelastung der Versicherten (vgl. Gesetzesbegründung, BTDrucks 12/3608, S. 117), stellt ebenfalls den unmittelbaren Bezug zur Finanzierung der Krankenversicherung her.
Auch soweit der Risikostrukturausgleich die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Anzahl der nach § 10 SGB V Versicherten ausgleicht, bleibt die bundesgesetzliche Regelung innerhalb des von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG vorgegebenen Rahmens (a.A. Gohla, Der Risikostrukturausgleich auf dem Prüfstand des Grundgesetzes, 2002, S. 145 f., 159). Die Familienversicherung steht, soweit es um ihren Grundgedanken geht, in einer langen sozialversicherungsrechtlichen Tradition (vgl. BVerfGE 107, 205 <206>). Sie gehört zu denjenigen Sozialleistungen, die das Bild der klassischen Sozialversicherung mitgeprägt haben. Bereits dieser Befund rechtfertigt ihre Subsumtion unter den kompetenzrechtlichen Sozialversicherungsbegriff des Grundgesetzes. Dass es sich bei der beitragsfreien Familienversicherung um eine Maßnahme des sozialen Ausgleichs zur Entlastung der Familie handelt (vgl. BVerfGE 107, 205 <213>), ist kein Argument gegen, sondern für die Anwendbarkeit der Kompetenznorm. Denn wie schon deren Wortlaut nahe legt, ist es seit jeher für die Sozialversicherung im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG kennzeichnend, dass das Prinzip des versicherungsrechtlichen Risikoausgleichs sozial modifiziert und mit Elementen der öffentlichen Fürsorge verbunden wird (vgl. BVerfGE 79, 223 <236 f.>).
Der Rahmen des Kompetenztitels des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist auch nicht überschritten, wenn und soweit es durch die Regelungen des Risikostrukturausgleichs zu einer vereinzelten Überdehnung des Solidarprinzips auf Kosten des Versicherungsprinzips kommen sollte (a.A. Sodan/Gast, Umverteilung durch "Risikostrukturausgleich", 2002, S. 50 ff.). Selbst wenn die Mitglieder bestimmter Krankenkassen aufgrund festgesetzter Ausgleichszahlungen im Risikostrukturausgleich im Einzelfall zu ganz erheblichen Solidarleistungen und damit Zahlungspflichten zugunsten der Mitglieder anderer Krankenkassen gezwungen sein sollten, so handelte es sich hierbei nicht um ein Kompetenz-, sondern um ein Grundrechtsproblem. Denn dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG sind keine definitiven Aussagen über die materiellen Grenzen einer legislatorischen Erstreckung des Solidarprinzips zu entnehmen (vgl. Papier, Sozialversicherung und Privatversicherung – verfassungsrechtliche Vorgaben -, ZSR 1990, S. 344 <345>); für die Geltung eines Hälftigkeitsgrundsatzes zwischen den Elementen "Sozial" und "Versicherung" (vgl. Sodan/Gast, a.a.O.) fehlt jeder Anhaltspunkt im Text der Kompetenznorm. Halten sich also gesetzgeberische Regelungen sachlich-gegenständlich im Kompetenzbereich Sozialversicherung, was beim Sozialgesetzbuch V und den zu überprüfenden Änderungsgesetzen der Fall ist, dann sind kompetenzrechtlich auch die zur Finanzierung getroffenen Regelungen des Beitrags- und des Finanzausgleichsrechts unbedenklich. Weitergehende Begrenzungen sind aus Kompetenzgründen weder erforderlich noch angezeigt (vgl. BVerfGE 75, 108 <148>).
2. Eine bundesgesetzliche Regelung des Risikostrukturausgleichs war erforderlich im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG.
Der Bund hat im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Das Gesetzgebungsrecht des Bundes ist danach vom Ergebnis einer doppelten Erforderlichkeitsprüfung abhängig, die zwischen der grundsätzlichen Regelungsbefugnis – wenn - und dem zulässigen Ausmaß bundesgesetzlicher Regelungen – soweit - unterscheidet. Entsprechend dieser Differenzierung sind die Gegenstände der jeweiligen Prüfung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschieden. Die erste Prüfung zielt nicht auf die einzelnen unselbständigen Teile eines gesetzlichen Regelungswerks, sondern zunächst ist das Gesamtkonzept als solches Prüfungsgegenstand. Hat der Bundesgesetzgeber auf einem ihm kompetentiell vom Grundgesetz gemäß Art. 74 Abs. 1 GG zugewiesenen Gebiet ein umfassendes Regelungskonzept entwickelt, das zum Schutz der Rechtsgüter des Art. 72 Abs. 2 GG nach Ziel und Wirkung erforderlich ist, können einzelne Teile dieses Regelungskonzepts mit dem zweiten Prüfungsschritt nur dann gemäß Art. 72 Abs. 2 GG ("soweit") als zu regelungsintensiv herausgenommen werden, wenn das Gesamtkonzept und damit die Wirkung des Gesetzes ohne sie nicht gefährdet wird (vgl. BVerfGE 106, 62 <149 f.>).
Nach diesen Maßstäben hatte der Bund nicht nur gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG das Gesetzgebungsrecht für die gesetzliche Krankenversicherung. Der Bund konnte auch die gesetzlichen Grundlagen des Risikostrukturausgleichs selbst erlassen, weil es sich hierbei lediglich um unselbständige Bestandteile des umfassend bundesrechtlich im Sozialgesetzbuch V geregelten Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Diese konnten ohne Gefährdung der gesetzlichen Gesamtkonzeption nicht abgetrennt und den Ländern zu eigenständiger Regelung überlassen werden.
Die bundesgesetzliche Regelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung war zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse und zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich (zu den Anforderungen im Einzelnen BVerfGE 106, 62 <135 f., 143 ff.>; 111, 226 <252 ff.>). Die bundesweite Funktionsfähigkeit der Sozialversicherung hat elementare Bedeutung für die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland. Eine in allen Landesteilen gleich funktionsfähige Sozialversicherung ist auf der Basis unterschiedlicher Ländergesetze praktisch kaum denkbar, so dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse entscheidend von einer bundesgesetzlichen Regelung abhängt. Nicht zuletzt die gleichheitsrechtlich gebotene bundesweite Angleichung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 89, 365 <375 ff.>) lässt sich mit unterschiedlichen landesrechtlichen Regelungen nicht erreichen. Divergierendes Landesrecht könnte auch die Mobilität der Versicherten innerhalb des Bundesgebiets einschränken und für die abführungspflichtigen Unternehmen Handlungsbeschränkungen verursachen, so dass der Bund auch zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik Deutschland bundeseinheitliches Recht setzen durfte.
Der Risikostrukturausgleich ist ein integraler Bestandteil der vom Bundesgesetzgeber im Sozialgesetzbuch V einheitlich normierten und aufeinander abgestimmten Leistungs-, Mitgliedschafts- und Organisationsregelungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Einzelne Teile hieraus zugunsten divergierender Normierungen durch die Länder herauszubrechen, würde die Tragfähigkeit der Gesamtkonstruktion gefährden. Dies gilt gerade auch für den von §§ 266, 267 SGB V geregelten Teilbereich des Organisations- und Finanzrechts der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Gesetzgeber hat dem Risikostrukturausgleich die Aufgabe zugedacht, den mit der Einführung des Rechts der freien Kassenwahl etablierten Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sozial zu flankieren, indem vor allem der Vorteil der Zusammenballung guter Risiken ausgeglichen, hierdurch der Wettbewerb um die guten Risiken unter den Versicherten unattraktiv gemacht und auch im Übrigen für alle Kassen annähernd gleiche Wettbewerbsbedingungen hergestellt werden. Unvereinbar mit der gesetzgeberischen Konzeption eines bundesweiten Wettbewerbs um die bundesweit wahlberechtigten Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung wären sozialrechtliche Regelungen einzelner Länder, die jeweils für sich über das Ob und das Wie eines kassenübergreifenden Finanzausgleichs zwischen den auf ihrem Staatsgebiet tätigen Krankenkassen entscheiden.
II.
Die Bestimmungen der bundesstaatlichen Finanzverfassung stehen dem Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht entgegen. Die Kompetenzvorschriften der Art. 104a ff. GG und im Besonderen der in Art. 104a Abs. 1 GG niedergelegte Grundsatz gesonderter Lastentragung gelten nicht für die Erhebung und Verwaltung von Sozialversicherungsbeiträgen, auch wenn diese zum Gegenstand eines sozialversicherungsrechtlichen Finanzausgleichsverfahrens gemacht werden. Beim Risikostrukturausgleich handelt es sich um eine gemäß Art. 72 Abs. 2, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG kompetenzgerecht zustande gekommene Finanzierungsregelung für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung. Darüber hinausgehende kompetenzrechtliche Anforderungen bestehen nicht.
Dieses Ergebnis folgt aus der grammatikalischen (1.), systematischen (2.), teleologischen (3.) und historischen (4.) Auslegung der grundgesetzlichen Normen über das Finanzwesen. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 87 Abs. 2 und Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG bilden ein in sich geschlossenes Regelungssystem für die Sozialversicherung und deren Finanzierung. Diese Bestimmungen gehen als speziellere Normen den allgemeinen, steuerzentrierten Vorschriften des X. Abschnitts des Grundgesetzes vor.
1. In Art. 104a ff. GG werden die Sozialversicherung oder deren Träger nicht ausdrücklich angesprochen. Viele dieser Bestimmungen sind nach ihrem Wortlaut von vornherein nicht auf die Träger der Sozialversicherung und die von ihnen erhobenen Sozialversicherungsbeiträge anwendbar. Dass die Finanzverfassung vor allem Steuerverfassung ist, zeigen besonders deutlich die Regelungen der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen in Art. 105, Art. 106 und Art. 108 GG, die nach ihrem Wortlaut ausschließlich auf Zölle, Finanzmonopole und Steuern anwendbar sind. Sie können mangels Regelungslücke auch nicht analog auf die Sozialversicherung angewendet werden, da das Grundgesetz die von den Sozialversicherungsträgern erhobenen Beiträge dem Anwendungsbereich der Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Gesetzgebungskompetenz) und Art. 87 Abs. 2 GG (Verwaltungs- und Ertragskompetenz) unterwirft. Vervollständigt wird das Regelungsprogramm des Grundgesetzes für die Sozialversicherung durch die spezielle finanzverfassungsrechtliche Norm des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, die dem Bund die alleinige Finanzierungskompetenz für die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung zuweist. Dass die Gemeinden und Gemeindeverbände im Unterschied zu den Sozialversicherungsträgern im Text der Art. 104a ff. GG mehrfach ausdrücklich erwähnt werden, bestätigt die Annahme, dass der X. Abschnitt des Grundgesetzes vor allem eine Regelung für die Gebietskörperschaften und die von ihnen erhobenen Steuern trifft. Während also die kommunalen Finanzen in das System der Verteilung des bundesstaatlichen Finanzaufkommens ausdrücklich eingefügt werden (vgl. BVerfGE 86, 148 <215>), bleiben die Finanzmittel der Sozialversicherung trotz ihrer enormen gesamtwirtschaftlichen Bedeutung unerwähnt. Wäre ihre Einbeziehung vom Verfassungsgeber gewollt gewesen, hätte es nahe gelegen, sie einer ausdrücklichen Regelung zu unterwerfen, zumal das Fehlen einer solchen Regelung zu zahlreichen systematischen Ungereimtheiten (2.) führt.
2. Bei unterstellter Anwendbarkeit der allgemeinen finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften entsteht ein unauflösbarer Widerspruch zu denjenigen grundgesetzlichen Vorschriften, die dem Bundesgesetzgeber das Recht zur umfassenden Regelung der Organisation der Sozialversicherung verleihen. Der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erstreckt sich auf sämtliche mit der Sozialversicherung zusammenhängenden organisationsrechtlichen Fragen; selbst landesunmittelbare Sozialversicherungsträger kann der Bund gestützt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG aus eigenem Recht bilden (vgl. BVerfGE 11, 105 <123 f.>). Der Bund hat es damit aufgrund seiner Sachgesetzgebungskompetenz weitgehend in seiner Hand, ob er landesunmittelbare Sozialversicherungsträger und damit deren Beitragsaufkommen in die Bundesverwaltung überführt oder nicht (vgl. zu den Handlungsmöglichkeiten des Bundes: Isensee, Föderalisierung der Sozialversicherung, NZS 1993, S. 281 <283>; Papier, Verfassungsrechtliche Probleme bei der Organsisation der Sozialversicherungsträger, Festschrift für Franz Knöpfle, 1996, S. 273 <277 f.>). Vom körperschaftlichen Status der Sozialversicherungsträger abgesehen (vgl. Art. 87 Abs. 2 GG) macht das Grundgesetz dem Bundesgesetzgeber keine inhaltlichen Vorgaben zur organisatorischen Ausgestaltung der Sozialversicherung. Der Verfassung ist eine Garantie des bestehenden Systems der Sozialversicherung oder seiner tragenden Organisationsprinzipien nicht zu entnehmen. Es besteht weder ein Änderungsverbot noch ein Gestaltungsgebot. Danach wäre es mit dem Grundgesetz grundsätzlich zu vereinbaren, wenn der Bundesgesetzgeber sämtliche Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zusammenfasste und den nunmehr einzigen Träger nach Art. 87 Abs. 2 GG als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierte. Damit aber vollzöge sich ein zeitlich unbegrenzter, vollständiger Lastenausgleich von selbst. Wenn eine solche Regelung verfassungsrechtlich unbedenklich wäre, dann dürfen jedenfalls auch die Lasten einzelner Sozialversicherungsträger in gewissem Umfang auf andere Sozialversicherungsträger und deren Mitglieder verlagert werden (vgl. BVerfGE 36, 383 <393>; 39, 302 <315>; 89, 365 <377>).
An dieser der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegenden Rechtsauffassung ist festzuhalten. Das Verhältnis von bundesrechtlicher Organisationskompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 87 Abs. 2 GG und bundesstaatlicher Finanzverfassung lässt sich auf der Basis der von den Antragstellerinnen vertretenen Gegenansicht nicht widerspruchsfrei beschreiben. Eine systematisch folgerichtige Lösung kann nur erzielt werden, wenn die Finanzverfassung der Sozialversicherung als ein eigenständiges System staatlicher Abgabenerhebung begriffen wird, das neben dem in die Finanzverfassung eingebundenen Steuersystem steht. Die Finanzmittel der landes- und bundesunmittelbaren Krankenkassen den Ländern oder dem Bund zuzuordnen und dem Regelungssystem der Art. 104a ff. GG zu unterwerfen, würde dagegen das sachliche Gesetzgebungsrecht des Bundes zur Organisation der Sozialversicherung weitgehend entwerten. Nicht nur Finanzausgleichsverfahren wie der Risikostrukturausgleich oder der frühere Finanzausgleich in der Krankenversicherung der Rentner, sondern auch Vorschriften zur Vereinigung von landes- oder bundesunmittelbaren Krankenkassen (vgl. §§ 144, 150, 168a SGB V) oder auch Bestimmungen über Kassenwahlrechte, erst recht aber durchgreifende organisatorische Reformmaßnahmen in einem Sozialversicherungszweig müssten sich wegen ihres direkten oder indirekten Einflusses auf die Beitragsmittel einer landesunmittelbaren Krankenkasse und damit – in der Lesart der Antragstellerinnen - eines Landes in die Vorgaben der Finanzverfassung einfügen. Davon abgesehen, dass diese keine spezifischen Regelungen für die angesprochenen Materien bereithält, könnten bundesgesetzliche Maßnahmen, die auf dem Gebiet der Sozialversicherung zur Wahrung der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gemäß Art. 72 Abs. 2 GG regelmäßig erforderlich sein dürften (vgl. oben C I 2), vom Gesetzgeber kaum noch wirkungsvoll realisiert werden. Faktisch käme dies einem (finanz-)verfassungsrechtlichen Bestandsschutz für das überkommene gegliederte System der gesetzlichen Krankenversicherung gleich. Für die Existenz eines derartigen Bestandsschutzes geben Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes jedoch keinen Anhaltspunkt. Der bereits vom vorkonstitutionellen Gesetzgeber aus Gründen der Zweckmäßigkeit getroffenen Entscheidung für ein gegliedertes Krankenversicherungssystem mit seinen Vor- und Nachteilen (vgl. BVerfGE 89, 365 <377>) wohnt kein tiefergehender Gerechtigkeitsgehalt inne, der es nahe legen könnte, der Verfassungsgeber habe der einfach-rechtlichen Systementscheidung besonderen Schutz zukommen lassen wollen.
3. Die von der Verfassung mit den Vorschriften des X. Abschnitts verfolgten Zwecke machen es weder erforderlich noch lassen sie es angezeigt erscheinen, die Erhebung, Verwaltung und Verteilung von Sozialversicherungsbeiträgen dem Regelungsregime der Art. 104a ff. GG zu unterwerfen. Dies folgt aus der Zusammenschau des besonderen rechtlichen Charakters des Sozialversicherungsbeitrags (a) mit den von den Vorschriften des X. Abschnitts des Grundgesetzes verfolgten Zielen (b).
a) Sozialversicherungsbeiträge zeichnen sich durch eine strenge grundrechtlich und kompetenzrechtlich begründete Zweckbindung aus. Die unter Eingriff in das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit zustande gekommene Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung vermag die Auferlegung nur solcher Geldleistungspflichten zu rechtfertigen, die ihren Grund und ihre Grenze in den Aufgaben der Sozialversicherung finden. Die Kompentenzvorschrift des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG lässt nur solche Finanzierungsregelungen zu, die einen sachlich-gegenständlichen Bezug zur Sozialversicherung aufweisen. Die erhobenen Geldmittel dürfen daher allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden. Zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner Glieder stehen sie nicht zur Verfügung (vgl. BVerfGE 75, 108 <148>). Dementsprechend sieht das Sozialgesetzbuch V ausdrücklich vor, dass die Beiträge der Versicherten der Finanzierung der Leistungen und sonstigen Ausgaben der Krankenkassen dienen (vgl. § 3 SGB V). Die Beiträge sind gemäß § 220 Abs. 1 SGB V so zu bemessen, dass sie die vorgesehenen Ausgaben decken. Zu hohe Beiträge sind zwingend zu verringern, zu niedrige zu erhöhen (vgl. § 220 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 SGB V).
b) In der bundesstaatlichen Perspektive tragen die Regelungen des X. Abschnitts des Grundgesetzes Sorge dafür, dass Bund und Länder durch eine sachgerechte Verteilung des Finanzaufkommens im Bundesstaat finanziell in die Lage versetzt werden, die ihnen verfassungsrechtlich zukommenden Aufgaben eigenverantwortlich und eigenständig wahrzunehmen. Sinn und Zweck der finanzverfassungsrechtlichen Normen ist nicht allein, eine geordnete öffentliche Finanzwirtschaft der verschiedenen staatlichen Aufgabenträger zu ermöglichen, sondern ebenso, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden und sich in der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung und der Haushaltswirtschaft entfalten kann.
Die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern stützt sich auf eine Aufgabenzuweisung und eine ihr entsprechende Finanzausstattung, die im Rahmen des gesamtstaatlich Möglichen eine sachgerechte Aufgabenerfüllung erlaubt. Im Hinblick auf die mit dieser Aufgabenverteilung verknüpfte Ausgabenbelastung, die in Art. 104a Abs. 1 bis 3 und Abs. 5 GG geregelt ist, soll im Rahmen der vorhandenen Finanzmasse Bund und Ländern eine angemessene Finanzausstattung verschafft werden. Davon ausgehend normiert das Grundgesetz die Verteilung des Finanzaufkommens in verschiedenen aufeinander aufbauenden und aufeinander bezogenen Stufen (vgl. BVerfGE 72, 330 <383>; 86, 148 <213 f., 264>). Dem Normzweck entsprechend gehören zu der verteilbaren Finanzmasse nicht nur Steuern, sondern grundsätzlich alle Finanzmittel, die ein Land oder den Bund zu haushaltspolitischen Gestaltungen befähigen, die also den haushaltswirtschaftlichen Gestaltungsraum erweitern und so der staatlichen Eigenständigkeit finanzwirtschaftliche Substanz verleihen (vgl. BVerfGE 101, 158 <222 f.>).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Sozialversicherungsbeiträge wegen ihrer strengen Zweckbindung weder den Bund oder die Länder noch sonstige staatliche Aufgabenträger zu eigenverantwortlichen finanziellen Entscheidungen befähigen sollen. Sie eröffnen keine haushaltspolitischen Entscheidungsspielräume. Staatliche Selbständigkeit in Fragen der Finanzwirtschaft vermittelt die Ertragshoheit für Sozialversicherungsbeiträge deren Gläubigern nicht. Für Bund und Länder handelt es sich um Fremdgelder, die der eigenen Haushaltsgewalt entzogen sind. Auch die einzelne Krankenkasse kann über die von ihr vereinnahmten Sozialversicherungsbeiträge nicht "frei" verfügen und beliebiger Verwendung zuführen. Ein Transfer von Sozialversicherungsbeiträgen zwischen einer Krankenkasse und der unmittelbaren Staatsverwaltung kommt ohnehin nicht in Betracht. Der grundrechtlich gebundene Sozialversicherungsbeitrag ist damit als indisponible Finanzmasse generell kein tauglicher Gegenstand finanzverfassungsrechtlicher Verteilungsmechanismen. Da die Finanzmasse der Sozialversicherung tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt ist und ein Einsatz von Sozialversicherungsbeiträgen zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats unzulässig ist, sind über die Vorgaben des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG hinausreichende Begrenzungen aus Kompetenzgründen nicht angezeigt (vgl. BVerfGE 75, 108 <148>).
4. Schließlich deutet die historische Interpretation des Grundgesetzes darauf hin, dass die Einbeziehung der Sozialversicherungsträger und ihrer Beitragseinnahmen in das allgemeine bundesstaatliche System von Aufgaben-, Ausgaben- und Steuereinnahmenverteilung (Art. 104a Abs. 1 und Art. 105 ff. GG) vom verfassungsändernden Gesetzgeber nicht gewollt war. Nachdem das Bundesverfassungsgericht Finanzausgleichsverfahren zwischen Sozialversicherungsträgern bereits als grundsätzlich verfassungskonform und - inzident - als finanzverfassungsrechtlich unbedenklich erachtet hatte (zur Unfallversicherung BVerfGE 23, 12; 36, 383), hätte es für den Verfassungsgeber mehr als nahe gelegen, einem etwa entgegenstehenden Willen deutlich Ausdruck zu verleihen und bei Gelegenheit der umfassend und grundsätzlich angelegten Reform der bundesstaatlichen Finanzverfassung im Jahr 1969 (Einundzwanzigstes Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
5. Der Risikostrukturausgleich verstößt auch nicht speziell gegen Art. 104a Abs. 1 GG. Der Grundsatz gesonderter Ausgabentragung wird nicht verletzt, wenn der Bundesgesetzgeber mit den Vorschriften über den Risikostrukturausgleich eine landesunmittelbare Krankenkasse zwingt, Zahlungen zugunsten einer Krankenkasse eines anderen Landes zu leisten oder wenn er "seine" bundesunmittelbaren Krankenkassen als Zuwendungsgeber oder Zuwendungsempfänger von landesunmittelbaren Krankenkassen auftreten lässt. Trotz der Zuordnung zur mittelbaren Staatsverwaltung können die Krankenkassen und die von ihnen verwalteten Beitragsmittel finanzverfassungsrechtlich nicht als Teil eines Landes und als Teil der Landeshaushalte betrachtet werden.
Das Grundgesetz bietet für die Sozialversicherung ein in sich geschlossenes und spezielles kompetenzrechtliches Normkonzept. Nach Art. 104a Abs. 1 GG gilt der Grundsatz gesonderter Lastentragung nur, "soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt". Eine andere Bestimmung für die Sozialversicherung trifft Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG. Es entspricht allgemeiner, durch die Entstehungsgeschichte der Norm (vgl. Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung
III.
Nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG trägt der Bund die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung. Die Regelungen des Risikostrukturausgleichs verletzen diese Vorschrift nicht. Die Krankenkassen als Träger der Sozialversicherung stehen außerhalb des finanzwirtschaftlichen Verhältnisses von Bund und Ländern, das durch Art. 120 GG allein erfasst wird (vgl. BVerfGE 14, 221 <236>). Die Krankenkassen können sich als die Adressaten der §§ 266, 267 SGB V nicht auf Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG berufen, weil diese Vorschrift in ihrer Beschränkung auf das Bund-Länder-Verhältnis im engeren Sinne keine Aussagen über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit gesetzlicher Finanzausgleichsregelungen im Binnenbereich eines Sozialversicherungszweigs trifft. Bund und Länder wiederum können sich zwar auf Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG berufen, doch sind sie nicht Adressaten der gesetzlichen Regelungen des Risikostrukturausgleichs. Der Risikostrukturausgleich lässt die Staatshaushalte von Bund und Ländern unberührt.
1. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG begründet als Kompetenznorm weder Ansprüche bestimmter Rechtsträger auf Zuschusszahlungen noch Pflichten des Bundes zur Zuschussgewährung an einzelne Sozialversicherungsträger. Das Grundgesetz will mit der Zuweisung der alleinigen Finanzierungsverantwortung an den Bund lediglich sicherstellen, dass die Länder von Sozialversicherungslasten verschont werden. Dem Bund ist es daher verboten, die Länder unter Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) zu verpflichten, Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung aus den jeweiligen Landeshaushalten zu leisten.
Die von Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG angeordnete Verteilung der Ausgabenkompetenz gilt allein im Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Die rechtlichen Beziehungen zu anderen Rechtsträgern werden von der Vorschrift nicht berührt. Insbesondere verbietet sie es dem Bund nicht, den Sozialversicherungsträgern Lasten aufzubürden.
a) Bereits der Wortlaut des Art. 120 GG deutet darauf hin, dass eine finanzverfassungsrechtliche Regelung für das Bund-Länder-Verhältnis im engeren Sinne getroffen werden soll. Denn Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG trifft für Bund und Länder eine Regelung in Bezug auf einen Dritten, nämlich die Sozialversicherung und ihre Träger (vgl. Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 120, Rn. 23). Auch der Text der Regelung über die Verteilung der Kriegsfolgelasten (Art. 120 Abs. 1 Sätze 1, 2, 3 und 5 GG) mit der ausdrücklichen Nennung aller gebietskörperschaftlichen Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände, Aufgabenträger, die Aufgaben von Ländern oder Gemeinden erfüllen) lässt den Schluss zu, dass die Sozialversicherungsträger nicht zum Adressatenkreis der Vorschrift gehören.
b) Entstehungsgeschichte und systematische Stellung des Art. 120 GG legen nachdrücklich ein enges Verständnis der Begriffe Bund und Länder im Sinne von Gebietskörperschaften unter Ausschluss der rechtlich selbständigen Sozialversicherungsträger nahe.
Der Grundgedanke des späteren Art. 120 GG war schon im Verfassungsentwurf des Herrenchiemseer Verfassungskonvents enthalten. Der Konvent näherte sich der Frage, wie die Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern zu verteilen sind, in der gleichen Weise wie die heute geltende Regelung des Grundgesetzes (vgl. Art. 104a Abs. 1 GG). Es sollte zunächst Klarheit darüber gewonnen werden, welche Aufgaben der Bund überhaupt zu finanzieren hatte, um anschließend sach- und bedarfsgerecht entscheiden zu können, welche Finanzmittel ihm hierzu zur Verfügung gestellt werden mussten. Im Konvent wie später auch im Parlamentarischen Rat herrschte Einigkeit, dass der Bund drei große Ausgabenblöcke übernehmen sollte: Kosten der Bundesverwaltung, Kriegsfolgelasten und Sozialversicherungslasten. Diese Vorstellung schlug sich in der Formulierung des Art. 121 des Herrenchiemseer Verfassungsentwurfs (HChE) nieder (vgl. Vogel/Waldhoff, a.a.O., Rn. 187; Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. bis 23. August 1948, S. 53 und 80).
Bei diesem Art. 121 handelte es sich um die Anfangsbestimmung des XI. Abschnitts Finanzwesen, dem dann Vorschriften zur Steuerverteilung folgten (Art. 121-127 HChE, Bericht über den Verfassungskonvent, a.a.O., S. 80 f.). Die Parallele zur heutigen Rechtssystematik ist unverkennbar. Die ersten Grundgesetzentwürfe des Parlamentarischen Rates behielten dieses Grundschema unverändert bei (vgl. Grundgesetz
Dieser enge Zusammenhang zwischen den steuerlichen Vorschriften der Art. 105 ff. GG in der Fassung vom 23. Mai 1949 und der Ausgabenkompetenz des Bundes in Art. 120 GG in der Fassung vom 23. Mai 1949 (BGBl I S. 1 <14 ff.>) spricht dafür, dass mit "Bund" in Art. 120 Abs. 1 GG nur diejenige juristische Person gemeint ist, der von Art. 105 ff. GG die Steuergesetzgebungskompetenz, die Steuerertragshoheit und die Steuerverwaltungskompetenz verliehen werden. Die steuerberechtigte Gebietskörperschaft "Bund" erhält Geldmittel, die sie dann ihrerseits an einen "Dritten", nämlich die Sozialversicherungsträger, per Zuschuss weitergeben kann. Die Steuer- und sonstigen Einnahmen des Bundes (im engeren Sinne) bilden also die Finanzmasse, die zur Verfügung steht, "soweit die Sozialversicherungsträger Mittel des öffentlichen Haushalts in Anspruch nehmen müssen". Mit dieser Formulierung des Herrenchiemseer Verfassungsentwurfs (Art. 121 Abs. 1 Nr. 3 HChE, Bericht über den Verfassungskonvent, a.a.O., S. 80) wird deutlich: Bund und Sozialversicherungsträger sind nicht eins, sondern stehen einander als selbständige Rechtssubjekte gegenüber.
Im entstehungsgeschichtlichen und systematischen Zusammenhang mit der Nachbarregelung der Kriegsfolgelasten zeigt sich, dass der Verfassungsgeber den Anwendungsbereich des Art. 120 GG auf das Bund-Länder-Verhältnis im engeren Sinne beschränkt wissen wollte. Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass dem Bundesgesetzgeber nicht die Befugnis zur Legaldefinition der Kriegsfolgelasten zustehe (vgl. BVerfGE 9, 305), nahmen Bund und Länder Verhandlungen mit dem Ergebnis auf, dass Art. 120 Abs. 1 GG durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 30. Juli 1965 (BGBl I S. 649) seine heute geltende Fassung erhielt. Damit sollte im Wesentlichen der bisher praktizierten Lastenverteilung eine stabile verfassungsrechtliche Grundlage gegeben werden (Gesetzesbegründung, BTDrucks IV/2524, S. 6 ff.). Vor allem sollte der Bund davor geschützt werden, die in der Vergangenheit von Ländern und Kommunen getragenen "alten" Kriegsfolgeaufwendungen nunmehr übernehmen oder diese erstatten zu müssen.
Aus den Materialien des Verfahrens zur Änderung des Grundgesetzes geht deutlich hervor, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber Art. 120 GG als eine allein das Bund-Länder-Verhältnis im engeren Sinne unter Ausschluss insbesondere der Sozialversicherungsträger betreffende Regelung erachtete. So hatte der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im Rahmen der Beratungen die in Art. 120 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Formulierung Bund und Länder "im Verhältnis zueinander" vorgeschlagen, "weil sie eindeutig ausdrücke, dass lediglich die Lastenverteilung im Verhältnis des Bundes und der Länder und nicht das Verhältnis des Bundes zu Dritten gemeint sei" (Protokoll der 172. Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 8. Juni 1961, Nr. 172/11; vgl. Protokoll der 155. Sitzung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 15. Juni 1961, Nr. 155/3 ff.; vgl. auch Niederschrift über die 277. Sitzung des Rechtsausschusses des Bundesrates am 16. Juni 1964 - R 0055 - Nr. R 68/64 -, S. 14 <17>). Hinzu kommt, dass mitten in die langjährigen Gesetzesberatungen das einschlägige Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 1962 fiel, in dem das Gericht ausdrücklich feststellte, dass Art. 120 Abs. 1 GG ausschließlich das finanzwirtschaftliche Verhältnis von Bund und Ländern unter Ausschluss der Sozialversicherungsträger erfasse, die Vorschrift also der Überbürdung von Kriegsfolgelasten auf die Sozialversicherungsträger nicht entgegenstehe (vgl. BVerfGE 14, 221 <236 f.>). Diese Entscheidung beseitigte die seinerzeit noch bestehende Unklarheit darüber, ob Art. 120 GG auch im Verhältnis des Bundes zu den Sozialversicherungsträgern wirke. Hinweise darauf, dass der verfassungsändernde Gesetzgeber von dieser bundesverfassungsgerichtlichen Interpretation des Art. 120 Abs. 1 GG hätte abrücken wollen, gibt es nicht.
2. Als ausschließlich die finanzwirtschaftlichen Beziehungen des Bundes zu den Ländern regelnde Kompetenzvorschrift steht Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG dem Risikostrukturausgleich nicht entgegen.
a) Gemäß § 266 SGB V ausgleichsverpflichtete Krankenkassen können sich nicht auf Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG berufen. Sie haben insbesondere keinen verfassungsrechtlichen Anspruch gegen den Bund, sie durch Gewährung von Bundeszuschüssen zugunsten finanzschwacher Krankenkassen von eigenen Ausgleichspflichten freizustellen.
Art. 120 Abs. 1 GG ist keine Anspruchsnorm. Der Sinn der Vorschrift erschöpft sich darin, eine bundesstaatliche Regelung über die finanziellen Verhältnisse von Bund und Ländern zu treffen und damit eine reine Kompetenzfrage zu entscheiden. Ansprüche auf Zuschüsse können nicht aus Art. 120 GG, sondern nur aus den Gesetzen über die Sozialversicherung hergeleitet werden (vgl. BVerfGE 14, 221 <233 ff.>).
Die Vorschrift regelt damit nur, dass, wenn Zuschüsse geleistet werden, diese letztlich allein vom Bund aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren sind. Art. 120 Abs. 1 GG will damit sicherstellen, dass die Länder als Gebietskörperschaften von Kriegsfolge- und Sozialversicherungslasten verschont werden. Er will aber nicht verhindern, dass andere Rechtsträger, insbesondere Sozialversicherungsträger, belastet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat daher ausdrücklich festgestellt, dass es dem Bund nicht verboten ist, den Sozialversicherungsträgern Kriegsfolgelasten aufzubürden (vgl. BVerfGE 14, 221 <237>). Erst recht muss es dem Bund dann aber erlaubt sein, die Lasten der Sozialversicherung - auch auf der Grundlage eines Finanzausgleichs - deren Trägern zuzuweisen.
Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG will dem Bund im Übrigen nicht die Gestaltungsmöglichkeiten nehmen, wie er auf finanzielle Entwicklungen in der Sozialversicherung, in einzelnen Sozialversicherungszweigen oder bei einzelnen Sozialversicherungsträgern reagiert. So kann der Bund unter Inanspruchnahme seiner Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG unterschiedlichste Maßnahmen (etwa Leistungskürzungen, Versichertenzuzahlungen, Erweiterung der Versicherungspflicht, Staatszuschüsse) ergreifen, um die finanziellen Verhältnisse der Sozialversicherung zu regeln.
b) Die sich aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ergebende Stellung der Länder hat der Bund mit der Einführung des Risikostrukturausgleichs nicht verletzt. Die gesetzlichen Grundlagen des Risikostrukturausgleichs begründen weder direkt noch indirekt eine Pflicht der Länder, Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung zu leisten.
§§ 266, 267 SGB V sehen aus den Staatshaushalten des Bundes oder der Länder zu erbringende Zahlungen nicht vor. Auch dann, wenn einzelne landesunmittelbare Krankenkassen aufgrund von Ausgleichspflichten im Risikostrukturausgleich in finanzielle Schwierigkeiten geraten sollten, wird hiervon der finanzverfassungsrechtliche Status eines Landes nicht berührt. Das Krankenversicherungsrecht sieht eine finanzielle Einstandspflicht des Landes für eine "notleidende" Krankenkasse nicht vor. Ist die Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse nicht mehr auf Dauer gesichert, dann ist sie von der Aufsichtsbehörde zu schließen. Nicht gedeckte Schulden sind in letzter Konsequenz vom Landes- oder vom Bundesverband der Kasse zu übernehmen (vgl. §§ 146a, 155, 164 SGB V). Eine Art Garantiehaftung für die Sozialversicherung oder deren einzelne Träger wird zu Recht nicht für die Länder, sondern - wegen der eindeutigen Zuordnung der Ausgabenkompetenz in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG - allenfalls für den Bund diskutiert (hierzu und zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Muckel, a.a.O., Rn. 39 ff.).
IV.
Im Verhältnis zu den nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Steuerpflichtigen werden - entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen - die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nicht in Gleichheitsgrundrechten verletzt. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG enthält kein spezielles verfassungsrechtliches Differenzierungsverbot, das vom Gesetzgeber bei der Einführung des Risikostrukturausgleichs zu beachten gewesen wäre (1.). Nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben (2.) sind die gesetzlichen Regelungen des Risikostrukturausgleichs mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar. Die von §§ 266, 267 SGB V ausgehenden Ungleichbehandlungen (3.) sind sachlich gerechtfertigt (4.).
1. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG enthält kein spezielles verfassungsrechtliches Differenzierungsverbot, das die ungleiche Behandlung der Mitglieder ausgleichsverpflichteter Krankenkassen einerseits und der Gesamtheit der Steuerzahler andererseits verbieten würde. §§ 266, 267 SGB V bewirken, dass bestimmte Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung, nämlich die Mitglieder ausgleichsverpflichteter Krankenkassen, zu den Lasten von Krankenkassen mit ungünstiger Risikostruktur herangezogen werden. Dagegen wird die Gesamtheit der Steuerpflichtigen im Bundesgebiet nicht belastet. Aus Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG folgt jedoch keine gleichheitsrechtliche Verpflichtung des Bundes, bei finanziellen Schwierigkeiten in der Sozialversicherung auf ein Finanzausgleichsverfahren zwischen deren Trägern zugunsten der Gewährung steuerfinanzierter Zuschusszahlungen an einzelne Träger zu verzichten.
Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ist eine reine Zuständigkeitsvorschrift ohne Anspruchscharakter (vgl. oben C III 1, 2 b). Eine grundrechtliche Ausdeutung verbietet sich nach dem Wortlaut der Regelung, der, anders als etwa Art. 3 Abs. 2 und 3 GG oder Art. 6 Abs. 5 GG, keinen Anhaltspunkt für ein verfassungsrechtliches Differenzierungsverbot liefert. Auch nach seinem systematischen Standort im Grundgesetz stellt Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG keine grundrechtliche Bestimmung dar, sondern eine staatsorganisatorische Regelung. Auch der Wortlaut des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG spricht nicht von Lasten einzelner Sozialversicherungsträger, sondern von den Lasten der Sozialversicherung.
Schließlich macht es auch der Gesetzeszweck nicht erforderlich, Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG als verfassungsrechtliches Differenzierungsverbot aufzufassen. Mit der Zuweisung der Ausgabenkompetenz an den Bund will die Verfassung eine gleichmäßige Belastung der gesamten Bevölkerung des Bundesgebietes mit Kriegsfolge- und Sozialversicherungslasten erreichen (vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 7. Aufl. 2004, Art. 120, Rn. 1; Schaefer, in: v.Münch/Kunig, GG, 5. Aufl. 2003, Art. 120, Rn. 2). Trotz des auf Belastungsgleichheit ausgerichteten Gesetzeszwecks gebietet es Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG nicht, die Lasten einzelner risikostrukturschwacher Krankenkassen von den Steuerzahlern im Wege der Gewährung von Bundeszuschüssen tragen zu lassen. Denn die Norm will nicht Ungleichbehandlungen zwischen den beitragspflichtigen Mitgliedern der Sozialversicherungsträger und den Steuerzahlern verbieten. Sie will allein erreichen, dass, ohne eine Rechtspflicht des Bundes zur Zuschussleistung zu begründen, eventuelle Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten zu den Lasten der Sozialversicherung nicht von den Steuerzahlern eines einzelnen Landes oder einzelner Länder allein getragen werden müssen, sondern gleichmäßig von allen Steuerzahlern im Bundesgebiet.
2. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; 98, 365 <385>; stRspr). Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfGE 88, 5 <12>; 88, 87 <96>; 101, 54 <101>; 107, 27 <45>). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, "wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt" (vgl. BVerfGE 1, 14 <52>; stRspr; vgl. etwa BVerfGE 89, 132 <141>). Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (stRspr; vgl. BVerfGE 55, 72 <88>; 93, 386 <397>; 110, 412 <432>). Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen (stRspr; vgl. BVerfGE 75, 108 <157>; 93, 319 <348 f.>; 110, 412 <432> m.w.N.).
Für den Bereich des Sozialversicherungs-, insbesondere des Krankenversicherungsrechts betont das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung einerseits die hohe Bedeutung der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung für das gemeine Wohl, andererseits die diesbezüglich gegebene weitgehende sozialpolitische Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers.
Das Sozialversicherungsrecht ist eines der wichtigsten Instrumente staatlicher Sozialpolitik. Der Schutz in Fällen von Krankheit ist in der sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine der Grundaufgaben des Staates. Ihr ist der Gesetzgeber nachgekommen, indem er durch Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung Sorge getragen hat (vgl. BVerfGE 68, 193 <209>).
Im Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Freiheit des Einzelnen und den Anforderungen einer sozialstaatlichen Ordnung hat der Gesetzgeber eine weite Gestaltungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind (vgl. BVerfGE 44, 70 <89 f.>; 89, 365 <376>; 103, 172 <185>).
3. Mit dem Risikostrukturausgleich behandelt der Gesetzgeber die Gruppe der Steuerpflichtigen anders als die Gruppe der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Denn die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung haben über ihre allgemeine Steuerpflicht hinaus Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten, die unter anderem der Finanzierung der von Krankenkassen mit ungünstiger Risikostruktur ausgehenden Lasten dienen. In dieser Vergleichsperspektive ist bei der verfassungsrechtlichen Würdigung zwischen solchen Belastungswirkungen zu unterscheiden, die auf Grundentscheidungen des Sozialgesetzgebers beruhen, an die der Risikostrukturausgleich lediglich anknüpft (a), und Rechtsfolgen, die unmittelbar auf die zur Überprüfung gestellten Vorschriften der §§ 266, 267 SGB V zurückgeführt werden können (b). Die jeweiligen Differenzierungen sind in beiden Fallgruppen von sachlichen Gründen getragen und damit verfassungsrechtlich legitimiert (4. a
und b).
a) Im Verhältnis der steuerpflichtigen, aber zusätzlich beitragspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zur Gruppe der Steuerpflichtigen werden die wesentlichen Ungleichbehandlungen nicht durch die Regelungen des Risikostrukturausgleichs herbeigeführt, sondern durch die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung (§§ 5 ff. SGB V) sowie durch die Regelungen über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Erhebung einkommensbezogener, dem sozialen Ausgleich und der Umverteilung dienender Beiträge. Personen, die dem Versicherungszwang nicht unterliegen, können in Ausübung ihres Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit selbst entscheiden, ob und inwieweit sie sich gegen das Risiko der Krankheit absichern wollen. Dagegen wird solchen Personen, die dem Versicherungszwang unterliegen, unter Eingriff in das besagte Grundrecht die Möglichkeit zur Eigenvorsorge weitgehend genommen. In der weiteren Folge bewirken die gesetzlichen Finanzierungsvorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, dass die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung über ihre Steuerpflicht hinaus Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten haben, die nicht allein der Absicherung ihres eigenen Krankheitsrisikos, sondern zugleich auch dem sozialen Ausgleich und der Umverteilung dienen.
Danach haben also insbesondere Beitragspflichtige mit hohen beitragspflichtigen Einnahmen und niedrigem Krankheitsrisiko (gute Risiken) Solidarlasten zu tragen, gleich leistungsfähige Steuerpflichtige, die nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind, aber nicht. Während jene für die von anderen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere solchen mit niedrigen beitragspflichtigen Einnahmen und hohem Krankheitsrisiko (schlechte Risiken), verursachten finanziellen Lasten mit aufkommen müssen, werden diese vollkommen verschont. Denn die Steuerpflichtigen haben mangels Versicherungspflicht keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten und müssen sich auch nicht indirekt an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung im Allgemeinen, einzelner Krankenkassen im Besonderen, beteiligen. Zuschüsse aus Steuermitteln auf der Basis des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG werden nach geltendem Recht in der allgemeinen Krankenversicherung nicht gewährt (vgl. F. Kirchhof, in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1 Krankenversicherungsrecht, 1994, § 53, Rn. 39 f.).
b) Der Risikostrukturausgleich knüpft an die Grundentscheidungen des Sozialgesetzgebers zur Abgrenzung des Mitgliederkreises und zur Beitragsfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung an. Er gestaltet nur die mit diesen Grundentscheidungen einhergehenden Ungleichbehandlungen dadurch gleichmäßiger aus, dass die einfach-rechtlich auf die einzelne Krankenkasse beschränkte Verwendung der von den Mitgliedern dieser Kasse aufgebrachten Sozialversicherungsbeiträge entfällt und der sich zunächst nur innerhalb der einzelnen Kasse vollziehende Solidarausgleich kassenübergreifend bundesweit durchgeführt wird. Gute Risiken müssen demnach nicht allein für schlechte Risiken derselben Krankenkasse, sondern auch für die anderer Kassen einstehen. Der Risikostrukturausgleich modifiziert damit das klassische Sozialversicherungskonzept nicht inhaltlich, sondern erweitert es lediglich. Der Solidarausgleich wird, wie die Ausgleichsfaktoren Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, Alter, Geschlecht, Anzahl der Familienversicherten zeigen, nicht nur innerhalb einer Krankenkasse, sondern kassenübergreifend durchgeführt. Der Risikostrukturausgleich ist damit das organisatorische Pendant des interpersonalen Sozialausgleichs zwischen den Versicherten (vgl. Kingreen, Das Sozialstaatsprinzip im europäischen Verfassungsverbund, 2003, S. 272).
Auch in der Ost-West-Perspektive verstärkt der gesamtdeutsche Risikostrukturausgleich allenfalls Ungleichbehandlungen, die in Grundentscheidungen des Sozialgesetzgebers bereits angelegt sind. Denn die bundesweit einheitlich geltenden Vorschriften über den versicherten Personenkreis (§§ 5 ff. SGB V) und die Beitragsfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung bewirken die Einbeziehung der ostdeutschen Versicherten in den Solidarverband, die Finanzierung ihrer Leistungsausgaben durch die Solidargemeinschaft und damit die finanzielle Verschonung der Steuerpflichtigen. Der Risikostrukturausgleich verdeutlicht durch seine bundesweite und kassenübergreifende Geltung lediglich, dass die Finanzmittel, die im Rahmen des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs an risikostrukturschwache Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in den neuen Ländern transferiert werden, allein von Beitragspflichtigen und nicht von der Gesamtheit der Steuerpflichtigen aufgebracht werden müssen.
4. a) Soweit der Sozialgesetzgeber mit seinen Grundentscheidungen zur Errichtung, Aufrechterhaltung und Beitragsfinanzierung eines auf sozialen Ausgleich und Umverteilung angelegten Krankenversicherungssystems sowie zur Festlegung des versicherten Personenkreises zwischen den in das System einbezogenen und den nicht einbezogenen Personen differenziert, ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es ein legitimes Konzept des zur sozialpolitischen Gestaltung berufenen Gesetzgebers, die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung als ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut durch Errichtung eines sozialen Krankenversicherungssystems sicherzustellen und die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel auf der Grundlage einer Pflichtversicherung von den Versicherten durch Erhebung von auf sozialen Ausgleich angelegten, einkommensbezogenen und damit nicht risikoäquivalenten Beiträgen selbst aufbringen zu lassen (vgl. BVerfGE 44, 70 <89>; 103, 172 <184 f.>; 103, 197 <221>). Der Verfassungsgeber fand ein überkommenes mehrgliedriges Sozialversicherungssystem vor, für das die auf Umverteilung und sozialen Ausgleich angelegte einkommensbezogene Beitragsfinanzierung ein typisches Strukturmerkmal war (vgl. BVerfGE 63, 1 <35>; 75, 108 <146 ff., 157>). Das Bundesverfassungsgericht hat daher die Neuerrichtung, die Existenz oder die Erweiterung von beitragsfinanzierten, auf dem Gedanken des sozialen Ausgleichs und der Umverteilung beruhenden Pflichtversicherungen jeweils gebilligt (vgl. BVerfGE 29, 221 <235 ff.>; 44, 70 <89 f.>; 76, 256 <300 ff.>; 79, 223 <236 f.>; 103, 172 <184 f.>; 103, 197 <221>). Da sich dem Grundgesetz eine Garantie des bestehenden Sozialversicherungssystems oder doch seiner tragenden Organisationsprinzipien nicht entnehmen lässt (vgl. BVerfGE 39, 302 <314>; 89, 365 <377>), bleibt es dem Gesetzgeber andererseits unbenommen, Krankenversicherungsschutz auf andere Weise zu gewährleisten, diesen insbesondere auf andere Weise zu finanzieren. Die Verfassung enthält keine Bestimmung, wonach es geboten oder verboten wäre, die gesetzliche Sozialversicherung teilweise aus Steuermitteln zu finanzieren (vgl. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG).
Was die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen betrifft, so verlangt der Gleichheitssatz einen sachlich einleuchtenden Grund dafür, dass ein Privater, der nicht zugleich Versicherter ist, im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus zu einer fremdnützigen Abgabe, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt, herangezogen wird. Während jeder Bürger ohne weiteres der Steuergewalt unterworfen ist, bedürfen weitere, auf Ausgleich und Umverteilung angelegte Abgabebelastungen im Hinblick auf die Belastungsgleichheit einer besonderen Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 75, 108 <157 ff.>, und bereits zuvor 11, 105 <115>).
Keiner besonderen Rechtfertigung bedarf die Beitragsbelastung jedoch dann, wenn ein zulässig Versicherter über seine Steuerpflicht hinaus lediglich zu solchen Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, die der Finanzierung des gerade auch diesem Versicherten zugute kommenden Versicherungsschutzes dienen. Ein in diesem Sinne eigennütziger Sozialversicherungsbeitrag wird nicht dadurch fremdnützig, dass der Beitrag zugleich dem sozialen Ausgleich und der Umverteilung zugunsten anderer zulässig Versicherter dient. Denn eine solche Verwendung des Krankenversicherungsbeitrags entspricht dem klassischen, vom Verfassungsgeber grundsätzlich gebilligten Konzept einer Sozialversicherung (vgl. BVerfGE 76, 256 <300 ff.>; 79, 223 <236 f.>).
Bezüglich der von der gesetzlichen Abgrenzung des Mitgliederkreises der Versicherung ausgehenden Ungleichbehandlung zwischen den einbezogenen und den nicht einbezogenen Personengruppen hat das Bundesverfassungsgericht den weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont. Es liegt grundsätzlich in dessen Gestaltungsfreiheit, den Mitgliederkreis der gesetzlichen Krankenversicherung einerseits danach abzugrenzen, welcher Personenkreis zur Bildung einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist, und andererseits danach, welche Personen deren Schutz benötigen. Die Stabilität des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung ist dabei kein Selbstzweck. Die gesetzliche Krankenversicherung dient der Absicherung der als sozial schutzbedürftig angesehenen Versicherten vor den finanziellen Risiken einer Erkrankung. Dabei findet ein umfassender sozialer Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken, Jungen und Alten, Versicherten mit niedrigem Einkommen und solchen mit höherem Einkommen sowie zwischen Alleinstehenden und Personen mit unterhaltsberechtigten Familienangehörigen statt. Da die zur Finanzierung eines solchen sozialen Ausgleichs erforderlichen Mittel ersichtlich nicht allein von den typischerweise Begünstigten des Ausgleichs aufgebracht werden können, kann der Gesetzgeber den Mitgliederkreis von Pflichtversicherungen so abgrenzen, wie es für die Begründung und den Erhalt einer leistungsfähigen Solidargemeinschaft erforderlich ist (vgl. BVerfGE 10, 354 <363 ff.>; 12, 319 <323 ff.>; 29, 221 <235 ff.>; 44, 70 <90>; 48, 227 <234>; 103, 197 <221 ff.>; 103, 271 <288>; vgl. auch BVerfGK 2, 283 <287 f.>).
Nach diesen Maßstäben bestehen an der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Legitimität der tragenden Säulen des geltenden Systems der gesetzlichen Krankenversicherung keine Zweifel.
Die alleinige Beitragsbelastung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung ist durch den Sachgrund der Vorteilsgewährung gerechtfertigt, weil nur sie, nicht aber die Steuerpflichtigen insgesamt eine Gegenleistung in Gestalt des Versicherungsschutzes erhalten.
Der soziale Ausgleich und dessen Finanzierung im Binnensystem der Sozialversicherung werden ebenfalls durch den Gesichtspunkt der Vorteilsgewährung legitimiert. Denn diejenigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung, die als gute Risiken aktuell den sozialen Ausgleich zu finanzieren haben, sind zugleich dessen potentiell Begünstigte, nicht aber die außerhalb des Systems stehenden Steuerpflichtigen. Davon abgesehen, dass sich wegen der auf Dauer angelegten Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung die auf den Augenblick bezogene Gegenüberstellung von Vorteil aus dem und Belastung durch den sozialen Ausgleich ohnehin verbietet, legitimiert schon die bloße Möglichkeit, jederzeit durch die Wechselfälle des Lebens aus der Rolle des Belasteten in die des Begünstigten des sozialen Ausgleichs gedrängt zu werden, die alleinige Belastung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und die Verschonung der Steuerpflichtigen (vgl. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 20; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 343 ff.).
Wegen der in verschiedenen Bestimmungen des Grundgesetzes zum Ausdruck gebrachten (vgl. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 87 Abs. 2, Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG) und entstehungsgeschichtlich belegten grundsätzlichen Anerkennung des klassischen Modells der Sozialversicherung durch das Grundgesetz verbietet es sich, die zwar privatversicherungsfremde, aber sozialversicherungsgemäße Belastung mit den finanziellen Folgen des sozialen Ausgleichs als Fremdlast, versicherungsfremde Leistung oder fremdnützige Beitragslast zu begreifen (vgl. Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Dezember 1999 – 1 BvR 679/98 -, NZS 2000, S. 394 f.). Nur wenn Nicht-Versicherte über ihre Steuerpflicht hinaus zu fremdnützigen, nämlich ihnen nicht selbst zugute kommenden Sozialversicherungsbeiträgen, herangezogen werden, bedarf diese Sonderbelastung besonderer gleichheitsrechtlicher Rechtfertigung (vgl. BVerfGE 75, 108 <157 ff.>).
Wer Solidarität zu üben hat, aber auch in Anspruch nehmen darf, legt der Gesetzgeber durch die Regelungen über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung (§§ 5 ff. SGB V) fest. Das Bundesverfassungsgericht hat die Zusammensetzung des Kreises der gegenwärtig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung verfassungsrechtlich nicht beanstandet; es hat die an den Prinzipien der Schutzbedürftigkeit des Einzelnen und der Leistungsfähigkeit der Solidargemeinschaft orientierten Entscheidungen des Gesetzgebers, neue Personengruppen einzubeziehen, jeweils im Wesentlichen als verfassungskonform gebilligt und lediglich spezielle Diskriminierungen bei der Ausgestaltung von Zugangs- und Befreiungsmöglichkeiten im Einzelfall beanstandet (vgl. BVerfGE 44, 70 <89 ff.>; 51, 257 <265>; 75, 108 <146 ff.>; 102, 68 <89 ff.>; BVerfGK 2, 283 <287 f.>). Weil die §§ 266, 267 SGB V mit Einzelproblemen, wie sie die Einbeziehung oder die Nichteinbeziehung einzelner Personengruppen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG aufwerfen, in keinem Zusammenhang stehen, besteht kein Anlass, im Normenkontrollverfahren zur Prüfung des Risikostrukturausgleichs die Verfassungsmäßigkeit der §§ 5 ff. SGB V in Bezug auf alle betroffenen gesellschaftlichen und beruflichen Gruppierungen anhand der in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Maßstäbe im Einzelnen festzustellen.
b) Soweit der kassenübergreifend (aa) und bundesweit (bb) wirkende Risikostrukturausgleich die Ungleichbehandlungen zwischen Beitragspflichtigen und Steuerpflichtigen fortführt, ist auch dies von sachlichen Gründen getragen und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Der soziale Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung wird vom Risikostrukturausgleich kassenübergreifend umgesetzt.
Das Grundgesetz lässt den kassenübergreifenden Solidarausgleich zu und fordert nicht, den verfassungsrechtlich legitimierten sozialen Ausgleich jeweils an den Grenzen der einzelnen Krankenkassen enden zu lassen. Denn die Untergliederung der gesetzlichen Krankenversicherung in Krankenkassen stellt eine einfach-rechtliche, primär politisch (vgl. Nipperdey/Säcker, Zur verfassungsrechtlichen Problematik von Finanzausgleich und Gemeinlast in der Sozialversicherung, 1969, S. 10, 22) und nicht rechtlich bestimmte Organisationsentscheidung des Gesetzgebers dar, der kein Verfassungsrang zukommt. Aus dem Grundgesetz folgt, was die Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung angeht, weder ein Änderungsverbot noch ein bestimmtes Gestaltungsgebot (vgl. BVerfGE 36, 383 <393>; 39, 302 <315>; 89, 365 <377>). Der einfache Gesetzgeber wäre daher von Verfassungs wegen nicht gehindert, alle Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zusammenzufassen und in einem Bundesamt für Krankenversicherung als bundesunmittelbare Körperschaft zu organisieren. Alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung wären dann Teil einer einzigen großen "Bundeskrankenkasse", in der sich das Solidarprinzip ungehindert umfassend entfalten würde. Der einfache Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen aber auch nicht gehindert, an der Untergliederung der gesetzlichen Krankenversicherung in Krankenkassen festzuhalten, diese aber im Rahmen eines Lastenausgleichsverfahrens finanziell zu einer Solidargemeinschaft zu verbinden. Die einfach-rechtliche Organisationsentscheidung für ein gegliedertes Krankenkassensystem ist für die verfassungsrechtliche Würdigung des Risikostrukturausgleichs daher nicht rechtserheblich.
Ein rechtfertigungsbedürftiger Systembruch ist entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerinnen in der vom Risikostrukturausgleich bewirkten partiellen Einschränkung der rechtlichen Selbständigkeit der Krankenkassen in finanzieller Hinsicht nicht zu erblicken. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesundheitsstrukturgesetz ersichtlich eine völlige Neukonzeption des Organisationsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung geschaffen, wobei Kassenwahlfreiheit und Risikostrukturausgleich die tragenden Säulen des neuen Systems darstellen. Verfassungsrechtlich war der Gesetzgeber nicht gehindert, diesen Richtungswechsel zu vollziehen. Denn für den Risikostrukturausgleich sprechen Sachgründe von erheblichem Gewicht (vgl. unten C V 2).
bb) Auch mit der Einführung des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs bewegte sich der Gesetzgeber in den Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Stützung der gesetzlichen Krankenversicherung Ost stellt keine vereinigungsbedingte allgemeine Staatsaufgabe dar, die verfassungsrechtlich zwingend aus Steuermitteln hätten finanziert werden müssen. Der Gesetzgeber hat den ihm zukommenden Spielraum bei der Beurteilung der Frage, welche Lasten als eigene Lasten der Solidargemeinschaft zu werten sind, nicht überschritten. Die Mitglieder der Westkassen werden insoweit nicht zu fremdnützigen Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen, und müssen auch keine allgemeine Staatsaufgabe finanzieren. Die Nicht-Belastung der Steuerpflichtigen ist damit sachlich legitimiert.
Belastungen, die mit der Durchführung des für die Sozialversicherung typischen sozialen Ausgleichs einhergehen, stellen keine Fremdlasten der Sozialversicherung dar, die besonderer verfassungsrechtlicher Legitimation bedürften (vgl. oben C IV 4 a). Mit der Aufhebung der Rechtskreistrennung hat der Gesetzgeber nichts anderes getan als eben diesem typischen Solidarausgleich eine uneingeschränkte bundesweite Geltung zu verschaffen. Der gesamtdeutsche Risikostrukturausgleich verwirklicht den Solidargedanken länderübergreifend und erstreckt ihn gleichmäßig auf alle Personen, die nach §§ 5 ff. SGB V in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind.
Für das vom Grundgesetz gebilligte System der gesetzlichen Krankenversicherung ist typisch und nicht wesensfremd, dass sich leistungsstärkere Mitglieder an den Kosten des Krankenversicherungsschutzes von leistungsschwächeren Mitgliedern ihrer größeren Leistungsfähigkeit entsprechend beteiligen. Derartige "Umverteilungen", wie sie der Risikostrukturausgleich im Verhältnis zu den Ostkassen vornimmt, sind daher keine Fremdlasten, die als allgemeine Staatsaufgabe von Verfassungs wegen zwingend aus dem Steueraufkommen finanziert werden müssten. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang, dass die im gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich transferierten Beträge ausschließlich ausgleichsberechtigten Krankenkassen zum Zwecke der Finanzierung von Krankenversicherungsleistungen und nicht etwa zur Finanzierung sonstiger staatlicher Aufgaben zur Verfügung gestellt werden.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb geboten, weil die Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung Ost mit der deutschen Einheit zusammenhängen. Ganz im Gegenteil sprechen die Gründe, die den zu sozialstaatlicher Gestaltung berufenen Gesetzgeber im Allgemeinen verfassungsrechtlich legitimieren, eine dem Solidargedanken verpflichtete Sozialversicherung zu errichten, im speziellen Fall der gesetzlichen Krankenversicherung Ost gerade dafür, die ostdeutschen Versicherten durch Aufhebung der Rechtskreistrennung voll in den Solidarverband der gesetzlichen Krankenversicherung zu integrieren. Denn die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung Ost erfüllen die Merkmale, die nach §§ 5 ff. SGB V die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung begründen. Sie bedürfen nach gesetzgeberischer Wertung also der solidarischen Absicherung ihres Krankheitsrisikos durch Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung. Sie sind des Schutzes der gesetzlichen Krankenversicherung sogar besonders bedürftig, wenn man bedenkt, dass ihre beitragspflichtigen Einnahmen signifikant unter dem Westniveau liegen. Mit der Verwirklichung eines in Ost und West gleich hohen Versicherungsniveaus zu Beiträgen, die für alle Mitglieder - der jeweiligen Leistungsfähigkeit entsprechend - tragbar sind, verwirklichte der Gesetzgeber den Gedanken der Sozialversicherung in Reinkultur. Denn ohne gesamtdeutschen Risikostrukturausgleich hätten die ostdeutschen Krankenkassen für ihre Mitglieder den westlichen Leistungsstandard nur zu höheren Beitragssätzen gewährleisten können.
Verfassungsrechtlich ist nicht erheblich, dass die ungünstigere Risikostruktur ostdeutscher Krankenkassen nicht zuletzt auch auf der deutschen Teilung beruht. Denn der Gesetzgeber macht auch im Übrigen die Einbeziehung von Personengruppen in die gesetzliche Krankenversicherung nicht von der Frage abhängig, wie es zur Schutzbedürftigkeit einer Personengruppe gekommen ist. Er knüpft allein an eine bestehende Schutzbedürftigkeit an, ohne nach deren Ursachen zu fragen. Die sachlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft und damit die personelle Zusammensetzung der Versichertengemeinschaft, innerhalb der sich der beitragsfinanzierte Solidarausgleich vollzieht, hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich legitimer Ausübung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages in §§ 5 ff. SGB V willkürfrei festgelegt. Nach §§ 5 ff. SGB V spielen weder der Wohnort in Ost oder West noch die Herkunft als ehemaliger DDR-Bürger eine Rolle. Entscheidend ist allein der Status als Arbeiter, Angestellter, Auszubildender oder Student. Wenn und soweit die ostdeutsche Bevölkerung diese Merkmale erfüllt, hat sie Anspruch darauf, dass leistungsstärkere Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung für ihren Krankenversicherungsschutz mit aufkommen. Verfassungsrechtlich wäre der Gesetzgeber hiernach nicht gehindert gewesen, den Risikostrukturausgleich von Anfang an bundesweit einheitlich einzuführen.
Mit der Einführung des gesamtdeutschen Risikostrukturausgleichs hat der Gesetzgeber letzten Endes lediglich das westdeutsche Krankenversicherungssystem vollständig auf die Versicherten der neuen Länder erstreckt. Die bloße Ausdehnung der gesetzlichen Krankenversicherung auf die Versicherten der neuen Länder stellt keine Fremdlast für die Alt-Versicherten dar. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat dies für die Arbeitslosenversicherung ausdrücklich hervorgehoben (Beschluss vom 4. November 1994 – 1 BvR 1483/94 -, BB 1995, S. 50). Für die Krankenversicherung gilt nichts anderes (vgl. Isensee, Finanzverfassung und Sozialrecht, in: Schriftenreihe des Deutschen Sozialrechtsverbandes e.V.
V.
Im Verhältnis der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zueinander liegt eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht vor. Von §§ 266, 267 SGB V gehen vielfältige Ungleichbehandlungen zwischen einzelnen Versichertengruppen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung aus (1.). Diese sind durchgehend verfassungsrechtlich gerechtfertigt (2.). Der Risikostrukturausgleich hält dem strengen Maßstab des Gebots verhältnismäßiger Gleichbehandlung stand.
1. Mit den Regelungen des Risikostrukturausgleichs bewirkt der Gesetzgeber innerhalb des Mitgliederkreises der gesetzlichen Krankenversicherung eine Vielzahl von Ungleichbehandlungen.
a) Als verfassungsrechtlich relevante Vergleichsgruppen sind die Versicherten zu betrachten, die verschiedenen Krankenkassen angehören. Eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung liegt dann vor, wenn die Versicherten je nach Kassenzugehörigkeit mit unterschiedlich hohen Beitragssätzen belastet werden (vgl. BVerfGE 89, 365 <375 f.>). Verfahrensrechtlich richtet sich der Risikostrukturausgleich zwar an die rechtsfähigen, aber nicht grundrechtsfähigen Krankenkassen (Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2004 – 2 BvR 1248/03, 2 BvR 1249/03 –, NZS 2005, S. 139). Die von ihm begründeten Ausgleichspflichten und –ansprüche haben aber unmittelbare Relevanz für die von den Krankenkassen festzusetzenden Beitragssätze und beeinflussen somit mittelbar die Höhe der Beitragsbelastung der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Aufgrund der Regelungen in §§ 266, 267 SGB V haben die Mitglieder ausgleichsverpflichteter Krankenkassen höhere, die Mitglieder ausgleichsberechtigter Krankenkassen niedrigere Beiträge zu zahlen, als sie ohne Risikostrukturausgleich zu entrichten hätten. Hiermit ist die vom Risikostrukturausgleich herbeigeführte Ungleichbehandlung allgemein beschrieben: Eine Mitgliedergruppe der gesetzlichen Krankenversicherung wird belastet, eine andere wird entlastet.
b) In den Einzelheiten stellen sich die Rechtswirkungen des Risikostrukturausgleichs komplizierter dar. Von den §§ 266, 267 SGB V gehen vielfältige, einander zum Teil kompensierende Be- und Entlastungswirkungen aus, die zu Beitragssatzveränderungen und damit zu einer Höher- oder Minderbelastung bei verschiedenen Versichertengruppen je nach Kassenzugehörigkeit führen oder führen können. Der Gesetzgeber bewirkt sowohl mit der positiven Festlegung, dass die finanziellen Auswirkungen bestimmter im Gesetz genannter Einzelfaktoren zwischen den Kassen auszugleichen sind, als auch mit der hiermit verbundenen negativen Festlegung, allen weiteren denkbaren Faktoren keine Ausgleichsrelevanz beizumessen, Beitragssatzveränderungen und damit einzelne Ungleichbehandlungen zwischen den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung. Zustandekommen, Inhalt und Zweck der vielfältigen Ungleichbehandlungen erschließen sich erst in der Zusammenschau mit der Konzeption und den Zielen des Risikostrukturausgleichs. Die mit den positiven und negativen Festlegungen einhergehenden Ungleichbehandlungen setzt der Gesetzgeber als Mittel ein, um diese Ziele zu erreichen.
aa) Mit der Festlegung, dass die finanziellen Auswirkungen der in §§ 266, 267 SGB V enumerativ aufgezählten Faktoren auszugleichen sind, verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung kassenübergreifend zu verwirklichen.
Der Gesetzgeber hat sich aus verfassungsrechtlich tragfähigen Gründen (vgl. hierzu BVerfGE 89, 365 <377>) für ein gegliedertes, aus mehreren hundert rechtlich selbständigen Trägern bestehendes Krankenversicherungssystem entschieden. An dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber bei Einführung des Risikostrukturausgleichs festgehalten (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 69). Zwangsläufig ist hiermit verbunden, dass die zu versichernden Risiken ungleichmäßig zwischen den Krankenkassen verteilt sind. Da in der gesetzlichen Krankenversicherung keine risikoäquivalenten, sondern einkommensbezogene Beiträge zu entrichten sind, ergeben sich hieraus Beitragssatzunterschiede zwischen Krankenkassen mit einer guten und solchen mit einer schlechten Risikostruktur. So müssen etwa Kassen, die besonders viele Rentner versichern, wegen des altersbedingt höheren Erkrankungsrisikos und der niedrigeren Einkommen dieser Personengruppe höhere Beitragssätze festsetzen als Kassen mit überdurchschnittlich jungen und einkommensstarken Mitgliedern. Die Zugehörigkeit eines Versicherten zu einer bestimmten Kasse soll jedoch nach den Vorstellungen des Gesetzgebers des Gesundheitsstrukturgesetzes nicht dazu führen, dass er allein wegen der Mitgliedschaft in dieser Kasse mit ihrer spezifischen Risikostruktur bei sonst gleichen Bedingungen (Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen und Umfang des Leistungsanspruchs) höhere Beiträge zu entrichten hat als das Mitglied einer anderen Kasse mit einer besseren Risikostruktur (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 68 f., 74 und 117).
In der Zielrichtung, das Solidarprinzip kassenübergreifend zu gewährleisten, geht das Bestreben des Gesetzgebers also dahin, auf eine Annäherung der Beitragssätze zwischen den Krankenkassen hinzuwirken. Da die finanziellen Lasten des sozialen Ausgleichs gleichmäßig auf alle Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung verteilt werden sollen, greift der Gesetzgeber zur Herstellung von Gleichheit der Belastungen auf das Mittel der gesetzlichen Ungleichbehandlung zurück. Mit der Anordnung, die finanziellen Auswirkungen solcher Faktoren, die für den sozialen Ausgleich prägend sind, zwingend zwischen den Kassen auszugleichen, bewirkt der Gesetzgeber mit jedem einzelnen Ausgleichsfaktor Ungleichbehandlungen zwischen solchen Kassen, die bezogen auf die jeweiligen ausgleichsrelevanten Faktoren über- oder unterdurchschnittlich belastet sind. So bewirkt etwa die Anordnung der Ausgleichspflicht für die Faktoren Alter und Anzahl der Familienversicherten eine Ungleichbehandlung zwischen Krankenkassen mit vielen jungen oder ledigen Mitgliedern (Belastung durch Begründung einer Ausgleichspflicht) und solchen Kassen, die viele alte oder beitragsfrei familienversicherte Personen (vgl. § 3 Satz 3, § 10 SGB V) in ihrem Mitgliederbestand haben (Entlastung durch Begründung eines Ausgleichsanspruchs). Die Ungleichbehandlung dient dem Ziel, den sozialen Ausgleich zwischen Jungen und Alten sowie Alleinstehenden und Familien kassenübergreifend durchzuführen. Bezogen auf die einzelnen Ausgleichsfaktoren stellen sich je nach konkreter Zusammensetzung des Mitgliederbestandes einer Kasse vielfältige, sich wechselseitig neutralisierende Be- und Entlastungswirkungen ein. Ist die Risikostruktur einer Kasse in der Summe gut, dann führt dies zur Ausgleichspflicht, ist sie schlecht, entsteht ein Ausgleichsanspruch.
bb) Mit der negativen Festlegung, die finanziellen Auswirkungen aller zusätzlich denkbaren, im Gesetz aber nicht aufgeführten Faktoren nicht auszugleichen, versuchte der Gesetzgeber sein zweites mit der Einführung des Risikostrukturausgleichs verfolgtes Hauptziel zu erreichen, nämlich den mit der Einführung der Kassenwahlfreiheit eröffneten Kassenwettbewerb zu gewährleisten. Den Kassenwettbewerb wiederum eröffnete der Gesetzgeber deshalb, weil er Qualität, Wirtschaftlichkeit und Effizienz der medizinischen Versorgung verbessern und damit die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung wahren wollte (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 66 ff., 74 f.). Die Krankenkassen sollen, um sich Vorteile im Wettbewerb zu verschaffen, Wirtschaftlichkeitspotenziale erschließen und allgemein ihre Effizienz verbessern. Gelingt es einer Kasse besser als anderen, bestimmte finanzielle Faktoren zu beeinflussen und so ihre Kosten zu senken, dann soll sie diesen durch eigenes Verhalten erzielten finanziellen Vorteil nicht mit weniger erfolgreich arbeitenden Kassen teilen müssen. Die aus unterschiedlich erfolgreichen Wirtschaftlichkeitsbemühungen resultierenden Kostenvorteile sollen sich vielmehr in unterschiedlich hohen Beitragssätzen niederschlagen dürfen.
Indem der Risikostrukturausgleich die finanziellen Auswirkungen der nicht im Gesetz ausdrücklich genannten Faktoren nicht ausgleicht, bewirkt er Ungleichheiten, nämlich Beitragssatzunterschiede zwischen den Kassen sowie zwischen ihren jeweiligen Mitgliedern. Diese Ungleichheiten setzt der Gesetzgeber als Mittel ein, um das Ziel der Wirtschaftlichkeitsverbesserung zu erreichen. So sind etwa die finanziellen Auswirkungen der Verwaltungstätigkeit der Kassen nicht auszugleichen. Eine Kasse mit hohen Verwaltungsaufwendungen muss diese selbst finanzieren und im Beitragssatz an ihre Mitglieder weitergeben. Eine Kasse mit niedrigen Verwaltungskosten muss diesen Vorteil nicht im Wege des Risikostrukturausgleichs mit anderen Kassen teilen. Sie kann den Vorteil zu Beitragssatzsenkungen für ihre Mitglieder nutzen. Es kommt zu unterschiedlich hohen Beitragssätzen. Die Mitglieder der erstgenannten Kasse werden höher belastet als die Mitglieder der zuletzt genannten. Mangels Ausgleichspflicht im Risikostrukturausgleich bleibt es bei dieser unterschiedlichen Belastung. Dies soll die im Wettbewerb stehende Kasse anspornen, sich um eine effizientere Erfüllung ihrer Aufgaben durch Senkung der Verwaltungskosten zu bemühen. Gelingt ihr das nicht, so muss sie damit rechnen, dass die Mitglieder von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen und zu einer Kasse mit niedrigen Verwaltungskosten und entsprechend niedrigerem Beitragssatz wechseln.
Damit können alle denkbaren Faktoren, die die finanzielle Situation einer Krankenkasse beeinflussen und die nicht kraft Gesetzes ausgleichsrelevant sind, Beitragssatzunterschiede und damit Ungleichheiten zwischen einzelnen Mitgliedergruppen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung herbeiführen.
2. Die vom Risikostrukturausgleich ausgelösten Ungleichbehandlungen sind verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zu den unterschiedlichen Beitragssätzen in der gesetzlichen Krankenversicherung den gleichheitsrechtlichen Maßstab dahingehend konkretisiert, dass weder eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit geboten noch eine bloße Willkürkontrolle ausreichend ist (vgl. BVerfGE 89, 356 <375 f.>). Ob an dieser Maßstabbildung angesichts der durch das Gesundheitsstrukturgesetz veränderten Rahmenbedingungen im Organisationsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung – kassenübergreifender Finanzverbund einerseits, Kassenwahlfreiheit der Versicherten andererseits – festzuhalten ist, kann dahinstehen. Denn der Risikostrukturausgleich hält selbst einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung stand. Der Gesetzgeber verfolgte mit den §§ 266, 267 SGB V legitime Gemeinwohlbelange mit verhältnismäßigen Mitteln.
a) Die vom Gesetzgeber des Gesundheitsstrukturgesetzes mit der Einführung des Risikostrukturausgleichs verfolgten Ziele sind legitim.
aa) Die solidaritätssichernde Funktion des Risikostrukturausgleichs dient einem kassenübergreifenden sozialen Ausgleich (vgl. oben C IV 4 a).
Das Konzept wird nicht dadurch illegitim, dass der Gesetzgeber des Gesundheitsstrukturgesetzes als Bezugsrahmen für den sozialen Ausgleich nicht die einzelne Kasse, sondern die gesamte gesetzliche Krankenversicherung gewählt hat. Die Entscheidung für ein gegliedertes System steht gleichrangig neben der Entscheidung, die so gebildeten Rechtsträger zu wechselseitiger Hilfe im Rahmen eines Finanzausgleichsverfahrens zu verpflichten. Der Kassengrenze kommt keine verfassungsrechtliche Bedeutung zu (vgl. oben C IV 4 b aa).
Zu Unrecht wenden die Antragstellerinnen gegen die Zulässigkeit der gesetzgeberischen Intention ein, auf die Angleichung der Beitragssätze komme es verfassungsrechtlich deshalb nicht an, weil es insoweit um Rechtssetzungsakte unterschiedlicher Träger öffentlicher Gewalt gehe, deren Bindung an den Gleichheitssatz sich auf den je eigenen Kompetenzbereich beschränke. Damit verkennen sie, dass Adressat der gleichheitsrechtlichen Anforderungen hier der Gesetzgeber ist, in dessen Verantwortungsbereich die verfassungsgemäße Ausgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung fällt. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber die kassenübergreifende Belastungsgleichheit als Maßstab vorgegeben und unterschiedlich hohe Beitragssätze als rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung qualifiziert (vgl. BVerfGE 89, 365 <375>).
bb) Die Funktion des Risikostrukturausgleichs, eine Wettbewerbsordnung zu flankieren, die auf der Basis des Solidarprinzips wirtschaftliches und effizientes Verhalten der Krankenkassen bei der gesundheitlichen Leistungserstellung fördern will, ist verfassungsrechtlich legitim. Denn der Gesetzgeber will mit dieser Maßnahme dazu beitragen, die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung sicherzustellen. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfGE 103, 172 <184 f.>).
cc) Auch die gleichzeitige Verfolgung von Solidarität und Wettbewerb als Hauptziele des Risikostrukturausgleichs gibt zu verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlass. Dieses Grundkonzept des Gesetzgebers ist frei von Widersprüchen und kann daher ohne weiteres folgerichtig umgesetzt werden. Schon die Entstehungsgeschichte des Gesundheitsstrukturgesetzes macht deutlich, dass der Gesetzgeber ein eigenständiges, sich von der gewerblichen Wirtschaft unterscheidendes Wettbewerbsmodell für die gesetzliche Krankenversicherung entworfen hat. Gedacht war an eine Wettbewerbsordnung auf der Basis des Solidarprinzips. Der Wettbewerb sollte erst dort beginnen, wo das Solidarprinzip endet. Solidaritätswidriger Risikoselektionswettbewerb, also Wettbewerb um die guten Risiken, war nicht erwünscht (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 68 f.). Der Gesetzgeber sucht die Risikoselektion, die zur Herausbildung einzelner Teilkollektive von Versicherten mit überdurchschnittlich guter Risikostruktur führen kann, dadurch zu verhindern, dass deren finanzielle Auswirkungen zwischen den Kassen auszugleichen sind. Unter den Bedingungen eines Risikostrukturausgleichs ist es für eine Krankenkasse jedenfalls finanziell nicht lohnend, aktiv an der Verbesserung ihrer Risikostruktur durch Gewinnung junger, einkommensstarker oder lediger Mitglieder zu arbeiten, weil die hieraus resultierenden Beitragssatzvorteile durch Entstehung von Ausgleichspflichten im Risikostrukturausgleich neutralisiert werden. Außerhalb des durch die Ausgleichsfaktoren der §§ 266, 267 SGB V klar abgegrenzten Bereichs war Wettbewerb vom Gesetzgeber ausdrücklich erwünscht. Einzelne Kassen, denen es gelingt, ihre Verwaltungskosten zu senken oder besonders günstige Vergütungsvereinbarungen mit den Leistungserbringern abzuschließen, konnten und sollten günstigere Beitragssätze festsetzen als andere Krankenkassen, die keine vergleichbaren Effizienzsteigerungen erzielt hatten.
b) Die vom Risikostrukturausgleich eingesetzten Mittel sind zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele geeignet.
Ein Mittel ist dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Es ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (vgl. BVerfGE 67, 157 <173>; 96, 10 <23>). Ein Optimierungsgebot besteht nicht (vgl. Sachs, in: Sachs, GG, 3. Aufl. 2003, Art. 20, Rn. 150 m.w.N.).
Die Bestimmung des geeigneten Mittels setzt eine prognostische Entscheidung voraus. Naturgemäß muss der Gesetzgeber bei dieser Entscheidung von der Beurteilung der zur Zeit des Erlasses des Gesetzes bestehenden Verhältnisse ausgehen. Eine gesetzliche Maßnahme kann nicht schon deshalb als verfassungswidrig angesehen werden, weil sie auf einer Prognose beruht, die sich später als unrichtig erweist. Die Frage nach der Zwecktauglichkeit eines Gesetzes kann nicht nach der tatsächlichen späteren Entwicklung, sondern nur danach beurteilt werden, ob der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahme zur Erreichung des gesetzten Ziels geeignet, ob seine Prognose also sachgerecht und vertretbar war (vgl. BVerfGE 30, 250 <263>). Der Gesetzgeber darf daher Konzepte erproben (vgl. BVerfGE 78, 249 <288>; 85, 80 <92>), er muss aber bei Fehlprognosen nachbessern (vgl. BVerfGE 57, 139 <162>; 89, 365 <378 ff.>).
Für den vom Risikostrukturausgleich geregelten Lebensbereich sind diese Maßstäbe dahin zu konkretisieren, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten war, in der solidaritätssichernden Zielrichtung des Risikostrukturausgleichs ein Höchstmaß an Beitragssatzgleichheit herzustellen oder auch nur anzustreben. Denn für die Entscheidung zugunsten einer gegliederten Krankenversicherungsorganisation sprechen eigenständige Sachgründe von erheblichem Gewicht, die die mit der Systementscheidung einhergehenden Beitragssatzunterschiede dem Grunde nach zu legitimieren vermögen (vgl. hierzu BVerfGE 89, 365 <377>). In der wettbewerblichen Perspektive war der Gesetzgeber nicht gehalten, die optimale Wettbewerbsordnung für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zu schaffen. Somit führt nicht jeder ungerechtfertigte Belastungsunterschied, der vom Risikostrukturausgleich im Einzelfall dadurch bewirkt wird, dass entgegen dem Wettbewerbskonzept entweder einzelne Wettbewerbsverzerrungen nicht beseitigt oder neue Wettbewerbsverzerrungen entstehen oder Risikoselektionsmöglichkeiten bestehen bleiben, automatisch zu verfassungsrechtlicher Beanstandung.
Bei der konkreten Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs - Wahl der Ausgleichsfaktoren und der Ausgleichstechnik – durfte sich der Gesetzgeber im Ausgangspunkt von der Erkenntnis leiten lassen, dass letztlich unzählige Faktoren in unterschiedlichem Ausmaß Einfluss auf die Beitragssätze der Vielzahl von Krankenkassen haben. Eingedenk dessen war der Gesetzgeber berechtigt, lediglich solche Faktoren zu berücksichtigen, von denen prognostiziert werden konnte, dass sie eine quantitativ gewichtige Auswirkung auf den Beitragssatz haben (absolute quantitative Beitragssatzrelevanz). Er brauchte weiterhin nur solchen Faktoren Ausgleichsrelevanz beizumessen, die starke Unterschiede zwischen den Krankenkassen aufweisen (relative Beitragssatzrelevanz). Ein Faktor, von dem alle Krankenkassen in etwa gleich stark betroffen werden, hat keine Auswirkung auf die Beitragssatzrelation zwischen den Krankenkassen und muss daher zur Vermeidung gleichheitswidriger Belastungswirkungen zwischen einzelnen Mitgliedergruppen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausgeglichen werden.
In der wettbewerbssichernden Perspektive des Risikostrukturausgleichs war der Gesetzgeber lediglich gehalten, solche - quantitativ bedeutsame - Faktoren auszugleichen, die von den einzelnen Krankenkassen in keiner Weise beeinflussbar sind. Demnach konnten Faktoren, die bei typisierender Betrachtung von den Krankenkassen als den Akteuren des Kassenwettbewerbs grundsätzlich beeinflusst werden können, im Risikostrukturausgleich als nicht ausgleichsrelevant unberücksichtigt bleiben. Denn beeinflussbare Kosten kann die einzelne Kasse durch eigenes Verhalten senken, was der finanziellen Effizienz des gesamten Gesundheitssystems zugute kommt.
Da schließlich Praktikabilität und Einfachheit des Rechts stets zu den notwendigen Voraussetzungen eines gleichheitsgerechten Gesetzesvollzugs gehören, war der Gesetzgeber befugt, generalisierende, typisierende und pauschalierende und auch pauschaliert quantifizierende Regelungen zu treffen (stRspr; vgl. BVerfGE 99, 280 <290>; 100, 138 <174>; 103, 392 <397>; 105, 73 <127>). Er war gleichheitsrechtlich somit nicht gehalten, ein geringes Mehr an Beitragssatzgleichheit - durch Einbeziehung weiterer Ausgleichsfaktoren - auf Kosten eines gravierenden Defizits an Praktikabilität zu erzielen. Der sachliche Gesichtspunkt der praktischen Machbarkeit eines Finanzausgleichs innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung rechtfertigte also gesetzliche Regelungen, die sicherstellen, dass ein solcher Finanzausgleich überhaupt mit vertretbarem Aufwand durchgeführt werden kann. Die ausgleichsrelevanten Daten müssen demnach überhaupt verfügbar sein oder mit vertretbarem Aufwand beschafft werden können.
Nach diesen Maßstäben war die positive Festlegung des Gesetzgebers, lediglich die finanziellen Auswirkungen der enumerativ im Gesetz genannten Faktoren auszugleichen, geeignet, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Weder zur Wahrung des Solidarprinzips noch zur Ermöglichung eines unverzerrten Kassenwettbewerbs war es unter dem Gesichtspunkt der Geeignetheit geboten, weitere Ausgleichsfaktoren zu berücksichtigen.
aa) Mit der Anordnung der Ausgleichspflicht für die positiv im Gesetz genannten Faktoren hat der Gesetzgeber einen tauglichen Beitrag geleistet, um das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung zu wahren.
(1) Mit den Ausgleichsfaktoren Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, Alter, Zahl der Familienversicherten wird ersichtlich der "klassische" Solidarausgleich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen, jungen und alten, allein stehenden und unterhaltspflichtigen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung kassenübergreifend umgesetzt.
Die sich aus § 267 Abs. 2 SGB V ergebende Bildung von Versichertengruppen nach den in §§ 241 bis 247 SGB V genannten Kriterien (Mitglieder mit oder ohne Krankengeldanspruch beziehungsweise Krankengeldanspruch ab dem ersten oder der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit) rechtfertigt sich aus der Unterschiedlichkeit der von den Kassen zu versichernden finanziellen Risiken. Die genannten Merkmale sind leicht feststellbar, hinreichend beitragssatzrelevant und von den Kassen nicht zu beeinflussen.
Die gesonderte Berücksichtigung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrentner (§ 267 Abs. 2 Satz 3 SGB V) dient dem kassenübergreifenden sozialen Ausgleich zwischen Kranken und Gesunden. Bezieher von Renten wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bilden eigenständige Risikogruppen. Ihnen werden im Risikostrukturausgleich höhere standardisierte Leistungsausgaben zugeordnet, weil sie eine höhere Morbidität als andere Versicherte aufweisen. Solche Renten werden nur an Personen gezahlt, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung erheblich beeinträchtigt ist. Dem Versicherungsfall der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit geht in der Regel eine längere Krankheit voraus, die mit erhöhten Belastungen für die gesetzliche Krankenversicherung verbunden ist. Die Gruppe der Rentner ist zudem zahlenmäßig relevant (quantitative Beitragssatzrelevanz), das Kriterium außerdem leicht und manipulationssicher zu erfassen (Praktikabilität), denn die gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind in Gestalt des Rentenbewilligungsbescheids gleichsam amtlich anerkannt. Der Bezug einer solchen Rente indiziert Invalidität und damit eine höhere Morbidität (vgl. Jacobs/Reschke/Cassel/Wasem, Zur Wirkung des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung, Schriftenreihe des Bundesministeriums für Gesundheit, 2002,
(2) Ob der Risikostrukturausgleich mit den Ausgleichsfaktoren Alter, Geschlecht und Rentenbezug geeignet ist, den Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken sicherzustellen, erscheint zwar fraglich. Verfassungsrechtlich ist der Risikostrukturausgleich dennoch im Ergebnis nicht zu beanstanden. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesundheitsstrukturgesetzes hat der Gesetzgeber keine offensichtlich fehlsame Eignungsprognose gestellt. Auch ist er seiner Pflicht, die weitere Entwicklung zu beobachten und gegebenenfalls nachzubessern, nachgekommen. Es bedarf keiner Entscheidung, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich verpflichtet ist, zusätzlichen Faktoren, mit denen die Morbidität der Versicherten besser abgebildet werden kann, Ausgleichsrelevanz beizumessen, um die Zielgenauigkeit des Risikostrukturausgleichs im Hinblick auf den Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken zu verbessern. Selbst wenn eine derartige Verpflichtung bestünde, wäre der Gesetzgeber ihr mit der Einführung des direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs ab 2007 nachgekommen.
(a) Um den sozialen Ausgleich zwischen Gesunden und Kranken sowie Personen mit erhöhtem und vermindertem Erkrankungsrisiko herzustellen, versucht der Risikostrukturausgleich die Morbidität der Versicherten mit den Kriterien Alter, Geschlecht und Bezug einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abzubilden. Morbiditätsunterschiede lassen sich mit diesen Faktoren mittelbar in grober Typisierung erfassen. Alter und Geschlecht stellen relevante Risikofaktoren in der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Mit steigendem Alter wächst das Erkrankungsrisiko, zudem gibt es geschlechtsbedingte Morbiditätsunterschiede (vgl. Schneider, a.a.O., S. 107 ff.).
Die Merkmale Alter, Geschlecht und Rentenbezug sind zwar leicht feststellbar und dienen deshalb der Praktikabilität des Finanzausgleichs, sie sind aber unscharf in der Abbildung der Morbidität der Versicherten. Dass die Beitragssätze nach einer langen Phase der Annäherung Ende der 90er Jahre wieder auseinanderdrifteten, wird in der Wissenschaft hauptsächlich mit der unzureichenden Morbiditätsorientierung des Risikostrukturausgleichs erklärt (zum Ganzen Jacobs u.a., Gutachten, S. 47; Schneider, Wettbewerb und Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Jabornegg/Resch/Seewald
Dass es vielen Betriebskrankenkassen in den letzten Jahren tatsächlich gelungen ist, ihre Mitgliederzahlen deutlich zu steigern (vgl. Jacobs u.a., Gutachten, S. 34 ff.), dürfte eine Ursache für die zu beobachtende Auseinanderentwicklung der Beitragssätze sein (zum Vorstehenden Lauterbach/Wille, Modell eines fairen Wettbewerbs durch den Risikostrukturausgleich, 2001,
(b) Ob der Morbiditätsbezug des geltenden Risikostrukturausgleichs verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, kann dahinstehen. Jedenfalls waren zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesundheitsstrukturgesetzes die beschriebenen Entwicklungen nicht vorhersehbar. Beim 1994 eingeführten Risikostrukturausgleich handelte es sich um ein neuartiges Ausgleichsinstrument. Die Erfahrungen mit früheren Finanzausgleichsverfahren waren entweder wegen konzeptioneller Unterschiede nur bedingt zur Einschätzung der Wirksamkeit des Risikostrukturausgleichs geeignet oder wurden positiv bei der Ausgestaltung der Ausgleichstechnik berücksichtigt. Dies gilt insbesondere für den Verzicht auf einen reinen Ausgabenausgleich.
Realisierbare Alternativen zu den indirekten Morbiditätsindikatoren Alter, Geschlecht und durch Rentenbezug indizierte Invalidität standen dem Gesetzgeber nicht zur Verfügung (vgl. Jacobs u.a., Gutachten, S. 69 f.); die Wissenschaft hatte die Faktoren Alter, Geschlecht, beitragspflichtige Einnahmen und Familienversichertenquote ausdrücklich als maßgeblich bezeichnet und Zurückhaltung bei der Berücksichtigung einer weiteren Differenzierung angemahnt (vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Herausforderungen und Perspektiven der Gesundheitsversorgung, Jahresgutachten 1990, S. 158 f. sowie Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung 2000, Sondergutachten 1995, S. 118).
Die ersten Erfahrungen mit dem neuen Instrument gaben dem Gesetzgeber zunächst insoweit Recht, als die Beitragssatzspanne kleiner wurde. Der Vergleich der Beitragssätze mit und ohne Risikostrukturausgleich zeigt deutlich, dass die Beitragssatzunterschiede zwischen den Krankenkassen ohne Geltung der §§ 266, 267 SGB V noch deutlich größer wären (Jacobs u.a., Gutachten, S. 31 ff.).
Der Gesetzgeber hat die Entwicklung beobachtet und zeitnah reagiert, indem er zunächst den Rat der Wissenschaft einholte und sodann, dem Expertenrat weitgehend folgend, mit dem Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 (BGBl I S. 3465) die Einführung des direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs ab 2007 beschloss, von dem er sich die Verbesserung des Solidarausgleichs zwischen Gesunden und Kranken erhofft (vgl. oben A I 5 und unten D I). Ob dieser Schritt verfassungsrechtlich geboten war, kann dahinstehen. Denn einer etwaigen Verpflichtung wäre der Gesetzgeber jedenfalls nachgekommen.
(3) Um den Solidarausgleich sicherzustellen, war es verfassungsrechtlich nicht geboten, so genannten Härtefällen im Risikostrukturausgleich gesondert Rechnung zu tragen.
Neben den Beiträgen erhalten die Krankenkassen namhafte Geldbeträge aus Zuzahlungen der Versicherten. So genannte Härtefälle mussten keine (§§ 61, 62 SGB V a.F.) oder müssen lediglich reduzierte Zuzahlungen leisten (§§ 61, 62 SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14. November 2003, BGBl I S. 2190; vgl. Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Vor § 61 SGB V, Rn. 4, sowie § 62 SGB V, Rn. 15 ff.). Eine Krankenkasse, die überdurchschnittlich viele Härtefälle in ihren Reihen hat, muss die Mindereinnahmen durch Beitragssatzerhöhungen kompensieren. Krankenkassen mit wenigen Härtefällen haben Beitragssatzvorteile, ohne dass dies im Risikostrukturausgleich Berücksichtigung fände. Versicherte, die Mitglied bei Krankenkassen mit geringer Härtefallquote sind, zahlen trotz gleichen Einkommens und gleicher Leistungen niedrigere Beiträge als die Mitglieder von Krankenkassen mit vielen Härtefällen.
Obgleich die Zuzahlungspflicht von der Höhe des Einkommens abhängt, die gesonderte Berücksichtigung der Härtefallproblematik also dem Solidarausgleich zwischen Einkommensstärkeren und Einkommensschwächeren dienen würde, ist die gesetzgeberische Entscheidung nicht zu beanstanden. Dieser ist nicht verpflichtet, durch Einbezug aller denkbaren, der Grundkonzeption des Risikostrukturausgleichs entsprechenden Faktoren ein Optimum an Beitragsgerechtigkeit anzustreben oder gar zu erreichen. Einer gesonderten Berücksichtigung von Härtefallversicherten als eigenständige Risikogruppe im Risikostrukturausgleich stehen zahlreiche Probleme der Praktikabilität und unerwünschte Anreizwirkungen entgegen (vgl. Jacobs u.a., Gutachten, S. 103-107; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung 2000, Sondergutachten 1995, S. 118 f.). Der Gesetzgeber konnte sich auch darauf berufen, dass die Härtefallklausel Ausdruck einer vergleichsweise geringen finanziellen Leistungsfähigkeit ist, dass aber Einkommensunterschiede im Rahmen des Finanzkraftausgleichs bereits weitgehend ausgeglichen werden (vgl. Rebscher, Risikostrukturausgleich als Voraussetzung des Wettbewerbs in der GKV? Was sind die Konsequenzen aus VdAK-Sicht?, in: RPG
bb) Die Beschränkung des Risikostrukturausgleichs auf die im Gesetz genannten Faktoren und die korrespondierende Nichtberücksichtigung der finanziellen Auswirkungen zusätzlicher Faktoren stellt die Eignung im Hinblick auf die wettbewerblichen Ziele des Gesetzes nicht in Frage.
(1) Die mangelnde Berücksichtigung der tatsächlichen Ausgabenbelastung einer Krankenkasse ist zweckgerecht.
Die Definition des Beitragsbedarfs einer Krankenkasse als Summe der standardisierten Leistungsausgaben bewirkt eine Orientierung des Ausgleichs an Normkosten, die jeweils die Ist-Kosten einer Kasse über- oder unterschreiten können.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Gesundheitsstrukturgesetzes entsprach es allgemeiner, durch die Erfahrungen mit dem Finanzausgleich in der Krankenversicherung der Rentner bestätigter Einschätzung, dass von einem ex-post-Ausgleich der tatsächlich bei einer bestimmten Krankenkasse entstandenen Aufwendungen kostentreibende Effekte ausgehen, weil damit Wirtschaftlichkeitsanreize gemindert werden (vgl. Endbericht der Enquete-Kommission "Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" vom 12. Februar 1990
Die gesetzgeberische Entscheidung, Normkosten zur Ermittlung des Beitragsbedarfs heranzuziehen, kann die Erreichung des Ziels der Wirtschaftlichkeitsverbesserung fördern. Gelingt es einer Kasse, ihre Ist-Kosten durch Sparanstrengungen unter das bundesdurchschnittliche Ausgabenniveau zu drücken, muss sie diesen Kostenvorteil im Risikostrukturausgleich nicht mit anderen Krankenkassen teilen (vgl. BTDrucks 12/3608, S. 117). Sie kann einen günstigeren Beitragssatz kalkulieren und sich hierdurch im Kassenwettbewerb für potentielle Wechsler attraktiver machen. Die von der Abwanderung bedrohte Krankenkasse ist gehalten, durch eigene Anstrengungen ähnliche beitragssatzwirksame Kostenvorteile zu erzielen.
(2) Auch die Grundentscheidung des Gesetzgebers für das Gebiet der gesamten Bundesrepublik als räumlichen Bezugsrahmen für den Risikostrukturausgleich ohne Berücksichtigung regional unterschiedlicher Kostenstrukturen war im Hinblick auf die wettbewerblichen Ziele sachgerecht.
Die standardisierten Leistungsausgaben werden auf der Basis der bundesdurchschnittlichen Pro-Kopf-Ausgaben für alle in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Personen ermittelt. Regional unterschiedliche Preis- und Kostenstrukturen spielen keine Rolle. Dass in einzelnen Regionen die für diese Region isoliert ermittelten Durchschnittskosten über (Ballungsraumproblematik) oder unter (neue Länder) dem bundesdurchschnittlichen Wert liegen, bewirkt insbesondere Ungleichbehandlungen zwischen den Mitgliedern solcher Kassen, die nur in einer Hochpreisregion beziehungsweise nur in einer Niedrigpreisregion tätig sind. Die zuletzt genannte Krankenkasse profitiert von einem örtlich günstigen Kostenniveau. Ihr wird im Risikostrukturausgleich dennoch ein Beitragsbedarf auf der Grundlage der höheren bundesdurchschnittlichen Werte zugewiesen. Den entsprechenden Kostenvorteil kann sie zu Beitragssatzsenkungen nutzen. Bei der erstgenannten Kasse liegen die örtlichen Durchschnittskosten und damit regelmäßig auch die Ist-Kosten über dem bundesdurchschnittlichen Wert. Sie muss mit dem niedrigeren bundesdurchschnittlichen Kostenansatz auskommen und die Differenz zwischen dem regionalen und dem bundesweiten Kostenniveau selbst finanzieren, also in einem entsprechend höheren Beitragssatz an ihre Mitglieder weitergeben. Zur Kompensation kann die in der Hochpreisregion tätige Regionalkasse auch nicht auf das in einem Ballungsraum in der Regel bestehende höhere Lohnniveau zurückgreifen. Denn Finanzkraftunterschiede werden im Risikostrukturausgleich ausgeglichen, d.h. eine Ballungsraumkrankenkasse muss ihre überschießende Finanzkraft abgeben, ohne ihren überschießenden realen Beitragsbedarf ausgeglichen zu erhalten (vgl. Spoerr/Winkelmann, Rechtliche Koordinaten des Finanzausgleichs unter Krankenkassen – Die BSG-Urteile zum Risikostrukturausgleich (RSA) vom 24. Januar 2003 -, NZS 2004, S. 402 <407>). Die Mitglieder einer derartigen Kasse müssen somit trotz gleichen Einkommens und gleicher Leistungen höhere Beiträge als Versicherte anderer Kassen zahlen.
Unbeschadet der insgesamt unzureichenden Datenlage darf es als gesichert gelten, dass es nicht unwesentliche Unterschiede in den regionalen Kostenniveaus gibt (vgl. Jacobs u.a., Gutachten, S. 147 ff.). Trotz solcher Unterschiede zeigt jedoch der Blick auf verschiedene mögliche Ursachen, dass der Gesetzgeber für eine komplexe Problematik eine verfassungsrechtlich tragfähige Lösung gefunden hat.
Sollten regional unterschiedliche Krankheitshäufigkeiten (vgl. Jacobs u.a., Gutachten, S. 152 zur Krankheit AIDS) die Ursache für regionale Ausgabenunterschiede sein, so forderte der Zweck des Solidarausgleichs zwischen Gesunden und Kranken grundsätzlich deren Berücksichtigung. Ob der Risikostrukturausgleich in seiner noch geltenden Fassung mit seinem nur sehr mittelbaren Morbiditätsbezug den Ausgleich interregional unterschiedlicher Krankheitshäufigkeiten zu bewerkstelligen vermag, kann jedoch dahinstehen. Jedenfalls wurde mit der Einführung des direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs durch das Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs (vgl. oben A I 5) mittlerweile ein Instrument entwickelt, von dem der wissenschaftlich beratene Gesetzgeber annehmen durfte, dass regional unterschiedliche Krankheitshäufigkeiten im künftigen Risikostrukturausgleich besser erfasst und ausgeglichen werden können als bisher.
Wenn es dagegen, wie angenommen wird (vgl. Schneider/Schawo, Der Einheit ein Stück näher, in: Gesundheit und Gesellschaft, 4/2000, S. 24 <29>), in den einzelnen Regionen ein unterschiedliches Verhalten der Versicherten bei der Nachfrage nach Kassenleistungen gibt und hieraus regional unterschiedliche Ausgabenbelastungen resultieren sollten, dann musste der Gesetzgeber diesem Umstand nicht im Risikostrukturausgleich Rechnung tragen. Auf die Höhe des Einkommens ihrer Mitglieder hat die Krankenkasse keinen Einfluss, wohl aber auf deren Anspruchsverhalten (vgl. Becker/Messemer/Nederegger/Wiedinger, a.a.O., S. 31 <44 ff.>). Beeinflussbare Faktoren können und sollen von den Krankenkassen zur Erhöhung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit beeinflusst werden. Dies ist der Sinn des vom Gesetzgeber gewollten Kassenwettbewerbs. Beitragssatzfolgen aus unterschiedlich erfolgreichen Wirtschaftlichkeitsbemühungen einzelner Krankenkassen werden deshalb nicht ausgeglichen.
Soweit regional unterschiedliche Kostenniveaus darauf beruhen, dass es zwischen Stadt und Land Unterschiede im Hinblick auf die Versorgungsdichte oder die Qualität der Versorgung (modernere, bessere, teurere Ausstattung) gibt, ist es gerechtfertigt, dass diejenigen Versicherten, die in den Genuss einer regional besseren Versorgung gelangen, die hieraus resultierenden Mehrkosten in Form höherer Beitragssätze allein zu tragen haben. Beitragssatzunterschiede sind verfassungsrechtlich nur dann problematisch, wenn Versicherte trotz gleich hohen Einkommens für gleiche Leistungen unterschiedlich viel zahlen müssen.
Schließlich sind auch mögliche regionale Wirtschaftlichkeits- und Effizienzunterschiede als Ursache für regionale Kostenunterschiede nicht notwendig ausgleichsrelevant. Dass es etwa Regionen gibt, in denen die Krankenhausbedarfsplanung besser funktioniert als in anderen Landesteilen, musste den Gesetzgeber - unabhängig von einem möglichen Einfluss der Kassen - nicht zur Berücksichtigung veranlassen. Ziel ist es, die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung insgesamt zu verbessern, nicht aber, regionale Unwirtschaftlichkeiten durch Zuweisung eines höheren Beitragsbedarfs zu subventionieren und damit zu verfestigen.
Nicht zuletzt streitet der Gesichtspunkt der Praktikabilität für die Eignung der gesetzlichen Differenzierung. Regionale Normkostenunterschiede lassen sich nur mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand feststellen. Der Umfang eines regional vom Bundesdurchschnitt abweichenden Kostenniveaus muss ermittelt und - zumindest im Schätzwege - quantifiziert werden. Das stellt den Gesetzgeber vor eine kaum lösbare Aufgabe. Lässt sich die Anzahl der Familienversicherten einer Krankenkasse relativ leicht feststellen, so setzt die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten im Risikostrukturausgleich nicht nur eine sehr viel kompliziertere Datenerhebung voraus, sondern verlangt die Beantwortung sehr schwieriger Fragen, auf die auch die gesundheitsökonomische Wissenschaft wegen der vielfältigen und überaus komplexen Zusammenhänge noch keine allseits befriedigenden Antworten gefunden hat (vgl. etwa Wille/U.Schneider, Zur Regionalisierung in der gesetzlichen Krankenversicherung, in: RPG
(3) Der insbesondere zur verfassungsrechtlichen Überprüfung gestellte West-Ost-Transfer stellt sich letztlich nur als ein Sonderfall der Probleme einer (fehlenden) Berücksichtigung regionaler Differenzierung im bundesweiten Risikostrukturausgleich dar. Die gebotene Analyse der Einzelursachen für die innerdeutschen Transfers macht auch insoweit deutlich, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht daran gehindert war, die frühere Rechtskreistrennung zu überwinden.
(a) Der Großteil der innerdeutschen Transfers entfällt auf den Finanzkraftausgleich. Diese Transfers haben ihre Ursache in den unterschiedlichen Niveaus der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder. In den östlichen Ländern herrscht zum einen eine deutlich größere Arbeitslosigkeit als im Westen. Zum anderen verdienen die ostdeutschen Beschäftigten im Durchschnitt weniger als Westdeutsche. Die hierdurch bedingten Finanzkraftunterschiede zwischen den Kassen werden bundesweit durch den Finanzkraftausgleich beseitigt. Verfassungsrechtlich ist ein solcher Ausgleich unproblematisch, denn er dient dem Solidarausgleich zwischen einkommensstarken und einkommensschwachen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. Ballesteros, Bewertung des GKV-Finanzstärkungsgesetzes
(b) Die Transfers im gesamtdeutschen Beitragsbedarfsausgleich kommen zustande, weil bei Rechtskreistrennung die standardisierten Leistungsausgaben im Beitrittsgebiet niedriger sind als im Westen. Die Erhöhung der Werte im Osten und die Verringerung der Werte im Westen auf den neuen bundesdurchschnittlichen Wert führt dazu, dass eine im Osten tätige Kasse einen Beitragsbedarf zugewiesen erhält, der ihrer realen Kostenbelastung regelmäßig nicht entspricht und den sie für Beitragssatzsenkungen nutzen kann. Gemessen an der realen Kostenbelastung erhalten Westkassen einen zu geringen Beitragsbedarf. Beitragssatzunterschiede und damit Ungleichbehandlungen sind die Folge.
Diese sind jedoch auch hinsichtlich der wettbewerblichen Ziele nicht sachwidrig.
Interregionale Umverteilungswirkungen im Beitragsbedarfsausgleich gab es im Risikostrukturausgleich von Anfang an und nicht nur entlang der West-Ost-Achse. Sie sind verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. oben C V 2 b aa <2>). Beruht das niedrigere Kostenniveau im Osten auf Unterschieden in der Wirtschaftlichkeit, auf dem Fehlen ineffizienter Überkapazitäten, auf dem Nachfrageverhalten, auf einer möglicherweise geringeren – kostengünstigeren - Versorgungsdichte, dann ist es nicht zu beanstanden, dass der gesamtdeutsche Risikostrukturausgleich den ostdeutschen Krankenkassen die sich hieraus ergebenden Kostenvorteile belässt. Obgleich gesicherte Erkenntnisse und zuverlässige Daten fehlen, wird in der Literatur vermutet, dass es derartige Strukturunterschiede tatsächlich gibt (vgl. Schneider/Schawo, a.a.O., S. 24 <29> zu unterschiedlichen Versorgungsgewohnheiten im Bereich der stationären Apparatemedizin).
Als einzige klar identifizierbare Ursache, die speziell das West-Ost-Verhältnis betrifft und die unterschiedliche Kostenstrukturen zu erklären vermag, bleibt die Vergütung der in Gesundheitsberufen tätigen Personen (hierzu Jacobs u.a., Gutachten, S. 162). Diese erhalten im Osten in der Regel geringere Vergütungen als im Westen. Besonders augenfällig wird der Unterschied am Bundesangestelltentarifvertrag (BAT). In den neuen Ländern gilt der BAT-Ost, der niedrigere Vergütungssätze vorsieht.
Zur Wahrung eines unverzerrten Wettbewerbs zwischen östlichen und westlichen Krankenkassen musste der Gesetzgeber diesem Umstand aber nicht zwingend Rechnung tragen.
Abgesehen davon, dass ostdeutsche Krankenkassen nicht nur Vorteile wegen der unterschiedlich hohen Vergütungssätze haben, sondern auch speziellen Belastungen ausgesetzt sind (vgl. Jacobs u.a., Gutachten, S. 161 ff. m.w.N. zu ostspezifischen Sonderbelastungen wegen Morbiditätsunterschieden und geringeren Zuzahlungseinnahmen sowie zu Rücktransfers in den Westen), die als kompensatorische Effekte bei dem verfassungsrechtlich gebotenen Gesamtvergleich der Regelungswirkungen der §§ 266, 313a SGB V zwingend zu berücksichtigen wären (vgl. BVerfGE 23, 327 <343>; 96, 1 <8 f.>), hat der Gesetzgeber den aktuell noch bestehenden Beitragsbedarfsunterschieden mit einer siebenjährigen Übergangsfrist bis zur vollständigen Rechtsangleichung Rechnung getragen. Diesem Umstand kommt gerade bei der Würdigung der in Ost und West unterschiedlich hohen Vergütung der Leistungserbringer ausschlaggebende Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hatte Grund zu der Annahme, dass parallel zur vollständigen Einführung des gesamtdeutschen Beitragsbedarfsausgleichs eine weitere Ost-West-Angleichung bei der Vergütung stattfinden würde. Die Einschätzung des Gesetzgebers des Rechtsangleichungsgesetzes aus dem Jahre 1999 wird durch die bisherige Entwicklung bestätigt. So hatte beispielsweise die letzte Tarifrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zum Ergebnis, dass die Ost-West-Angleichung fortgesetzt wird. Der Bemessungssatz wurde von bislang 90 vom Hundert auf 91 vom Hundert ab dem 1. Januar 2003 und auf 92,5 vom Hundert ab dem 1. Januar 2004 erhöht. Die Anhebung auf 100 vom Hundert ist je nach Vergütungsgruppe bis Ende 2007 beziehungsweise Ende 2009 vorgesehen (vgl. Fieberg, in: Fürst, Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht, Bd. IV, T §§ 26a, 27, Rn. 85).
Auch im Übrigen lassen sich Angleichungstendenzen beobachten, die es im Ergebnis ausschließen, den Risikostrukturausgleich im West-Ost-Verhältnis hinsichtlich der wettbewerblichen Ziele als im verfassungsrechtlichen Sinne ungeeignet zu bewerten. Allgemein kann man feststellen, dass sich die West-Ost-Ausgabenunterschiede insgesamt stark angenähert haben. Die absoluten Leistungsausgaben je Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung Ost liegen mittlerweile bereits über dem Westniveau. Das standardisierte Ausgabenniveau betrug 2002 91,4 vom Hundert des Westwertes, nach den Schätzungen des Bundesversicherungsamts wird es im Jahr 2005 rund 93,5 vom Hundert betragen. Im Jahr 1998 war noch ein Wert von 87 vom Hundert zu verzeichnen. Hierin zeigt sich die Dynamik der West-Ost-Angleichung im Bereich der Leistungsausgaben. Allgemein wird eine weitere Angleichung erwartet (vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Gesundheitsversorgung und Krankenversicherung 2000, Sondergutachten 1995, S. 117; Jacobs u.a., Gutachten, S. 162). Da der innerdeutsche Transfer im Beitragsbedarfsausgleich allein auf einer Neubewertung der standardisierten Leistungsausgaben beruht, führt die tatsächliche Annäherung der Ausgabenniveaus zum allmählichen Wegfall der Transfers.
Entscheidend tritt hinzu, dass die Auswirkungen des gesamtdeutschen Beitragsbedarfsausgleichs auf die Beitragssätze und damit die Beitragssatzrelation zwischen west- und ostdeutschen Krankenkassen quantitativ nicht hinreichend bedeutsam sind, um eine mangelnde Eignung unter Wettbewerbsaspekten begründen zu können. Die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherheit ermittelten Zahlen zeigen, dass die Auswirkungen des gesamtdeutschen Beitragsbedarfsausgleichs auf die Beitragssätze der westdeutschen Krankenkassen geringfügig sind. Im Jahr 2001, also im ersten Jahr des gesamtdeutschen Beitragsbedarfsausgleichs mit einem "Angleichungsvolumen" von 25 vom Hundert, ergab sich eine in Beitragssatzpunkten ausgedrückte Zusatzbelastung der gesetzlichen Krankenversicherung West von lediglich 0,06 vom Hundert. Für das erste Jahr der vollständigen Rechtsangleichung wird eine Zusatzbelastung von 0,15 Beitragssatzpunkten prognostiziert (vgl. oben A I 4).
(4) Vollzugsschwierigkeiten, die es insbesondere in den ersten Jahren nach Einführung des Risikostrukturausgleichs gab, stellen dessen Eignung zur Zielerreichung nicht in Frage.
Es kann dahinstehen, ob die vom Bundesverfassungsgericht zum defizitären Vollzug von Steuergesetzen entwickelten Maßstäbe (vgl. BVerfGE 84, 239 <271 ff.>; 110, 94 <112 ff.>) auf den vom Risikostrukturausgleich geregelten Sachbereich übertragbar sind und ob sich strukturelle Vollzugsmängel überhaupt feststellen lassen. Jedenfalls fehlt es an der Zurechenbarkeit etwaiger Vollzugsdefizite an den Gesetzgeber. Das Bundessozialgericht hat in seinem zum Risikostrukturausgleich ergangenen Urteil vom 24. Januar 2003 dargelegt, wie Prüfdienste und der Gesetzgeber mit den zu Tage getretenen Mängeln bei der Datenerhebung umgegangen sind (vgl. BSGE 90, 231 <248 ff.>). Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen. Die durchgeführten Maßnahmen zeigen, dass der Gesetzgeber Missstände nicht hingenommen, sondern aktiv zu deren Beseitigung beigetragen hat. Er durfte dabei in Rechnung stellen, dass die Krankenkassen als Adressaten des Risikostrukturausgleichs Träger mittelbarer Staatsgewalt und somit selbst unmittelbar an Gesetz und Recht gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 GG).
Was die an den Risikostrukturausgleich herangetragene Kritik betrifft, nicht nur der Vollzug sei mangelhaft, das Gesetz selbst sei strukturell defizitär und bewirke systematische Beitragssatzverzerrungen, weil das in § 267 Abs. 3 Satz 4 SGB V vorgesehene Stichprobenverfahren nicht ausreichend repräsentativ sei, um die maßgeblichen Daten realitätsgerecht abbilden zu können (vgl. Sodan/Gast, a.a.O., S. 63 ff.), so folgen auch hieraus keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Vom Gesetzgeber, der 1992 ein neuartiges Finanzausgleichsinstrument in der gesetzlichen Krankenversicherung etablierte, konnte verfassungsrechtlich lediglich gefordert werden, dass er aufmerksam beobachtet, ob das von ihm geschaffene Datenerhebungsverfahren Eignungsmängel zeigt, und dass er eventuell zu Tage tretenden Schwächen mit geeigneten Maßnahmen begegnet. Diesbezüglich können dem Gesetzgeber keine Versäumnisse angelastet werden.
§ 267 Abs. 7 SGB V ermächtigt die Spitzenverbände der Krankenkassen, durch Vereinbarung das Nähere über den Erhebungsumfang und das Stichprobenverfahren gemäß § 267 Abs. 3 SGB V zu bestimmen. Die Kassen haben von der Ermächtigung Gebrauch gemacht und in den jeweiligen Vereinbarungen das Stichprobenverfahren ständig neuen Erkenntnissen angepasst und schrittweise verbessert (vgl. BSGE 90, 231 <254>). Die derzeit geltende Vereinbarung sieht das Stichprobenverfahren nur noch für die Hauptleistungsbereiche Ärzte, Zahnärzte und sonstige Leistungsausgaben vor. In den anderen Hauptleistungsbereichen Arzneimittel, Krankenhaus, Krankengeld und Dialyse findet seit einiger Zeit eine Vollerhebung, d.h. eine Auswertung des gesamten Versichertenbestandes, statt. Das Bundesversicherungsamt strebt an, im Jahresausgleich 2004 auch die Leistungsausgaben des Hauptleistungsbereichs Ärzte durch eine Vollerhebung erfassen zu lassen. Im Übrigen spricht auch die Tatsache, dass sich die Spitzenverbände der Kassen in der Vereinbarung gemäß § 267 Abs. 7 Nr. 1 SGB V selbst - also ausgleichsverpflichtete wie ausgleichsberechtigte Kassen - auf die konkreten Modalitäten der Datenerhebung geeinigt haben, gegen die Annahme systematisch verzerrter Beitragssatzrelationen. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Sachkunde der Verbände und der zwischen ihnen herzustellende Interessenausgleich eine Gewähr dafür biete, strukturellen Bevorzugungen oder Benachteiligungen bestimmter Kassen oder Kassenarten einen Riegel vorzuschieben.
c) Die vom Risikostrukturausgleich ausgelösten Ungleichbehandlungen sind zur Zielerreichung erforderlich.
Eine gesetzliche Regelung verletzt das Gebot der Erforderlichkeit, wenn das Ziel der staatlichen Maßnahme auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das Grundrechte nicht oder deutlich weniger fühlbar einschränkt (vgl. BVerfGE 68, 193 <218 f.>). Wie bei der Beurteilung der Eignung hat das Bundesverfassungsgericht auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit des gewählten Mittels zur Erreichung der gesetzgeberischen Ziele die weite Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsordnung und dessen Einschätzungs- und Prognosevorrang zu beachten. Es ist vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Gebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Auch bei der Prognose und Einschätzung gewisser der Allgemeinheit drohender Gefahren, zu deren Verhütung der Gesetzgeber meint tätig werden zu müssen, billigt ihm die Verfassung einen Beurteilungsspielraum zu. Diesen überschreitet er nur, wenn seine Erwägungen offensichtlich so fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können (vgl. BVerfGE 77, 84 <106>).
Hiervon ausgehend zeigt sich, dass alle als Alternativen zum Risikostrukturausgleich diskutierten Maßnahmen dessen Erforderlichkeit im verfassungsrechtlichen Sinn nicht in Frage stellen, denn insofern fehlt nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Einschätzung des Gesetzgebers jeweils zumindest die gleiche Wirksamkeit zur Zielerreichung. Schon der Endbericht der Enquete-Kommission "Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" (a.a.O., S. 201 ff.) zeigte verschiedene Organisationsmodelle für die gesetzliche Krankenversicherung und diverse Varianten für Finanzausgleiche mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen auf. Danach konnte der Gesetzgeber, der mit dem Gesundheitsstrukturgesetz einen der Reformvorschläge aufgegriffen hat, seine Einschätzung des zur Zielerreichung am besten geeigneten Modells auf Sachgründe von erheblichem Gewicht stützen. Anhaltspunkte für eine offensichtlich fehlerhafte Prognose sind nicht erkennbar.
aa) Der völlige Verzicht auf den Risikostrukturausgleich stellt nach der verfassungsrechtlich tragfähigen Einschätzung des Gesetzgebers kein zur Zielerreichung gleich geeignetes Mittel dar (a.A. Sodan/Gast, Der Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung als Verfassungsproblem, NZS 1999, S. 265 <273 ff.>). Weder ist das Ziel der Wirtschaftlichkeitsverbesserung allein durch den mit der Kassenwahlfreiheit eröffneten Kassenwettbewerb erreichbar, noch sind Kassenwahlfreiheit und Aufnahmezwang ausreichend, um die dem Solidarprinzip widersprechende Risikoselektion wirksam zu verhindern.
(1) Der Gesetzgeber des Gesundheitsstrukturgesetzes, der sich für den Erhalt des gegliederten Systems als Vorbedingung für einen Kassenwettbewerb ausgesprochen hatte, wollte mit dem Risikostrukturausgleich ein drohendes Kassensterben verhindern und Startchancengerechtigkeit für die künftigen Wettbewerber gewährleisten. Sein Wettbewerbsmodell ließ sich ohne Risikostrukturausgleich nicht Erfolg versprechend auf den Weg bringen.
Chancengleichheit zwischen den Kassen existierte zu Beginn der 90er Jahre nicht. Als Folge der historischen Entwicklung waren die Risikostrukturen in den verschiedenen Kassen höchst unterschiedlich (vgl. oben A I 1). Krankenkassen mit schlechter Risikostruktur und einem hierdurch bedingten hohen Beitragssatz standen Kassen mit weit überdurchschnittlich guter Risikostruktur und einem konkurrenzlos niedrigen Beitragssatz gegenüber. Es war zu befürchten, dass es in erheblichem Umfang Wanderungsbewegungen hin zu beitragssatzgünstigen Kassen geben werde. Die Einschätzung, dass bei gegebenem Wahlrecht und Aufnahmezwang nicht nur gute Risiken, sondern in erheblichem Umfang auch schlechte Risiken den Weg zu beitragssatzgünstigen Kassen mit der Folge einer hinreichenden Risikodurchmischung finden würden, musste der Gesetzgeber wegen der speziellen Wirkungszusammenhänge zwischen Beitragssatz und Wechselbereitschaft in der Realität der gesetzlichen Krankenversicherung nicht teilen. Es leuchtet ein, dass Beitragssatzunterschiede und damit finanzielle Aspekte eine wesentliche Motivation für einen Kassenwechsel darstellen. Wer jung und gesund ist und deshalb in seinem bisherigen Leben mit Krankheit und damit mit Krankenkassen kaum in Berührung kam und in absehbarer Zeit altersbedingt auch nicht in Berührung kommen wird, wer dazu noch gut verdient, für den sind Beitragssatzunterschiede ein erheblicher Anreiz zum Kassenwechsel. Wer alt und krank ist, die Betreuung durch seine gewohnte Krankenkasse schätzen gelernt hat, wer dazu auch über nur geringe beitragspflichtige Einnahmen verfügt und infolgedessen, was die absoluten Zahlen angeht, von höheren Beitragssätzen nur mäßig belastet wird, für den gibt es keinen hinreichenden Anreiz, seiner bisherigen Kasse den Rücken zu kehren. Daher wechseln vor allem gute Risiken aus finanziellen Gründen die Kasse. Sie haben auch unter Berücksichtigung von Transaktionskosten einen relativ hohen finanziellen Vorteil aus dem Wechsel; zudem spielen immaterielle Aspekte (Bindung zur gewohnten Kasse, Service- und Betreuungsangebote dieser Kasse) keine nennenswerte Rolle.
Ganz entscheidend tritt hinzu, dass es für drei gewichtige Mitgliedergruppen, die als ungünstige Risiken bezeichnet werden müssen, überhaupt keinen finanziellen Anreiz zum Kassenwechsel gab und zum Teil noch immer nicht gibt. Bei Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, die Sozialhilfe
oder Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen, übernimmt der Sozialhilfe- oder der Sozialversicherungsträger die Beitragslast. Für Rentner galt bis 1997 der durchschnittliche allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen; sie hatten immer denselben Beitrag zu entrichten, gleichgültig in welcher Krankenkasse sie versichert waren (vgl. § 247 Abs. 3 SGB V; Peters, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, März 2005, § 247 SGB V, Rn. 3).
So konnte etwa eine Krankenkasse, die aus historischen Gründen einen hohen Rentneranteil aufwies, nicht ernsthaft erwarten, dass sich an ihrer speziellen Belastungssituation durch die Einführung des Kassenwahlrechts etwas ändern werde. Da sie hingegen zu gewärtigen hatte, dass sie viele junge und gut verdienende Mitglieder nicht werde halten können, war für den Gesetzgeber absehbar, dass diese Kasse über kurz oder lang so hohe Beitragssätze würde festsetzen müssen, dass sie irgendwann auch die letzten guten Risiken verlieren würde. In letzter Konsequenz war damit zu rechnen, dass eine derartige Kasse aus dem Markt gedrängt wird, und zwar wegen ihrer ungünstigen Risikostruktur und nicht wegen ihrer Ineffizienz. Für das Gesundheitssystem als solches wäre das – massenweise – Ausscheiden von Kassen mit schlechter Risikostruktur ein unsinniges Nullsummenspiel, da die schlechten Risiken nicht zusammen mit den "schlechten" Kassen verschwinden, sondern bei anderen Kassen versichert werden müssen. Für das Wettbewerbskonzept des Gesetzgebers war das schnelle Ausscheiden vieler - eventuell sehr effizienter, aber risikostrukturschwacher - Marktteilnehmer überaus schädlich. Der Gesetzgeber wollte das gegliederte System mit einer gewissen Kassenvielfalt erhalten, an oligopolartigen Strukturen war ihm zu Recht nicht gelegen.
(2) Die Ziele der Wahrung des Solidarprinzips und der Wirtschaftlichkeitsverbesserung durch Wettbewerb waren nach der verfassungsrechtlich tragfähigen Einschätzung des Gesetzgebers nur unter den Bedingungen eines Risikostrukturausgleichs erreichbar.
Seine Prognose, Kassenwahlfreiheit und Aufnahmezwang seien ohne Flankierung durch einen Risikostrukturausgleich generell nicht hinreichend geeignet, solidaritätswidrige Risikoselektion zu verhindern, ist nicht fehlsam. Zwar kann der Aufnahmezwang die unmittelbare aktive Risikoselektion durch die Krankenkasse unterbinden; Anreize zu mittelbarer aktiver Risikoselektion durch die Kasse sowie passive Risikoselektion, also Selbstselektion der Versicherten, können aber durch einen Risikostrukturausgleich deutlich besser abgemildert werden. Ohne einen solchen Ausgleich gibt es starke Anreize für eine Krankenkasse, ihre finanzielle Situation durch Gewinnung guter Risiken und Abwehr schlechter Risiken zu verbessern. Trotz Aufnahmezwangs bestehen vielfältige Möglichkeiten für mittelbare Risikoselektion durch Werbe- und Marketingmaßnahmen der Krankenkassen. Ebenso bestehen starke Anreize für die Selbstselektion der guten Risiken, die durch den Aufnahmezwang nur wenig abgemildert werden. Es sind eben die guten Risiken, die die stärkste finanzielle Motivation haben, sich in kostengünstigen Teil-Versicherungskollektiven zusammenzufinden.
Der Risikostrukturausgleich ist nicht geeignet, alle Formen von Risikoselektion vollständig zu unterbinden. Er ist nach der von guten Gründen getragenen gesetzgeberischen Einschätzung aber generell besser geeignet, dieses Problems Herr zu werden, als das bloße Mittel des Aufnahmezwangs. Die Risikoselektion anhand äußerlicher, leicht feststellbarer Umstände, die bereits in den Risikostrukturausgleich eingeflossen sind, wie Alter und Geschlecht, ist zwar theoretisch möglich, finanziell aber uninteressant. Denn der Risikostrukturausgleich stellt sicher, dass die Kasse für das gute wie das schlechte Risiko jeweils den risikoäquivalenten Beitragsbedarf zugewiesen erhält. Für den 60-jährigen erhält die Kasse im Risikostrukturausgleich risikoentsprechend mehr Geld als für den
20-jährigen. Die Kasse hat daher keinen Grund, den 20-jährigen gegenüber dem 60-jährigen Versicherungsnehmer zu bevorzugen.
Deshalb können auch Krankenkassen, deren Mitglieder ein hohes Durchschnittsalter haben, einen wettbewerbsfähigen Beitragssatz anbieten (vgl. Becker/Messemer/Nederegger/Weidinger, a.a.O., S. 41 am Beispiel der Bundesknappschaft). Anders ist die Situation ohne Risikostrukturausgleich.
bb) Den Risikostrukturausgleich unbefristet vorzusehen, ist ebenfalls zur Zielerreichung erforderlich. Dessen Befristung ist kein gleich geeignetes Mittel (a.A. Gohla, a.a.O., S. 262 ff.). Die zur Frage des Verzichts auf einen Risikostrukturausgleich angestellten Überlegungen kommen hier ebenfalls zum Tragen. Selbst wenn es in der Phase der anfänglichen Geltung eines Risikostrukturausgleichs zu einer Risikodurchmischung, also zu einer Angleichung der historisch bedingt unterschiedlichen Risikostrukturen der Kassen gekommen wäre, entspricht die Situation, die nach Ablauf der Geltungsfrist für den Risikostrukturausgleich eintritt, genau der Situation, die kennzeichnend ist für ein Wettbewerbssystem ohne Risikostrukturausgleich. Es bestehen Anreize zur Risikoselektion und damit zu einem Risikoselektionswettbewerb (vgl. Endbericht der Enquete-Kommission, S. 204), was die Verfehlung der gesetzlichen Hauptziele erwarten lässt.
cc) Um jedenfalls nicht gleich geeignete Mittel geht es bei Reformvorschlägen die für Belastungsobergrenzen plädieren. Anlass für entsprechende Kritik am geltenden Recht sind die zum Teil sehr hohen Ausgleichsverpflichtungen, denen sich einzelne Kassen ausgesetzt sehen. Ungeachtet der Details wollen die Reformvorschläge im Wesentlichen Ausgleichspflichten und Ausgleichsansprüche in ihrer Höhe pauschal um einen bestimmten Prozentsatz kappen (vgl. Ramsauer, Der Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung - verfassungswidrig?, NJW 1998, S. 481 ff.).
Aus verfassungsrechtlichen Gründen war der Gesetzgeber nicht gehalten, derartigen Reformüberlegungen näher zu treten, weil nicht ersichtlich ist, wie mit Belastungsobergrenzen die Tauglichkeit des Risikostrukturausgleichs zur Wahrung des Solidarprinzips erhalten oder gar verbessert werden kann. Hohe Transfersummen im Risikostrukturausgleich sind kein Indikator für dessen Versagen, sondern für dessen Notwendigkeit. Sie zeigen an, wie unterschiedlich die Verteilung der Versicherten nach den ausgleichserheblichen Kriterien zwischen den einzelnen Krankenkassen nach wie vor ist. Transferobergrenzen bedeuten deshalb, dass diese Risikostrukturunterschiede in einem bestimmten Ausmaß erhalten bleiben. Eine Auseinanderentwicklung der Beitragssätze wäre die Folge. Wenn es die gesetzliche Zielsetzung ist, alle Kassen in gleichem Umfang an den Solidarlasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu beteiligen, dann geht es nicht an, einer Kasse mit günstiger Risikostruktur ihre hieraus resultierenden systemwidrigen Kostenvorteile auch nur in Höhe eines pauschalen Prozentsatzes zu belassen.
Auch wenn im Einzelfall ausgleichsverpflichtete Kassen höhere Beitragssätze als ausgleichsberechtigte festsetzen müssen, legitimiert dies nicht automatisch die verfassungsrechtliche Forderung nach Einführung einer Belastungsobergrenze. Denn nach der Konzeption des Risikostrukturausgleichs kann es zu derartigen Erscheinungen kommen, ohne dass hierdurch die Sachgerechtigkeit des gesetzlichen Systems in Frage gestellt wird. Wenn eine Krankenkasse über eine gute Risikostruktur verfügt, aber ein schlechtes Kostenmanagement betreibt, etwa Satzungs- und Ermessensleistungen im größtmöglichen Umfang gewährt und ihre Verwaltungskosten nicht im Griff hat, dann werden ihr die risikostrukturbedingten Kostenvorteile im Risikostrukturausgleich vollständig genommen, mit den finanziellen Folgen ihrer eigenen (Fehl-)Entscheidungen bleibt die Kasse aber auf Dauer belastet. Das kann dazu führen, dass eine Kasse mit leicht unterdurchschnittlich guter Risikostruktur, aber hoher Effizienz und geringer Verwaltungskostenbelastung nach Durchführung des Risikostrukturausgleichs besser gestellt ist als die erstgenannte Kasse.
Auch die allgemeinen Unwägbarkeiten des Versicherungsgeschäfts, von denen einzelne Kassen unterschiedlich stark betroffen sein können, werden im Risikostrukturausgleich nicht ausgeglichen, was zu auf den ersten Blick fragwürdigen Beitragssatzrelationen führen kann. Im praktischen Ergebnis wird der konkrete Beitragssatz einer bestimmten Krankenkasse also von kaum überschaubaren Faktoren und Ursachen bestimmt. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, all diese Faktoren aufzugreifen, damit in jedem Einzelfall die gerechtesten Beitragssätze für alle Kassen erreicht werden.
dd) Die Errichtung einer Einheitskrankenkasse stellt kein milderes Mittel dar.
Verfassungsrechtlich ist der Gesetzgeber weder verpflichtet noch gehindert, alle Krankenkassen zu einem einzigen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zusammenzufassen (vgl. BVerfGE 39, 302 <315>; 89, 365 <377>). Der Solidarausgleich vollzöge sich zwar innerhalb einer "Bundeskrankenkasse" von selbst, der Kassenwettbewerb bliebe dann jedoch auf der Strecke. Der Gesetzgeber verfolgt mit der Organisationsreform im Gesundheitsstrukturgesetz das legitime Ziel, innerhalb des
überkommenen gegliederten Systems Wirtschaftlichkeitsverbesserungen durch Kassenwettbewerb zu erreichen. Abgesehen davon, dass für die Beibehaltung des gegliederten Systems eigenständige Sachgründe von hohem Gewicht sprechen (vgl. BVerfGE 89, 365 <377>), ist eine Einheitskrankenkasse nach der Einschätzung des Gesetzgebers nicht geeignet, hinreichende Anreize für Effizienzverbesserungen zu setzen. Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, dass kleinere Einheiten mit eigenem Wirtschaftlichkeitsanreiz im Wettbewerb sparsamer wirtschaften als große ohne einen solchen Anreiz. Schließlich würde mit einer Einheitskrankenkasse das Wahlrecht der Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung beseitigt, was deren Handlungsfreiheit im Gesundheitsbereich über den bestehenden Versicherungszwang hinaus noch weiter einschränken würde.
ee) Die Zahlung von Bundeszuschüssen gemäß Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG an einzelne Krankenkassen mit schlechter Risikostruktur kommt als milderes Mittel nicht in Betracht.
Die mit Bundeszuschüssen verbundene Belastung der Allgemeinheit führt nicht zu einer gebotenen Belastungsminderung, sondern zu einer Belastungsverlagerung. Das mildere Mittel muss zur Zielerreichung gleich geeignet sein, es darf aber Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belasten (vgl. Jarass, a.a.O., Art. 20, Rn. 85; vgl. auch BVerfGE 103, 172 <183 f.>).
ff) Ein so genannter regionalisierter Risikostrukturausgleich ist weniger gut geeignet, Belastungsgleichheit im Hinblick auf die den Solidarausgleich prägenden Faktoren herzustellen, als ein bundesweit durchgeführter Finanzausgleich.
Die Schwäche regional durchgeführter Finanzausgleiche ist offenkundig. Abgesehen vom ungelösten Problem der adäquaten Abgrenzung der maßgeblichen Regionen, bedeutet ein regionalisierter Risikostrukturausgleich, dass interregionale Transfers entfallen, regionale Risikostrukturunterschiede, etwa eine von Land zu Land abweichende Arbeitslosenquote, erhalten bleiben und mit ihnen regionale Beitragssatzunterschiede. Da bei einem regionalisierten Risikostrukturausgleich vor allem kein bundesweiter Ausgleich der beitragspflichtigen Einnahmen erfolgt, werden wirtschaftlich prosperierende Regionen im Vergleich zum Status quo besser gestellt. In wirtschaftsschwachen Regionen wären die Kassen entweder gezwungen, ihre Beitragssätze - und damit die Lohnnebenkosten - zu erhöhen oder das medizinische Versorgungsniveau abzusenken (zum regionalisierten Risikostrukturausgleich vgl. Wille/U.Schneider, a.a.O., S. 23 <29 f., 35 ff.>).
gg) Änderungen bei den Leistungsgesetzen stellen entgegen dem Vorbringen der Antragstellerinnen kein taugliches Mittel dar. Veränderungen im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung entlasten flächendeckend alle Krankenkassen, ohne an den risikostrukturbedingten Finanzkraft- und Beitragsbedarfsunterschieden zwischen den Kassen etwas zu ändern.
d) Mit dem Risikostrukturausgleich hat der Gesetzgeber eine angemessene Maßnahme ergriffen.
Angemessenheit ist gegeben, wenn die Maßnahme nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Zweck steht. Die Betroffenen dürfen nicht übermäßig oder unzumutbar belastet werden (vgl. BVerfGE 96, 10 <21>). Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze des Zumutbaren gewahrt bleiben (vgl. BVerfGE 83, 1 <19>).
Der Risikostrukturausgleich führt nicht zu übermäßigen und damit unzumutbaren Belastungen der Mitglieder von ausgleichsverpflichteten Kassen, selbst wenn die Ausgleichsverpflichtung im Einzelfall sehr hoch sein sollte. Die Belastung der Mitglieder ausgleichsverpflichteter Kassen mit den typischen Solidarlasten dient der kassenübergreifenden Umsetzung des sozialen Ausgleichs. Der Risikostrukturausgleich nimmt daher an der grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Legitimität des sozialen Ausgleichs teil.
Seine innere Rechtfertigung erfährt der soziale Ausgleich nicht zuletzt durch den Gedanken der Vorteilsgewährung (vgl. oben C IV 4 a). Die mit dem sozialen Ausgleich einhergehenden finanziellen Belastungen für die so genannten guten Risiken können danach nicht isoliert gewürdigt und etwa auf Angemessenheit geprüft werden, ohne die der Belastung korrespondierende Gegenleistung in die Betrachtung einzubeziehen. Das gute Risiko mag zwar seine aktuelle Solidarbelastung als unzumutbar hoch empfinden, es erwirbt aber für die gesamte Zeit der auf Dauer angelegten Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung den grundsätzlich wertgleichen Gegenanspruch auf solidarisch finanzierten Krankenversicherungsschutz gegen die übrigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Es ist praktisch unmöglich, Belastung durch den und Vorteil aus dem Solidarsystem quantifizierend gegenüberzustellen und so zum Gegenstand einer in Zahlen oder Prozentsätzen ausgedrückten Abwägung von Vor- und Nachteilen der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zu machen. Die Möglichkeit des Rollenwechsels, also die Möglichkeit, als Belasteter des sozialen Ausgleichs dessen Begünstigter werden zu können, relativiert jede aktuelle finanzielle Belastung. Damit stehen die mit der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung verbundenen Belastungen nicht außer Verhältnis zu den aus der Mitgliedschaft erwachsenden Vorteilen.
Die Angemessenheit der Belastung bestimmter Versichertengruppen, also Krankenkassen, mit Solidarpflichten durch den Risikostrukturausgleich ist entsprechend derjenigen des einzelnen Mitglieds der gesetzlichen Krankenversicherung zu beurteilen. Die Solidarbelastung wird lediglich auf einer überindividuellen Ebene hergestellt. Der Solidarverband wird erweitert, wodurch sich insgesamt nicht nur die Pflichten und Lasten, sondern auch die Vorteile vergrößern. Wenn also die Mitglieder einer bestimmten Kasse aufgrund des Risikostrukturausgleichs einen um wenige Prozentpunkte erhöhten Beitragssatz zahlen müssen, weil sie gemessen am Durchschnitt der gesetzlichen Krankenversicherung gute Risiken darstellen, dann steht diese Belastung nicht außer Verhältnis zu dem vom Risikostrukturausgleich verfolgten Zweck, jedem Versicherten, gleich wo er versichert ist, die gleiche medizinische Versorgung zu Preisen, die der jeweiligen individuellen Leistungsfähigkeit entsprechen, zukommen zu lassen.
Soweit schließlich die Unangemessenheit und Unzumutbarkeit des Risikostrukturausgleichs pauschal mit dessen beträchtlichen finanziellen Auswirkungen bei einzelnen ausgleichsverpflichteten Kassen begründet wird (vgl. Sodan/Gast, a.a.O., S. 71 ff.), findet dies im allgemeinen Gleichheitssatz keine Grundlage. Die Transfersummen verdeutlichen lediglich das bestehende Ausmaß an Ungleichheit in der Verteilung der Solidarlasten zwischen den verschiedenen Kassen sowie zwischen ihren jeweiligen Mitgliedern (vgl. oben C V 2 c cc). Ohne Risikostrukturausgleich, das zeigen Berechnungen (Jacobs u.a., Gutachten, S. 31 ff.), würden die Beitragssätze der Kassen weit auseinander liegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf gerade ein solcher Zustand verfassungsrechtlicher Rechtfertigung, nicht aber das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel der gleichmäßigen Verteilung der Solidarlasten (vgl. BverfGE 89, 365 <375 ff.>).
VI.
Eine Verletzung des rechtsstaatlichen Gleichbehandlungsgebots liegt weder in Bezug auf die Länder noch im Verhältnis der Krankenkassen zueinander vor.
Das Willkürverbot dient als objektives Rechtsprinzip auch dann als Prüfungsmaßstab für eine Norm, wenn Grundrechtsträger nicht betroffen sind. Es erlangt damit auch Geltung gegenüber öffentlich-rechtlichen Körperschaften, soweit diese nicht grundrechtsfähig sind (vgl. BVerfGE 86, 148 <251>; 89, 132 <141>).
In Bezug auf die Länder fehlt es schon an einer Ungleichbehandlung. Denn deren Rechtsstellung wird durch den Risikostrukturausgleich nicht berührt (vgl. oben C III 2).
Die nicht grundrechtsfähigen Krankenkassen werden durch die Begründung von Ausgleichspflichten oder Ausgleichsansprüchen zwar ungleich behandelt, doch genügen die §§ 266, 267 SGB V selbst den strengeren Rechtfertigungsanforderungen der grundrechtlichen Gleichheitsprüfung, so dass ein Verstoß gegen das Willkürverbot ausscheidet.
Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerinnen ist eine gleichheitswidrige Doppelbelastung der so genannten Erstreckungskassen nicht ersichtlich.
VII.
Eine Verletzung anderer Grundrechte ist nicht ersichtlich. Ob der Risikostrukturausgleich in den Schutzbereich von Freiheitsgrundrechten eingreift, kann dahinstehen. Es sind keine rechtlichen Gesichtspunkte erkennbar, die zu Maßstäben führen könnten, die in ihren Anforderungen über die strenge Prüfung verhältnismäßiger Gleichheit hinausgehen.
D.
Das Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 10. Dezember 2001 (im Folgenden: Reformgesetz) ist förmlich und sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG). Der Normenkontrollantrag vom 21. Januar 2003 ist nicht begründet.
Da im Normenkontrollantrag im Wesentlichen gerügt wird, mit dem Reformgesetz würden bestehende Verfassungsverletzungen intensiviert, beschränkt sich der Senat angesichts der Verfassungskonformität des Risikostrukturausgleichs auf wenige erörterungswürdige Aspekte der Neuregelung.
I.
261Die Einführung des direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs gibt zu verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlass. Dem Gesetzgeber kommt ein erheblicher sozialpolitischer Gestaltungsspielraum zu, den er mit dem Reformgesetz nicht überschritten hat.
Der gegenwärtige Risikostrukturausgleich ist wegen seiner mittelbaren Morbiditätsorientierung nur bedingt in der Lage, den Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken zu gewährleisten (vgl. oben C V 2 b aa (2)). Andererseits streitet der Gesichtspunkt der Praktikabilität, dem angesichts des jetzt schon erreichten Komplexitätsgrades des Risikostrukturausgleichs große Bedeutung zukommt, gegen eine Berücksichtigung vieler zusätzlicher Ausgleichsfaktoren. Zwischen diesen Polen hatte der Gesetzgeber eine Entscheidung zu treffen. Diese ist in Gestalt des Reformgesetzes gefallen. Der Gesetzgeber verfolgt mit der direkten Morbiditätsorientierung legitime Ziele, weil er hierdurch den Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken verbessern und insbesondere Risikoselektion zulasten von – chronisch – Kranken vermeiden will. Zugleich schreibt er Praktikabilität und Kontrollierbarkeit als wesentliche Systemvoraussetzungen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs fest (§ 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V).
Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Reformgesetzes, spricht nichts für eine offensichtlich fehlsame Prognose des Gesetzgebers. Die wissenschaftlichen Untersuchungen, die im Vorfeld durchgeführt worden waren, können auf international bereits praktizierte Finanzausgleichsverfahren mit direkter Morbiditätsorientierung verweisen. Sie gelangen unter sorgfältig abwägender Bewertung der für und gegen ein direkt morbiditätsorientiertes Konzept sprechenden Gesichtspunkte zur Auffassung, dass die Fortentwicklung des Risikostrukturausgleichs grundsätzlich möglich und Erfolg versprechend ist (Jacobs u.a., Gutachten, S. 69 ff., insbesondere S. 82 ff.). Nach weit verbreiteter Auffassung im nationalen wie internationalen gesundheitsökonomischen Schrifttum lassen sich mit einem Finanzausgleichskonzept mit direkter Morbiditätsorientierung die gesetzten Ziele am besten erreichen (vgl. den zusammenfassenden Überblick bei Schneider, Wissenschaft in vielem einig, Gesundheit und Gesellschaft, Ausgabe 2/2001, S. 20 f.).
Die zwischenzeitlich mit der wissenschaftlichen Untersuchung gemäß § 268 Abs. 2 Satz 5 SGB V in der Fassung des Reformgesetzes beauftragten Gutachter kommen in ihrem Endbericht "Klassifikationsmodelle für Versicherte im Risikostrukturausgleich" ebenfalls zu der Einschätzung, dass es internationale Modelle direkter Morbiditätsorientierung gibt, die sich den Gegebenheiten der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung anpassen lassen und die weitere aus Sicht der Gutachter unverzichtbare Anforderungen an ein praktikables Finanzausgleichsmodell erfüllen. Sie empfehlen konkret, den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich auf der Basis des Modells RxGroups+IPHCC in prospektiver Ausgestaltung vorzunehmen. Danach sind die Versicherten anhand der Krankenhausdiagnosen und Arzneimittelinformationen des Vorjahres einzustufen und die standardisierten Leistungsausgaben anhand der Leistungsausgaben des laufenden Ausgleichsjahres zu ermitteln (Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH
II.
265Gegen die Einführung des so genannten Risikopools ist aus verfassungrechtlicher Sicht nichts einzuwenden.
Beim Risikopool (§ 269 SGB V) handelt es sich lediglich um einen den Risikostrukturausgleich ergänzenden Finanzausgleich zur solidarischen Verteilung der Lasten besonders aufwändiger Leistungsfälle (vgl. auch § 265 SGB V, wonach ein freiwilliger, kassenartinterner Finanzausgleich für aufwändige Leistungsfälle auch bisher schon möglich war). Die mit der Untersuchung der Wirkungen des Risikostrukturausgleichs beauftragten Gutachter haben die Einführung eines solchen Pools aus wohlerwogenen Gründen ausdrücklich als Zwischenlösung für die Zeit bis zur Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs empfohlen (Jacobs u.a., Gutachten, S. 96 und S. 113 ff.). Zwar handelt es sich beim Risikopool um einen Ausgabenausgleich, also um eine Form des Finanzausgleichs, der im Allgemeinen eine ausgabentreibende Wirkung nachgesagt wird. Diesem Nachteil stehen jedoch Vorteile gegenüber.
Da Krankenkassen, die überdurchschnittlich viele Versicherte mit hohen und höchsten Leistungsausgaben versichern, bislang im Risikostrukturausgleich Beitragssatznachteile zu verzeichnen hatten, weil die überdurchschnittliche Risikobelastung durch die Faktoren Geschlecht, Alter und Bezug einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit nicht abgebildet werden konnte, war der Gesetzgeber zum Handeln berechtigt. Denn die Vermeidung von Beitragssatzverzerrungen wegen unterschiedlich hoher krankheitsbedingter Risikobelastungen der Krankenkassen war zur Wahrung des Solidarprinzips erforderlich. Der Gesetzgeber musste die Zeit bis zur Einführung eines direkt morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs überbrücken. Deshalb entschloss er sich zu einem ergänzenden Finanzausgleich für besonders aufwändige Leistungsfälle. Der Gesetzgeber hatte demnach eine Abwägung zwischen den Zielen der Wahrung des Solidarprinzips und der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit vorzunehmen.
Verfassungsrechtlich ist seine Entscheidung nicht zu beanstanden, da er der ausgabentreibenden Wirkung eines Ausgabenausgleichs durch eine besondere Ausgestaltung des Risikopools entgegen getreten ist. So kommt es überhaupt erst zur Ausgleichung, wenn der Schwellenwert von rund 20.000 Euro überschritten wird. Der den Schwellenwert übersteigende Betrag wird zudem nur in Höhe von 60 vom Hundert erstattet, die Krankenkasse muss 40 vom Hundert der den Schwellenwert übersteigenden Kosten also selbst tragen. Deshalb bleiben hinreichende Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten bestehen (vgl. im Einzelnen § 269 Abs. 1 SGB V).
III.
Das Grundgesetz hinderte den Gesetzgeber nicht, strukturierte Behandlungsprogramme in der gesetzlichen Krankenversicherung zu etablieren.
Mit den strukturierten Behandlungsprogrammen (§§ 137f, 137g SGB V) soll die Versorgungssituation chronisch kranker Menschen verbessert, also ein legitimes Gemeinwohlziel verfolgt werden. Die nur mittelbare Morbiditätsorientierung des alten Risikostrukturausgleichs führte dazu, dass keine Anreize für Kassen gesetzt wurden, sich gerade um chronisch kranke Versicherte zu bemühen. Im Gegenteil musste eine Kasse nach altem Recht gewärtigen, finanziell noch dafür bestraft zu werden, wenn sie viele chronisch kranke Menschen wegen attraktiver Versorgungsprogramme anzog (vgl. oben C V 2 b aa (2)). Mit der gesonderten Berücksichtigung der Aufwendungen einer Kasse für die Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms im Risikostrukturausgleich (vgl. § 267 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 3 Satz 3 SGB V i.d.F. des Reformgesetzes) soll dieser Mangel abgestellt werden. Den Kassen wird ein spezieller Beitragsbedarf für ihre Aufwendungen zur Durchführung der strukturierten Behandlungsprogramme im Risikostrukturausgleich zugewiesen, so dass sie jetzt einen finanziellen Anreiz haben, derartige Programme aufzulegen und so die Qualität der Versorgung chronisch kranker Menschen zu verbessern. Da sich nur chronisch Kranke in ein derartiges Programm einschreiben können, indiziert die vollzogene Einschreibung den signifikant höheren Risikostatus dieser Versichertengruppe. Die Morbidität der Versicherten kann - neben den Merkmalen Alter, Geschlecht, Rentenbezug - etwas besser abgebildet werden. Der kassenübergreifende Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken kann damit sachgerechter durchgeführt werden. Ob sich die Versorgungssituation chronisch kranker Menschen verbessern wird, bleibt abzuwarten (zur aktuellen Diskussion um die Wirksamkeit strukturierter Behandlungsprogramme vgl. Rabbata, Disease-Management-Programme. Nebenwirkungen unklar, Deutsches Ärzteblatt, Heft 43/2004, S. 2304); jedenfalls fehlen gegenwärtig Anhaltspunkte für eine offensichtlich fehlsame Prognose des Gesetzgebers.
IV.
Die Kostentragungsregelung in § 137g Abs. 1 Satz 8 SGB V ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Die Krankenkassen können strukturierte Behandlungsprogramme nicht "frei" entwickeln und ihren Versicherten anbieten. Vielmehr müssen sie bestimmte inhaltliche Voraussetzungen erfüllen und in formeller Hinsicht die Zulassung des Bundesversicherungsamts einholen (vgl. § 137g Abs. 1 SGB V). Dieses hat für die Bescheiderteilung eine kostendeckende Gebühr zu erheben (§ 137g Abs. 1 Satz 8 SGB V). Die Gebühr fällt bei allen antragstellenden Kassen an, gleichgültig, ob es sich um bundes- oder landesunmittelbare Versicherungsträger handelt. Soweit dem Bundesversicherungsamt im Zusammenhang mit der Zulassung strukturierter Behandlungsprogramme durch Gebühren nicht gedeckte Vorhaltekosten entstehen, sind diese im Risikostrukturausgleich durch Erhöhung des Ausgleichsbedarfssatzes von den Kassen zu finanzieren (§ 137g Abs. 1 Satz 11 SGB V).
Diese Kostentragungsregelungen verstoßen nicht gegen Art. 104a Abs. 1 und Abs. 5 GG. Denn Art. 104a GG findet in Bezug auf die Finanzmittel der Krankenkassen keine Anwendung.
Art. 104a Abs. 1 und Abs. 5 GG wollen verhindern, dass der Bund ein Land zwingt oder sonst veranlasst, Zweckausgaben des Bundes (Abs. 1) oder Verwaltungskosten von Bundesbehörden (Abs. 5) zu übernehmen. Die durch § 137g Abs. 1 SGB V in die Pflicht genommenen landesunmittelbaren Krankenkassen sind jedoch nicht mit dem finanzverfassungsrechtlichen Begriff des Landes (bzw. einer Landesbehörde) gleichzusetzen. Die Gebührenvorschrift belastet weder ein Land (im engeren Sinne) noch eine Landesbehörde, sondern allein einen Sozialversicherungsträger, der außerhalb der von Art. 104a ff. GG geregelten finanzwirtschaftlichen Beziehung des Bundes zu den Ländern steht. Auf Sozialversicherungsträger sind trotz ihrer Zugehörigkeit zur mittelbaren Staatsverwaltung die allgemeinen Regelungen der Finanzverfassung nicht anwendbar (vgl. oben C II). Das gesamte Finanzgeschehen der Sozialversicherung wird vom Bund durch seine Gesetzgebungs- (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG), Verwaltungs- (Art. 87 Abs. 2 GG) und Finanzierungskompetenz (Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG) beherrscht. Die bundesrechtliche Regelung in § 137g Abs. 1 SGB V entzieht den landesunmittelbaren Krankenkassen Beitragsmittel. In dieser Wirkung unterscheidet sich die Gebührenvorschrift jedoch nicht von §§ 266 ff. SGB V.
V.
Die Verordnungsermächtigungen in § 268 Abs. 2 Satz 1 SGB V und in § 266 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 137f Abs. 2 SGB V genügen den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Inhalt, Zweck und Ausmaß sind hinreichend bestimmt.
1. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen im Gesetz bestimmt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Bestimmtheitsgebot in ständiger Rechtsprechung konkretisiert. Danach soll sich das Parlament seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Die Ermächtigung muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, wenn sich die dort geforderte Bestimmtheit durch Auslegung nach den allgemein gültigen Auslegungsmethoden ermitteln lässt. Auch die Entstehungsgeschichte der Norm kann herangezogen werden. Welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, ist von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität der Maßnahme abhängig. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss vor allem der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird. Greift die Regelung erheblich in die Rechtsstellung des Betroffenen ein, so müssen höhere Anforderungen an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden, als wenn es sich um einen Regelungsbereich handelt, der die Grundrechtsausübung weniger tangiert (vgl. m.w.N. BVerfGE 58, 257 <277 f.>; 80, 1 <20 f.>).
2. Diesen Maßstäben wird § 268 Abs. 2 SGB V gerecht.
Die Vorschrift betrifft unter anderem die inhaltliche Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs zu einem direkt morbiditätsbezogenen Ausgleichsverfahren. Aus dem Gesetz lässt sich ermitteln, welches vom Gesetzgeber gesetzte Programm durch die Rechtsverordnung erreicht werden soll.
Ziele und Zwecke der Ermächtigung hat der Gesetzgeber im Reformgesetz deutlich vorgegeben. Dieses verfolgt mit den Morbiditätsfaktoren, entgegen der Meinung der Antragstellerinnen, keine widersprüchlichen oder unbestimmten Zielsetzungen. Es verfolgt nach wie vor den Zweck, die finanziellen Auswirkungen bestimmter Faktoren, die für den Solidarausgleich prägend sind, auszugleichen und insoweit Beitragssatzgleichheit zu erreichen. Mit diesem Ziel verknüpft ist die Intention, solidaritätswidrige Risikoselektion einzudämmen (vgl. § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Durch die Nichtausgleichung sonstiger Faktoren sollen zudem Wirtschaftlichkeitsverbesserungen unter Inkaufnahme hieraus resultierender Beitragssatzunterschiede erreicht werden (vgl. § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V). Die Verfolgung dieser beiden Hauptziele ist nicht widersprüchlich (vgl. oben C V 2 a cc). Mit dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich will der Gesetzgeber lediglich sicherstellen, dass der Solidarausgleich zwischen Gesunden und Kranken verbessert wird. Daher sollen die tatsächlichen Gesundheitszustände der Versicherten genauer erfasst werden als bisher. Aus dem Gesetz und seiner Entstehungsgeschichte (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks 14/6432, S. 8 f., 14 f.) geht damit deutlich hervor, zur Verfolgung welchen Zwecks der Verordnungsgeber von der Ermächtigung Gebrauch machen soll.
Auch die inhaltlichen Modalitäten der Verordnung werden im Gesetz mit hinreichender Bestimmtheit vorgegeben. Schon aus dem Wortlaut des Gesetzes gehen alle wesentlichen Strukturmerkmale des "neuen" Risikostrukturausgleichs hervor. Er bleibt, wie bisher (vgl. § 268 Abs. 1 Satz 2 SGB V), kassenübergreifend, obligatorisch bundesweit durchgeführt und zeitlich unbegrenzt. Der finanziell bedeutsame Finanzkraftausgleich bleibt unangetastet. Die Finanzkraft wird weiterhin auf der Grundlage der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder und des Ausgleichsbedarfssatzes und der Beitragsbedarf auf der Grundlage standardisierter Leistungsausgaben ermittelt. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Risikostrukturausgleich auch nach seiner Weiterentwicklung keine tatsächlichen Ausgaben, sondern standardisierte Risikobelastungen der Krankenkassen ausgleicht (vgl. § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V).
Lediglich bei der Festlegung der Ausgleichsfaktoren und damit der Kriterien der Versichertengruppenbildung gibt es eine Änderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand. Die indirekten Morbiditätsindikatoren wie Alter und Geschlecht werden durch neue Klassifikationskriterien ersetzt. Allein auf diesen eher schmalen Bereich des künftigen Risikostrukturausgleichs bezieht sich die Verordnungsermächtigung des § 268 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Und selbst in diesem Bereich macht der Gesetzgeber klare Vorgaben: Die Morbidität der Versicherten ist unmittelbar auf der Grundlage der in § 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V aufgeführten Kriterien zu berücksichtigen. Aus der im Rahmen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG bedeutsamen Entstehungsgeschichte der Norm geht hervor, wie man sich die Versichertengruppenbildung aufgrund von Diagnosen und Indikationen dem Grunde nach vorzustellen hat (vgl. hierzu Jacobs u.a., Gutachten, S. 69 ff.). Die Detailfragen durfte der Gesetzgeber der Exekutive zur Beantwortung überlassen. Die weiteren in § 268 Abs. 1 Satz 1 SGB V genannten Maßstäbe für den Verordnungsgeber sind deutlich ausformuliert und lassen sich unschwer in wechselseitige Übereinstimmung bringen, sind also durchaus nicht widersprüchlich. So sind etwa nur solche Diagnoseinformationen als Klassifikationsmerkmale geeignet, die leicht verfügbar sind und die kontrolliert werden können (§ 268 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V).
Was die Vorhersehbarkeit der gesetzlichen Ermächtigung anbelangt, so mag es zwar für den Bürger schwer einzuschätzen sein, welchen konkreten Inhalt die aufgrund der Ermächtigung erlassene Verordnung haben kann. Das liegt aber nicht an der mangelnden Bestimmtheit der Verordnungsermächtigung, sondern an der Komplexität der Materie selbst. Im Hinblick auf die künftigen Adressaten der Vorschrift, die Krankenkassen, ist der Inhalt, den eine Rechtsverordnung haben könnte, ausreichend gesetzlich vorgeprägt. Die betroffenen Krankenkassen können aufgrund ihrer besonderen Sachkunde und der ihnen eingeräumten erheblichen Beteiligungsrechte (vgl. § 268 Abs. 2 Satz 2 SGB V) erkennen, welches Programm mit der Verordnung mit welcher Tendenz verwirklicht werden wird.
3. Die in § 266 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 137f Abs. 2 SGB V enthaltene Verordnungsermächtigung betrifft die Ausgestaltung der strukturierten Behandlungsprogramme, deren Kosten im Risikostrukturausgleich gesondert berücksichtigt werden.
Die Ermächtigung ist hinreichend bestimmt. Zieht man die Entstehungsgeschichte der Norm zur Auslegung der Ermächtigung heran, dann geht aus dem Gesetz klar hervor, welches vom Gesetzgeber gesetzte Programm durch die Rechtsverordnung erreicht werden soll.
Der Zweck der Ermächtigungsnorm ist eindeutig. Mit den strukturierten Behandlungsprogrammen soll die Versorgung chronisch kranker Menschen verbessert werden. Worum es beim so genannten Disease-Management genau geht und welche chronischen Erkrankungen aus Sicht des Gesetzgebers in Betracht kommen, ist der Gesetzesbegründung zu entnehmen (BTDrucks 14/6432, S. 1, 10, 11). Diese verweist ausdrücklich auf die wissenschaftlichen Untersuchungen, die dem Reformgesetz zugrunde lagen (vgl. Lauterbach/Wille, Gutachten, S. 116 ff.). Die Ermächtigungsnorm enthält die abstrakten Maßstäbe für die Auswahl der Krankheiten. So nimmt etwa das Kriterium der Zahl der von der Krankheit betroffenen Versicherten (§ 137f Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V) auf den Gesichtspunkt der Krankheitsprävalenz Bezug. Disease-Management gilt nur bei solchen Krankheiten als sinnvoll, die, wie etwa Diabetes Mellitus, in der Bevölkerung sehr häufig vorkommen (vgl. Lauterbach/Wille, Gutachten, S. 151, 154). Die anderen im Gesetz genannten Kriterien sind ebenfalls hinreichend bestimmt. Es geht bei den strukturierten Behandlungsprogrammen nicht zuletzt auch um Kosteneinsparungen durch Verbesserung der Krankenversorgung (Lauterbach/Wille, Gutachten, S. 144 f., 152 ff.). Dem entspricht das Kriterium des hohen finanziellen Behandlungsaufwandes (§ 137f Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V).
Der Regelungsbereich des § 137f SGB V hat keine besondere grundrechtliche Bedeutung. Für den unmittelbar regelungsbetroffenen Personenkreis, die chronisch kranken Versicherten, ist die Einschreibung in ein strukturiertes Behandlungsprogramm ohnehin freiwillig (§ 137g Abs. 3 Satz 1 SGB V). Die gesonderte Berücksichtigung der Kosten dieser Programme im Risikostrukturausgleich beeinflusst lediglich die Beitragssatzrelationen zwischen den Kassen und führt so zu einer mittelbaren Belastung der Beitragszahler in Höhe des Arbeitnehmeranteils.
VI.
Eine Verletzung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebots durch das Gesetz zur Reform des Risikostrukturausgleichs ist nicht ersichtlich.
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