Zerlegung einer Gegendarstellung in zwei Teile, echte Frage

Gericht

LG Offenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

27. 10. 2006


Aktenzeichen

3 O 399/06


Tenor

  1. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

  2. Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Antragsteller kann die Vollstreckung der Antragsgegnerin aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand


Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob die Antragsgegnerin zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet ist. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Antragsgegnerin verlegt - unter anderem - die ... . Die Ausgabe Nr. ... vom 30.09.2006 enthält auf der Titelseite - mit einem Verweis auf Seite ... des Innenteils - die Schlagzeile:

D... B...
Zurück zu V...?
War E... all
die Jahre nur eine
Lückenbüßerin?

Im Innenteil (Seite 60) befindet sich die vom Antragsteller auch beanstandete Passage:

Er kommt von V...
einfach nicht los
Seit der Pop-Titan von der Werbe-Ikone verlassen wurde,
sucht er verzweifelt nach einer Doppelgängerin von V... .

Zu den weiteren Einzelheiten der Darstellung wird auf Anlageheft I 1, 3 Bezug genommen.

Mit Anwaltschreiben vom 10.10.2006 (Anlagenheft I 7, 17) ließ der Antragsteller die Antragsgegnerin zum Abdruck einer Gegendarstellung (Anlageheft II 1) auffordern, was jene mit Anwaltschreiben vom 11.10.2006 (Anlageheft I 25) ablehnte. In der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2006 hat der Antragsteller seinen in der Antragschrift vom 13.10.2006 angekündigte Antrag wie folgt zur Entscheidung gestellt:

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Zwangsmittel aufgegeben, die folgende Gegendarstellung in der nächsten, zum Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe von ... im gleichen Teil (das ist bis einschließlich der Worte "... Lückenbüßerin" die Titelseite, danach die erste Seite der Rubrik ...") und mit gleicher Schrift wie der beanstandete Text (das sind für den auf der Titelseite abzudruckenden Teil Schrifttype, Schriftgröße und Schriftgrad der Worte "Tochter schnitt sich Pulsadern auf" auf der Titelseite links) ohne Einschaltungen und Weglassungen abzudrucken, das Wort Gegendarstellung durch drucktechnische Maßnahmen (Schrifttype, Schriftgröße, Schriftgrad wie die Worte "War E... ..." auf der Titelseite) besonders hervorzuheben und auf die Gegendarstellung im Inhaltsverzeichnis mit den Worten "Gegendarstellung von D... B... zu ... vom 30.09.2006 hinzuweisen:


Gegendarstellung

In Ihrer Ausgabe vom 30.09.2006 ließen sie auf der Titelseite schreiben:

,,D... B...
Zurück zu V...?
War E... all die Jahre nur eine
Lückenbüßerin?"

Hierzu stelle ich fest:

Weder suche ich eine Doppelgängerin von V..., noch war E... eine "Lückenbüßerin".

R... D... B...

Weiter:


Gegendarstellung

In Ihrer Ausgabe vom 30.09.2006 ließen Sie auf den Seiten 60/61 schreiben:

"Er kommt von V... einfach nicht los
Seit der Pop-Titan von der Werbe-Ikone verlassen wurde, sucht er verzweifelt nach einer Doppelgängerin von V..."

Hierzu stelle ich fest:

Von V... war ich schon zu Zeiten unserer Kurz-Ehe "losgekommen"; eine Rückkehr kam und käme mir nie in den Sinn.

R... D... B...

Hilfsweise beantragt der Antragsteller, den gesamten Text der Gegendarstellung nur im Inneren des Heftes an der erwähnten Stelle zu veröffentlichen.

Die Antragsgegnerin beantragt

Zurückweisung von Haupt- und Hilfsantrag.

Sie hält das Begehren, so wie jetzt zur Entscheidung gestellt, nicht für begründet, nachdem ihr nur eine Gegendarstellung zugegangen ist.
Sie meint, die vom Antragsteller angegriffenen Äußerungen auf der Titelseite seien als "echte" und nicht nur "rhetorische" Fragen nicht gegendarstellungsfähig, im Übrigen handele es sich bei der Passage "War E... all die Jahre nur eine Lückenbüßerin?" um eine Bewertung innerer Vorgänge, gleiches gelte für die Äußerungen im Innenteil. Zum letzten Halbsatz der Gegendarstellung beanstandet sie, dass der Antragsteller dort auf etwas entgegnen wolle, was in der Erstmitteilung nicht behauptet worden sei; seine Erwiderung stelle keine Tatsache, sondern lediglich eine "Absichtserklärung" dar.

Der Antragsteller ist diesen Ausführungen entgegengetreten, wobei zu den weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Dem Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kann nicht entsprochen werden:

1. Das Begehren dürfte allerdings nicht daran scheitern, dass der Antragsteller im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.10.2006 seinen Antrag so formuliert hat, dass - im Gegensatz zu dem in der Antragsschrift vom 13.10.2006 angekündigten Begehren ¬- klar wurde, was er auf der Titelseite gegendargestellt haben will und was in welcher Textumgebung im Innenteil. Dabei wurde zwar die von ihm unterzeichnete Gegendarstellung in zwei Teile zerlegt und wurden diese Teile dann so komplettiert, dass ihre Wiedergabe auf Titelseite und im Innenteil aus sich heraus verständlich wird. Hierin dürfte wohl keine - wenn überhaupt, dann nur eingeschränkt zulässige - Änderung der Gegendarstellung durch den Betroffenen zu sehen sein (vgl. hierzu Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Auflage, Rn 712 ff), sondern eine in der Regel unproblematische Änderung der Veröffentlichungsmodalitäten zur Gegendarstellung (Seitz u.a. aaO, Rn 709).
Dies braucht jedoch nicht abschließend erörtert zu werden. Denn die Durchsetzung der Gegendarstellung scheitert jedenfalls aus folgenden Gründen:

2. Der Antragsteller schließt seine Gegendarstellung mit dem Halbsatz "...;eine Rückkehr [sc: zu V...] kam und käme mir nie in den Sinn". Entgegen der von der Antragsgegnerin auf Blatt 6 ihrer Schutzschrift vom 11.10.2006 vertretenen Ansicht handelt es sich hierbei nicht um eine nicht passene Entgegnung auf die Passage im Innenteil "... sucht er verzweifelt nach einer Doppelgängerin von V... ." Vielmehr bezieht sich dieser Teil der Gegendarstellung - wenn auch chiastisch angeordnet - auf die Titelschlagzeile "Zurück zu V...?"
Die gebotene Gesamtschau hinsichtlich dieses Teils der Erstmitteilung führt zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei nicht um eine "rhetorische", sondern um eine "echte" Frage handelt, die auf eine Antwort durch einen Dritten gerichtet ist und nicht etwa selbst die Aussage enthält, der Antragsteller kehre zu Verona zurück oder habe solches im Sinn (zur Abgrenzung echte/rhetorische Frage vgl. BVerfGE 85, 23 = NJW 1992, 1442; BGH NJW 2004, 1034 und LG Offenburg NJW-RR 2001, 1052). Der Leser wird mit dieser Fragestellung in den Innenteil des Heftes auf Seite 60/61 zuder Rubrik ... geführt und erhält dort keine bejahende Antwort auf die getitelte Frage, ihm wird eine solche Antwort auch nicht als vorzugswürdig nahegelegt.
Da nach allem nicht festgestellt werden kann, dass dieser Teil der Erstmitteilung eine (bejahende) Aussage über den Antragsteller transportiert, vielmehr nach allem eine ¬- wenn auch reißerisch aufgemacht, den Absatz des Blattes mutmaßlich fördernde – echte Frage darstellt, kann dieser Äußerung nicht mit dem letzten Halbsatz in der Gegendarstellung des Antragstellers begegnet werden. Die Erstmitteilung enthält hierzu nämlich keine nach § 11 Abs. 1 S.1 des Landespressegesetzes (Baden-Württemberg) allein gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung.

3. Da der Antragsteller somit jedenfalls den eben erörterten Teil seiner Gegendarstellung nicht tituliert bekommen kann, muss seinem Antrag nach dem "Alles – Oder - Nichts - Prinzip" insgesamt der Erfolg versagt bleiben (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Auflage, Kapitel 11 Rn 212 mit weiteren Nachweisen; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 109). Mangels Vorliegen der Voraussetzungen hierfür ist das Gericht auch nicht befugt, eine Gegendarstellung um den presserechtlich unzulässigen Teil zu kürzen, um so die Gegendarstellung jedenfalls im Übrigen "zu retten" (vgl. zu diesen Voraussetzungen etwa OLG Karlsruhe aaO mit weiteren Nachweisen).

4. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass die vom Antragsteller unter Bezugnahme auf OLG Hamburg AfP 1995, 517, 518 angestellten Überlegungen letztlich nichts an der Qualifizierung dieses Teils der Erstmitteilung als "echte Frage" zu ändern vermögen.

5. Aus den dargestellten Gründen muss nicht nur dem in erster Linie zur Entscheidung gestellten Begehren des Antragstellers der Erfolg versagt bleiben, sondern auch seinem Hilfsbegehren, das auch die eben erörterte, presserechtlichen Anforderungen nicht entsprechende Passage enthält.

6. Der Antrag des Antragstellers ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO zurückzuweisen, ohne das auf das sonstige Angriffs- und Verteidigungsvorbringen der Parteien noch einzugehen wäre.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 6, 711, 709 Satz 2 ZPO, wobei für die Art der Sicherheitsleistung § 108 ZPO gilt.


Lehmann
Vors. Richter am Landgericht

Rechtsgebiete

Presserecht