Klage gegen den Verlagsgeschäftsführer wegen rechtswidrigen Artikels erfolglos

Gericht

OLG Bremen


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

22. 06. 2006


Aktenzeichen

2 U 19/2006


Leitsatz des Gerichts

  1. Der persönlichen Inanspruchnahme des Organs einer juristischen Person wegen einer von dieser begangenen wettbewerbswidrigen Handlung steht nicht entgegen, dass Letztere wegen eben dieser Wettbewerbshandlung bereits erfolgreich auf Unterlassung in Anspruch genommen worden ist (vgl. OLG Nürnberg WRP 1971, 338 für den zeitlich umgekehrten Fall).

  2. Die persönliche Haftung des Organs einer juristischen Person für eine von dieser begangene wettbewerbswidrige Handlung setzt voraus, dass die natürliche Person entweder die Wettbewerbshandlung selbst begangen oder diejenige eines anderen gekannt, sie aber pflichtwidrig nicht verhindert hat (BGH v. 26.9.1985 – I ZR 86/83, GmbHR 1986, 83 = MDR 1986, 382 = GRUR 1986, 248 – Sporthosen; BGH v. 26.9.1985 – I ZR 85/83, MDR 1986, 466 = GRUR 1986, 252 – Sportschuhe).

  3. Die Voraussetzungen der Möglichkeit zu einer persönlichen Inanspruchnahme des Organs einer juristischen Person hat die Partei darzulegen und zu beweisen, die deren Verantwortlichkeit für die wettbewerbswidrige Handlung für gegeben ansieht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte wegen von der Klägerin als wettbewerbswidrig eingestufter Veröffentlichungen in zwei Ausgaben der Tageszeitung „D. Kreisblatt” persönlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann. Herausgeber der Zeitung ist die Verlag R. GmbH & Co. KG; der Beklagte ist der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH.

Das LG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet, denn das LG hat mit Recht ausgesprochen, dass dem Kläger der von ihm geltend gemachte Anspruch nicht zusteht.

1. Die von dem Kläger begehrte Verurteilung des Beklagten scheitert allerdings nicht schon daran, dass dieser schon allein durch die in dem gegen den Verlag R. GmbH & Co. KG geführten Verfahren 12 O 97/05 ergangene Beschlussverfügung i.V.m. der dazu von der damaligen Antragsgegnerin, für die der Beklagte als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin tätig geworden ist, gebunden wäre mit der Folge, dass insoweit für die hier erhobene Klage das Rechtsschutzbedürfnis entfiele. Es ist nämlich anerkannt, dass eine deliktische Haftung der natürlichen Personen, die eine Organstellung innehaben, neben der Verantwortlichkeit der juristischen Person, für die sie gehandelt haben oder zu handeln gehabt hätten, durchaus in Betracht kommt (Palandt/Heinrichs, 63. Aufl. 2004, § 31 Rz. 15). Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte als Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der seinerzeitigen Antragsgegnerin nicht nur zeitgleich, sondern auch nachträglich, also zeitversetzt, persönlich wegen wettbewerbsrechtlicher Verstöße in Anspruch genommen wird (OLG Nürnberg, Urt. v. 8.12.1970 – 3 U 115/70, WRP 1971, 338, allerdings für den umgekehrten Fall, dass zuerst der Geschäftsführer und sodann die GmbH in Anspruch genommen wurde). Erforderlich ist jedoch, dass die Voraussetzungen einer persönlichen Verantwortlichkeit des Beklagten für die von der Gesellschaft begangenen Wettbewerbsverstöße festgestellt werden können. Daran jedoch fehlt es hier.

2. Nach feststehender Rechtsprechung des BGH, die bereits das LG mit Recht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat und von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung sieht, kommt eine Eigenhaftung des Organs einer juristischen Person für von dieser begangene Wettbewerbsverstöße nur in Betracht, wenn die natürliche Person entweder die Rechtsverletzung selbst begangen oder diejenige eines anderen gekannt und pflichtwidrig nicht verhindert hat (BGH, Urt. v. 26.9.1985 – I ZR 86/83, GmbHR 1986, 83 = MDR 1986, 382 = GRUR 1986, 248 [251] = NJW 1987, 127 [129] – Sporthosen; v. 26.9.1985 – I ZR 85/83, MDR 1986, 466 = GRUR 1986, 252 [253] – Sportschuhe). Der Kläger hat weder erst- noch zweitinstanzlich behauptet, der Beklagte habe die von ihm, dem Kläger, beanstandete Wettbewerbshandlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG) selbst vorgenommen, so dass diese Möglichkeit für die Begründung einer Eigenhaftung des Beklagten ausscheidet.

Es kommt aber auch keine Eigenhaftung des Beklagten unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass er rechtzeitig, d.h. vor der Veröffentlichung, von den fraglichen Beiträgen Kenntnis erhalten und deren Publizierung nicht verhindert habe, obwohl ihm dieses möglich gewesen wäre:

a) Erstinstanzlich hat der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH v. 30.10.1956 – I ZR 199/55, GRUR 1956, 342 – Underberg – geltend gemacht, es müsse angesichts des großen Umfangs der redaktionellen Beiträge vom 16.4.2005 (sieben großformatige Zeitungsseiten) davon ausgegangen werden, dass der Kläger als Geschäftsführer des Zeitungsverlages diese vor der Veröffentlichung zur Kenntnis genommen und um die Wettbewerbswidrigkeit wissend deren Inhalt gebilligt habe. Abgesehen davon, dass die vom Kläger zitierte Entscheidung des BGH durch die eingangs erwähnten Entscheidungen „Sporthosen” und „Sportschuhe” überholt ist, reicht der vom Kläger unterbreitete Vortrag nicht aus, die Eigenhaftung des Beklagten zu begründen, denn er vermag allenfalls den Vorwurf eines fahrlässigen Handelns zu rechtfertigen. Es wird gerade nicht behauptet, der Beklagte habe den Inhalt der vom Kläger beanstandeten Beiträge gekannt, sondern lediglich, er habe ihn kennen können und müssen.

b) Nichts anderes gilt für den Inhalt der Berufungsbegründung. Der Kläger sucht zu erläutern, dass der Beklagte, wenn er denn den Versuch einer vollständigen Entlastung seiner Person durch die Bestellung eines für den Anzeigenteil (allein) verantwortlichen Redakteurs unternehme, zunächst einmal ins Einzelne gehend hätte vortragen müssen, ob und in welchem Umfang hier seitens des Verantwortlichen für den Anzeigenteil Prüfungen im laufenden Geschäftsbetrieb vorgenommen worden seien. Nach Auffassung des Klägers habe der Beklagte versäumt vorzutragen, ob und inwieweit dieser von ihm bestellte Verantwortliche überwacht werde oder worden sei und ob sowie inwieweit er sich in der Vergangenheit als zuverlässig erwiesen habe. Diese Erwägungen des Klägers vernachlässigen die vom Senat geteilte Ansicht des BGH, dass der gesetzliche Vertreter einer GmbH nicht bereits dafür als Störer verantwortlich gemacht werden kann, dass er fahrlässig keine Kenntnis vom Verstoß hatte und deshalb nicht hatte einschreiten können. Nach Ansicht des Senats muss sich hier nicht der Beklagte entlasten, sondern es ist Sache des Klägers, diejenigen Tatsachen zu behaupten, aus denen abzuleiten ist, der Beklagte habe den Inhalt der fraglichen Beiträge bereits zu einer Zeit gekannt, als deren Publizierung noch hätte verhindert werden können. Der oben angeführte Vortrag des Klägers trägt diese Schlussfolgerung aber nicht.

3. Für die vom Kläger angenommene Erstbegehungsgefahr vermag der Senat keine durchgreifenden Gesichtspunkte zu erkennen.

Die Wettbewerbsverstöße in der Ausgabe vom 12.2.2005 waren ggü. der Verlag R. GmbH & Co. KG Gegenstand des Verfügungsverfahrens vor dem LG Bremen zu 12 O 97/95 und führten zu einer einstweiligen Verfügung, welche die dortige Antragsgegnerin als für sie materiellrechtlich verbindlich ausdrücklich anerkannte und auf Rechtsbehelfe verzichtete. Soweit sie im dortigen Ordnungsgeldverfahren die Ansicht vertrat, der Beitrag vom 16.4.2005 in der „Automarkt” bezeichneten Beilage verstoße nicht gegen das Unterlassungsgebot, handelte es sich um eine zulässige Rechtsverteidigung, die zudem zum Erfolg führte; das LG wies – vom Kläger nicht angegriffen – mit entsprechender Begründung den Ordnungsgeldantrag zurück. Die dortigen Ausführungen zur Wettbewerbsgemäßheit dieses Beitrages dienten erkennbar gleichfalls der Rechtsverteidigung (BGH v. 31.5.2001 – I ZR 106/99, BGHReport 2001, 797 = GRUR 2001, 1174 [1175] – Berühmungsaufgabe). Der Senat sieht zudem keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte persönlich diese wettbewerbsrechtliche Argumentation veranlasst habe. Die damaligen und heutigen Prozessbevollmächtigten jeweils auf Beklagtenseite wollen den betreffenden Schriftsatz eigenverantwortlich ohne konkrete Abstimmung mit der Geschäftsleitung der Verlag R. GmbH & Co. KG verfasst haben; dem ist der Kläger nicht mehr entgegengetreten.

4. Zu den vom Kläger auch in der Berufungsbegründung in den Vordergrund gerückten Erwägungen presserechtlicher Art ist zu sagen, dass die in den Vorschriften der Landespressegesetze übereinstimmend vorgesehene Verpflichtung des Herausgebers eines periodischen Druckwerks (Presseerzeugnisses), einen verantwortlichen Redakteur zu bestellen (zu benennen), sich hier nicht zugunsten des Klägers auswirkt. Dieser verantwortliche Redakteur ist nach dem Gesetz derjenige Redakteur, dem es obliegt, das periodisch erscheinende Druckwerk von strafbarem Inhalt freizuhalten (Löffler, Presserecht, 4. Aufl. 1997, Einl. Rz. 54, LPG § 6 Rz. 226), so dass sein Vorhandensein auf anderen als den hier einschlägigen Überlegungen beruht und anderen Zwecken dient. Im Übrigen gilt nach der Entscheidung des BGH v. 7.12.1976 (BGH v. 7.12.1976 – VI ZR 272/75, NJW 1977, 626 [627]) ganz allgemein, dass eine etwaige presserechtliche Verantwortlichkeit für eine zivilrechtliche Haftung unerheblich ist.

Vorinstanzen

LG Bremen, 12 O 327/2005, 12.1.2006

Rechtsgebiete

Presserecht

Normen

UWG § 8 Abs. 1 S. 1; BGB § 823 Abs. 1