FOCUS ./. WALTHAM FOCUS

Gericht

Deutsches Patent- und Markenamt


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

04. 10. 2006


Aktenzeichen

398 10 000.4 / 16


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Marke „WALTHAM FOCUS“ ist mit dem prioritätsälteren Kennzeichen „Focus“ für „Drucksachen“ verwechslungsfähig.

  2. Der Bestandteil „Focus“ nimmt dabei in dem jüngeren Zeichen „WALTHAM FOCUS“ nach den Grundsätzen der „THOMSON LIFE“-Entscheidung (C-120/04) des EUGH eine selbständig kennzeichnende Stellung ein, da das abweichende Element „WALTHAM“ eine Unternehmensbezeichnung ist.

  3. Für eine selbständige kennzeichnende Stellung eines Teilelementes einer Marke spricht insbesondere, wenn das weitere Element des Gesamtzeichens gleichzeitig der Stammbestandteil einer Zeichenserie und zusätzlich ein unterscheidungskräftiger Fantasiebegriff ist.

Tenor

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 394 07 564.1 "FOCUS" wird die Eintragung der angegriffenen Marke gelöscht.

Entscheidungsgründe


Gründe

I.

Gegen die Eintragung der für die Waren und Dienstleistungen

"Drucksachen aller Art, insbesondere über Haustiere, Vögel und Fische; Erziehung und Ausbildung, vorgenannte Dienstleistungen sämtlich bezogen auf den Bereich Haustiere sowie Vögel und Fische; Sammeln und Liefern von Informationen über Haustiere, Vögel und Fische; Veröffentlichung von Drucksachen aller Art, insbesondere über Haustiere, Vögel und Fische"

registrierten Wortmarke 398 10 000.4 / 16

WALTHAM FOCUS

ist aus der u. a. für die Waren und Dienstleistungen

"Dienstleistungen eines Redakteurs; Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger; Veranstaltung und Verbreitung von Hörfunk und Fernsehsendungen; Organisation von Veranstaltungen kultureller, wissenschaftlicher, sportlicher und auch politischer Art; Druckschriften, Zeitungen und Zeitschriften, Bücher, Poster, Aufkleber, Kalender, Photographien"

unter der Register-Nr. 394 07 564.1 eingetragenen prioritätsälteren Wortmarke

FOCUS

Widerspruch erhoben worden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amtsakte einschließlich der Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.


II.

Der zulässige Widerspruch hat auch in der Sache Erfolg. Der Löschungsgrund der Verwechslungsgefahr gemäß §§ 9 Abs. 1 Nr. 2, 42 Abs. 2 Nr. 1, 43 Abs. 2 Satz 1 MarkenG liegt wegen der Identität bzw. Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen und der Ähnlichkeit der Marken vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/ Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. BGH GRUR 2002, 544, 545 = WRP 2002, 537 - BANK 24 mwN; BGH MarkenR 2002, 332, 333 - DKV/OKV).

Für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen diesen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere Art, Beschaffenheit, Einsatz- und Verwendungszweck, wirtschaftliche Bedeutung, der Nutzen für den angesprochenen Verkehr sowie dessen Vorstellung, dass die Waren/Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung hergestellt, erbracht und in Anspruch genommen werden oder sich in sonstiger Weise ergänzen.

Gemessen an diesen Maßstäben können die Waren der angegriffenen Marke "Drucksachen aller Art, insbesondere über Haustiere, Vögel und Fische" mit den "Druckschriften, Zeitungen und Zeitschriften, Büchern" der Widerspruchsmarke ohne weiteres identisch sein. Die Angabe "insbesondere" leitet nur eine beispielhafte, nicht abschließende Auszählung ein und bewirkt keine Einschränkung des Schutzgegenstandes. Weiterhin kommt zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten Dienstleistungen "Veröffentlichung von Drucksachen aller Art, insbesondere über Haustiere, Vögel und Fische; Sammeln und Liefern von Informationen über Haustiere, Vögel und Fische" einerseits und denen der Widerspruchsmarke, "Dienstleistungen eines Redakteurs; Produktion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträger", anderseits eine sehr enge Ähnlichkeit in Betracht. So bestehen deutliche Gemeinsamkeiten im Hinblick auf Art, Gegenstand, Einsatzzweck, Erbringung, Inanspruchnahme, mögliche thematische Ausrichtung, Organisationsstruktur der Anbieterbetriebe und wirtschaftliche Bedeutung. Es handelt sich um Leistungen, die im Medienbereich von denselben Unternehmen erbracht und eingesetzt oder als sich ergänzende Angebote miteinander in Berührung kommen können. Zwischen diesen sind die Grenzen fließend. Schließlich weisen auch "Erziehung und Ausbildung, vorgenannte Dienstleistungen sämtlich bezogen auf den Bereich Haustiere sowie Vögel und Fische" mit den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren und Dienstleistungen "Druckschriften; Organisation von Veranstaltungen kultureller, wissenschaftlicher, sportlicher und auch politischer Art" deutliche Übereinstimmungen bis hin zur Identität auf. Zum einen werden Angebote in den Bereichen Ausbildung bzw. Schulung häufig durch schriftliches Unterrichts- oder Informationsmaterial ergänzt.

So ist es etwa bei Fachtagungen üblich, Publikationen über Teilnehmer, Referenten, den Inhalt der Referate und allgemeine Tagungsinformationen herauszugeben (vgl. BPatG PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen 29W(pat)021/03 vom 18.06.03 - Deutscher Lebensmittelrechtstag). Zum anderen gehören wissenschaftliche Veranstaltungen zum (Fort-)Bildungssektor (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 351; BPatG PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen 29W(pat)472/98 vom 01.12.99 - mikado / MICADO; BPatG PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen 32W(pat)461/99 vom 22.03.00 - COMWORK / COMWORK; BPatG PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen 29W(pat)266/02 vom 12.01.05 - Classics.fm / CLASSIC fM).

Ob die zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitige Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke als erhöht zugrunde zu legen ist, kann nach Ansicht der Markenstelle dahinstehen. Die vorgelegten Gutachten aus den Jahren 1994 und 1997 sowie die Feststellungen der aktuellen Rechtsprechung (vgl. u. a. BPatG PAVIS CD-ROM Markenentscheidungen 28W(pat)160/02 vom 28.01.04 - MICROFOCUS / FOCUS) sprechen zumindest für eine beachtliche Bekanntheit von "Focus" für den Titel des Nachrichtenmagazins und der Fernsehsendung, was die Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht in Abrede stellt. In jedem Fall handelt es sich um eine Marke, die im Medienbereich umfangreich verwendet wird. Das hebt sie von jungen, unbenutzten Marken ab und verschafft ihr selbst im Rahmen durchschnittlicher Kennzeichnungskraft eine gute Position. Den insoweit erforderlichen strengen Anforderungen an den Markenabstand wird die angegriffene Marke nicht gerecht.

Zwar unterscheiden sich die Marken "WALTHAM FOCUS" und "FOCUS" in ihrer Gesamtheit ausreichend voneinander, da der nur in der jüngeren Marke enthaltene Bestandteil "WALTHAM" weder überhört noch überlesen werden kann. Dabei ist von der registrierten Form der Marken auszugehen, wobei es grundsätzlich nicht zulässig ist, aus einer Marke ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit dem anderen Zeichen festzustellen. Gleichwohl zwingt dies nicht dazu, die Marken stets in allen jeweiligen Merkmalen zu vergleichen. Vielmehr kann auch einem Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommen, wenn er den Gesamteindruck einer mehrgliedrigen Marke prägt, indem er eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist und die übrigen Markenteile für den Verkehr in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9, Rdn. 235 m. w. N.). Weiterhin hat der Bundesgerichtshof in aktuellen Entscheidungen darauf hingewiesen, dass sich eine durch umfangreiche Verwendung im Verkehr erlangte herkunftshinweisende Funktion einer Bezeichnung auf den Betrieb des Inhabers der älteren Marke nicht nur auf die Kennzeichnungskraft der älteren Marke selbst auswirkt, sondern gleichzeitig bedingt, dass dem Zeichen auch dann ein stärkerer Herkunftshinweis entnommen wird, wenn es als Bestandteil eines anderen (jüngeren) Zeichens auftritt (BGH GRUR 2003, 880 - City Plus).

Vorliegend kann jedenfalls aus den Grundsätzen der zur Auslegung des Art 5 Abs. 1 Buchst b Markenrichtlinie ergangenen Entscheidung "THOMSON LIFE" des Europäischen Gerichtshofs (vgl. GRUR 2005, 1042) eine Verwechslungsgefahr hergeleitet werden. Ungeachtet der Frage, ob die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs eine Modifikation der sog. "Prägetheorie" des Bundesgerichtshofs mit sich bringt, also einen Anwendungsfall der unmittelbaren Verwechslungsgefahr zweier Marken aufgrund ihres Gesamteindrucks betrifft oder ob darin eine Fallgestaltung der Gefahr des gedanklichen Miteinander-in-Verbindungbringens zu sehen ist, liegen hier die vom Europäischen Gerichtshof angenommenen spezifischen Voraussetzungen einer sog. "Markenusurpation" vor.

Der EuGH hat als mögliche Fallkonstellationen ausdrücklich diejenigen genannt, in denen eine ältere, normal kennzeichnungskräftige Marke von einem Dritten (identisch) in einem (jüngeren) Zeichen zusammen mit der Unternehmensbezeichnung bzw. auch einer bekannten Marke oder einem bekannten Handelsnamen dieses Dritten benutzt wird, und die ältere Marke darin – ohne den dominierenden Bestandteil zu bilden - eine selbständig kennzeichnende Stellung behält. Das Publikum wird dann aufgrund der von der älteren Marke behaltenen selbständig kennzeichnenden Stellung auch den Inhaber dieser (älteren) Marke mit der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen in Verbindung bringen, die von dem zusammengesetzten (jüngeren) Zeichen erfasst werden.

Danach wird für einen jedenfalls nicht unbeachtlichen und damit gegen Verwechslungsgefahr zu schützenden Teil des Verkehrs das Wort "FOCUS", welches die jüngere Marke identisch übernommen hat, den Gesamteindruck der Kombination "WALTHAM FOCUS" bestimmen. Jedenfalls wird der Verkehr unter der Marke "WALTHAM FOCUS" ein Angebot vermuten, das mit dem Unternehmen der Widersprechenden in Beziehungen geschäftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art steht. Denn nach den Ausführungen des EuGH bestehen für diese Annahme schon dann Anhaltspunkte, wenn die ältere (normal kennzeichnungskräftige) Marke identisch in die jüngere Marke eingefügt wird, was der Fall ist. Ferner hat sich die Inhaberin der angegriffenen Marke auf eine eigene Zeichenserie mit dem unterscheidungskräftigen Phantasiebegriff "WALTHAM" berufen, was gerade dafür spricht, dass der Abwandlungsbestandteil "FOCUS" in dem zusammengesetzten Zeichen eine selbständig kennzeichnende Stellung behält und nicht etwa zu einem neuen Gesamtbegriff verschmilzt.

Weitere Voraussetzungen wie eine Markenserie auf Seiten des älteren Zeichens oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft sind für das erklärte Ziel der Gewährleistung des Schutzes der Herkunftsfunktion des älteren Zeichens grundsätzlich nicht erforderlich, liegen im vorliegenden Fall aber dennoch vor. So gibt das unwidersprochen gebliebene Vorbringen der Widersprechenden zur erhöhten Verkehrsbekanntheit von "FOCUS" als Titel des Nachrichtenmagazins und der Fernsehsendung ein zusätzliches Indiz für die Annahme betrieblicher Herkunftsverwechslungen, ebenso die gleichzeitige Verwendung als Firmenbezeichnung sowie die geltend gemachte Vielzahl von Markeneintragungen mit dem betreffenden Serienbestandteil, auch wenn die Zeichenfamilie - wie die Markeninhaberin zutreffend ausführt - durch die Nachstellung beschreibender Angaben abweichend gebildet ist (z. B. FOCUS AUTOMARKT, FOCUS MONEY, FOCUS NETGUDIE).

Mithin war die Eintragung der jüngeren Marke zu löschen.

Eine Kostenauferlegung entspricht nicht der Billigkeit (§ 63 MarkenG).


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss findet gemäß § 66 des Markengesetzes die Beschwerde statt. Die Beschwerde steht den am Verfahren vor dem Patentamt- und Markenamt Beteiligten zu. Sie hat aufschiebende Wirkung. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses schriftlich beim Deutschen Patent- und Markenamt einzulegen. Die Anschriften lauten:

- Deutsches Patent- und Markenamt, 80297 München
- Deutsches Patent- und Markenamt, Dienststelle Jena, 07738 Jena
- Deutsches Patent- und Markenamt, 81534 München
- Deutsches Patent- und Markenamt, Technisches Informationszentrum Berlin, 10958 Berlin

Innerhalb der Beschwerdefrist ist eine Beschwerdegebühr (Gebührennummer 401 300 PatkostG = 200,00 EUR) auf das Konto der Bundeskasse Weiden für das Deutsche Patent- und Markenamt zu entrichten. Wird sie nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Beschwerde als nicht eingelegt.

Bei der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde ist der Tag der Zustellung auf der übergebenen Abschrift der Zustellungsurkunde oder auf der übergebenen Sendung vermerkt.

Bei der Zustellung durch die Post mittels Einschreiben durch Übergabe gilt dieses am 3. Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, es sei denn, dass das zuzustellende Dokument nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Bei der Zustellung mittels Einschreiben mit Rückschein gilt diese an dem Tag als bewirkt, den der Rückschein angibt.

Hinweis: Es besteht die Möglichkeit, die Beschwerde in elektronischer Form einzulegen. Die näheren (technischen) Voraussetzungen entnehmen Sie bitte dem Merkblatt "Elektronische Beschwerde (W 7736)" oder der Homepage des DPMA unter: http://www.dpma.de/veroeffentlichungen/mitteilungen/mittlg2003_07.html.

Der Beschwerde und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


Markenstelle für Klasse 16

Stephan Reich
Regierungsrat z. A.

Rechtsgebiete

Markenrecht