Kündigung wegen Internetnutzungund Software-Installation am Arbeitsplatz
Gericht
BAG
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
12. 01. 2006
Aktenzeichen
2 AZR 179/05
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 26. Oktober 2004 - 6 Sa 348/03 - teilweise aufgehoben, soweit es über die Kündigung vom 25. Oktober 2002, den Weiterbeschäftigungsantrag und den Auflösungsantrag sowie über die Kosten entschieden hat.
Der Rechtsstreit wird insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses auf Grund mehrerer außerordentlicher und (hilfsweise) ordentlicher Kündigungen, die der Beklagte wegen der unerlaubten Installierung einer Anonymisierungssoftware auf dem Dienst-PC und der unerlaubten Nutzung des Internets erklärt hat, sowie über die Wirksamkeit eines vom Beklagten hilfsweise gestellten Auflösungsantrags.
Der am 13. Dezember 1953 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 1. Mai 1991 als Angestellter im Wasserwirtschaftsamt W beschäftigt. Er ist Diplomingenieur und bezog zuletzt eine Vergütung nach der VergGr. III BAT. Das Arbeitsverhältnis der Parteien richtet sich nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags (BAT).
Der Kläger ist mit einem Grad von 50 seit 11. Oktober 1999 als Schwerbehinderter anerkannt. Diese Schwerbehinderung teilte er dem Beklagten erstmals mit Schreiben vom 19. August 2002 mit.
Nachdem es auf dem dienstlichen Rechner des Klägers im Juni 2002 wiederholt zu Störungen gekommen war, wurde auf ihm eine neue Festplatte installiert. Der Kläger erhielt am 5. Juli 2002 den Rechner zurück. Bei einer Nachkontrolle des Rechners am 15. Juli 2002 wurde festgestellt, dass die Software-Programme JAVA und JAP - Software zur Anonymisierung von Internet-Zugriffen - sowohl auf der alten, defekten Festplatte als auch auf der neuen Festplatte installiert worden waren. Die erneute Installation der Anonymisierungsprogramme war bereits am 5. Juli 2002 nach der Rückgabe des in Stand gesetzten Rechners erfolgt. Darüber hinaus befanden sich sowohl auf der ausgewechselten als auch auf der neu installierten Festplatte eine Reihe von Internet-Adressen für private Nutzungen.
Nach einer für das Wasserwirtschaftsamt W geltenden Dienstanweisung aus dem Jahre 1992, deren Erhalt der Kläger bestätigt hatte, darf nur dienstliche Software und der Rechner nur zu dienstlichen Zwecken genutzt werden. In der “Dienstvereinbarung zur Nutzung des elektronischen Dokumentenaustausches mit E-Mail, des Internets und Intranets sowie des Telefax” idF vom 26. April 2001 (im Folgenden: DV) haben der Personalrat und die Dienststelle geregelt, dass eine Softwareinstallation auf den PCs nicht zulässig und eine private Nutzung des Internets grundsätzlich unzulässig ist (II 3 der DV). Der Dienststellenleiter hatte mit Informationsschreiben vom April 2000 die Mitarbeiter auf die Dienstvereinbarung hingewiesen. Mit dem Informationsschreiben von Januar 2001 wurde an das Verbot der privaten Internet-Nutzung erinnert. Im Dezember 2001 wurde nochmals schriftlich auf die notwendige Zustimmung der Fachabteilung bei der Beschaffung von Hard- und Software hingewiesen.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2002 forderte der Dienststellenleiter den Kläger auf, zu den Vorwürfen einer verbotenen Installation von JAP und JAVA, der unerlaubten Privatnutzung des Internets und den damit verbundenen Verstößen gegen die Dienstvereinbarung bis zum 2. August 2002 Stellung zu nehmen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers bat um eine Verlängerung der Stellungnahmefrist bis 9. August 2002, die der Dienststellenleiter ablehnte. Eine Stellungnahme des Klägers unterblieb.
Mit Schreiben vom 8. August 2002, unterzeichnet vom Baudirektor G des Wasserwirtschaftsamts W, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2003. Die Unwirksamkeit dieser Kündigung steht inzwischen außer Streit.
Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 19. August 2002 seine Anerkennung als Schwerbehinderter mitgeteilt hatte, informierte der Beklagte den Personalrat mit Schreiben vom 23. August 2002 von einer erneut beabsichtigten Kündigung des Klägers. Der Personalrat teilte mit Schreiben vom 26. August 2002 mit, er widerspreche der Kündigung nicht. Die Schwerbehindertenvertretung stimmte der beabsichtigten Kündigung mit Schreiben vom 26. August 2002 zu. Mit Bescheid vom 3. September 2002, dem Beklagten am 4. September 2002 zugegangen, stimmte das Integrationsamt der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zu. Mit Schreiben vom 5. September 2002, unterzeichnet durch den Bauoberrat R, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers erneut außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum 31. März 2003. Der Kläger ließ diese Kündigung mit Telefax und Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. September 2002 wegen fehlender Vollmachtsvorlage zurückweisen.
Mit Schreiben vom 6. September 2002, unterzeichnet vom Bauoberrat des Wasserwirtschaftsamts W R, kündigte der Beklagte erneut das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich unter Beifügung einer Originalvollmacht für R.
Mit einem vom Baudirektor G unterzeichneten Schreiben vom 9. September 2002 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers noch einmal außerordentlich, hilfsweise ordentlich.
Mit Schreiben vom 7. Oktober 2002 unterrichtete das Wasserwirtschaftsamt W den Personalrat über die beabsichtigte ordentliche Kündigung des Klägers. Der Personalrat stimmte mit Schreiben vom 21. Oktober 2002 der Kündigung des Klägers zu. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2002 stimmte das Integrationsamt der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Klägers zu. Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Integrationsamts wurde mit Bescheid vom 17. März 2003 zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht W wegen Vorgreiflichkeit ausgesetzt.
Mit dem vom Baudirektor und Behördenleiter G unterzeichneten Schreiben vom 25. Oktober 2002 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers nochmals hilfsweise ordentlich zum 31. März 2003. Der Kläger wies die Kündigung mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25. Oktober 2002 wegen Nichtvorlage der Originalvollmacht für G zurück.
Der Kläger hat sich gegen alle Kündigungen mit seiner Kündigungsschutzklage gewandt und seine Weiterbeschäftigung begehrt. Er hat vorgetragen: Die Kündigungen seien schon aus formalen Gründen rechtsunwirksam. Die Kündigungen vom 5. September 2002 und 25. Oktober 2002 seien unwirksam, weil er sie wegen fehlenden Vorlage der Originalvollmacht wirksam zurückgewiesen habe. Als hilfsweise ordentliche sei die Kündigung vom 5. September 2002 schon wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamts nicht wirksam. Die Kündigungen vom 6. September und 9. September 2002 seien sowohl wegen der fehlenden Beteiligung des Personalrats als auch wegen der fehlenden Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Zudem seien sie nicht unverzüglich ausgesprochen worden.
Sämtlichen Kündigungen liege kein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB oder ein verhaltensbedingter Kündigungsgrund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG zugrunde. Er bestreite, einen erheblichen Teil seiner Arbeitszeit mit einer privaten Nutzung des PCs und des Internets verbracht zu haben. Das System sei durch das installierte Anonymisierungsprogramm nicht beeinträchtigt worden. Er habe dieses nur installiert und verwendet, weil er Einblicke Außenstehender in die dienstliche Nutzung habe verhindern wollen. Es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass dadurch auch Einblicke des Arbeitgebers verhindert würden. Die nicht dienstlich zuordenbaren Internet-Adressen rechtfertigten keinen Schluss auf eine umfangreiche Privatnutzung. Dies gelte umso mehr, als über 80 % der gespeicherten Adressen dem dienstlichen Gebrauch zuzuordnen seien. Im Übrigen seien die persönlichen Daten unter Verstoß gegen sein Persönlichkeitsrecht ermittelt worden. Der Beklagte dürfe deshalb seine Kündigung hierauf nicht stützen. Außerdem hätte der Beklagte ihn vor dem Ausspruch der Kündigungen zunächst abmahnen bzw. anhören müssen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 8. August 2002, vom 5. September 2002, vom 6. September 2002, vom 9. September 2002 und vom 25. Oktober 2002 nicht aufgelöst worden ist,
2. den Beklagten zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen als Diplomingenieur weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aber 13.000,00 Euro nicht überschreiten solle, zum 31. März 2003 aufzulösen.
Zur Begründung seines Klageabweisungsantrags hat der Beklagte vorgetragen: Sämtliche Kündigungen seien auf Grund der erheblichen arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen gerechtfertigt. Es liege sowohl ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als auch ein verhaltensbedingter Grund iSv. § 1 Abs. 2 KSchG vor. Der Kläger habe seinen dienstlichen PC und das Internet umfangreich privat genutzt. Auf Grund der installierten Anonymisierungssoftware sei es für den Arbeitgeber nicht mehr nachvollziehbar, auf welche Internet-Adressen der Kläger wie lange privat zugegriffen habe. Jedenfalls lasse die Speicherung einer Vielzahl von privaten Adressen darauf schließen, dass er den Rechner umfangreich für private Zwecke während der Arbeitszeit genutzt habe. Der Kläger habe im Zeitraum vom 1. Februar bis 16. Juli 2002 das Internet an 89 Arbeitstagen für ca. 89 Stunden genutzt, davon an einigen Tagen mehrere Stunden lang, zB am 29. April 2002 für sechs Stunden. Dies sei auf keinen Fall dienstlich veranlasst gewesen. Auch durch die zweimalige Installation der Anonymisierungssoftware JAP und JAVA auf dem dienstlichen Rechner habe er seine arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblichem Maße verletzt. Dem Kläger seien die Verbote der privaten Nutzung und vor allem der privaten Installationen von fremden Rechnerprogrammen bekannt gewesen. Zumindest aus der Kumulation dieser Vorwürfe ergebe sich ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung. Auf Grund der krassen Rechtsverletzungen habe es keiner Abmahnung bedurft, zumal es auf der Hand gelegen habe, dass seine Handlungsweise nicht erlaubt sei. Durch das Programm JAP sei das Schutzsystem (Firewall) des Beklagten umgangen worden. Es habe die Gefahr bestanden, dass das gesamte EDV-System der Dienststelle durch die Installation der privaten Software beschädigt werde. Durch seine Handlungen habe der Kläger das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört. Dies gelte umso mehr, als er sich durch die Installation einer Anonymisierungssoftware bewusst einer Kontrolle bei der unerlaubten privaten Nutzung des Internets entzogen habe. Sowohl der Personalrat als auch der Datenschutzbeauftragte hätten im Übrigen am 15. Juli bzw. 19. Juli 2002 ihre Zustimmung zu einer umfassenden Überprüfung der Rechnernutzung gegeben.
Die hilfsweise begehrte Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei schon deshalb begründet, weil das Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien auf Grund des Verhaltens des Klägers dauerhaft erheblich gestört sei. Mit der Installation des Anonymisierungsprogramms habe der Kläger raffiniert seine Spuren bei der privaten Nutzung des Internets verwischt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach komme eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses schon deshalb nicht in Betracht, weil sämtliche Kündigungen bereits aus formellen Gründen unzulässig seien.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen des Klägers erkannt und die Unwirksamkeit der Kündigungen festgestellt sowie den Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage, hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung.
Entscheidungsgründe:
Die Revision des Beklagten hat, soweit sie die ordentliche Kündigung vom 25. Oktober 2002 betrifft, teilweise Erfolg.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine der Klage stattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Berufung des Beklagten sei unzulässig, soweit er die Kündigung vom 8. August 2002 angegriffen habe. Er habe insoweit nicht nur selbst eingeräumt, dass es an der notwendigen Zustimmung des Integrationsamts zu dieser Kündigung gefehlt habe, sondern sich auch nicht mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander gesetzt.
Die im Übrigen zulässige Berufung sei unbegründet. Zwar seien die Kündigungen vom 6. September und 9. September 2002 nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats unwirksam, da auf Grund des einheitlichen Lebenssachverhalts die Beteiligung der Personalvertretung am 23. August 2002 ausgereicht habe. Die außerordentlichen Kündigungen vom 5. September, 6. September und 9. September 2002 seien aber unwirksam, weil kein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB bzw. § 54 Abs. 1 BAT vorliege. Zwar könne in der privaten Nutzung des Internets ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß liegen, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Eine solche exzessive Nutzung des Internets habe der Beklagte aber nicht dargelegt. Sie ergebe sich auch nicht aus der Anzahl der privaten Adressen bzw. aus dem Stundenumfang der Internet-Nutzung. Allein der Umstand einer unberechtigten Installation von Software auf dem Dienststellenrechner rechtfertige die außerordentliche Kündigung nicht. Zwar habe der Kläger damit gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Die bloße abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Behördennetzes wiege aber nicht so schwer, dass das Arbeitsverhältnis sofort beendet werden müsse. Es sei dem Beklagten zuzumuten, auf diese Pflichtverletzung mit einer Abmahnung zu reagieren. Der berechtigte Verdacht des Beklagten, der Kläger habe seine Vorgesetzten täuschen wollen, rechtfertige die Kündigung nicht, weil sie als Tatkündigung ausgesprochen worden sei. Eine Täuschungsabsicht stehe nicht fest. Dem Beklagten sei es im Übrigen zumutbar, den Kläger zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Selbst wenn man in einer Privatnutzung des Internets sowie der unberechtigten Installation von fremder Software auf dem Dienstrechner zusammen betrachtet eine schwere Pflichtverletzung sehen würde, sei es dem Beklagten, bei dem kein konkreter Schaden entstanden sei und sich der behauptete Vertrauensverlust lediglich auf einen Verdacht stütze, in Anbetracht des Alters, der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Schwerbehinderung des Klägers zuzumuten, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
Die hilfsweise als ordentliche Kündigungen erklärten Kündigungen vom 5. September, 6. September und 9. September 2002 einerseits und die vom 25. Oktober 2002 andererseits seien nach § 1 Abs. 2 KSchG unwirksam. Die möglichen Pflichtverletzungen rechtfertigten eine verhaltensbedingte Kündigung nicht. Zwar lägen in der verbotenen Nutzung des Internet-Zugangs zu privaten Zwecken auch ohne erkennbare Schäden für den Arbeitgeber, dem Herunterladen von Software und der sich hieraus ergebenden abstrakten Gefährdung des EDV-Netzes sowie dem objektiven Herunterladen einer Software, die die Internet-Auftritte des Klägers auch für den Arbeitgeber nicht mehr nachvollziehbar machten, erhebliche Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers. Gleichwohl hätte der Beklagte unter Berücksichtigung des “ultima ratio Grundsatzes” vor dem Ausspruch einer Kündigung auf diese Pflichtenverstöße zunächst mit einer Abmahnung reagieren müssen. Die Vorwürfe seien nicht so schwerwiegend. Ein verständig abwägender Arbeitgeber hätte sie nicht zum Anlass einer Kündigung wegen Vertrauensverlustes genommen. Insoweit überwiege in Anbetracht des nicht erkennbaren Schadens für das EDV-System das Bestandsschutzinteresse des langjährig beschäftigten, älteren und schwerbehinderten Klägers die Interessen des Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Schließlich sei der Auflösungsantrag unbegründet. Aus den vom Beklagten vorgetragenen Aspekten ergebe sich nicht, dass ein weiteres gedeihliches Zusammenarbeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien zukünftig nicht mehr möglich sei.
B. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts folgt der Senat nur teilweise im Ergebnis und in den Begründungen.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die außerordentlichen Kündigungen vom 5., 6. und 9. September 2002 unwirksam sind. Weiter hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die (hilfsweise erklärten) ordentlichen Kündigungen vom 5., 6. und 9. September 2002 rechtsunwirksam sind. Die Ausführungen zur Unzulässigkeit der Berufung des Beklagten gegen die Kündigung vom 8. August 2002 hat die Revision nicht angegriffen.
Soweit das Berufungsgericht auch die ordentliche Kündigung vom 25. Oktober 2002 als sozial ungerechtfertigt angesehen hat, folgt ihm der Senat jedoch nicht.
I. Die außerordentliche - und hilfsweise ordentliche - Kündigung vom 5. September 2002 ist unwirksam nach § 174 Satz 1 BGB. Sie scheitert an der fehlenden Vorlage einer auf den Bauoberrat R ausgestellten Vollmachtsurkunde.
1. Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Kündigung ist eine einseitige Willenserklärung.
Es kann dahinstehen, ob der Bauoberrat R Vertretungsmacht zum Ausspruch dieser Kündigung hatte. Es entspricht jedenfalls der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch einen Bevollmächtigten des Arbeitgebers grundsätzlich die Vorlage einer Vollmachtsurkunde erforderlich ist (BAG 30. Mai 1972 - 2 AZR 298/71 - BAGE 24, 273; 29. Juni 1989 - 2 AZR 482/88 - AP BGB § 174 Nr. 7 = EzA BGB § 174 Nr. 6) . Dies gilt auch für den öffentlichen Dienst (Senat 29. Juni 1989 aaO) . Die Ungewissheit, ob ein einseitiges Rechtsgeschäft von einem wirklich Bevollmächtigten ausgeht und der Vertretene dieses Rechtsgeschäft gegen bzw. für sich gelten lassen muss, besteht im gleichen Maß, wenn - vorbehaltlich der Sonderregelung des § 174 Satz 2 BGB - der Bevollmächtigte eines privaten oder eines öffentlichen Arbeitgebers handelt. In beiden Fällen können beispielsweise eine Vollmachtsüberschreitung, ein Vollmachtsmissbrauch oder überhaupt nur Zweifel am Bestehen einer Vollmacht vorliegen, so dass der Dritte durch das Zurückweisungsrecht geschützt werden muss. Der gesetzlich geforderte Nachweis der Vollmacht erschwert dabei den Geschäftsverkehr nicht unnötig.
b) Der Kläger bzw. dessen Prozessbevollmächtigter hat die Kündigung unverzüglich, nämlich am 5. September 2002, dh. am selben Tage, wegen fehlender Vorlage der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen.
2. Die Zurückweisung der Kündigung war auch nicht gemäß § 174 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil der Kläger vom Beklagten bzw. dem Wasserwirtschaftsamt W von der Bevollmächtigung des Bauoberrats R in Kenntnis gesetzt worden war.
a) § 174 Satz 2 BGB bildet die Ausnahme zu § 174 Satz 1 BGB. Das Zurückweisungsrecht ist nach § 174 Satz 2 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber demjenigen, gegenüber dem das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung (vorher) mitgeteilt hat. Eine konkludente Mitteilung genügt, die Erlangung der Kenntnis auf anderem Wege dagegen nicht (Erman/Palm BGB 11. Aufl. § 174 Rn. 6; Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 174 Rn. 4) .
aa) Der Kläger ist weder ausdrücklich noch konkludent über die Bevollmächtigung des Bauoberrats R in Kenntnis gesetzt worden.
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich eine solche In-Kenntnis-Setzung auch nicht aus dem “Vertretungszusatz”, mit dem der Bauoberrat R das Kündigungsschreiben unterzeichnet hat. Das In-Kenntnis-Setzen im Sinne dieser Norm setzt eine entsprechende Information über die Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber und nicht einen Hinweis des Vertreters auf seine Vertreterstellung voraus. Dafür sieht das Gesetz gerade die Vorlage der Vollmachtsurkunde vor. Auch ist das Kündigungsschreiben nicht “gesiegelt” worden (vgl. BAG 29. Juni 1988 - 7 AZR 180/87 - BAGE 59, 93) .
cc) Schließlich folgt aus dem Hinweis auf die allgemeinen Vertretungsregeln der Behörden des Beklagten bei Abwesenheit des Behördenleiters bzw. seines Vertreters nicht hinreichend, dass damit der Empfänger einer Kündigung von der Bevollmächtigung eines entsprechenden Vertreters ausreichend iSv. § 174 Abs. 2 BGB in Kenntnis gesetzt worden ist. Zum einen hat der Beklagte diese “Vertretungsregelung” nicht im Einzelnen in den Prozess eingeführt. Zum anderen kommt entscheidend hinzu, dass der Beklagte auch nicht die Abwesenheit des Behördenleiters bzw. dessen Vertreters und deren Grund und Dauer dargelegt hat. Diese Aspekte zeigen schon, dass zwar der Bauoberrat R auf Grund der allgemeinen Vertretungsregelung zu diesem Zeitpunkt zum Ausspruch der Kündigung ggf. bevollmächtigt gewesen sein mag, es aber für den Empfänger der Kündigungserklärung, den Kläger, nicht deutlich erkennbar gewesen ist, ob überhaupt ein Vertretungsfall und damit die Voraussetzungen der Vertretung bzw. Bevollmächtigung im konkreten Einzelfall vorgelegen haben. Gerade für diese Fälle sieht das Gesetz aber die Vorlage der Kündigungsvollmacht mit der Kündigungserklärung vor.
dd) Schließlich hat der Bauoberrat R auch keine solche Stellung inne, die zwingend mit einem Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein In-Kenntnis-Setzen von einer Bevollmächtigung zum Ausspruch der Kündigung auch darin liegen, dass der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter, zB durch Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter einer Personalabteilung, in eine Stellung beruft, mit der das Kündigungsrecht üblicherweise verbunden zu sein pflegt (BAG 30. Mai 1972 - 2 AZR 289/71 - BAGE 24, 273; 11. Juli 1991 - 2 AZR 107/91 - AP BGB § 174 Nr. 9 = EzA BGB § 174 Nr. 9) . Davon kann vorliegend, bei einem Bauoberrat ohne allgemeine Personalkompetenz, nicht ausgegangen werden. Der Hinweis des Beklagten, die Mitarbeiter des höheren Dienstes seien stets in einer Stellung, die üblicherweise auch mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet sei, vermag die Voraussetzungen des § 174 Satz 2 BGB nicht zu erfüllen. Mit einer Tätigkeit im höheren Dienst ist nicht stets und ständig eine Bevollmächtigung zu Personalentscheidungen, insbesondere zu Kündigungen, verbunden. Eine generelle Ausnahme und Ausweitung einer solchen Kompetenz auf alle Mitarbeiter des höheren Dienstes würde zu einer konturenlosen Verwässerung der Ausnahmevorschrift des § 174 Satz 2 BGB führen.
II. Die außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 6. und 9. September 2002 sind wegen der fehlenden Beteiligung des Personalrats nach Art. 77 Abs. 4 Bay. PersVG unwirksam.
1. Nach Art. 77 Abs. 1 Satz 1 Bay. PersVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Nach Art. 77 Abs. 3 Satz 1 Bay. PersVG ist der Personalrat vor einer außerordentlichen Kündigung anzuhören. Die Beteiligungspflicht des Personalrats besteht vor jeder Kündigung durch den Arbeitgeber (Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger Bay. Personalvertretungsgesetz Art. 77 Rn. 2) .
Vor den genannten Kündigungen ist der Personalrat nicht - bzw. nicht erneut - beteiligt worden. Deshalb liegt ein Beteiligungsfehler vor, der zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und des Beklagten konnte von einer Beteiligung des Personalrats nicht deshalb abgesehen werden, weil dieser bereits zur Kündigung vom 5. September 2002 beteiligt worden war und die erneuten Kündigungen auf demselben Lebenssachverhalt beruhten. Die gesetzliche Regelung des Art. 77 Bay. PersVG verlangt vielmehr eine Beteiligung des Personalrats vor jeder Kündigung.
a) Der öffentliche Arbeitgeber hat grundsätzlich für jede Kündigung das Mitwirkungs- oder Anhörungsverfahren nach Art. 77 Bay. PersVG durchzuführen. Deshalb bedarf es einer - erneuten - Beteiligung des Personalrats immer dann, wenn der öffentliche Arbeitgeber nach Anhörung bzw. Mitwirkung des Personalrats bereits eine Kündigung erklärt hat und nunmehr eine neue (weitere) Kündigung aussprechen will. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber zwar die Kündigung auf den gleichen Sachverhalt stützt, die erste Kündigung dem Arbeitnehmer aber zugegangen ist und der Arbeitgeber damit seinen Kündigungswillen bereits verwirklicht hat. Das Gestaltungsrecht und die damit im Zusammenhang stehende Beteiligung des Personalrats ist mit dem Zugang der Kündigungserklärung verbraucht (BAG 16. September 1993 - 2 AZR 267/93 - BAGE 74, 185; 5. September 2002 - 2 AZR 523/01 - AP LPVG Sachsen § 78 Nr. 1; zuletzt 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 -) . Etwas anderes kommt nur in den Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss noch nicht verwirklicht hat. Nur dann kann eine erneute Beteiligung des Personalrats entbehrlich sein, wenn das frühere Beteiligungsverfahren ordnungsgemäß war, der Personalrat der Kündigung vorbehaltlos zugestimmt hat und eine Wiederholungskündigung im angemessenen zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen und auf denselben Sachverhalt gestützt wird (BAG aaO) .
b) Durch den Ausspruch der außerordentlichen - und hilfsweise ordentlichen - Kündigung vom 5. September 2002 hatte der Beklagte seinen Kündigungswillen bereits verwirklicht. Damit war die Beteiligung des Personalrats vom 23. August 2002 “verbraucht”. Es liegt auch kein Fall vor, in dem ausnahmsweise eine erneute Beteiligung des Personalrats entbehrlich wäre. Die außerordentliche - hilfsweise ordentliche - Kündigung vom 5. September 2002 war dem Kläger bereits zugegangen. Im Übrigen fehlt es auch an den weiteren Voraussetzungen, um ausnahmsweise von einer erneuten Beteiligung des Personalrats absehen zu können. So hatte der Personalrat der beabsichtigten Kündigung schon nicht vorbehaltlos zugestimmt.
III. Die Revision ist jedoch begründet, soweit sie die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 25. Oktober 2002 angreift.
Auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen hätte das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Klägers nicht stattgeben dürfen. Es liegt - was das Landesarbeitsgericht auch zutreffend erkannt hat - eine schuldhafte Arbeitsvertragspflichtverletzung des Klägers und damit an sich ein erheblicher verhaltensbedingter Grund zur Kündigung vor. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es vorliegend jedoch keiner Abmahnung. Da auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung Defizite aufweist, kann der Senat aber nicht abschließend über die Sozialwidrigkeit der Kündigung entscheiden. Der Rechtsstreit muss daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 ZPO).
1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des Senats, beispw. 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Juni 2004 - 2 AZR 63/03 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65) .
2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat sowohl den Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überspannt als auch bei der notwendigen Interessenabwägung nicht alle fallrelevanten Aspekte berücksichtigt.
a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von einer arbeitsvertraglichen Pflichtenverletzung des Klägers ausgegangen. In welchem Umfang der Kläger allerdings durch eine verbotene Nutzung des Internet-Zugangs zu privaten Zwecken ohne erkennbare Schäden für den Arbeitgeber, durch das Herunterladen von Software und die sich daraus ergebende abstrakte Gefährdung des EDV-Netzes sowie durch das objektive Herunterladen einer Software, die die Internetnutzung des Klägers auch für den Arbeitgeber nicht mehr nachvollziehbar macht, seine Pflichten verletzt hat, kann nach den bisherigen lückenhaften tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht sicher beurteilt werden. Jedenfalls rechtfertigen die vom Berufungsgericht genannten Aspekte nach der Rechtsprechung des Senats (7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - EzA BGB 2002 § 626 Nr. 10, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) die Annahme einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungs- und Nebenpflichten.
Es liegen zwar keine ausreichenden Feststellungen zu den möglichen Schäden beim Beklagten und vor allem zum Umfang der privaten Internet-Nutzung während der Arbeitszeit vor. Mögliche Pflichtverletzungen des Klägers insoweit können auf Grund der installierten Anonymisierungssoftware auch wohl nur im Stadium der Vermutung bzw. Unterstellung bleiben. Deshalb kommt vor allem dem unstreitigen Herunterladen und der Installation der JAP/JAVA-Anonymisierungssoftware entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
Nach Auffassung des Senats hat der Kläger bereits mit der unerlaubten Installation der Anonymisierungssoftware seine Pflichten erheblich verletzt. Zum einen hat er das sich aus der Dienstanweisung und der Dienstvereinbarung ergebende Verbot einer Installation von privater Software missachtet. Zum anderen hat er durch seine eigenmächtige Veränderung von technischen Arbeitsmitteln des Arbeitgebers seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) erheblich verletzt und durch sein Handeln seine Obhuts- und Betreuungspflicht gegenüber den ihm überlassenen und anvertrauten Betriebsmitteln missachtet.
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers auch ohne vorherige Abmahnung ordentlich kündigen.
aa) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (BAG 21. November 1996 - 2 AZR 357/95 - AP BGB § 626 Nr. 130 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 56; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296) . Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 297) . Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 103) . Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1 KSchG Rn. 300; Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 106) . Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips.
Sie ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 105; Schlachter NZA 2005, 433, 435) . Nach § 1 Abs. 2 KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314 Abs. 2 BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren (Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 105; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1172; Gotthardt Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform Rn. 304 ff.; Kleinebrink FA 2002, 226 ff.; Schlachter NZA 2005, 433, 437) . Nach dieser Norm ist eine Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (BAG 18. Mai 1994 - 2 AZR 626/93 - EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 31) oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98 - BAGE 91, 30; 21. Juli 1999 - 2 AZR 676/98 - AP BBiG § 15 Nr. 11 = EzA BBiG § 15 Nr. 13; siehe auch Gotthardt aaO Rn. 207; Staudinger/Preis § 626 BGB Rn. 118) . Ähnliches ergibt sich aus § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB, nach dem § 323 Abs. 2 BGB entsprechende Anwendung findet. Nach § 323 Abs. 2 BGB ist eine Fristsetzung bzw. damit auch eine Abmahnung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt bzw. eine Kündigung rechtfertigen.
bb) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Rahmens bedurfte es vorliegend keiner Abmahnung.
Durch die Installation der Anonymisierungssoftware auf dem betrieblichen Rechner des Beklagten hat der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwer verletzt. Die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens war dem Kläger ohne weiteres erkennbar. Auch konnte er mit einer Hinnahme seines Handelns durch den Beklagten offensichtlich nicht rechnen. Auf Grund der Dienstanweisung und der Dienstvereinbarung wusste er, dass auf dem Dienstrechner keine private bzw. fremde Software geladen werden durfte. Ferner musste es sich ihm aufdrängen, dass insbesondere die Installation einer “Anonymisierungssoftware” dem Interesse des Beklagten eklatant zuwiderläuft. Aus den Hinweisen zum Programm JAP konnte der Kläger deutlich erkennen, dass niemand, also auch nicht der beklagte Arbeitgeber, herausbekommen kann, wann und welche Verbindungen zu einem bestimmten Rechner aufgebaut worden sind. Mit der Installation der Anonymisierungssoftware hat deshalb der Kläger nicht nur in das Betriebsmittel des Beklagten erheblich eingegriffen, sondern dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit genommen, seine technisches Betriebsmittel ggf. zu überwachen bzw. zu kontrollieren. Dies gilt umso mehr, als die Installation durch den Kläger heimlich erfolgte und er den Beklagten auch nicht später von der Installation in Kenntnis gesetzt hat. Insoweit liegt der Einwand des Klägers neben der Sache, es sei durchaus im Interesse des Arbeitgebers, sich gegen ein Ausspähen von Außen, das mit der Anonymisierungssoftware verhindert werden könne, zu schützen. Nicht der Kläger hat darüber zu befinden, ob es für den Beklagten notwendig und sinnvoll ist, einen zusätzlichen Datenschutz zu erlangen. Dies mag der Beklagte selbst entscheiden. Nichts wäre einfacher gewesen, als den Leiter der Dienststelle über einen solchen “Verbesserungsvorschlag” zu informieren und die Einführung dieser Anonymisierungssoftware in der Dienststelle des Beklagten anzuregen.
Es lag somit eine erhebliche Pflichtverletzung vor, bei der der Kläger nicht damit rechnen konnte, der Beklagte werde sie hinnehmen und dulden. Deshalb bedurfte es keiner Abmahnung. Genauso wenig bedurfte es einer Abmahnung im Hinblick auf die notwendige negative Prognose. Auf Grund der Verhaltensweisen des Klägers und seiner erheblichen Pflichtverletzung war der Schluss gerechtfertigt, er werde auch zukünftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht einhalten. Dies gilt umso mehr, als er sofort nach Erhalt des reparierten Rechners erneut die Anonymisierungssoftware installiert hatte.
c) Ob dieser erhebliche Pflichtenverstoß ausreichend ist, das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der notwendigen umfassenden Interessenabwägung zu beenden, wird das Landesarbeitsgericht erneut zu prüfen haben. Die bisherige Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts weist Abwägungsdefizite auf. Das Berufungsgericht hat insoweit lediglich zu Gunsten des Arbeitgebers eine “Gesamtschau der Vorwürfe” vorgenommen und diesen Aspekten die sozialen Belange des Klägers gegenübergestellt. Damit wird es den anderen vom Beklagten vorgetragenen Interessen nicht gerecht.
aa) Bei der Interessenabwägung hat das Berufungsgericht einen umfassenden Beurteilungsspielraum, in dem das Revisionsgericht grundsätzlich nicht eingreifen kann. Lediglich in Ausnahmefällen, wenn sämtliche Abwägungsaspekte feststehen, ist eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht möglich. Daran fehlt es jedoch vorliegend.
bb) Bei der Interessenabwägung sind zugunsten des Klägers insbesondere die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter und vor allem seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des Beendigungsinteresses des Beklagten ist vor allem zu beachten, dass der Kläger seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt hat. Hinzu kommt der vom Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht hinreichend gewürdigte Umstand, dass der Kläger gerade eine Anonymisierungssoftware installiert hat, mit der dem Arbeitgeber jegliche Kontrollmöglichkeit seines technischen Betriebsmittels entzogen wird. Ist die Installation dieser Anonymisierungssoftware bewusst vom Kläger zur Umgehung einer möglichen Kontrolle durch den Arbeitgeber erfolgt, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, so wird sich dies bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen erheblich zu Lasten des Klägers auswirken. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste das Landesarbeitsgericht ggf. berücksichtigen und weiter aufklären, ob und in welchem Umfang eine private Nutzung des Internets durch den Kläger erfolgte und ob ggf. in der Dienststelle des Wasserwirtschaftsamtes W geringfügige private Nutzungen toleriert worden sind (“grundsätzlich”). Schließlich wäre in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, ob durch die Installation des Programms JAP/JAVA die Gefahr eines Virenbefalls durch Umgehung des rechnereigenen Schutzsystems bestand. Sollte dies der Fall sein, wäre dies zu Lasten des Klägers bei der Interessenabwägung ohne weiteres zu berücksichtigen.
3. Ob sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur ordentlichen Kündigung vom 25. Oktober 2002 aus anderen Gründen (wegen einer fehlerhaften Zustimmung des Integrationsamts, der fehlerhaften Anhörung des Personalrats oder einer wirksamen Zurückweisung der Kündigungserklärung nach § 174 BGB) als richtig darstellt (§ 561 ZPO), kann auf Grund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen einerseits und der fehlenden Prüfung dieser Aspekte durch das Berufungsgericht andererseits noch nicht abschließend festgestellt werden. Das Landesarbeitsgericht wird dies ggf. nachzuholen haben, wenn es unter Berücksichtigung der Interessenabwägung einen verhaltensbedingten Grund für gegeben ansieht. Dies gilt insbesondere für die Frage der wirksamen Zurückweisung der Kündigungserklärung nach § 174 BGB. Insoweit fehlt es an den notwendigen Feststellungen zur Vertretungsberechtigung des Baudirektors und Behördenleiters G.
Stellt das Landesarbeitsgericht wiederum die Sozialwidrigkeit der Kündigung fest, hat es erneut auch über den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag des Beklagten zu entscheiden.
IV. Die Kostenentscheidung bleibt dem Berufungsurteil vorbehalten.
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