Aufklärungspflicht des Vermieters eines Unfallersatzfahrzeugs

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

28. 06. 2006


Aktenzeichen

XII ZR 50/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Bietet der Autovermieter den Unfallgeschädigten ein Fahrzeug zu einem Tarif an, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und besteht deshalb die Gefahr, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, muss der Vermieter den Mieter darüber aufklären.

  2. Es kommt nicht darauf an, ob der Vermieter mehrere oder nur einen einheitli-chen Tarif anbietet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, den Mieter deut-lich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die (gegnerische) Haft-pflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Um-fang erstatten werde.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 18. Februar 2004 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Lampertheim vom 28. Oktober 2003 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Klägerin werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Die Klägerin, eine Autovermieterin, macht gegen den Beklagten rück-ständige Miete für die Überlassung eines Mietwagens geltend.

Mit Vertrag vom 26. April 2003 mietete der Sohn des Beklagten nach ei-nem Verkehrsunfall, bei dem der von ihm geführte Pkw des Beklagten beschä-digt worden war, von der Klägerin für die Zeit vom 26. April 2003 bis 10. Mai 2003 einen Ersatzwagen zum so genannten Standardtarif von 136,40 € zuzüg-lich Mehrwertsteuer je Tag. Die Klägerin stellte 2.137,95 € in Rechnung. Dabei legte sie ihren "Standard-Tarif - 18 Tage" zugrunde, einen Pauschaltarif, der insgesamt für den Beklagten etwas günstiger war als die Berechnung nach dem Einzeltagessatz für 14 Tage. Die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners, dessen volle Haftung für den Unfallschaden nicht streitig ist, zahlte nur 746,97 €. Die Differenz verlangt die Klägerin vom Beklagten, der sich darauf beruft, die Klägerin habe vor Abschluss des Mietvertrages nicht darüber aufge-klärt, dass eine Anmietung zu einem erheblich günstigeren Tarif möglich gewe-sen sei, dessen Ersatz von der gegnerischen Haftpflichtversicherung nicht ab-gelehnt worden wäre. Wegen der Verletzung dieser Pflicht stehe ihm ein Scha-densersatzanspruch zu, mit dem er aufrechne.

Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 1.390,98 € nebst Zinsen verurteilt. Die Berufung ist, abgesehen von einer Re-duzierung des Zinszeitraums um einen Tag, erfolglos geblieben. Dagegen wen-det sich der Beklagte mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Klageabweisung.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Miet-vertrag zustande gekommen. Dem Beklagten stehe ein Schadensersatzan-spruch, mit dem er gegen den Mietzinsanspruch der Klägerin aufrechnen könn-te, nicht zu. Eine Pflichtverletzung der Klägerin bei Abschluss des Mietvertrages sei nicht erkennbar. Die Preiskalkulation der Mietwagenunternehmer bei Unfall-ersatzwagen sei zwar nicht immer nachvollziehbar. Auch im vorliegenden Fall stimme der Vortrag der Klägerin zur Rechtfertigung des Tarifs bei Unfallersatz-wagen nicht mit den tatsächlichen Umständen überein.

Neben dem Standardtarif bei Unfallersatzwagen gebe es noch einen günstigeren Tarif, wenn der Kunde mit Kreditkarte zahle. Weitere Vergünsti-gungen gebe es nicht. Auf die Möglichkeit der Zahlung mit Kreditkarte müsse der Vermieter nicht hinweisen.

Grundsätzlich treffe die Parteien die Pflicht, sich gegenseitig über die Umstände aufzuklären, die allein der einen Partei bekannt und für die andere Partei sowie den Vertragsschluss erkennbar von Bedeutung seien. Der Umfang der Aufklärungspflicht hänge dabei von den Umständen des Einzelfalls und den Grundsätzen von Treu und Glauben ab. Zwar verhalte sich der Vermieter vertragswidrig, wenn er trotz ausdrücklicher Frage des Geschä-digten, ob eine Vergünstigung bei Bar- oder Kreditzahlung möglich sei, nicht oder wahrheitswidrig antworte. Ungefragt müsse er den Kunden aber nicht dar-auf hinweisen, dass bei einer Zahlung mittels Kreditkarte der Mietpreis günsti-ger werde. Eine solche Hinweispflicht könne schon deshalb nicht angenommen werden, weil bei der Anmietung eines Unfallersatzwagens der Einsatz der Kre-ditkarte des Geschädigten nicht die Regel sei. Die Anmietung erfolge, weil das Fahrzeug des Anmietenden durch einen Dritten geschädigt worden sei. Der Geschädigte gehe also davon aus, dass er einen Ersatzanspruch gegen den Dritten habe und deshalb letztlich für die Kosten der Ersatzanmietung nicht auf-kommen müsse. Bei Einsatz der Kreditkarte müsste der Geschädigte in Vorleis-tung treten und würde dem Mietwagenunternehmer sein Konto zum unbegrenz-ten Zugriff zur Verfügung stellen.

Dass der Beklagte die Mietwagenkosten in voller Höhe bezahlen müsse, sei nur auf den ersten Blick unbillig. Er könne nämlich von der Haftpflichtversi-cherung den vollen Ersatz der von ihm zu zahlenden Mietwagenkosten verlan-gen. Der Preiskampf zwischen den Versicherern und den Mietwagenunternehmern könne nicht auf dem Rücken des Geschädigten ausgetragen werden. Der bei einem Unfall Geschädigte könne deshalb einen Mietwagen zu dem ihm an-gebotenen Tarif anmieten, wenn er für ihn nicht erkennbar außerhalb des Übli-chen liege. Da der Geschädigte dem Unfallgegner gegenüber nicht gegen seine Schadensminderungspflicht verstoße, müsse die gegnerische Haftpflichtversi-cherung die angefallenen Mietwagenkosten als den zur Schadenswiedergutma-chung erforderlichen Geldbetrag erstatten.

Ein Hinweis auf billigere eigene Internet-Angebote müsse das Mietwa-genunternehmen schon wegen der fehlenden Vergleichbarkeit der Vertriebswe-ge und der regelmäßigen Forderung nach Kreditkartenzahlung bei einer Inter-net-Buchung nicht geben. Die Frage brauche aber nicht entschieden zu wer-den, da die Klägerin erst seit Mai 2003 über das Internet anbiete.

Schließlich müsse der Kunde auch nicht auf mögliche Schwierigkeiten mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung hingewiesen werden. Abgesehen davon, dass dem Vermieter der Vorwurf eines Verstoßes gegen das Rechtsbe-ratungsgesetz gemacht werden könne, müsse der Mieter selbst dafür sorgen, ob und wie er den Schaden ersetzt erhalte. Ein solcher Hinweis wäre nichtssa-gend, weil Schwierigkeiten bei der Schadensabwicklung immer möglich seien und offensichtlich auch nicht alle Haftpflichtversicherer die Bezahlung der gel-tend gemachten Mietwagenkosten ablehnten.

2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.

a) Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht des Vermieters gegenüber dem Mieter eines Unfallersatzwagens besteht, ist in Rechtsprechung und Literatur streitig.

Eine Aufklärungspflicht wird unter anderem bejaht von OLG Koblenz (NJW-RR 1992, 820); OLG Karlsruhe (DAR 1993, 229, 230); OLG Frankfurt (NZV 1995, 108, 109); OLG Stuttgart (NZV 1999, 169); LG Frankfurt (NZV 1996, 34); LG Regensburg (Urteil vom 7. Oktober 2003 - 2 S 191/03 - NJW-RR 2004, 455); LG Dresden (Urteil vom 15. Dezember 2005 - 8 S 122/05 -); LG Gießen (zfs 1994, 287); LG Bonn (Urteil vom 24. Mai 2004, VersR 2004, 1284); AG Frankfurt (NJW-RR 1999, 708); AG Düsseldorf (NJW-RR 2001, 133, 134); AG Ettlingen (Urteil vom 11. Februar 2004 - 3 C 202/03 -); AG Ham-burg-Harburg (Urteil vom 16. April 2003 - 647 C 508/02 -); AG Karlsruhe (Urteil vom 16. September 2003 - 5 C 138/03 -); AG Heidelberg (Urteil vom 5. Februar 2004 - 23 C 504/03 -); MünchKomm/Emmerich BGB 4. Aufl. § 311 Rdn. 141 m.w.N.; Geigel/Rixecker Der Haftpflichtprozess 24. Aufl. § 3 Rdn. 67; Notthoff VersR 1996, 1200, 1205 und 1998, 144, 146 m.w.N.; Etzel/Wagner VersR 1993, 1192, 1193, 1195; Griebenow NZV 2003, 353, 356, 357 m.w.N.; Freyber-ger MDR 2005, 301, 303.

Eine Aufklärungspflicht verneinen OLG Karlsruhe (OLG-Report 2004, 535); LG Heidelberg (Urteil vom 23. September 2004 - 1 S 7/04 -); LG Karlsru-he (Urteil vom 5. April 2004 - 5 S 203/01 -); LG Erfurt (Urteil vom 4. Juni 2004 - 2 S 3/04 -); LG Berlin (Urteil vom 17. Juli 2003 - 51 S 39/03); LG Halle (Urteil vom 7. August 2003 - 2 S 52/03 -); LG Düsseldorf (Urteil vom 19. September 2003 - 20 S 36/03 - Schaden-Praxis 2004, 53); LG Freiburg (Urteil vom 9. Februar 2004 - 1 O 131/03 -); Körber (NZV 2000, 68 f.); Göhringer (zfs 2004, 437 f.).

Der Bundesgerichtshof konnte die Frage einer Aufklärungspflicht gegen-über dem Mieter eines Unfallersatzfahrzeuges bisher offenlassen (BGHZ 132, 373 ff.). Sie ist nunmehr zu entscheiden.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteil vom 28. April 2004 - XII ZR 21/02 - NJW 2004, 2674, 2675) obliegt dem Vermieter grundsätzlich eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Mieter hinsichtlich derje-nigen Umstände und Rechtsverhältnisse mit Bezug auf die Mietsache, die - für den Vermieter erkennbar - von besonderer Bedeutung für den Entschluss des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind und deren Mitteilung nach Treu und Glauben erwartet werden kann. Das Bestehen der Aufklärungspflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Person des Mieters und dessen für den Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit. Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Ver-tragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und entscheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht. Es ist seine Sache, sich umfassend zu informieren und zu klärungsbedürftigen Punkten in den Vertragsverhandlungen Fragen zu stellen.

c) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Aufklärungspflicht des Ver-mieters gegenüber dem Mieter, der nach einem Unfall ein Ersatzfahrzeug an-mietet, im Grundsatz zu bejahen.

aa) Auf dem Markt für Mietwagen herrscht in Deutschland eine Tarifspal-tung. Wer aus privaten oder geschäftlichen Gründen einen Pkw mietet und die Miete selbst zahlt, hat dafür den so genannten "Normaltarif" zu entrichten. Be-nötigt der Geschädigte dagegen nach einem Unfall einen Ersatzwagen, wird ihm von zahlreichen Vermietern ein so genannter "Unfallersatztarif" angeboten (Griebenow aaO 353). Dieser übersteigt meist erheblich den für Selbstzahler angebotenen "Normaltarif". Derzeit liegen die Unfallersatztarife durchschnittlich um mindestens 100 % über dem örtlichen "Normaltarif" (vgl. Palandt/Heinrichs BGB 65. Aufl. § 249 Rdn. 31; Freyberger aaO). Zuschläge bis zu 200 % über dem "Normaltarif" sind keine Seltenheit (vgl. Griebenow aaO 353). Selbst Über-höhungen bis zu 465 % kommen vor (Palandt/Heinrichs aaO m.w.N.).

bb) Ein durchschnittlicher Unfallgeschädigter gerät durch einen Ver-kehrsunfall nicht nur unvermittelt, sondern in aller Regel erstmals in eine Situa-tion, einen Pkw anmieten zu müssen. Hält er den Unfallgegner für verantwort-lich, geht er davon aus, dass dessen Haftpflichtversicherung die Kosten eines Mietwagens in vollem Umfang übernimmt. Er wird in dieser Auffassung be-stärkt, wenn ihm der Vermieter einen Pkw zum "Unfallersatztarif" anbietet. Die-se Anmietung zum "Unfallersatztarif" kann sich nachträglich als nachteilig für den Mieter herausstellen. Lehnt die gegnerische Haftpflichtversicherung die Regulierung nach dem "Unfallersatztarif" ab, weil der Mieter mit der Vereinba-rung dieses Tarifs gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe, muss der Mieter die Differenz zum "Normaltarif" aus eigener Tasche bezahlen. Ein Nachteil zu Lasten des Mieters kann auch dann entstehen, wenn die gegne-rische Haftpflichtversicherung den Haftungsanteil des Mieters am Unfall anders bewertet und den Schaden des Mieters nicht zu 100 % ersetzt. Der Mieter muss in diesen Fällen die auf ihn entfallende Quote aus dem "Unfallersatztarif" selbst tragen. Hätte er zum "Normaltarif" gemietet, hätte er nur die Quote aus dem "Normaltarif" selbst zu tragen.

cc) Diese Tarifspaltung und die ihm damit drohenden Nachteile sind dem Mieter in der Regel nicht bekannt. Er geht vielmehr davon aus, dass der "Un-fallersatztarif" gerade für seine Situation entwickelt wurde, von der gegneri-schen Haftpflichtversicherung akzeptiert wird und für ihn insgesamt eine günsti-ge Regelung darstellt. Er weiß regelmäßig auch nicht, dass er, falls sein Verur-sachungsbeitrag nachträglich anders gewertet wird, er bei Anmietung zum "Normaltarif" einen geringeren Nachteil hätte. Demgegenüber weiß der Vermie-ter, dass die Tarifspaltung zu den genannten Nachteilen führen kann, und er weiß auch, dass dem Mieter weder die Tarifspaltung noch die ihm daraus dro-henden Gefahren vertraut sind, sondern dieser davon ausgeht, dass die Miet-wagenkosten vollständig ersetzt werden, zumindest ihm aber kein Nachteil ent-steht. Mit dem Autovermieter und dem Unfallgeschädigten stehen sich somit zwei ungleiche Vertragspartner gegenüber. Treu und Glauben gebieten es in einem solchen Fall, dass der (wissende) Vermieter den (unwissenden) Mieter aufklärt.

dd) Dem kann nicht entgegengehalten werden, der Haftpflichtversicherer sei zur Erstattung der hohen Unfallersatztarife verpflichtet, so dass schon des-halb keine Aufklärungspflicht bestehen könne. Dem Vermieter könne nicht zu-gemutet werden, auf das rechtswidrige Verhalten der Versicherer hinzuweisen, um sich dadurch letztlich selbst zu schaden. Dem Mieter sei kein Schaden ent-standen, weil er in jedem Fall Anspruch auf Erstattung des Unfallersatztarifs habe.

Diese Auffassung mag eine gewisse Berechtigung gehabt haben, weil die Entscheidung des VI. Zivilsenats von 1996 (BGHZ 132 aaO) in der Praxis dahin ausgelegt wurde, der Geschädigte könne einen Unfallersatztarif stets und uneingeschränkt ersetzt verlangen (vgl. Freyberger aaO S. 302). Nach der neu-eren Rechtsprechung des VI. Zivilsenats zu den Unfallersatztarifen (Urteile vom 26. Oktober 2004 - VI ZR 300/03 - NJW 2005, 135 ff.; vom 15. Februar 2005 - VI ZR 74/04 - NJW 2005, 1041 ff.; vom 15. Februar 2005 - VI ZR 160/04 - NJW 2005, 1043 ff.; vom 19. April 2005 - VI ZR 37/04 - BGHZ 163, 19 ff. und vom 14. Februar 2006 - VI ZR 126/05 - NJW 2006, 1506 ff.) ist der Haftpflicht-versicherer gerade nicht ohne Weiteres zur Erstattung von über dem "Normalta-rif" liegenden "Unfallersatztarifen" verpflichtet. Vielmehr kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB als erfor-derlichen Herstellungsaufwand nur den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Der Geschädigte ist dabei ebenso wie bei anderen Kosten der Wiederherstellung und ebenso wie in anderen Fällen, in denen er die Schadensbeseitigung selbst in die Hand nimmt, nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirt-schaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt - nicht nur für Unfallgeschädigte - erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeuges (innerhalb eines ge-wissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlan-gen kann (BGH, Urteil vom 9. Mai 2006 - VI ZR 117/05 - zur Veröffentlichung bestimmt).

Einer Aufklärungspflicht steht auch nicht das weitere Argument der Ver-mieter entgegen, dass die Haftpflichtversicherer bisher die "Unfallersatztarife" beglichen hätten.

Seit 1992 bestand zwischen Mietwagenunternehmen und Versiche-rungswirtschaft Streit darüber, ob die Haftpflichtversicherung den so genannten "Unfallersatztarif" zu ersetzen hatte (Freyberger aaO S. 301). Am 7. Mai 1996 entschied der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGHZ 132, 373 f.), dass der Geschädigte dadurch, dass er nach einem Unfall ein Ersatzfahrzeug zum "Unfallersatztarif" anmietet, nicht gegen die Pflicht verstoße, den Schaden ge-ring zu halten, vielmehr seien "im Grundsatz" die durch den Unfallersatztarif entstandenen Kosten erforderlich im Sinne von § 249 BGB. In der Folge entwi-ckelte sich eine Regulierungspraxis, die den Unfallersatztarif überwiegend als erstattungsfähig ansah. Die Frage, ob der Geschädigte auch Zugriff auf preis-wertere Tarife hatte, wurde häufig nicht mehr gestellt (Freyberger aaO 301).

Gleichwohl kam es auch nach dieser Entscheidung immer wieder zu Schwierig-keiten bei der Regulierung von "Unfallersatztarifen". Die Instanzgerichte haben es oft abgelehnt, erheblich über dem "Normaltarif" liegende "Unfallersatztarife" als erstattungsfähig anzusehen (vgl. LG Bonn, Urteil vom 24. Mai 2004, VersR 1284; LG Freiburg, Urteil vom 11. März 1997, NJW-RR 1997, 1069; LG Bonn, Urteil vom 25. Februar 1998, NZV 1998, 417; AG Frankfurt, Urteile vom 20. November 1998, NJW-RR 1999, 708 und vom 6. September 2001, NZV 2002, 83; AG Düsseldorf, Urteil vom 7. März 2000, NJW-RR 2001, 133) Nach den Feststellungen des LG Regensburg (Urteil vom 7. Oktober 2003 aaO) wird die Durchsetzbarkeit von Unfallersatztarifen in der Praxis "inzwischen sehr skeptisch bis ablehnend" beurteilt.

2. Umstritten ist der Umfang der Aufklärungspflicht.

a) Das Oberlandesgericht Koblenz (aaO) hat 1992 eine Pflicht des Auto-vermieters bejaht, potentielle Kunden über die Art des gewünschten Vertrages zu befragen und ihnen alle für ihre Entscheidungen wesentlichen Fakten offen zu legen. Der Kunde sei ungefragt auf mögliche Abrechnungsschwierigkeiten gegenüber Versicherungen im Falle der Anmietung zu einem "Unfallersatztarif" und auf im Vergleich zu diesem Tarif günstigere eigene Tarife des Autovermie-ters aufmerksam zu machen. Diese Entscheidung hat in Rechtsprechung und Literatur überwiegend Zustimmung gefunden (Nachweise bei Körber NZV 2000, S. 68, 75). Auch der 32. Deutsche Verkehrsgerichtstag 1994 hat empfohlen, den Autovermietern eine Pflicht zur Aufklärung über ihre verschiedenen Tarife aufzuerlegen. Zur Begründung wird angegeben, dass es dem durchschnittli-chen Mietwagenkunden nur infolge einer solchen Information möglich sei, Kenntnis über die Möglichkeiten des Autovermietungsmarktes zu erlangen (Körber aaO).

Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7. Mai 1996 (aaO), in der der VI. Zivilsenat die Frage, ob den Vermieter eine Aufklärungspflicht treffe, offen gelassen hat, wird der Umfang der Aufklärungspflicht von den Instanzgerichten sehr unterschiedlich beurteilt. Es hat sich ein breites Spektrum an Auffassungen entwickelt.

Das Landgericht Bonn (aaO) ist der Auffassung, der gewerbliche Vermie-ter müsse den Mieter insbesondere darauf hinweisen, dass der angebotene Unfallersatztarif über den Sätzen liege, die von den Haftpflichtversicherungen übernommen würden; zugleich müsse er über seine weiteren günstigeren Tarife informieren. Nach Meinung des Amtsgerichts Ettlingen (aaO) muss der Auto-vermieter darauf hinweisen, dass neben dem Unfallersatztarif ein billigerer Normaltarif besteht. Nach Meinung des Landgerichts Regensburg (aaO) wissen die Autovermieter aufgrund ihrer Erfahrungen mit Haftpflichtversicherungen und Gerichten, dass die Durchsetzbarkeit von Unfallersatztarifen inzwischen sehr skeptisch bis ablehnend beurteilt werde. Auf bevorstehende Schwierigkeiten bei der Durchsetzung der Mietwagenrechnung müsse der Pkw-Vermieter deshalb vor Abschluss des Mietvertrages den Mieter hinweisen.

Insbesondere müsse er ihn auch darüber informieren, dass es "Normaltarife" gebe, die vom "Unfalltarif" erheblich nach unten abwichen. Das Amtsgericht Frankfurt (NJW-RR 1999, 708) hat entschieden, der Vermieter müsse, wenn er wisse, dass der von ihm konkret angebotene Mietwagentarif über den Sätzen liege, die von einer Haft-pflichtversicherung ohne Abzug akzeptiert würden, den Unfallgeschädigten auf die möglicherweise entstehenden Schwierigkeiten bei der Erstattung hinweisen und den Kunden von sich aus über günstigere Tarife informieren, und zwar un-abhängig davon, ob er selber günstigere Normal- oder Pauschaltarife anbieten könne. Das Amtsgericht Düsseldorf (aaO) ist der Ansicht, der Vermieter müsse den Mieter auf die Besonderheiten des gespaltenen Tarifmarkts hinweisen und ihn darauf aufmerksam machen, dass die Versicherung des Unfallgegners mög-licherweise nicht ohne Weiteres bereit sein werde, den angebotenen Unfaller-satztarif zu akzeptieren.

b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2004 aaO) richtet sich nicht nur das Bestehen, sondern auch der Umfang der Aufklärungspflicht nach der Person des Mieters und dessen für den Vermieter erkennbarer Geschäftserfahrenheit oder Unerfahrenheit. Allerdings ist der Vermieter nicht gehalten, dem Mieter das Vertragsrisiko abzunehmen und dessen Interessen wahrzunehmen. Der Mieter muss selbst prüfen und ent-scheiden, ob der beabsichtigte Vertrag für ihn von Vorteil ist oder nicht.

c) Das bedeutet, dass die Interessen des Vermieters gegen die des Mie-ters abzuwägen sind. Neben dem Bedürfnis des Unfallgeschädigten nach In-formation über die Angebote des Vermieters und den gespaltenen Mietmarkt muss berücksichtigt werden, dass dem Vermieter nicht zugemutet werden kann, auf sein jeweils günstigstes Angebot aufmerksam zu machen. Müsste er gar, wie vom Amtsgericht Frankfurt gefordert (NJW-RR 1999, 708), auf günsti-gere Angebote der Konkurrenz hinweisen, wäre er gezwungen, seine Preise entsprechend anzupassen oder als Anbieter auszuscheiden. In der Marktwirt-schaft hat aber derjenige, der den Vertrag schließt, sich selbst zu vergewissern, ob er für ihn von Vorteil ist oder nicht. Die Aufgabe der Preiskontrolle ist in den Grenzen der §§ 134, 138 BGB primär dem Markt und dem darauf bestehenden Wettbewerb als "Entdeckungsverfahren" zugewiesen (Körber aaO S. 75). Eine Offenbarungspflicht des Leistungsanbieters über seine Preisgestaltung und die-jenige der Mitbewerber besteht in der Marktwirtschaft gerade nicht (Schiemann JZ 1996, 1077, 1078).

d) Der Senat hält es deshalb nicht für erforderlich, dass der Autovermie-ter auf günstigere (eigene) oder gar fremde Angebote hinweist. Lediglich dann, wenn er dem Unfallgeschädigten einen Tarif anbietet, der deutlich über dem Normaltarif auf dem örtlich relevanten Markt liegt, und dadurch die Gefahr be-steht, dass die Haftpflichtversicherung nicht den vollen Tarif übernimmt, muss er den Mieter darüber aufklären. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob der Vermieter mehrere oder - wie im vorliegenden Fall von ihm behauptet - nur ei-nen einheitlicher Tarif anbietet. Erforderlich, aber auch ausreichend ist es, den Mieter deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass die (gegneri-sche) Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang erstattet (entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt in einem solchen Hinweis kein Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz, weil der Hinweis nicht der Rechtsverfolgung gegenüber dem Haftpflichtversicherer dient); es ist dann Sache des Mieters, sich kundig zu machen, etwa indem er Kontakt zur Haftpflichtversicherung aufnimmt, weitere Angebote einholt oder sich anwaltlich beraten lässt.

3. Danach steht dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. (§§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 BGB) in Höhe der Klageforderung zu, mit dem er wirksam gegen diese aufgerechnet hat.

Zwar hat das Landgericht keine Feststellungen zum "Normaltarif" getrof-fen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Beklagten liegt der hier geltend gemachte Mietzins deutlich über dem auf dem örtlich relevan-ten Markt bestehenden Normaltarif.

Die Klägerin hätte den Beklagten deshalb darauf hinweisen müssen, dass die Haftpflichtversicherung den angebotenen Tarif möglicherweise nicht in vollem Umfang ersetzen werde. Es ist davon aus-zugehen, dass sich der Beklagte "aufklärungsrichtig" verhalten hätte (vgl. Pa-landt/Heinrichs aaO § 280 Rdn. 39 unter Hinweis auf BGHZ 72, 92, 106; 124, 151, 159). Die Unsicherheit darüber, zu welchem Preis der Beklagte bei ord-nungsgemäßer Aufklärung einen Wagen gemietet hätte, geht zu Lasten des Autovermieters (Körber aaO S. 76). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Beklagte einen Wagen zu einem günstigeren, vom Haftpflichtversicherer nicht beanstandeten Tarif angemietet hätte mit der Folge, dass die Klageforderung nicht entstanden wäre. Der Beklagte kann gemäß § 249 Abs. 1 BGB verlangen, so gestellt zu werden, wie er ohne das schädigende Verhalten des Vermieters gestanden hätte (Palandt/Heinrichs aaO § 311 Rdn. 56).

Hahne
Sprick
Fuchs
Ahlt
Vézina

Vorinstanzen

AG Lampertheim, Entscheidung vom 28.10.2003 - 3 C 1002/03 -; LG Darmstadt, Entscheidung vom 18.02.2004 - 7 S 165/03 -

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Satz 1, 249 Fa