Antrag "Bildnisse aus dem privaten Alltag"

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

28. 07. 2006


Aktenzeichen

9 U 226/05


Leitsatz des Gerichts

Eine Person der Zeitgeschichte, die durch die Veröffentlichung eines Fotos von einem Einkaufsbummel in ihrem Recht am eigenen Bild verletzt worden ist, kann nicht generell eine Verbreitung von Bildern aus ihrem privaten Alltag untersagen. Vielmehr muss das Unterlassungsgebot an die konkrete Verletzungshandlung anknüpfen.

Tenor

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 20.10.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin – 27 O 776/05 – geändert und die einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin vom 18.8.2005 – 27 O 776/05 – aufgehoben.

Der Antragsgegnerin wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Vorstand, untersagt, Fotos der Antragstellerin zu veröffentlichen, wie in B... Nr. 33 vom 15.8.2005 auf Seite 49 geschehen.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des ersten Rechtszuges zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin 3/4 und die Antragsgegnerin 1/4 zu tragen.

Entscheidungsgründe

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist eine bekannte deutsche Fernsehjournalistin und –moderatorin. Die Antragsgegnerin veröffentlichte in der von ihr verlegten Zeitschrift „B... “ ein Foto, welches die Antragstellerin mit ihrer Putzfrau beim Einkaufen in Port Andratx auf Mallorca zeigt. Foto und dazu gehöriger Text befanden sich auf einer bebilderten Seite mit der Überschrift „Was jetzt los ist auf Mallorca“.

Der Antragsgegnerin wurde durch einstweilige Verfügung untersagt, „Bildnisse aus dem privaten Alltag der Antragstellerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen, wie in B... Nr. 33 vom 15. August 2005 auf der Seite 49 geschehen“. Die Berufung der Antragsgegnerin richtet sich gegen die Bestätigung der einstweiligen Verfügung durch das angefochtene Urteil.


II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin gegen ihre Verurteilung durch das Landgericht hat Erfolg. Dem in zweiter Instanz gestellten (ersten) Hilfsantrag der Antragstellerin ist dagegen zu entsprechen.

1.
Der Senat hat bereits erhebliche Bedenken, ob der Hauptantrag zulässig, nämlich im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt ist.

a.
Ein Unterlassungsantrag – wie auch eine darauf beruhende Verurteilung, § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO – muss so deutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (vgl. BGH NJW 2005, 2550, 2551; NJW 2003, 3046, 3047; WRP 1992, 560, 561). Der Einschüchterungseffekt, der sich bei einem Verbot mit unklarer Reichweite aus den gemäß § 890 ZPO bei einem (schuldhaften) Verstoß drohenden Ordnungsmitteln ergibt, stellt einen unzumutbaren Eingriff in die Freiheit der Berichterstattung dar (vgl. BVerfG NJW 2004, 1942 zu II.2.b.aa; s. a. Urteil des Senats vom 22.6.2004 - 9 U 87/04).

Allerdings sind bei der Formulierung eines Unterlassungsantrages dennoch im Interesse eines hinreichend wirksamen Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, weil eine Verletzungshandlung die Vermutung der Begehungsgefahr nicht nur für die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (vgl. BGH NJW 2000, 2195, 2196; s. z. B. auch Beschluss des Senats vom 22.4.2003 - 9 W 7/03). Dabei kann es unter Umständen bei der Fassung des Verfügungs- bzw. Klageantrags und des entsprechenden Urteilsausspruchs hinzunehmen sein, dass das Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung behaupteter Verstöße gegen das Unterlassungsgebot auch Wertungen vornehmen muss (vgl. BGH NJW 2005, 1050 zu II.4.a). Es muss aber stets auch in dieser verallgemeinerten Form das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommen (vgl. BGH WRP 2000, 1258, 1260).

b.
Der Hauptantrag der Antragstellerin geht deutlich über die konkrete Verletzungshandlung hinaus. Nach dem Wortlaut des Antrages und dem Vorbringen der Antragstellerin will sie einer Verbreitung von Bildnissen aus ihrem privaten Alltag generell – über das konkrete Foto und „kerngleiche“ Bilder hinaus – entgegen treten. Der Verbotstenor soll gemäß Schriftsatz der Antragstellerin vom 6.4.2006 beispielsweise Fotos erfassen, die sie mit ihrem neuen Lebensgefährten in Paris zeigen, bzw. gemäß Schriftsatz vom 20.6.2006 Bilder „beim Spazierengehen, Einkaufen, privatem Urlaub, privaten Veranstaltungen etc.“.

c.
Es erscheint fraglich, ob die von der Antragstellerin verwendete Formulierung „Bildnisse aus dem privaten Alltag“ geeignet ist, das zu unterlassende Handeln hinreichend konkret zu bezeichnen. Dieser Begriff ist zwar in der Rechtsprechung wiederholt verwandt worden, aber nicht zur Eingrenzung des Verbotsumfanges; es lagen jeweils Anträge zugrunde, die sich gegen eine Verbreitung konkreter Fotos richteten. Die Verwendung eines auslegungsbedürftigen Begriffs kann zu Zweifeln über Sinngehalt und Reichweite des Verbotes führen. Zwar sind auch auslegungsbedürftige Begriffe im Antrag und in der Urteilsformel nicht generell unzulässig (vgl. BGH NJW 2000, 2195, 2196). Der Gebrauch solcher Begriffe kann hinnehmbar oder im Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig und sogar geboten sein, wenn über den Sinngehalt der verwendeten Begriffe oder Bezeichnungen kein Zweifel besteht, so dass die Reichweite von Antrag und Urteil feststeht (vgl. BGH WRP 1998, 42, 46). Dabei mag dahin stehen, ob es schon dann an der Bestimmtheit fehlt, wenn die Parteien – wie hier - über die Einordnung des beanstandeten Verhaltens unter den auslegungsbedürftigen Begriff streiten (so die beiden letztgenannten Entscheidungen des BGH), oder ob in dieser Konstellation der auslegungsfähige Begriff durch die Antragsbegründung bzw. die Gründe einer stattgebenden Entscheidung dahin konkretisiert wird, dass der streitgegenständliche Vorgang erfasst ist. Jedenfalls hat es für die Definition des „privaten Alltags“ keinen abschließenden Erkenntniswert, wenn man den Einkaufsbummel in Mallorca hierunter fallen lässt. Die Antragstellerin nimmt eine hervorgehobene Stellung in der deutschen Gesellschaft ein, so dass die Grenze zwischen ihrem privatem Alltag und öffentlichen Auftritten nur schwer zu ziehen ist, etwa wenn sie – insbesondere gemeinsam mit anderen Prominenten - ein Restaurant, eine Theatervorstellung, Party, Vernissage o. ä. besucht. Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung die sich aus dieser Problematik für ihre redaktionelle Arbeit (Sichtung und Auswertung ihres Bilderarchivs) ergebenden Schwierigkeiten bei der rechtlichen Einschätzung der Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen anschaulich erläutert.

Der Sachvortrag der Antragstellerin schafft insoweit keine weiter gehende Klarheit (vgl. BGH NJW 1995, 3187, 3188). Auch kann dem Zusatz „wie in … geschehen“ aus den zu 1.b erörterten Gründen keine Eingrenzung des Hauptantrages entnommen werden. Hiernach könnte sich für die Antragsgegnerin aus der erstinstanzlichen Verurteilung eine unerträgliche Unsicherheit ergeben, was sie noch berichten dürfte.

Soweit der Senat mit seinen Beschlüssen gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vom 13.9.2005 und 28.10.2005 im Verfahren 9 U 71/05 („Atze Schröder“) eine dem hiesigen Hauptantrag entsprechende Tenorierung gebilligt hat, wurde dies ausdrücklich darauf gestützt, dass der dortige Betroffene sein Privatleben niemals auch nur teilweise öffentlich gemacht hatte und als Privatperson – d. h. ohne die bei seinen Auftritten als „Comedian“ übliche Maskierung - in der Öffentlichkeit unbekannt war. Daher ließen sich in jenem Fall Bildnisse aus dem privaten Alltag zweifelsfrei von Fotos mit Bezug zum beruflichen Wirken abgrenzen. Im - zum Teil missverständlich formulierten - Beschluss des Senats vom 16.3.2006 – 9 W 26/06 –, der ein Ordnungsgeldverfahren zu einem Unterlassungstitel entsprechend dem hiesigen Hauptantrag betraf, ging es in der Sache um Bilder mit gleichem Verletzungshintergrund (Fotos, welche die dortige Antragstellerin bzw. Gläubigerin jeweils mit ihrem neuen Lebensgefährten während eines Urlaubs zeigten).

2.
Der Hauptantrag ist unbegründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch, eine Verbreitung von Bildern aus ihrem privaten Alltag generell zu untersagen.

a.
Der materielle Unterlassungsanspruch bestimmt sich nach der konkreten Verletzungsform; eine gewisse Verallgemeinerung ist zwar unter dem Gesichtspunkt ausreichender Schutzgewährung zulässig, jedoch nur, soweit darin das Charakteristische des festgestellten konkreten Verletzungstatbestandes zum Ausdruck kommt (vgl. BGH GRUR 1982, 681 zu IV.). Eine abstrahierende Verallgemeinerung darf die Grenze des durch die konkrete Verletzungshandlung begründeten Unterlassungsanspruchs nicht überschreiten (vgl. BGH NJW 2005, 2550, 2552).

Konkrete Verletzungsform, aus der sich eine Wiederholungsgefahr und damit ein Unterlassungsanspruch ergeben kann, war hier die Veröffentlichung des Fotos von einem Einkaufsbummel der Antragstellerin auf Mallorca. Dabei handelt es sich nur um eine einzelne Facette ihres privaten Alltages, wie ihn die Antragstellerin versteht, der nicht jegliche sonstige Alltagssituation im Kern gleichgesetzt werden kann. Der private Alltag stellt kein Charakteristikum dar, mit der sich die Verletzungsform abgrenzen ließe.

b.
Allerdings kann die Wiederholungsgefahr hinsichtlich der konkreten Verletzungsform zugleich ein Anzeichen für die Gefahr erstmaliger Begehung einer von der begangenen abweichenden Verletzungshandlung sein (vgl. BGH GRUR 1982, 681 zu IV). Daraus lässt sich hier aber kein generalisierter Unterlassungsanspruch herleiten, denn die Frage, ob und unter welchen Umständen die Veröffentlichung von Bildern aus dem Alltagsleben der Antragstellerin rechtmäßig sein kann, erfordert einen Abwägungsprozess, der vorliegend nicht vorweg genommen werden kann:

aa.
Bei der Antragstellerin handelt es sich um eine „absolute Person der Zeitgeschichte“, d. h. um eine Person, die unabhängig von einzelnen Ereignissen aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche Aufmerksamkeit findet (vgl. BVerfG NJW 2000, 1021, 1025) bzw. deren Bildnisse allein schon der Person wegen grundsätzlich einwilligungsfrei verbreitet werden dürfen (vgl. BGH NJW 2005, 56, 57). An diesem Begriff ist ungeachtet der Bedenken des EGMR (NJW 2004, 2647 zu Tz. 72) vom Ansatz her festzuhalten (vgl. Senat NJW 2005, 605), auch wenn es bei der Veröffentlichung von Bildern einer Person unabhängig von einem zeitgeschichtlichen Ereignis stets einer Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen der abgebildeten Person bedarf (vgl. BGH a. a. O.). Die Antragstellerin gehört seit etlichen Jahren zu den führenden deutschen Fernsehjournalisten und genießt große Bekanntheit. Ferner bekleidet sie verschiedene offizielle Ämter, u. a. als deutsche UNICEF-Botschafterin. Insbesondere mit ihrer politischen Talkshow, die wöchentlich unter ihrem Namen verbreitet wird und starke Beachtung von mehreren Millionen Zuschauern findet, nimmt sie eine herausgehobene Stellung im Meinungsbildungsprozess ein. Von daher besteht – ähnlich wie bei einem Politiker – ein Interesse des Publikums an der Person der Antragstellerin über ihr berufliches Wirken hinaus; auch der EGMR erkennt an, dass das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen unter besonderen Umständen auch Aspekte des Privatlebens einbeziehen kann (a. a. O. zu Tz. 64). Als erfolgreiche Frau, die im öffentlichen Leben eine solche Bedeutung erlangt hat, kommt der Antragstellerin auch Leitbildfunktion zu. Im Übrigen geht sie (im Schriftsatz vom 19.10.2005) selbst davon aus, Person der Zeitgeschichte zu sein.

bb.
Jedoch muss auch eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person eine berechtigte Hoffnung auf Schutz und Achtung ihrer Privatsphäre haben (vgl. EGMR a. a. O. Tz. 69, 78) und können Fotoaufnahmen als ständige Belästigung und Verfolgung empfunden werden (vgl. EGMR a. a. O. Tz. 59, 68). Allerdings hat das BVerfG (NJW 2000, 1021) Plätzen, bei denen sich der Betroffene unter vielen Menschen befindet, einen Privatsphärenschutz abgesprochen. Zwar sieht sich der Senat, wie nachfolgend unter 3.c.aa näher auszuführen ist, befugt, das Recht auf Achtung des Privatlebens im Einzelfall über Orte der Abgeschiedenheit hinaus zu erstrecken. Dies kann aber nur nach Abwägung der konkreten Umstände des jeweiligen Sachverhaltes geschehen. Ein generelles Verbot, Fotos aus dem privaten Alltag zu verbreiten, auch soweit sie im öffentlichen Raum aufgenommen worden sind, kommt nicht in Betracht.

cc.
Dies gilt auch dann, wenn man die Antragstellerin nicht als „absolute Person der Zeitgeschichte“ ansehen wollte. Jedenfalls ist sie so prominent, dass Aspekte ihres privaten Alltags unter nicht ganz fern liegenden Umständen ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG darstellen können. Es dürfte illustriert werden, wenn das private Verhalten der Antragstellerin zu ihrem öffentlichen Auftreten in Bezug steht oder gar in Widerspruch gerät. Ferner ist zu berücksichtigen, dass sich die Antragstellerin gegenüber der Presse mitunter – wenn auch in zurückhaltender Weise – zu privaten Angelegenheiten geäußert hat, etwa zu ihrem zweiten Ehemann, zu ihrem Anwesen auf Mallorca, zu ihrem Hund und zu Reisen; ihr Vorbringen, es handele sich um fremdbestimmte Veröffentlichungen und gegen viele von diesen sei sie erfolgreich vorgegangen, ist ohne Substanz. Auch sind Bezüge zwischen ihrem privaten Alltag und den Themen ihrer Sendungen vorstellbar. Daher kommt bei der Antragstellerin im Gegensatz zum Fall 9 U 71/05 ernsthaft in Betracht, dass Bilder aus dem privaten Alltag im Einzelfall veröffentlicht werden dürfen, und kann ein generelles Verbot nicht ergehen.

3.
Der (erste) Hilfsantrag ist zulässig und begründet.

a.
Die zweitinstanzliche Klageänderung ist gemäß § 533 ZPO zulässig, denn sie ist sachdienlich und überdies mit Einwilligung der Antragsgegnerin erfolgt (§ 267 ZPO) und kann auf die für die Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legenden Tatsachen gestützt werden.

b.
Das mit dem Hilfsantrag begehrte Verbot, „Fotos der Antragstellerin zu veröffentlichen wie in B... Nr. 33 vom 15.8.2005 auf Seite 49 geschehen“, ist im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt. Dieser Antrag zielt ausweislich der Erörterungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf eine Verurteilung der Antragsgegnerin entsprechend der „Kerntheorie“.

Nach dieser in der Rechtsprechung gefestigten Auffassung kann ein Betroffener nicht nur eine exakte Wiederholung der Verletzungshandlung verbieten lassen, sondern auch einem künftigen wesensgleichen Eingriff entgegen treten. Der negatorische Rechtsschutz wäre weithin ineffektiv, wenn er geringfügig variierte Rechtsverletzungen nicht erfassen würde. Gerade auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht am eigenen Bild wären dann unvollkommen geschützt, nämlich durch einen Geldentschädigungsanspruch nur bei besonders schweren bzw. hartnäckigen Rechtsverletzungen und ansonsten allenfalls mittelbar durch den Abschreckungseffekt der Kosten weiterer Unterlassungsbegehren. Dem entsprechend darf ein Unterlassungsantrag nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs mit dem Wort „wie“ an das Charakteristische des konkreten Verletzungstatbestandes anknüpfen (vgl. BGH WRP 1998, 42 zu II.2.b; BGH NJW 2000, 2195 zu I.2; BGH GRUR 2001, 529 zu II.2).

Charakteristisch ist im vorliegenden Fall, dass die Antragstellerin bei Besorgungen bzw. beim Flanieren auf Mallorca - sei es mit oder ohne Begleitung - abgebildet worden ist, ohne dass dem Bild ein zusätzlicher Nachrichtenwert hinsichtlich der Antragstellerin zukam. Dieser Umfang des Verbotsausspruchs braucht im Antrag nicht ausdrücklich beschrieben zu werden, sondern kann anhand der Gründe der gerichtlichen Entscheidung ermittelt werden (vgl. BGH NJW 1989, 1545 zu II.1 mit weiteren Nachweisen).

c.
Die Antragstellerin kann verlangen, dass die Antragsgegnerin von ihr keine Fotos der beschriebenen Art verbreitet. Sie ist durch die Veröffentlichung vom 15.8.2005 in ihrem Recht am eigenen Bild (§ 22 KUG) verletzt worden.

Zwar stellt das von der Antragsgegnerin abgedruckte Foto im Hinblick auf die Prominenz der Antragstellerin ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar (s. o. zu 2.b.aa). Die Belange der Antragsgegnerin müssen jedoch gemäß § 23 Abs. 2 KUG hinter dem Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin zurücktreten.

aa.
Zwar ist die Klägerin am 28.4.2005 auf öffentlichem Straßenland fotografiert worden, so dass sie sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1999 (NJW 2000, 1021) nicht auf einen Schutz ihrer Privatsphäre berufen könnte. Nach der Entscheidung des EGMR vom 24.6.2004 ist eine berechtigte Hoffnung auf Schutz und Achtung der Privatsphäre dagegen auch dann anzuerkennen, wenn sich eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person an einem nicht abgeschiedenen Ort befindet (a. a. O. Tz. 69, 77 f.).

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 14.10.2004 (NJW 2004, 3407) sind die deutschen Gerichte im Rahmen ihrer Bindung an Gesetz und Recht verpflichtet, dieGewährleistungen der EMRK und der Entscheidungen des Gerichtshofs im Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung zu berücksichtigen (Tz. 46, 47), das Grundgesetz ist nach Möglichkeit so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht entsteht (Tz. 33), der Text der EMRK und die Rechtsprechung des EGMR dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten (Tz. 32) und Entscheidungen des EGMR sind in den betroffenen Teilrechtsbereich der nationalen Rechtsordnung einzupassen (Tz. 58).

Die Fachgerichte befinden sich, was den Umfang des Persönlichkeitsschutzes bei privaten Auftritten Prominenter im öffentlichen Raum angeht, in einem Spannungsverhältnis, sieht doch der EGMR einen Verstoß gegen Art. 8 EMRK gerade in Entscheidungen der höchsten deutschen Gerichte, u. a. dem erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.12.1999. Für Entscheidungen des EGMR ist zwar keine Bindungswirkung entsprechend § 31 BVerfGG normiert. Gleichwohl haben die deutschen Gerichte einer verallgemeinerungsfähigen und allgemeine Gültigkeit beanspruchenden Auslegung einer Konventionsbestimmung durch den Gerichtshof vorrangig Rechnung zu tragen (vgl. BVerwGE 110, 203, 210). Der Senat geht daher, wie er mit Urteilen vom 29.10.2004 – 9 W 128/04 - (NJW 2005, 605) und vom 20.12.2005 – 9 U 130/05 – näher ausgeführt hat, im Hinblick auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands von einer gelockerten Bindungswirkung des Urteils vom 15.12.1999 aus und sieht sich gehalten, einen Ausgleich zwischen den divergierenden Auffassungen zu finden.

Dabei ist insbesondere daran festzuhalten, dass - obwohl dies im Urteil des EGMR keinen Niederschlag gefunden hat – sich auch die Unterhaltungspresse auf die Meinungsfreiheit berufen kann, wenngleich es bei der Abwägung mit kollidierenden Persönlichkeitsrechten darauf ankommen kann, ob die Öffentlichkeit wesentlich angehende Fragen ernsthaft und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten, die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden (vgl. BVerfG NJW 1999, 1021 zu II.2.b). Ferner sieht der Senat – wie bereits erwähnt - keinen Anlass, den Begriff der “absoluten Person der Zeitgeschichte” gänzlich fallen zu lassen, d. h. ein generelles Berichterstattungsinteresses an den Umständen einer Person von vornherein außer Betracht zu lassen. Dem EGMR ist aber darin beizupflichten, dass es die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) beeinträchtigen kann, wenn ein Betroffener – mag er sich auch den Blicken von Passanten ausgesetzt haben – in alltäglichen Lebenssituationen der Medienöffentlichkeit präsentiert wird, und dass Prominenten bei rein privaten Tätigkeiten im Alltagsleben ein Schutz vor einer Verfolgung durch Fotografen zukommen kann. Daher erscheint es mit der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG) vereinbar, das Recht auf Achtung des Privatlebens im Einzelfall über Orte der Abgeschiedenheit hinaus zu erstrecken.

bb.
Das Berichterstattungsinteresse am Einkaufsbummel der Antragstellerin ist – auch inmitten einer Fotoberichterstattung über Prominente auf Mallorca – denkbar gering, weil jeglicher Bezug zur beruflichen Tätigkeit, zu öffentlichen Auftritten oder zu eigenen Äußerungen der Antragstellerin fehlt. Von einem Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse kann erst recht keine Rede sein, auch wenn die Insel Mallorca in der öffentlichen Wahrnehmung in Deutschland einen besonderen Stellenwert haben mag. Demgegenüber kommt, auch wenn das Foto an einem relativ belebten öffentlichen Ort durch einen offen agierenden Fotografen aus ca. 10 Meter Entfernung aufgenommen wurde und für die Antragstellerin nicht ungünstig ist, ihrem Anonymitätsinteresse der Vorrang zu. Die Antragstellerin ist trotz der großen Aufmerksamkeit, die ihr entgegen gebracht wird, nur mit wenigen, allgemein gehaltenen und unverfänglichen Informationen über ihr Privatleben an die Öffentlichkeit getreten und hat zum Beispiel keine Aufnahmen verbreiten lassen, die sie in ihrem häuslichen Bereich zeigen.

Dass die Antragstellerin vereinzelt ihre Vorliebe für Mallorca erwähnt hat, macht es nicht zu einer Angelegenheit von öffentlichem Interesse, wenn sie sich aktuell dort aufhält und dort einkaufen geht. Entgegen der Auffassung, welche die Antragsgegnerin in der Verhandlung vom 30.6.2006 hat vortragen lassen, kann von Prominenten nicht schlechterdings erwartet werden, sich im Privatleben zu verstecken und z. B in abgeschotteten Läden einkaufen zu gehen; dies erscheint dem Senat mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unvereinbar. Vielmehr überwiegt hier das berechtigte Anliegen der Antragstellerin, sich in der abgebildeten Alltagssituation unbefangen und ohne eine Belästigung durch Paparazzi oder sonstige Fotografen, die ihre Fotos von Prominenten an die Presse weitergeben, bewegen zu können.

d.
Die aufgrund der Rechtsverletzung zu vermutende Wiederholungsgefahr ist durch die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Antragsgegnerin vom 17.8.2005 nicht ausgeräumt, denn diese bezog sich nur auf das konkrete Foto und überdies hat die Antragsgegnerin in ihrer Widerspruchsbegründung erklärt, sich hieran nicht mehr gebunden zu sehen.

4.
Die Kostenentscheidung folgt für die erste Instanz aus § 91 Abs. 1 ZPO und für das Berufungsverfahren aus § 92 Abs. 1 ZPO, wobei zu berücksichtigen war, dass sich der Streit der Parteien schwerpunktmäßig auf den Hauptantrag bezieht.

Vorinstanzen

LG Berlin, 27 O 776/05

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht