Streit der Eltern über Auslandsreise mit Kind
Gericht
OLG Köln
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
04. 06. 2004
Aktenzeichen
4 WF 4/04
Will ein Elternteil mit einem kleinen Kind in einen dem Kind nicht umfassend vertrauten Kulturkreis verreisen (hier: zur Großmutter nach Katar), handelt es sich um eine bedeutende Angelegenheit i.S. des § 1687 I 1 BGB.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Beide Eltern sind arabischer Herkunft. Die Ag. (Mutter) will mit den 1997 und 1999 geborenen Kindern ihre in Katar lebende Mutter besuchen. Der Ast. (Vater) hat dem nicht zugestimmt. Die Ag. beantragt in einem laufenden Verfahren u.a., ihr die Befugnis zu übertragen, die Ausstellung von zwei Kinderpässen zum Zwecke des Besuchs der Großmutter in Katar zu beantragen und die Pässe entgegenzunehmen.
Das AG - FamG - hat diesen Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde der Ag. hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Der Ag. war gem. § 1628 BGB die Ermächtigung zu erteilen, die Kinderpässe zu beantragen und an sich herausgeben zu lassen, um mit ihren Kindern die geplante Reise nach Katar durchführen zu können. Es war die entsprechende Ermächtigung der Ag. auszusprechen, da durch eine Entscheidung nach § 1628 BGB die an sich gemeinsam zu treffende Entscheidung der Eltern einem Elternteil zu übertragen ist. Einer gesonderten Zustimmung des anderen Elternteils bedarf es daher - wie an sich beantragt - nicht. Dessen Zustimmung wird durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt mit der Folge, dass die Ag. alleine den Antrag stellen kann.
Die Ermächtigung war der Ag. zu erteilen. Die Voraussetzungen des § 1628 BGB liegen vor. Danach kann das FamG auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, einem Elternteil übertragen, wenn sich die Eltern hierüber nicht einigen können. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen vor.
Es handelt sich um eine einzelne Angelegenheit der elterlichen Sorge. Die begehrte Regelung ist auf eine situative Entscheidung beschränkt. Sie betrifft nur einen Einzelfall, in dem die Eltern konkrete Meinungsdifferenzen nicht allein zu überwinden vermögen (vgl. hierzu OLG Zweibrücken, NJW-RR 2001, 506; Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl. [2004], § 1628 Rdnr. 2). Dagegen handelt es sich nicht um einen ganzen Teilbereich der elterlichen Sorge, welcher aus dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern insgesamt herauszulösen ist, wie es z.B. bei einer Entscheidung auf Übertragung des generellen Aufenthaltsbestimmungsrechts der Fall wäre. Über die Frage des Sorgerechts wird zwischen den Eltern noch heftig gestritten.
Über die Reise nach Katar können sich die Eltern nicht einigen. Gerichtliche Einigungsversuche sind fehl geschlagen. Eine gerichtliche Entscheidung ist geboten.
Die Angelegenheit ist auch von erheblicher Bedeutung und nicht lediglich eine solche des täglichen Lebens. Von erheblicher Bedeutung für das Kind sind alle Angelegenheiten, deren Entscheidung von erheblicher Auswirkung auf die Entwicklung des Kindes ist. Eine solche Angelegenheit soll grundsätzlich von den Eltern nur gemeinsam getroffen werden (vgl. Palandt/Diederichsen, § 1687 Rdnr. 7). Hierzu zählen auch Reisen kleiner Kinder jedenfalls im Alter der beiden Kinder in Länder eines ihnen jedenfalls nicht umfassend vertrauten Kulturkreises. Selbst wenn beide Elternteile arabischer Herkunft sind, ist den beiden Kindern die arabische Welt nicht so vertraut wie das ihnen gewohnte europäische Umfeld. Sprachschwierigkeiten kommen hinzu. Weiter können solche Fernreisen u.a. erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder haben (vgl. OLG Köln, NJW 1999, 295).
Gleichwohl war gegen den Willen des Ast. die begehrte Entscheidung zu treffen, da diese auch dem gem. § 1697a BGB zu beachtenden Kindeswohl, an dem sie zu orientieren ist, am besten entspricht. Prinzipiell entspricht ein Besuch der Großeltern auch dem Kindeswohl. Für die Erziehung des Kindes ist es von Bedeutung, dass das Kind nicht allein auf die Kleinfamilie bestehend aus Vater, Mutter und Geschwistern beschränkt wird. Vielmehr fördert es die geistig-seelische Entwicklung des Kindes insgesamt, wenn es Umgang mit möglichst vielen Personen der Familie pflegt, so insbesondere auch mit den Großeltern. Dabei fällt ins Gewicht, dass jedenfalls die Großeltern mütterlicherseits von den beiden Kindern weit entfernt leben und regelmäßige Umgangskontakte kaum möglich sind. Umso mehr muss daher die Gelegenheit gesucht werden, zumindest in zeitlich nicht zu weiten Abständen die familiären Kontakte aufrecht zu erhalten.
Vorliegend war besonders zu berücksichtigen, dass - wie die Ag. glaubhaft vorgetragen hat - ihre Mutter schwer erkrankt ist und nicht mehr sehr lange zu leben hat. Nicht nur aus der Sicht der Großmutter oder auch der Mutter, der Ag., ist es daher wünschenswert, wenn beide Kinder ihre Großmutter noch einmal besuchen können. Vielmehr ist es auch für das Wohl der Kinder förderlich. Die Großmutter ist ihnen auch nicht unbekannt, da die beiden Enkelkinder ihre Großmutter zuletzt vor etwa zwei Jahren besucht haben und demnach durchaus Kontakte zwischen Großmutter und Enkeln bestehen.
Diesen Argumenten stehen die oben gezeigten Risiken einer Fernreise in einen fremden Kulturkreis nicht entgegen. Die Ag. hat bereits eine solche Reise alleine mit ihren damals noch wesentlich kleineren Kindern durchgeführt. Damals hatte der Ast. keine Einwendungen gegen diese Reise. Dadurch, dass die Ag. in Katar ihre Familie hat, die sich ebenfalls um die Kinder kümmern kann, sind die Risiken einer fernen Auslandsreise deutlich reduziert. Mutter und Kinder sind dort nicht isoliert. Darüber hinaus kennt sich die Kindesmutter in dem arabischen Kulturkreis aus. Sie stammt schließlich daher.
Der Durchführung der Reise steht auch nicht eine vom Ast. behauptete Entführungsgefahr durch die Ag. entgegen. Zur Überzeugung des Senats besteht eine solche nicht. (Wird im Einzelnen ausgeführt.)
Sollte der Ast., wie die Ag. vor dem Jugendamt gemäß dessen Bericht vom 5. 8. 2003 erklärt hat, gültige Reisepässe in seinem Besitz haben, so wäre er verpflichtet, diese herauszugeben. Jedoch kann nach Auffassung des Senats der Ag. bei der gegebenen Sachlage nicht zugemutet werden, nunmehr zunächst zu versuchen, eine eventuelle Herausgabeanordnung gegenüber dem Ast. zu vollstrecken. All dies würde nur zu einer weiteren Verzögerung der Angelegenheit führen.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen