Erhöhte Verkehrssicherungspflicht bei schadhafter Dachrinne
Gericht
LG München II
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
27. 10. 2005
Aktenzeichen
8 S 3428/05
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. begehrt Schadensersatz in Form von Schmerzensgeld aus einem Glatteisunfall am 27. 12. 2003 gegen 11.30 Uhr vor einem Anwesen in D., dessen Eigentümer die Bekl. als Miteigentümer in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind. Am 27. 12. 2003 ging die damals 81-jährige Kl. mit ihrem Ehegatten und dem Enkel, den Zeugen P, C und H von zu Hause in die Altstadt. Der Fußweg von zu Hause bis zu dem Anwesen konnte ohne Probleme bewältigt werden. Sämtliche Bürgersteige waren geräumt, schnee- und eisfrei. Vor dem Anwesen, welches im Eigentum der Bekl. steht, kam die Kl. auf einer dort befindlichen Eisfläche zu Sturz. Sie zog sich dabei einen komplizierten Bruch des linken Sprunggelenks zu mit postoperativer Wundheilstörung.
Das AG hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
Das Erstgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass durch den Defekt der Dachrinne und das hieraus entstehende und anfrierende Tropfwasser eine besondere Gefahrensituation herbeigeführt wurde, die auch entsprechend Anlass zu erweiterten Sicherungsmaßnahmen geben hätte müssen. Der Defekt war den Bekl. nach Auskunft des einvernommenen Zeugen G bekannt, der den Schaden mehrfach gemeldet hat. Gleichwohl haben die Bekl. als Gebäudeeigentümer hieraus resultierende Organisationspflichten (Sanierung der schadhaften Stelle; Anweisung an den Zeugen G, die Gefahrenstelle durch geeignete Maßnahmen zu überwachen) vernachlässigt. Im Hinblick auf die durch das vorgelegte Wettergutachten dokumentierte Witterung am Schadenstag musste trotz der bestehenden Minustemperaturen auch mit der Entstehung von Tropfwasser (z.B. bei entsprechender auf das Dach einwirkender Sonneneinstrahlung) gerechnet werden.
Die Kammer folgt auch der Auffassung des Erstgerichts, wonach der Kl. ein Mitverschulden bei der Schadensentstehung nicht anzurechnen ist. Insoweit ist nach den Angaben der Zeugen P, C und H davon auszugehen, dass die Eisfläche nicht oder nur schwerlich erkennbar war. Dem steht auch nicht entgegen, dass auf den vorgelegten Lichtbildern Eisbrocken zu sehen sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Brocken erst nach im Nachhinein in Zusammenhang mit der Versorgung der verletzten Kl. entstanden sind. Weiter haben sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, dass der Kl. die Tropfwasserbildung an dem Gebäude vor dem Glatteisunfall hätte auffallen können. Zuletzt ist die Kammer der Auffassung, dass im Hinblick auf die gravierende Pflichtverletzung der Bekl. ein etwaiges Mitverschulden der Kl. im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge zurücktreten würde.
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