Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit

Gericht

LG München II


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

Invalid date


Aktenzeichen

absichtlich stärker anonymisiert als üblich


Tenor

  1. Der Beschluss des Amtsgerichts ... wird aufgehoben.

  2. Der Betroffenen wird auf ihre Kosten gegen die Versäumung der Hauptverhandlung vom 24.5.2006 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Der Betroffenen liegt zur Last, am 24.11.2005 um ... als Fahrerin des PKW ..., amtl. Kennzeichen ..., auf der Bundesstraße ... im Gemeindebereich ... außerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 34 km/h überschritten zu haben. Die Betroffene, die ihre Fahrereigenschaft bestreitet, erhob gegen den Bußgeldbescheid vom ... durch den ein Bußgeld von ... EUR verhängt wurde, form- und fristgerecht Einspruch. Nachdem das zuständige Amtsgericht ... mit Verfügung vom 8.5.2006 Termin zur Hauptverhandlung auf den 24.5.2006 bestimmt und das persönliche Erscheinen der Betroffenen angeordnet hatte, beantragte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 15.5., eingegangen am 16.5.2006, den Termin zu verlegen, weil sowohl die Betroffene als auch er selbst verhindert seien. Die Betroffene habe am Terminstag ... eine ...verpflichtung in der Nähe von ... in Norddeutschland wahrzunehmen, er selbst sei durch einen Gerichtstermin in ... verhindert. Die Einarbeitung und Anreise eines anderen Kollegen nach ... erscheine unverhältnismäßig. Zum Nachweis der ...verpflichtung der Betroffenen wurde in der Anlage eine schriftliche Bestätigung der ... vom 15.5.2006 nebst ... für den 24.5. vorgelegt.

Das Amtsgericht lehnte die Terminsverlegung mit Beschluss vom 17.5.2006 mit der Begründung ab, dass in Anbetracht des einfach gelagerten Sachverhalts die Einarbeitung mit geringem Zeitaufwand möglich und die Vollmacht überdies auf 3 Anwälte ausgestellt sei.

Im Termin vom 24.5.2006, zu dem zwar einer der Verteidiger, nicht aber die Betroffene erschienen war, wurde der Einspruch gemäß § 74 Abs. 2 OWiG durch Urteil verworfen. Der Verteidiger beantragte mit Schriftsatz vom 31.5.2006, eingegangen per Fax am selben Tage, der Betroffenen gegen die Versäumung der Hauptverhandlung Wiedereinsetzung zu gewähren, weil ihr Fernbleiben vom Termin ausreichend entschuldigt gewesen sei. Die Verlegung des ...termins sei so kurzfristig nicht möglich und wirtschaftlich

mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden. Zur Glaubhaftmachung wurde mit Schriftsatz vom 14.6.2006 ergänzend eine Stellungnahme der ... vorgelegt, wonach wegen des seit langem festgelegten, eng gesteckten Terminsplanes ... eine kurzfristige Umplanung praktisch unmöglich sei.

Die Staatsanwaltschaft nahm mit Verfügung vom 10.8.2006 zum Wiedereinsetzungsgesuch dahingehend Stellung, dass die Terminsverlegung rechtzeitig und mit ausreichenden Gründen beantragt worden, dem Antrag daher stattzugeben sei.

Das Amtsgericht verwarf mit Beschluss vom 28.8.2006, zugestellt am 29.8.2006, das Wiedereinsetzungsgesuch als unbegründet. Berufliche Termine entschuldigten das Ausbleiben nur ausnahmsweise, wenn sie unaufschiebbar und von erheblicher Bedeutung seien. Hier sei es der Betroffenen zumutbar, einen ... .

Der Verteidiger erhob mit am 5.9.2006 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde. Die Verschiebung ... sei mit erheblichen Kosten verbunden, die in keinem Verhältnis zum Gewicht des Verfahrensgegenstandes, einer Geschwindigkeitsüberschreitung, stünden. Auch sei nicht nachvollziehbar, was einer Verlegung des Termins entgegengestanden hätte.


II.

Das zulässige Rechtsmittel ( §§ 74 Abs.4, 46 Abs. 1 OWiG, §§ 46 Abs.3, 311 Abs.l, Abs.2, 306 Abs.l StPO) ist auch in der Sache begründet.

Gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ist der Einspruch ohne Verhandlung zur Sache zu verwerfen, wenn der vom Erscheinen nicht entbundene Betroffene der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung fernbleibt. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor.

Die angefochtene Entscheidung geht zwar grundsätzlich zutreffend davon aus, dass berufliche Termine nicht ohne weiteres geeignet sind, das Ausbleiben zu entschuldigen, sondern dass dies nur dann der Fall ist, wenn sie unaufschiebbar und von solcher Bedeutung für den Betroffenen sind, dass ihm ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann. Ob diese Voraussetzungen vorliegen ist unter Berücksichtigung u.a. der wirtschaftlichen Bedeutung des beruflichen Termins, der Möglichkeit seiner Verlegung, der hierfür zur Verfügung stehenden Zeit und auch der Möglichkeit einer Verlegung des Verhandlungstermins unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgebots zu beurteilen. Die Betroffene hat hier nach Erhalt der Ladung, die ihr ausweislich der Akten am 9.5.2006 zugestellt wurde, mit am 16.5. eingegangenem Schriftsatz ihres Verteidigers über eine Woche vor dem Termin Verlegung beantragt und ihre Verhinderung durch ... ausreichend glaubhaft gemacht. Wie sich aus der Bestätigung von ... vom 15.5. und ... ergibt, waren ... . Die Verfahrensbeteiligten haben zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf Verlegung eines Termins; über diese entscheidet vielmehr der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen. In die Abwägung sind hierbei aber neben dem Gebot der Verfahrensbeschleunigung auch die Interessen der Verfahrensbeteiligten einzustellen. Hier wurde die Verlegung über eine Woche vor dem Termin und in angemessener Zeit nach Erhalt der Ladung unter Darlegung der Gründe beantragt, zum Termin waren weder Zeugen noch ein Sachverständiger geladen. Gründe, die einer Terminsverlegung trotz der beruflichen Verhinderung der Betroffenen und der mit einer Verlegung der beruflichen Termine einhergehenden Probleme zwingend entgegenstanden, sind nicht nachvollziehbar.

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Vorsitzender Richter am Landgericht

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Richter am Landgericht

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Richterin am Landgericht

Rechtsgebiete

Straßenverkehrs- und Straßenrecht