Gegendarstellung mehrerer Betroffener

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

07. 07. 2006


Aktenzeichen

14 U 86/06


Leitsatz des Gerichts

  1. Eine gemeinsame Gegendarstellung mehrerer Betroffener kommt nur dann in Betracht, wenn die Beteiligten durch die Erstmitteilung in völlig gleicher Weise beeinträchtigt worden sind, so dass sie auch wortgleich erwidern können.

  2. Jedenfalls dann, wenn mehrere zwar dieselbe Erstmitteilung betreffende, aber nicht wortgleiche Gegendarstellungen auf der Titelseite einer Zeitschrift abzudrucken sind, haben es die Betroffenen hinzunehmen, dass vermeidbare Wiederholungen ohne zusätzlichen Informationswert (hier: durch Zusammenfassung des für beide Mitteilungen identischen Hinweises auf die Erstmitteilung) vermieden werden.

Tenor

  1. Auf die Berufung der Bekl. werden das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Offenburg vom 05.04.2006 - 2 O 106/06 - und das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Offenburg vom 05.04.2006 - 3 O 110/06 - abgeändert:

    1. Der Bekl. wird im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, auf der Titelseite der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der Zeitschrift „N. W“ im gleichen Bereich, in dem im Heft 09/06 die Erstmitteilung „Heiner Lauterbach - Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht? - Sein Freund hat es erzählt“ erschienen ist, mit gleichen Schrifttypen wie sie für die Erstmitteilung verwendet wurden, unter gegenüber dem - gleichfalls in Fettdruck zu haltendem - Fließtext durch drucktechnische Anordnung und Schriftgröße erfolgender Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift sowie der Wörter „Heiner Lauterbach“, „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?“ und „Sein Freund hat es erzählt“ - ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung abzudrucken, wobei die Schriftgröße gegenüber der Erstmitteilung lediglich in der Weise reduziert sein darf, dass der Abdruck nicht weniger als 150 % der Fläche des Textteils der Erstmitteilung einnimmt:

      Gegendarstellung

      Auf der Titelseite von „N. W.“ Nr. 9 vom 25.02.2006 schreiben Sie:

      „H. L.
      Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
      Sein Freund hat es erzählt“

      Hierzu stelle ich, H. L., fest:

      Weder in der Hochzeitsnacht noch zu einem späteren Zeitpunkt habe ich Ehebruch begangen.

      Berlin, 01. 3. 2006

      H. L.

      Hierzu stelle ich, V. L, fest:

      Mein Mann hat in der Hochzeitsnacht keinen Ehebruch begangen. Vielmehr habe ich die gesamte Hochzeitsnacht mit ihm verbracht.

      Berlin, 01. 3. 2006

      V. L.

    2. Im übrigen werden die Anträge auf Erlaß zweier einstweiliger Verfügungen zurückgewiesen.

  2. Die weitergehenden Berufungen der Bekl. werden zurückgewiesen.

  3. Die Bekl. trägt die Kosten beider Rechtszüge.

  4. Für die Zeit bis zur Verbindung der Berufungsverfahren 14 U 86/06 und 14 U 87/06 wird der Streitwert für jedes dieser beiden Verfahren auf 20.000,00 € festgesetzt.

Für die Zeit ab Verbindung wird der Berufungsstreitwert auf 40.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe


Gründe:

I.

Der (Verfügungs-) Kl. Nr. 1 ist ein bekannter deutscher Schauspieler, die (Verfügungs-) Kl. Nr. 2 ist seine Ehefrau.

Auf der Titelseite von Heft 9/06 der von der (Verfügungs-) Bekl. herausgegebenen Zeitschrift „N. W.“ wurde mit den Worten

„H. L.
Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
Sein Freund hat es erzählt“

und unter Verwendung eines die beiden Kl. und ihre Tochter zeigenden Bildes auf einen im Inneren des Heftes veröffentlichten Artikel hingewiesen, wobei der Hinweis (Bild und Text) ca. 3/5 und der Text für sich allein etwas weniger als 1/5 der Fläche der Titelseite eingenommen haben. Aufgrund dieser Veröffentlichung hat jeder der beiden Kl. - in getrennten Verfahren - beim LG Offenburg beantragt, die Bekl. im Wege der einstweiligen Verfügung zum Abdruck einer Gegendarstellung zu verpflichten. Die Bekl. ist beiden Anträgen entgegengetreten.

Wegen der von den Kl. verfolgten Ansprüche und des zugrunde liegenden Sachverhalts im einzelnen, wegen des Vorbringens der Parteien sowie wegen der gestellten Anträge wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angefochtenen Urteile Bezug genommen (§ 540 ZPO).

Im Verfahren des Kl. Nr. 1 (H. L.; LG Offenburg 2 O 110/06) hat das LG der Bekl. durch Urteil vom 05.04.2006 auferlegt, auf der Titelseite der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „N. W.“ folgende Gegendarstellung abzudrucken: Auf der Titelseite von „N. W.“ Nr. 9 vom 25.02.2006 schreiben Sie über mich:

„H. L.
Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
Sein Freund hat es erzählt“

Hierzu stelle ich fest:

Weder in der Hochzeitsnacht noch zu einem späteren Zeitpunkt habe ich Ehebruch begangen.

Berlin, 01. 3. 2006

H. L.

Dabei hat das LG bestimmt, dass das Wort „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und dadurch hervorgehoben wird, dass es die gleiche Schrifttype und Schriftgröße wie die Wörter „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ aufweist. Weiter hat das LG angeordnet, dass die Schriftgröße des Fließtextes gegenüber der der Erstmitteilung nur in der Weise reduziert sein darf, dass der Abdruck die gleiche Fläche wie die Erstmitteilung einnimmt.

Im Verfahren der Kl. Nr. 2 (V. L.; LG Offenburg 3 O 110/06) hat das LG der Bekl. durch Urteil vom 05.04.2006 auferlegt, auf der Titelseite der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Ausgabe der „N. W.“ folgende Gegendarstellung abzudrucken: Auf der Titelseite von „N. W.“ Nr. 9 vom 25.02.2006 schreiben Sie über mich:

„H. L.
Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?
Sein Freund hat es erzählt“

Hierzu stelle ich fest:

Mein Mann hat in der Hochzeitsnacht keinen Ehebruch begangen. Vielmehr habe ich die gesamte Hochzeitsnacht mit ihm verbracht.

Berlin, 01. 3. 2006

V. L.

Zur Gestaltung der Gegendarstellung hat das LG bestimmt, dass der Abdruck mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ und der Fließtext mit gleicher Schrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie die Worte „Heiner Lauterbach“, wobei der gesamte Fettdruck aufzuweisen habe.

Gegen beide Urteile hat die Bekl. Berufung eingelegt. Mit ihren Berufungen verfolgt sie ihre Anträge auf Zurückweisung der Anträge auf Erlaß der einstweiligen Verfügung weiter. Sie ist der Auffassung, Ansprüche auf Abdruck der von den Kl. verlangten Gegendarstellungen bestünden nicht, weil es sich bei der jeweils beanstandeten Äußerung „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Meinungsäußerung handele, woran auch die sich anschließende Unterzeile „Sein Freund hat es erzählt“ nichts ändere. - In Hinblick auf die vom jeweils anderen Ehepartner erstinstanzlich erwirkte einstweilige Verfügung meint die Bekl., es fehle am schutzwürdigen Interesse für zwei Gegendarstellungen. - Weiter beanstandet die Bekl., das LG habe jeweils nicht berücksichtigt, dass durch den Abdruck zweier Gegendarstellungen in der jeweils erstinstanzlich ausgeurteilten Form mehr als die gesamte Titelseite beansprucht würde, was für die Bekl. unzumutbar sei.

Die Kl. verteidigen jeweils das in ihrer Sache ergangene erstinstanzliche Urteil und beantragen die Zurückweisung der jeweiligen Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.

Durch Senatsbeschluß vom 23.06.2006 wurden die beiden Berufungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.


II.

Die beiden Berufungen führen zu einem Teilerfolg in der Sache.

1. Die Rechtsmittel sind unbegründet, soweit sich die Bekl. dagegen wendet, dass den Kl. mit den angefochtenen Urteilen jeweils ein Gegendarstellungsanspruch mit dem beantragten Inhalt zugebilligt wurde. Die diesbezüglichen Voraussetzungen gem. § 11 bad.-württ. LPG hat das LG in beiden Fällen zutreffend bejaht, insbesondere hat es die inkriminierte Äußerung mit Recht als gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung angesehen. Zwar ist ihr erster Teil - „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht?“ - als Frage formuliert. Dass es sich dabei aber nicht um eine offene, sondern um eine rhetorische Frage handelt, ergibt sich indessen, wie das LG richtig ausgeführt hat, aus dem zur Beurteilung des Aussagegehalts heranzuziehenden (vgl. etwa Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rdnr. 374; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rdnr. 15 - j.m.w. Nachw.) Kontext. Die sich der Frage anschließende Mitteilung „Sein Freund hat es erzählt“ kann - was für die Bejahung eines Gegendarstellungsanspruchs genügt (Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rdnr. 11.41) - als bejahende Antwort durch den sich Äußernden selbst interpretiert werden, weil sie als Hinweis auf eine sichere Quelle zu verstehen ist.

2. Entgegen der Auffassung der Bekl. steht beiden Kl. ein Anspruch auf Abdruck einer eigenen Gegendarstellung zu. Dies ergibt sich daraus, dass von der Erstmitteilung nicht nur der Kl. Nr. 1, sondern - was mit der Berufung auch nicht (mehr) in Frage gestellt wird - die Kl. Nr. 2 als seine Ehefrau betroffen ist (hierzu Burkhardt, a.a.O. Rdnr. 11.77 ff.). Grundsätzlich hat nämlich jeder, der Gegenstand einer Erstmitteilung geworden ist, das Recht, mit einer eigenen Darstellung zu Wort zu kommen (Burkhardt, a.a.O., Rdnr. 11.59 m.w. Nachw.). Eine Einschränkung dieses Prinzips dahin, dass mehrere Betroffene lediglich eine gemeinsame Gegendarstellung abgeben können, ist nur für den Fall anerkannt, dass der Abdruck mehrerer gleichlautender Gegendarstellungen zu einer unbilligen Belastung des Anspruchsverpflichteten führen würde, ohne dass dies einen zusätzlichen Rechtsschutz der Betroffenen zur Folge hätte (vgl. etwa Burkhardt, a.a.O., Rdnr. 11.59; Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdnr. 189). Indessen kommt eine gemeinsame Gegendarstellung wegen des Grundsatzes „ganz oder gar nicht“ überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Beteiligten durch die Erstmitteilung in völlig gleicher Weise beeinträchtigt worden sind, so dass sie auch wortgleich erwidern können. Eine derartige Situation liegt hier aber deshalb nicht vor, weil die Betroffenheit des Kl. Nr. 1 nur zum Teil mit der der Kl. Nr. 2 übereinstimmt: In der Formulierung „Ehebruch schon in der Hochzeitsnacht“ kann dem Adverb „schon“ nicht nur die Bedeutung zukommen, dass „der Ehebruch“ (i.S. von „der einzige in Rede stehende Ehebruch“) unerwartet früh erfolgt ist; ein Verständnis ist vielmehr auch dahin möglich, dass - angeblicher - weiterer Untreue in der Ehe der - angebliche - Ehebruch in der Hochzeitsnacht vorausgegangen war. Dabei ist der Kl. Nr. 2 als der Ehefrau des Kl. Nr. 1 - anders als diesem selbst - eine authentische Stellungnahme zu dessen Verhalten nur in bezug auf die zeitlich exakt eingrenzbare Hochzeitsnacht, nicht aber hinsichtlich der nicht näher bestimmten Zeit danach möglich.

3. Erfolg hat die Berufungsführerin jedoch, soweit sie sich dagegen wendet, dass der für beide Gegendarstellungen wortgleiche Hinweis auf die Erstmitteilung doppelt wiedergegeben ist. Weiter wendet sich die Bekl. mit Recht dagegen, dass der Abdruck beider Gegendarstellungen bei Verwendung der erstinstanzlich jeweils angeordneten Schriftgröße die gesamte Titelseite einnehmen würde, was deren „Zerstörung“ zur Folge hätte. Es ist zwar richtig - und wird von der Bekl. auch nicht bestritten -, dass auf Tatsachenbehauptungen, die auf der Titelseite erschienen sind, aus Gründen der Waffengleichheit auch auf der Titelseite erwidert werden kann (vgl. nur die zahlreichen Nachweise bei Prinz/Peters, a.a.O., Rdnr. 593 [dort Fn. 623] und bei Burkhardt, a.a.O., Rdnr. 11.188). Der Pressefreiheit, zu der auch die die Präsentation des Presseprodukts betreffende Gestaltungsfreiheit gehört, ist aber nur dann Rechnung getragen, wenn „die Titelseite durch Umfang und Aufmachung der Gegendarstellung nicht ihre Funktion verliert, eine Identifizierung des Blattes zu ermöglichen, die als besonders wichtig erachteten Mitteilungen aufzunehmen und das Interesse des Publikums zu erregen“ (BVerfGE 97, S. 125 ff., 151). Die Kl. haben daher eine gewisse Reduzierung der Schriftgröße hinzunehmen (Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdnr. 424; Burkhardt, a.a.O., Rdnr. 188), was allerdings auf der anderen Seite nicht zu einer Entwertung der Gegendarstellung führen darf. Weiter haben sie es hinzunehmen, dass vermeidbare Wiederholungen ohne zusätzlichen Informationswert vermieden werden. Nach Auffassung des Senats wird den Interessen der beiden Kl. einerseits und der Bekl. andererseits durch eine Anordnung dahingehend Rechnung getragen, dass die Gegendarstellungen auf der Titelseite im gleichen Bereich wie die Erstmitteilung abgedruckt werden, wobei der für beide Mitteilungen identische Hinweis auf die Erstmitteilung zusammengefasst wird und die Schriftgröße in der Weise reduziert wird, dass der Abdruck beider Gegendarstellungen einschließlich gemeinsamem Hinweis auf die Erstmitteilung und der gemeinsamen Überschrift „Gegendarstellung“ nicht weniger als 150 % der Fläche des Textteils der Erstmitteilung einnimmt. Zur leichteren Zuordnung der beiden Stellungnahmen ist der sie jeweils einleitende Satz („Hierzu stelle ich fest“) durch Einfügung des Namens des Kl. Nr. 1 bzw. der Kl. Nr. 2 zu ergänzen. Diese geringfügige Abweichung von den jeweiligen Anträgen ist durch § 938 I ZPO gedeckt.


III.

Dementsprechend waren die beiden angefochtenen Urteile unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen abzuändern. Da die Kl. nur zu einem geringfügigen Teil unterlegen sind, waren die Kosten beider Instanzen der Bekl. aufzuerlegen (§§ 92 II, 97 I ZPO). Das Urteil ist rechtskräftig (§ 542 II S. 1 ZPO), so dass es keines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf.

Vorinstanzen

LG Offenburg, 2 O 106/06

Rechtsgebiete

Presserecht

Normen

Bad.-württ. LPG § 11