Telefax-Schriftsatz kurz vor Fristablauf
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
02. 08. 2006
Aktenzeichen
XII ZB 84/06
Zu den Sorgfaltsanforderungen an einen Rechtsanwalt bei Versendung eines Frist wahrenden Schriftsatzes per Telefax unmittelbar vor Fristablauf.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Familiensenats in Kassel des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 28. März 2006 wird auf Kosten des Antragstellers als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 70.309 €
Gründe:
I.
Der Antragsteller hat gegen das ihm am 14. September 2005 zugestellte Verbundurteil am 14. Oktober 2005 Berufung eingelegt. Auf seinen Antrag wurde die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 14. Dezember 2005 verlängert. Die Berufungsbegründung ging erst am 15. Dezember 2005 per Telefax beim Berufungsgericht ein.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2006, das am gleichen Tag beim Berufungsgericht einging, beantragte der Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung trug er vor, der Berufungsbegründungsschriftsatz sei am 14. Dezember 2005 gegen 23.30 Uhr fertig gestellt und auf Seite 22 unterschrieben gewesen. Auf Seite 1 des Schriftsatzes sei unterhalb der Adresse des Berufungsgerichts vermerkt gewesen: "vorab per Telefax: 0561/912-288". Der Schriftsatz sei dann noch auf Vollständigkeit der Seiten und die vorhandene Unterschrift kontrolliert worden. Auf den Zuruf des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers "Fax-Nr. kontrolliert?" habe die äußerst sorgfältige Kanzleiangestellte Jutta B. geantwortet "ja in Ordnung!". Dann sei der erste Teil des Schriftsatzes in das Faxgerät gelegt und die auf der ersten Seite angegebene Faxnummer gewählt sowie die Starttaste betätigt worden. Das Faxgerät habe die eingelegten Seiten problemlos eingezogen, danach aber kein Freizeichen, sondern ein Besetztzeichen gemeldet. In der Annahme, dass der Faxempfang beim Berufungsgericht besetzt gewesen sei, sei der Wählversuch mehrfach wiederholt worden. Die genaue Anzahl der Übermittlungsversuche könne nicht mehr angegeben werden, es dürfte sich aber um mehr als drei Versuche handeln. Weil die Zeit inzwischen „mehr als knapp“ geworden sei, sei die auf dem Schriftsatz angegebene Faxnummer mit dem Briefkopf des Oberlandesgerichts verglichen worden, wobei festgestellt worden sei, dass aus nachträglich nicht mehr festzustellenden Gründen auf der Berufungsbegründung statt der zutreffenden Endung "-2800" die falsche Endung "-288" aufgedruckt war. In größter Eile sei es dann gelungen, die zutreffende Nummer einzugeben und die Berufungsbegründung erfolgreich zu übermitteln, leider aber um etwa 15 Minuten zu spät. Die auf Seite 1 der Berufungsschrift aufgedruckte Übermittlungszeit 1.04 Uhr sei nicht zutreffend, weil das Gerät nicht von Sommerzeit auf Winterzeit umgeschaltet gewesen sei; tatsächlich habe die Übertragung um 0.04 Uhr begonnen.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Antragstellers als unzulässig verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet zurückgewiesen. Der verspätete Eingang der Berufungsbegründung sei auf ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers zurückzuführen, was dem Antragsteller gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen sei. Es könne dahinstehen, inwieweit Verzögerungen bei der Fertigstellung der Berufungsbegründung für die Fristversäumung bedeutsam seien, weil der Antragsteller das Risiko dieses Umstandes trage, wenn sein Prozessbevollmächtigter damit bis zur letzten Minute zugewartet habe. Nachdem der Schriftsatz "gegen 23.00 Uhr" in übertragungsfähiger Form fertig gestellt gewesen sei, sei noch genügend Zeit für die Übermittlung verblieben. Denn für die Übertragung der insgesamt 23 Seiten seien nicht mehr als zehn Minuten notwendig gewesen. Die Fristversäumung sei deswegen darauf zurückzuführen, dass zunächst die Anwahl über eine falsche Telefaxnummer versucht worden sei. Zwar habe der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers seine Kanzleiangestellte gebeten, diese Nummer zu überprüfen. Das entlaste ihn aber deswegen nicht, weil er sich spätestens nach dem dritten erfolglosen Übermittlungsversuch persönlich davon hätte überzeugen müssen, dass die richtige Faxnummer angewählt worden sei. Denn der Umstand, dass es trotz mehrerer Versuche nicht gelungen sei, eine Verbindung zum Oberlandesgericht herzustellen, habe bei dem Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers den Schluss nahe legen müssen, dass es dafür einen anderen Grund habe geben können als eine Störung des Telefaxgerätes des Gerichts. Eine Überprüfung habe nach kürzester Zeit den Fehler aufdecken und eine noch rechtzeitige Übermittlung sichern können.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragstellers.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts beruht weder auf der Verletzung von Verfahrensgrundrechten, namentlich des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs (BGHZ 151, 221, 226 f.), noch verletzt sie den Anspruch der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. Senatsbeschluss vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 - FamRZ 2005, 1901).
1. Zwar durfte der Antragsteller bei der Erstellung und Übermittlung der Berufungsbegründung die ihm dafür eingeräumte Frist bis zuletzt ausnutzen. Ein Rechtsanwalt, der einen fristgebundenen Schriftsatz am letzten Tag der Frist per Fax einreichen will, muss aber sicherstellen, dass die Faxnummer des Empfängers zuverlässig festgestellt ist und ohne Schwierigkeiten darauf zurückgegriffen werden kann (BGH Beschlüsse vom 18. September 2003 - IX ZB 604/02 - NJW 2004, 516 und vom 26. Mai 1994 - III ZB 35/93 - NJW 1994, 2300). Will der Rechtsanwalt den Begründungsschriftsatz erst kurz vor Ablauf der Frist per Telefax übermitteln, muss er besonders darauf achten, dass bei der Übermittlung keine Fehler passieren. Insbesondere hat er die Telefaxnummer des Gerichts präzise einzugeben, zumal ein Fehler dabei den Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertigt (Senatsbeschluss vom 30. Oktober 2002 - XII ZB 18/01 - FamRZ 2003, 667).
Bedient sich der Rechtsanwalt für diese nicht juristischen Aufgaben der Hilfe seines Büropersonals, ist er nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich verpflichtet, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax zu übermittelnden fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummern hin gewährleistet (Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 1995 - XII ZB 123/95 - VersR 1996, 778 f. und vom 10. Mai 2006 - XII ZB 267/04 - FamRZ 2006, 1104; BGH Beschluss vom 18. Mai 2004 - VI ZB 12/03 - FamRZ 2004, 1275, 1276).
2. Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat gegen diese besonderen Sorgfaltspflichten verstoßen, indem er selbst die Berufungsbegründung erst am Tag des Fristablaufs gegen 23:30 Uhr fertig gestellt und in Kenntnis dessen den dringend erforderlichen sofortigen Versand des Schriftsatzes an das Berufungsgericht nicht hinreichend sichergestellt hat. Weil dem Antragsteller dieses Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist, scheidet eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO aus.
a) Dabei kann dahinstehen, ob allein die sehr späte Fertigstellung der Berufungsbegründung ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten rechtfertigt.
Allerdings war die Berufungsbegründung nach dem Inhalt der anwaltlich versicherten Begründung des Wiedereinsetzungsantrags nach schnellstmöglicher Durchsicht erst am letzten Tag der Frist gegen 23.30 Uhr fertig gestellt. Wie der weitere zeitliche Ablauf zeigt, wäre ihm eine rechtzeitige Übermittlung der Berufungsbegründung selbst dann nicht gelungen, wenn er unverzüglich um 23:30 Uhr mit der Versendung des Schriftsatzes an die zutreffende Telefaxnummer des Berufungsgerichts begonnen hätte. Denn der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat den Schriftsatz - wie sich aus den aufgedruckten Seitenangaben ergibt - in insgesamt fünf Teilen an das Berufungsgericht übersandt. Während die erste Seite nach dem in den Akten befindlichen Ausdruck um 1.04 Uhr beim Berufungsgericht eintraf, ging die letzte Seite erst um 1.36 Uhr dort ein. Selbst wenn der Schriftsatz - wie vom Antragsteller behauptet - wegen fehlerhafter Umstellung von der Sommer- auf die Winterzeit eine Stunde früher beim Berufungsgericht einging, ergibt sich aus dem Zeitaufdruck eine Übertragungsdauer von 0.04 Uhr bis 0.36 Uhr, also von mehr als einer halben Stunde.
b) Jedenfalls ist der verspätete Eingang der Berufungsbegründung beim Berufungsgericht aber auf ein eigenes Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten bei der Versendung der Berufungsbegründung zurückzuführen.
Denn zutreffend sieht das Berufungsgericht ein Verschulden des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers darin, dass dieser trotz der sehr weit fortgeschrittenen Zeit nicht sogleich einschritt, als die Übertragung an die angegebene Telefaxnummer scheiterte. Weil der Rechtsanwalt wusste, dass die Übermittlung - wenn überhaupt - nur knapp vor Fristablauf eingehen konnte, hätte er alle Fehlermöglichkeiten in seine Überlegungen einbeziehen und deswegen auch die eingegebene Telefaxnummer sogleich erneut kontrollieren müssen. Dabei hätte er alsbald die fehlerhafte Eingabe festgestellt. Weil der Verfahrensbevollmächtigte die Frist zur Berufungsbegründung bewusst bis zuletzt ausnutzte, beschweren die dadurch begründeten besonderen Sorgfaltsanforderungen den Antragsteller nicht in unzumutbarer Weise.
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