Summierungseffekt aus Formular- und Individualklausel - laufende Dekorationund Arbeiten am Mietende
Gericht
BGH
Datum
05. 04. 2006
Aktenzeichen
VIII ZR 163/05
Ein zur Unwirksamkeit einer Formularklausel führender sogenannter Summierungsef-fekt auf Grund des Zusammentreffens zweier - jeweils für sich genommen - unbe-denklicher Klauseln kann auch dann vorliegen, wenn nur eine der beiden Klauseln formularmäßig, die andere dagegen individuell vereinbart worden ist (Bestätigung von VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532).
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 9. Juni 2005 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen nicht bzw. nicht ord-nungsgemäß ausgeführter Schönheitsreparaturen nach Beendigung eines Mietverhältnisses.
Mit Vertrag vom 28. September 1998 hatte der Beklagte von der Klägerin eine Wohnung in dem Anwesen M. -Straße in D. gemietet. Das Mietverhältnis begann am 1. November 1998 und endete nach vorausge-gangener fristloser Kündigung der Klägerin am 31. Oktober 2002.
Über die Instandhaltung und Instandsetzung der Mieträume enthält der Mietvertrag in § 8 Nr. 2 u.a. folgende vorgedruckte Klausel:
"Der Mieter hat insbesondere die Verpflichtung, auf seine Kosten alle Schönheitsreparaturen … auszuführen bzw. ausführen zu las-sen…
Schönheitsreparaturen umfassen das Tapezieren, Streichen der Wände und Decken, das Streichen der Heizkörper …
Diese Arbeiten sind ab Mietbeginn in der Regel in Küchen, Bädern und Toiletten spätestens nach drei Jahren, in Wohnräumen, Schlafräumen, Dielen… spätestens nach fünf Jahren und in sons-tigen Räumlichkeiten… spätestens nach sieben Jahren zu täti-gen."
§ 12 des Mietvertrages ("Beendigung der Mietzeit") enthält in Nr. 1 fol-gende weitere Regelung:
"Die Mieträume sind zum Vertragsablauf geräumt, sauber zu ver-lassen. Außerdem sind die Tapeten zu entfernen und die Decken "wände" zu streichen."
Im ersten Satz dieser Klausel sind die Worte "zu verlassen" in ein freies Textfeld als Fortsetzung des vorangegangenen vorgedruckten Satzteils hand-schriftlich eingetragen. Der zweite Satz ist insgesamt handschriftlich angefügt; der Begriff "Decken wände" ist in zwei Worten geschrieben.
Im Zusammenhang mit einer von der Klägerin bereits im Juli 2002 aus-gesprochenen Kündigung erstellten die Parteien am 15. August 2002 ein sieben Seiten umfassendes, von beiden Parteien unterschriebenes "Abnahmeproto-koll", in dem die durchzuführenden Renovierungsarbeiten im einzelnen be-zeichnet sind und das mit dem Satz endet: "Der Mieter verpflichtet sich, nach Beendigung des Mietverhältnisses die Wohnung ordnungsgemäß und mangel-frei an den Vermieter zu übergeben."
Am 31. Oktober 2002 räumte der Beklagte die Wohnung. Mit Anwalts-schreiben vom 4. November 2002 forderte die Klägerin unter ausdrücklichem Hinweis auf die §§ 8 und 12 des Mietvertrages sowie unter Bezugnahme auf das Protokoll vom 15. August 2002 und die dort aufgeführten Arbeiten den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 27. November 2002 und mit Ablehnungsan-drohung auf, die Schönheitsreparaturen durchzuführen. Weiter heißt es in die-sem Schreiben:
"Wenn auch Ihre Partei sich im Protokoll vom 15.08.2002 (zur) Durchführung der oben stehenden… Maßnahmen verpflichtet hat, kommt unsere Mandantschaft Ihnen insofern entgegen, als dass Ihre Partei wahlweise die im Protokoll vom 15.08.2002 übernom-menen Verpflichtungen erfüllen kann oder aber die Verpflichtung, so wie sie sich aus dem Mietvertrag ergeben, vornehmen kann.
Will Ihre Partei Schönheitsreparaturen nach den Bestimmungen des Mietvertrages vornehmen, wären sämtliche Tapeten zu ent-fernen und im Übrigen die Schönheitsrenovierungen entsprechend den eingangs zitierten Bestimmungen des Mietvertrages vorzu-nehmen."
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe bei seinem Auszug die erfor-derlichen Schönheitsreparaturen – trotz Setzung der Nachfrist – nicht bzw. nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Nach dem Kostenvoranschlag eines Malerge-schäftes seien für die Durchführung der geschuldeten Arbeiten 4.140,93 € auf-zuwenden. Diesen Betrag hat die Klägerin in den Vorinstanzen als Schadens-ersatz geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren noch in Höhe von 3.498,64 € weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Verpflichtung zur Durchführung der Schönheitsreparaturen gegen den Beklag-ten nicht zu. Das Abnahmeprotokoll vom 15. August 2002 enthalte entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine eigenständige Renovierungsverpflich-tung, weil es nicht erkennen lasse, dass die Parteien eine neue, vom Mietver-trag unabhängige Anspruchsgrundlage hätten schaffen wollen. Dies habe auch die Klägerin selbst, wie sich ihrem Schreiben vom 4. November 2002 entneh-men lasse, nicht angenommen.
Die Klägerin könne ihren Schadensersatzanspruch auch nicht aus § 8 des Mietvertrages herleiten. Die in § 8 Nr. 2 enthaltene formularmäßige Fällig-keitsregel sei nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes un-wirksam, weil sie den Mieter unangemessen benachteilige (§ 307 BGB). Aus der Sicht eines verständigen Mieters könne die Formulierung "in der Regel … spätestens" nur die Bedeutung haben, dass er zur Ausführung der Renovie-rungsarbeiten spätestens nach Ablauf der genannten Fristen verpflichtet sei, und zwar auch dann, wenn ein Renovierungsbedarf tatsächlich noch nicht be-stehe. Die Formulierung "in der Regel" lasse nicht hinreichend deutlich erken-nen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Mieter den Nachweis erbrin-gen könne, dass die Räume noch nicht renovierungsbedürftig seien und er da-her die Fristen nicht einhalten müsse. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass selbst bei wirksamer Überbürdung der Schönheitsreparaturen bei Beendigung des Mietverhältnisses lediglich die Fristen für die Renovierung der Küche, des Bades und der Toilette verstrichen gewesen seien.
Schließlich könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf § 12 des Mietvertrages stützen. Zwar handele es sich hierbei um eine (wirksame) Indivi-dualabrede; der Erfüllungsanspruch sei jedoch nicht wirksam in einen Scha-densersatzanspruch übergeleitet worden. Die Aufforderung der Klägerin in ih-rem Schreiben vom 4. November 2002 sei unklar. Sie ermögliche es dem Be-klagten nicht, zu beurteilen, inwieweit die Klägerin den Vertrag als nicht erfüllt ansehe; denn es sei ihm die Wahl überlassen worden, entweder die Maßnah-men aus der unwirksamen Regelung des § 8 oder diejenigen aus § 12 des Mietvertrages durchzuführen. Ein Schadensersatzanspruch wegen mangelhaf-ten Anstrichs stehe der Klägerin u.a. deshalb nicht zu, weil sie dessen Voraus-setzungen nicht nachvollziehbar dargetan habe. Gleiches gelte für die geltend gemachten Reinigungskosten.
II.
Die Revision ist insgesamt zulässig. Das angefochtene Urteil unterliegt in vollem Umfang der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Zwar hat das Landgericht die Revision nur "insoweit zugelassen, als die Kammer die Rege-lung des § 8 Nr. 2 des Mietvertrages für unwirksam hält". Die hierin liegende Beschränkung der Zulassung auf eine (unselbständige) Rechtsfrage ist jedoch unwirksam. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer – grundsätzlich zulässigen – Beschränkung der Revisionszulassung ist, dass sie sich auf einen rechtlich und tatsächlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs bezieht. Fehlt es hier-an, dann ist die Beschränkung unwirksam, die Revision also unbeschränkt zu-lässig (Senatsurteil vom 4. Juni 2003 – VIII ZR 91/02, ZIP 2003, 1399 = NJW-RR 2003, 1192 = WM 2003, 2139 unter II vor 1 m.w.Nachw.; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 543 Rdnr. 10, 11 und 16). Das ist hier der Fall.
III.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Überprüfung jedenfalls im Er-gebnis stand. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch wegen Verlet-zung der Verpflichtung aus § 8 Nr. 2 oder § 12 Nr. 1 des Mietvertrages nicht zu.
1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitert die Klage-forderung nicht bereits an der Formulierung der Schönheitsreparaturenklausel in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages. Wie der Senat in seiner nach Erlass des Beru-fungsurteils ergangenen Entscheidung vom 13. Juli 2005 (VIII ZR 351/04, WuM 2005, 716 = NJW 2005, 3416 = BGHReport 2006, 18) für eine mit der vorliegenden Klausel identische formularmäßige Bestimmung klargestellt hat, enthält diese keinen starren Fristenplan; vielmehr lässt sie – für den verständigen Mie-ter erkennbar – durch die den Fristen vorangestellten Worte "in der Regel" ge-nügend Raum für die Beurteilung im Einzelfall, um eine Anpassung der tatsäch-lichen Renovierungsintervalle an das objektiv Erforderliche zu ermöglichen.
2. Die Unwirksamkeit der vorformulierten Klausel des § 8 Nr. 2 des Miet-vertrages ergibt sich jedoch aus dem sog. Summierungseffekt. Nach der Recht-sprechung des Senats (Beschluss vom 2. Dezember 1992 – VIII ARZ 5/92, NJW 1993, 532 unter II 2; Urteil vom 14. Mai 2003 – VIII ZR 308/02, NJW 2003, 2234 = Grundeigentum 2003, 944 = ZMR 2003, 653 unter II 2) liegt ein derarti-ger Summierungseffekt vor, wenn jeweils für sich unbedenkliche, aber inhaltlich zusammengehörige Klauseln in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemesse-nen Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders führen. Das gilt auch dann, wenn die zu prüfende Formularklausel mit einer Individualvereinba-rung zusammentrifft; denn bei der Prüfung einer Klausel nach § 307 BGB (frü-her: § 9 AGBG) ist der gesamte Vertragsinhalt einschließlich seiner Individual-teile zu würdigen (Beschluss vom 2. Dezember 1992 aaO unter II 2 m.w.Nachw.; Langenberg, Schönheitsreparaturen, Instandsetzung und Rück-bau, 2. Aufl., S. 55 Rdnr. 83).
Im vorliegenden Fall enthalten die §§ 8 Nr. 2 und 12 Nr. 1 des Mietver-trages eine Gesamtregelung, die neben der Überwälzung der laufenden Schön-heitsreparaturen nach Fristenplan auch die Renovierungspflicht bei Beendigung des Mietverhältnisses umfasst. Dass die Endrenovierungsbestimmung in § 12 Nr. 1 individuell vereinbart war und deshalb, für sich allein betrachtet, unbe-denklich – weil nicht am Maßstab des § 307 BGB zu messen – ist, beseitigt den Summierungseffekt, wie ausgeführt, nicht. Ebenso unerheblich ist insoweit der Umstand, dass jene Klausel nicht eine vollständige, sondern – wenn auch sprachlich missglückt – lediglich eine teilweise Endrenovierung vorschreibt
("Außerdem sind die Tapeten zu entfernen und die Decken wände zu strei-chen"). Insbesondere führt dies nicht dazu, dass die Regelung in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages wenigstens teilweise – soweit sie sich nicht inhaltlich mit § 12 Nr. 1 Satz 2 überschneidet – aufrechterhalten werden könnte; darin läge eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion der Klausel.
3. In den Vorinstanzen hat die Klägerin geltend gemacht, das "Abnah-meprotokoll" vom 15. August 2002 enthalte ein konstitutives Schuldanerkennt-nis; dies hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht. Sie meint allerdings, die Parteien hätten in dem Protokoll hinsichtlich der nach § 8 Nr. 2 und § 12 des Mietvertrages geschuldeten Schön-heitsreparaturen eine konkretisierende Vereinbarung getroffen, an die der Beklagte – unabhängig vom Ablauf der im Mietvertrag genannten Fristen – nun gebunden sei. Dies trifft nicht zu.
Die Regelung in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages ist, wie ausgeführt, wegen des Summierungseffekts unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Sie kann nicht durch eine nachfolgende "konkretisierende" Vereinbarung, die nach der über-einstimmenden Vorstellung der Parteien auf eben jener – unwirksamen – Be-stimmung beruht, geheilt werden. Auch die Annahme einer Bestätigung i.S.d. § 141 BGB scheidet aus; denn eine Bestätigung setzt einen Bestätigungswillen und damit das Bewusstsein von der Unverbindlichkeit des früheren Geschäfts voraus (BGH, Urteile vom 1. Oktober 1999 – V ZR 168/98, NJW 1999, 3704 = WM 1999, 2513 unter III 2 b aa, und vom 11. Februar 2003 – XI ZR 130/02, WM 2003, 676 = NJW-RR 2003, 769 unter II 3 b aa). Daran fehlt es hier.
4. Dem Berufungsgericht ist schließlich auch insoweit zuzustimmen, als es einen Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Nichterfüllung der indi-viduell vereinbarten Endrenovierungsverpflichtung in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages mit der Begründung verneint, der Erfüllungsanspruch sei nicht wirksam in einen Schadensersatzanspruch übergeleitet worden. Gegen die Wirksamkeit der Individualvereinbarung über die teilweise Endrenovierung be-stehen bei isolierter Betrachtung, wie erwähnt, keine Bedenken. Die Bestim-mung ist auch nicht dergestalt von der formularmäßigen Schönheitsreparatur-klausel in § 8 Nr. 2 des Mietvertrages abhängig, dass deren Unwirksamkeit zwangsläufig die Unwirksamkeit der Regelung in § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietver-trages zur Folge hätte.
Davon geht ersichtlich auch das Landgericht aus. Denk-bar ist allerdings, dass die beiden Klauseln wegen ihres sachlichen Zusam-menhangs ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.d. § 139 BGB darstellen, das bei Nichtigkeit eines Teils im Zweifel insgesamt nichtig ist. Dazu hat das Beru-fungsgericht keine Feststellungen getroffen. Einer Zurückverweisung an das Landgericht zur Nachholung entsprechender Feststellungen bedarf es jedoch nicht, weil es auf die Frage der Gesamtnichtigkeit nicht ankommt. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass die Unwirksamkeit der Bestimmung des § 8 Nr. 2 sich nicht auf § 12 Nr. 1 Satz 2 des Mietvertrages erstreckt, kann die Klä-gerin aus der letztgenannten Klausel keinen Schadensersatzanspruch herleiten.
Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht er-brachter Leistung (§§ 280, 281 Abs. 1 Satz 1 BGB) setzt voraus, dass der Gläubiger in seinem mit der Fristsetzung verbundenen Verlangen auf Erbrin-gung der geschuldeten Leistung diese Leistung eindeutig bezeichnet. Das schließt es zwar nicht von vornherein aus, dass der Gläubiger dem Schuldner eine Wahlmöglichkeit einräumt, zumal dann, wenn die alternativ geforderte Leistung den Schuldner weniger belastet als die primär geschuldete. Das Beru-fungsgericht hat das Schreiben der Klägerin vom 4. November 2002 jedoch da-hin ausgelegt, dass angesichts der drei von der Klägerin geltend gemachten Renovierungsverpflichtungen – aus § 8 Nr. 2 und § 12 Nr. 1 des Mietvertrages sowie aus dem "Abnahmeprotokoll" vom 15. August 2002 – für den Beklagten nicht erkennbar war, zu welchen Leistungen er nach Auffassung der Klägerin verpflichtet sein sollte. Diese Auslegung ist aus Rechtsgründen nicht zu bean-standen.
5. Soweit die Revision schließlich die Kosten der Reinigung der Fenster und der Heizkörper weiterverfolgt, hat der Senat ihre Verfahrensrüge geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird insoweit ab-gesehen (§ 564 Satz 1 ZPO).
IV.
Nach alledem erweist sich die Revision als unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen.
Dr. Beyer
Dr. Leimert
Wiechers
Dr. Wolst
Hermanns
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