Unwirksame Klausel über Nachschußpflicht in BGB Gesellschaft

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

23. 01. 2006


Aktenzeichen

II ZR 306/04


Leitsatz des Gerichts

  1. Nachträgliche Beitragspflichten können auch in einer Publikumsgesellschaft nur dann durch Mehrheitsbeschluss begründet werden, wenn die gesell-schaftsvertragliche Bestimmung eindeutig ist und Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt. Dies erfordert die Festle-gung einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen (Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 - II ZR 354/03, ZIP 2005, 1455, 1456).

  2. Eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung, die den einzelnen Gesellschafter zu Nachschusszahlungen verpflichtet, "soweit bei der laufenden Bewirtschaf-tung des Grundstücks Unterdeckungen auftreten", genügt diesen Anforde-rungen nicht und kann deshalb nicht Grundlage einer Nachschussverpflich-tung sein.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der Zivil-kammer 52 des Landgerichts Berlin vom 13. Dezember 2004 auf-gehoben und das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg, Zivilpro-zessabteilung 206, vom 10. August 2004 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Gesellschafter der als geschlossener Immobilienfonds ausgestalteten Klägerin zur Zahlung von als Nachschuss bezeichneten Geldbeträgen verpflichtet ist.

Die Klägerin ist eine im Jahr 1992 zum Zweck des Erwerbs der Grundstücke N. straße 44 - 46 in B. -P. , zu deren Bebauung mit einer Wohn- und Geschäftshausanlage und zur anschließenden Vermietung gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Im notariell beurkundeten Ge-sellschaftsvertrag heißt es in § 3 ("Gesellschaftskapital und Gesellschafter") unter 3. Abs. 3:

"Die Geschäftsführung wird ermächtigt, die von den Gesell-schaftern zu erbringenden Gesellschaftseinlagen gemäß vor-stehendem Absatz, etwaige wirksam beschlossene Nachschüs-se der Gesellschafter und etwaige Unterdeckungsbeträge im eigenen Namen und für Rechnung der Gesellschaft bei den Gesellschaftern einzufordern und ggf. gerichtlich geltend zu machen."

In § 6 ("Haftung/Nachschüsse") ist in Nr. 2 bestimmt:

"Soweit bei der laufenden Bewirtschaftung des Grundstücks Unterdeckungen auftreten, ist der jeweilige Gesellschafter ver-pflichtet, binnen vier Wochen nach entsprechender Aufforde-rung der Geschäftsführung die seinem Anteil am Gesellschafts-vermögen entsprechenden Zahlungen zu erbringen. Die Ge-schäftsführung ist berechtigt, bei sich abzeichnenden Unterde-ckungen angemessene laufende Vorschüsse anzufordern."

Nach § 10 c) des Gesellschaftsvertrages (GV) beschließt die Gesell-schafterversammlung über die Genehmigung der jährlichen Vermögensüber-sicht und Überschussrechnung. In § 13 Nr. 2 GV heißt es, dass der Geschäfts-führer für den Schluss eines jeden Kalenderjahres binnen sechs Monaten eine Vermögensübersicht nebst Überschussrechnung aufzustellen hat.

In § 11 GV ("Gesellschafterversammlung-Beschlussfassung") ist u.a. bestimmt:

"2. Sämtliche Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit der anwesenden Stimmen gefasst, soweit nicht Gesetz oder die-ser Vertrag eine andere Mehrheit zwingend vorschreiben; …"

Am 23. Dezember 1992 erklärte der Beklagte mit einem Eigenkapital von 50.000,00 DM seinen Beitritt zur Klägerin.

Die Gesellschafterversammlung der Klägerin fasste in Abwesenheit des Beklagten in den Jahren 1999 bis 2002 im Zusammenhang mit der Beschluss-fassung über den jeweiligen Wirtschaftsplan und der Feststellung von Unterde-ckungen Beschlüsse über Nachschussverpflichtungen der Gesellschafter in Höhe von 2,59 % bis 4 % der Beteiligungssumme. Den daraus folgenden Zah-lungsverpflichtungen kam der Beklagte nicht nach.

Das Amtsgericht hat der Klage auf Zahlung der ausstehenden Nach-schüsse (3.283,86 €) stattgegeben, die Berufung des Beklagten hatte keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts zur Abweisung der Klage.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Der Beklagte sei zur Erfüllung der Nachschussforderungen der Klägerin verpflichtet. Der Wirksamkeit der die Nachschussverpflichtung begründenden Beschlüsse der Gesellschafterversammlung stehe nicht entgegen, dass der Gesellschaftsvertrag keine Obergrenze für Beitragserhöhungen festlege. Zwar sei dies grundsätzlich Voraussetzung für die Zulässigkeit nachträglicher Bei-tragserhöhungen. Dieser Grundsatz gelte jedoch nicht für den notwendig wer-denden Ausgleich einer Unterdeckung bei einer Publikumsgesellschaft. Da de-ren Entstehen und Ausmaß nicht vom Willen der Mehrheitsgesellschafter, son-dern von der Entwicklung des Gesellschaftsunternehmens abhingen und bei Abschluss des Gesellschaftsvertrages nicht abzusehen seien, könne eine Obergrenze im Gesellschaftsvertrag nicht ohne Willkür festgelegt werden. Zum Ausgleich der Nachschusspflicht sei der Gesellschafter zur außerordentlichen Kündigung berechtigt.

II. Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte nicht zu Nachschusszahlungen verpflichtet. Dem steht § 707 BGB entgegen. Eine derar-tige Verpflichtung ist weder im Gesellschaftsvertrag vereinbart worden, noch konnte eine Beitragserhöhung im Wege des Mehrheitsbeschlusses wirksam herbeigeführt werden. Auch die gesellschafterliche Treuepflicht rechtfertigt den mit der Beitragserhöhung verbundenen Eingriff in die Mitgliedschaft des Beklagten nicht.

1. Eine Verpflichtung der Gesellschafter, Nachschüsse zu leisten, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesellschaftsvertrag; vielmehr erfordert jede Nachschussverpflichtung einen Gesellschafterbeschluss.

a) Nach § 707 BGB besteht eine Nachschusspflicht über die vereinbarte Einlage hinaus regelmäßig nicht. Die Regelung in § 707 BGB enthält jedoch dispositives Recht (MünchKommBGB/Ulmer 4. Aufl. § 707 Rdn. 6). Sie greift u.a. dann nicht ein, wenn die Höhe der Beiträge im Gesellschaftsvertrag nicht ziffernmäßig fixiert ist, sondern in objektiv bestimmbarer, künftigen Entwick-lungsmöglichkeiten Rechnung tragender Weise ausgestaltet ist. Dies ist z. B. anzunehmen, wenn sich die Gesellschafter keine der Höhe nach festgelegten Beiträge versprochen, sondern sich verpflichtet haben, entsprechend ihrer Be-teiligung an der Gesellschaft das zur Erreichung dieses Zwecks Erforderliche beizutragen (Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 - II ZR 342/03, ZIP 2005, 1455, 1456; v. 2. Juli 1979 - II ZR 132/78, WM 1979, 1282, 1283; v. 7. November 1960 - II ZR 216/59, WM 1961, 32, 34). In einem solchen Fall bedürfen die Festle-gung der Höhe und die Einforderung der Beiträge im Zweifel keines Gesell-schafterbeschlusses, sondern sind Sache der Geschäftsführer (Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 aaO; MünchKommBGB/Ulmer aaO Rdn. 3).

b) Ein derartiger Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Das kann der Senat selbst feststellen, weil der Gesellschaftsvertrag der Klägerin als Publikumsge-sellschaft objektiv auszulegen ist (Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 aaO; v. 6. November 1981 - II ZR 213/80, ZIP 1982, 54, 55; v. 7. Juni 1999 - II ZR 278/98, ZIP 1999, 1391, 1393). Danach ergibt sich schon aus dem Gesellschaftsvertrag selbst, dass Nachschüsse einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss erfordern.

aa) Die Einlagen der Gesellschafter sind im Gesellschaftsvertrag be-tragsmäßig festgelegt. Nach § 6 Nr. 2 GV sind die Gesellschafter zwar ver-pflichtet, bei auftretenden Unterdeckungen im Rahmen der laufenden Bewirt-schaftung des Grundstücks nach Aufforderung der Geschäftsführung die ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Zahlungen zu erbringen. Verbindlich festgesetzt werden etwaige Unterdeckungsbeiträge aber gemäß § 10 c GV durch Beschluss der Gesellschafterversammlung, wenn diese die jährliche Vermögensübersicht und Überschussrechnung genehmigt.

bb) Bei der gebotenen objektiven Auslegung folgt zudem aus § 3 Nr. 3 Abs. 3 GV, wonach die Geschäftsführung ermächtigt ist, etwaige wirksam be-schlossene Nachschüsse der Gesellschafter und etwaige Unterdeckungsbeiträ-ge im eigenen Namen geltend zu machen, dass die Nachschusspflicht einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss voraussetzt. Jedenfalls ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass über die eigentliche Einlageschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden sollten.

2. Die Gesellschafterbeschlüsse haben eine Nachzahlungspflicht nicht wirksam begründet, weil die in §§ 3 Nr. 3 Abs. 3, 6 Nr. 2 i.V.m. § 11 Nr. 2 GV vorgesehenen Möglichkeiten, die Beiträge nachträglich zu erhöhen, den Anfor-derungen nicht genügen, die der Senat hierfür aufgestellt hat.

a) Beitragserhöhungen - um solche handelt es sich bei den geforderten Nachzahlungen - können nur mit Zustimmung eines jeden Gesellschafters be-schlossen werden, die auch antizipiert erteilt werden kann. Wegen des damit verbundenen Eingriffs in den Kernbereich der Gesellschafterrechte hängt die Wirksamkeit einer solchen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung dann aber davon ab, ob sie eindeutig ist und Ausmaß und Umfang der möglichen zusätzli-chen Belastung erkennen lässt (vgl. nur Senat BGHZ 132, 263, 268; zuletzt Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 aaO). Das erfordert bei Beitragserhöhungen die Angabe einer Obergrenze oder die Festlegung sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsri-siko eingrenzen (st.Rspr.: Senat, BGHZ 66, 82, 85; zuletzt Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 aaO; siehe schon RGZ 87, 261, 265 f.). Dies gilt auch bei Publikumsgesellschaften (Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 aaO; MünchKommBGB/Ulmer aaO § 709 Rdn. 94).

b) §§ 3 Abs. 3, 6 Nr. 2 GV ist das Ausmaß des zulässigen Eingriffs nicht zu entnehmen. Es fehlt an der unabdingbaren Begrenzung von Beitragserhö-hungen. Eine Obergrenze ist an keiner Stelle des Gesellschaftsvertrages aus-drücklich angesprochen. Die Beschränkung der Nachschussverpflichtung auf den anteiligen Ausgleich von Unterdeckungen bei laufender Bewirtschaftung des Grundstücks stellt kein geeignetes Kriterium zur Eingrenzung des Erhö-hungsrisikos dar. Hierdurch wird für den einzelnen Gesellschafter eine absolute Grenze seiner durch die Mitgliedschaft eintretenden Belastung, die einer Ände-rung durch Mehrheitsentscheidung entzogen ist, nicht festgelegt. Notwendigkeit und Höhe künftiger Unterdeckungen sind bei Abschluss des Gesellschaftsver-trags nicht vorherzusehen. Sie werden für jedes Wirtschaftsjahr erst durch die Überschussrechnung, die durch Mehrheitsbeschluss genehmigt werden muss, und den hierauf aufbauenden Wirtschaftsplan verbindlich festgesetzt. Die Fest-legung einer Obergrenze für Beitragserhöhungen ist nicht deshalb entbehrlich, weil Entstehen und Ausmaß der Unterdeckungen weitgehend durch Umstände bestimmt werden, die auch dem Willen der Mehrheitsgesellschafter entzogen sind. Denn das Erfordernis, dass Beitragserhöhungen ihrem Umfang nach vor-aussehbar sein müssen, rechtfertigt sich nicht aus dem Gesichtspunkt des Min-derheitenschutzes, sondern ist in dem Gedanken begründet, dass jeder Gesell-schafter das Maß seiner durch die Mitgliedschaft eingegangenen Belastung soll abschätzen können.

Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, es könne in einer Publikumsge-sellschaft durch Einräumung eines vertraglich nicht vorgesehenen Sonderkündigungsrechts eine Nachschusspflicht auch ohne Festlegung einer Obergrenze rechtfertigen.

III. Das Berufungsurteil kann auch nicht mit einer anderen Begründung aufrechterhalten werden (§ 561 ZPO).

1. Zwar kann bei Fehlen eines antizipierten Einverständnisses im Gesell-schaftsvertrag die gesellschafterliche Treuepflicht in Ausnahmefällen eine Zu-stimmung der Gesellschafter zu Beitragserhöhungen gebieten mit der Folge, dass § 707 BGB der Nachforderung nicht entgegensteht. Eine dahingehende Pflicht besteht hier jedoch nicht.

Ein Gesellschafter ist zur Hinnahme von Eingriffen in seine Mitgliedschaft nur dann verpflichtet, wenn diese im Gesellschaftsinteresse geboten und ihm unter Berücksichtigung seiner eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sind (Sen.Urt. v. 4. Juli 2005, ZIP 2005, 1455, 1456 f.; v. 10. Oktober 1994 - II ZR 18/94, ZIP 1994, 1942, 1943 f. m.w.Nachw.). Dabei sind an die aus der Treuepflicht abgeleitete Verpflichtung, einer Beitragserhöhung zuzustimmen, besonders hohe Anforderungen zu stellen, da ein Gesellschafter grundsätzlich nicht zu neuen Vermögensopfern gezwungen werden kann (Sen.Urt. v. 4. Juli 2005 aaO; MünchKommBGB/Ulmer aaO § 705 Rdn. 233).

Derartige besondere Umstände sind nicht ersichtlich. Zudem konnten sich die Gesellschafter dieser - wohl auch künftig zu erwartenden - Nachzah-lungspflicht nicht durch vorzeitige Kündigung entziehen, da eine Kündigung gemäß § 18 Nr. 1 GV erstmals zum 31.12.2013 möglich ist.

2. Vergeblich verweist die Klägerin, um das ihr günstige Berufungsurteil zu halten, auf § 11 Nr. 5 GV. Nach dieser Bestimmung können - abweichend von der gesetzlichen Regelung - Einwendungen gegen einen Gesellschafterbe-schluss nur binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat ab Kenntnis des Be-schlusses geltend gemacht werden. Dieser Teil des - umfänglichen - Gesell-schaftsvertrags war nicht Gegenstand des Klagevortrags. Die Tatrichter waren deswegen nicht gehalten, diesen Teil der Anlagen zur Kenntnis zu nehmen und - wie die Klägerin meint - sie zu einer Ergänzung ihres Vorbringens im Hinblick auf eine etwaige Kenntnis des Beklagten von dem Gesellschafterbeschluss und seiner etwaigen Reaktion hierauf aufzufordern. In 3. Instanz kann die Klägerin ihren Vortrag nicht nachholen.

IV. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat abschließend entscheiden und unter Aufhebung des Beru-fungsurteils die erstinstanzliche Entscheidung abändern und die Klage abweisen.

Goette
Kraemer
Münke
Strohn
Reichart

Vorinstanzen

AG Charlottenburg, Entscheidung vom 10.08.2004 - 206 C 176/04 -; LG Berlin, Entscheidung vom 13.12.2004 - 52 S 298/04 -

Rechtsgebiete

Gesellschaftsrecht

Normen

BGB § 707