Aufhebung einer einstweiligen Verfügung nach § 927 Abs.2: Umzug im Ausland

Gericht

LG München I


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

29. 06. 2006


Aktenzeichen

4HK O 24021/05


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung vom 30.01.2006 wird aufgehoben.

  2. Der Aufhebungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der einstweiligen Verfügung.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Aufhebungsbeklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Aufhebungsklägerin in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Aufhebungsklägerin (im folgenden: Klägerin) begehrt die Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 16.12.2005.

1.
Auf Antrag des damaligen Antragstellers, jetzt Aufhebungsbeklagten (im folgenden: Beklagten), wurde gegen Klägerin im Beschlusswege unter dem 16.12.2005 eine einstweilige Verfügung erlassen, wegen deren Tenorierung und Begründung auf Bl.11/11 d.A. verwiesen wird.

Mit dem Verfügungsantrag hat der Beklagte bereits die Zustellung im Rechtshilfeweg gemäß § 183 Abs.1 ZPO an die im Verfügungsantrag angegebene Adresse der Beklagten in Österreich beantragt.

Die einstweilige Verfügung wurde an den Antragstellervertreter - jetzt Beklagtenvertreter - am 20.12.2005 zugestellt. Die Zustellung gemäß § 183 ZPO an die Antragsgegnerin – jetzt Klägerin - an die Adresse in Österreich wurde am 10.01.2006 expediert.

Mit Schriftsatz vom 25.01.2006, eingegangen am selben Tage, teilte der Beklagte als Zustellungsadresse der Klägerin eine Adresse in der Schweiz mit, und beantragte erneut die Zustellung durch das Gericht im Rechtshilfewege zu veranlassen.

Am 15.02.2006 ging die Mitteilung aus Österreich an, dass dort die Zustellung nicht erledigt werden konnte, weil die Adressatin unbekannt verzogen ist.

Die Zustellung in die Schweiz wurde nach dem erforderlichen Prüfverfahren am 22.03.2006 expediert.

Die Zustellung ist dort am 29.03.2006 erfolgt.

2.
Mit Schriftsatz vom 22.05.2006 beantragte die Klägerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 927 ZPO unter Bezugnahme auf § 929 Abs.2 ZPO.

Die Klägerin beantragt,

den im Wege der einstweiligen Verfügung am 16.12.2005 erlassenen Beschluss aufzuheben.

Der Beklagte beantragt

die Abweisung des Aufhebungsantrags.

Seitens des Antragstellers der einstweiligen Verfügung sei innerhalb der Vollziehungsfrist des § 929 Abs.2 ZPO alles erforderliche getan worden, damit die im Rechtshilfewege zuzustellende einstweilige Verfügung zugestellt werden kann.

Die falsche Adressenangabe im Impressum, die zu der ursprüngliche Adressierung nach Österreich geführt habe, dürfe nicht zu Lasten des Beklagten, des Antragstellers der einstweiligen Verfügung gehen.

Bezüglich des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf den Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze und die mitübergebenen Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Aufhebungsklage gemäß § 927 Abs.2 ZPO ist begründet.

1.
Veränderte Umstände, die zur Aufhebung der Beschlussverfügung führen sind gegeben, weil die Vollziehungsfrist des § 929 Abs.2 ZPO vor der wirksamen Zustellung der einstweiligen Verfügung abgelaufen ist und damit eine weitere Vollziehung nicht mehr statthaft und die einstweilige Verfügung ohne Wirkung ist.

Eine wirksame Zustellung innerhalb der Vollziehungsfrist ist nicht gegeben.

Die Zustellung der einstweiligen Verfügung erfolgt gemäß §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO im Parteibetrieb. Daran ändert im Grundsatz auch die durch das Gericht auf Antrag des Antragstellers der einstweiligen Verfügung vermittelte Zustellung im Rechtshilfeweg bei Auslandszustellungen nichts.

Fristbeginn ist der Zeitpunkt der Zustellung der Beschlussverfügung an den damaligen Antragsteller, also hier der 20.12.2005.

Fristende ist damit grundsätzlich der 20.01.2006.

2.
Eine Rückwirkung in diese Frist auch bei erst späterer tatsächlich erfolgter Zustellung der einstweiligen Verfügung im Ausland gemäß § 183 Abs.1 Ziffer 2 ZPO ist grundsätzlich möglich, setzt aber voraus, dass die Antragstellung der zur Zustellung gemäß § 922 Abs.2 ZPO verpflichteten Partei innerhalb dieser Frist erfolgt ist und in dieser Frist die notwendigen Voraussetzungen für die Durchführung der Zustellung soweit erforderlich seitens des Antragstellers erbracht wurden.

Dies ist hier für die Zustellung in der Schweiz nicht gegeben. Die Zustellungsadresse und der erneute Antrag für die Zustellung in wurde seitens des Beklagten, des Antragstellers der einstweiligen Verfügung, erst nach Ablauf der Monatsfrist, nämlich erst am 25.01.2006 im vorliegenden Verfahren dem Gericht mitgeteilt.

Das Risiko einer fehlerhaften Adressierung liegt insoweit beim Antragsteller, also hier dem Beklagten. Daran ändert auch nichts, dass die ursprünglich angegebene Adresse in Österreich sich bis zum Zustellungsversuch dort durch den Umzug der Antragsgegnerin, also durch einen Umstand, der nicht im Einflußbereich des Antragstellers liegt, geändert hat und ursprünglich vom Antragsteller wohl richtig ermittelt war.

Die relativ knapp gehaltene Monatsfrist des § 922 Abs. 2 ZPO dient aber wesentlich dem Schutz des Antragsgegners , um zu verhindern, dass von dem im Eilverfahren errungenen Titel nicht unter wesentlich veränderten Umständen zu Lasten des Antragsgegners noch Gebrauch gemacht wird.

Diese Frist kann weder verlängert noch abgekürzt werden.

Dass die Klägerin sich hier auf diese Frist beruft, deren Einhaltung von Amts wegen zu überprüfen ist, ist auch nicht treuwidrig. Jedenfalls wurden hier keine Umstände, die der Klägerin besonders anzulasten wären, bekannt und die – abweichend vom Grundsatz nach Treu und Glauben hier eine besondere Rückwirkung der erst verspäteten Zustellung in die bis 20.01.2006 laufende Vollziehungsfrist hinein verlangen würden.

3.
a) Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs.1 ZPO.

Weil durch die Säumnis der Vollziehungsfrist die einstweilige Verfügung als von Anfang an wirkungslos zu betrachten ist, waren die gesamten Kosten dem Aufhebungsbeklagten aufzuerlegen.

b) Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Ziff.6 und 711 ZPO.

Rechtsgebiete

Verfahrens- und Zwangsvollstreckungsrecht