Keine Abmahnkosten wegen Verletzung von Markenrechten bei vorheriger Schubladenverfügung
Gericht
OLG München
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
09. 03. 2006
Aktenzeichen
29 U 4994/05
Keine Erstattung von Abmahnkosten bei Abmahnung nach Erwirken einer so genannten „Vorrats -“ oder „Schubladenverfügung“.
Die Berufung der Kl. gegen das Urteil des LG München I vom 31.08.2005 wird zurückgewiesen.
Die Kl. hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Kl. begehrt die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren für eine Abmahnung wegen Markenverletzung.
Sie erwirkte am 20.09.2004 wegen Benutzung der Bezeichnung „ P. made in M./Germany“ beim LG Köln eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung (Anl. MBP 1). Die einstweilige Verfügung wurde zunächst nicht zugestellt, vielmehr wurde der Bekl. vorweg mit Anwaltsschreiben vom 27.09.2004 abgemahnt (Anl. MBP 16). Nachdem sich der Bekl. weigerte, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, wurde ihm am 16.10.2004 die einstweilige Verfügung zugestellt. Mit Abschlussschreiben vom 29.10.2004 (Anl. MBP 2) wurde der Bekl. aufgefordert, die einstweilige Verfügung als materiell verbindliche Regelung anzuerkennen.
Mit Klage vom 23.02.2005 machte die Kl. zunächst die Kosten des Abschlussschreibens (€ 1.179,80 unter Anrechnung einer vorab geleisteten Teilzahlung des Bekl. von € 200,-) geltend. Nach Klageerweiterung verlangt die Kl. ferner, sie von den Abmahnkosten in Höhe von € 804,50 (gem. Rechnung der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 13.06.2005, Anl. MBP 17) freizustellen.
Mit Endurteil vom 31.08.2005 gab das LG der das Abschlussschreiben betreffenden Zahlungsklage statt, hinsichtlich des klägerseits geltend gemachten Anspruchs auf Freistellung von den Abmahnkosten wies das Erstgericht die Klage ab. Zur Begründung der Klageabweisung führte das LG aus, neben den Anwaltsgebühren für das gerichtliche Verfügungsverfahren sei keine gesonderte Geschäftsgebühr auf Grund der ausgesprochenen Abmahnung vom 27.09.2004 angefallen. Letztere habe lediglich dem Zweck gedient, auf einen möglichen Kostenwiderspruch des Bekl. hin eine für die Kl. nachteilige Kostenentscheidung nach § 93 ZPO zu vermeiden. Demgemäß sei das Abmahnschreiben vom 27.09.2004 als Teil des Auftrags zur Durchführung des bereits laufenden gerichtlichen Verfahrens anzusehen und daher mit der Kostenfestsetzung im Verfügungsrechtsstreit abgegolten.
Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil – soweit dem Begehren der Kl. auf Freistellung von den Abmahnkosten unter Auferlegung eines entsprechenden Anteils an den Verfahrenskosten nicht stattgegeben wurde – richtet sich die Berufung der Kl.. Die Ansicht des LG, außergerichtliche Kosten für eine Abmahnung nach Erwirken einer so genannten „Vorratsverfügung“ seien nicht erstattungsfähig, finde im Gesetz keine Stütze. Die nach Erlass der einstweiligen Verfügung erfolgte Abmahnung sei – wie in erster Instanz unter Beweisantritt vorgetragen - auf Grund eines gesonderten Auftrags der Kl. an ihre Prozessbevollmächtigten ausgesprochen worden, demgemäß entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht vom Auftrag zur Stellung des Verfügungsantrages bei Gericht umfasst gewesen. Damit habe die Kl. berechtigterweise dem Kostenrisiko des § 93 ZPO begegnen wollen. Dies habe das LG ebenso verkannt wie die Tatsache, dass für eine Anwendung des § 93 ZPO mangels eines Anerkenntnisses des Bekl. ohnehin kein Raum gewesen sei.
Die Kl. beantragt:
Das Urteil des LG München vom 31. 8. 2005 (Az.: 1 HK O 4205/05) wird in seinen Ziffern II. und III. geändert.
Der Bekl. wird verurteilt, die Kl. von der Forderung in Höhe von EUR 804,50 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 10. 11. 2004 durch Zahlung an die Kanzlei M., B. & Partner, freizustellen.
Der Bekl. beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Seiner Ansicht nach sei mit der Bezahlung des vom LG zugesprochenen Honorars für das Abschlussschreiben die gesamte außergerichtliche Tätigkeit der Klägervertreter abgegolten. Nachdem die Kl. ihren Prozessbevollmächtigten aus diesem Grund kein Honorar für die Abmahnung schulde, könne der Bekl. hierfür auch nicht in Anspruch genommen werden. Ohnehin werde bestritten, dass die Prozessbevollmächtigten der Kl. dieser ihre Abmahntätigkeit überhaupt in Rechnung gestellt hätten. Die Kl. habe ihren Anwälten auch nicht den Auftrag erteilt, nach Erwirken der einstweiligen Verfügung weitere Kosten verursachende außergerichtliche Maßnahmen wie die streitgegenständliche Abmahnung zu ergreifen. Jedenfalls sei der geforderte Rechnungsbetrag überhöht. Die Kl. handle rechtsmißbräuchlich, wenn sie Freistellung von der Zahlung einer Geschäftsgebühr in Höhe einer halben 1,5 Geschäftsgebühr verlange, obwohl ihre Anwälte ihren Gebührenrechnungen vom 29.10.2004 und 22.12.2004 lediglich eine 1,3-Geschäftsgebühr zugrunde legten.
Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 09.03.2006 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Kl. ist in der Sache unbegründet. Die Kl. kann von der Bekl. keine Freistellung von für das Abmahnschreiben vom 27.09.2004 (Anl. MBP 16) angefallenen Anwaltskosten verlangen.
Im Zusammenhang mit einer Abmahnung wegen Verletzung von Markenrechten entstehende Kosten sind nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auf Grund Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683 Satz 1, 677, 670 BGB) erstattungsfähig (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. GRUR 1970, 189 – Fotowettbewerb, GRUR 1973, 384/385 – Goldene Armbänder, GRUR 1984, 129, 131 – shop-in-the-shop I, GRUR 1984, 691, 692 - Anwaltsabmahnung, GRUR 1991, 550 – Zaunlasur, GRUR 1991, 679, 680 – Fundstellenangabe, GRUR 1992, 176 – Abmahnkostenverjährung, GRUR 2001, 450, 453 – Franzbranntwein-Gel). Anspruchsvoraussetzung hierfür ist, dass die Abmahnung für den abgemahnten Schuldner (als Geschäftsherrn) objektiv nützlich war und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entspricht (§ 683 Satz 1 BGB, vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 12 UWG, Rn. 1.91). Grundsätzlich im Interesse des Abgemahnten liegt die Abmahnung vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, weil er auf diese Weise dem an sich bestehenden Unterlassungsanspruch die Grundlage entziehen und den Abmahnenden klaglos stellen kann, ohne dass die Kosten eines Gerichtsverfahrens anfallen (Kostenvermeidungsfunktion, vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aaO, § 12, Rn. 1.5 unter Hinweis auf BGHZ 149, 371, 374 – Missbräuchliche Mehrfachabmahnung). Diesen Zweck erfüllt eine – wie im Streitfall – nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens ausgesprochene Abmahnung nicht mehr. Eine Abmahnung durch den Unterlassungsgläubiger nach Erwirkung einer so genannten „Vorrats-“ oder „Schubladenverfügung“ nimmt dem Unterlassungsschuldner vielmehr die Möglichkeit, durch ein sofortiges Anerkenntnis die für ihn günstige Kostenfolge des § 93 ZPO herbeizuführen. Sie dient daher nicht mehr dem Interesse des Abgemahnten, sondern nur noch demjenigen des Abmahnenden selbst, nämlich für den Fall der Einlegung eines Kostenwiderspruchs nicht mit den Verfahrenskosten belastet zu werden. Soweit die Kl. darauf abstellt, dass der Bekl. trotz Abmahnung keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, sich die Abmahnung demgemäß als wirkungslos herausgestellt habe und für die Anwendung des § 93 ZPO zu Lasten der Kl. kein Raum mehr sei, ist keine anderweitige Beurteilung veranlasst. Diese von der Kl. angestellte „ex post“-Betrachtung des Verfahrensablaufs lässt nämlich unberücksichtigt, dass nach der im Ergebnis wirkungslosen Abmahnung durch die Kl. der Bekl. ohnehin für die bis dahin entstandenen Verfahrenskosten einzustehen hatte, so dass die – nach Auffassung der Kl. sogar kostenpflichtige – Abmahnung für den Bekl. objektiv nicht nützlich war. Ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag scheidet daher aus, ohne dass es auf die zwischen den Parteien strittige Frage ankommt, ob die Abmahnung im Zusammenhang mit der Durchführung des gerichtlichen Verfügungsverfahrens oder auf Grund eines gesonderten Auftragsverhältnisses erfolgte.
Ein Anspruch der Kl. auf Erstattung der Abmahnkosten lässt sich aber auch nicht aus § 14 Abs. 6 MarkenG herleiten. Zwar können Abmahnkosten nach herrschender Auffassung grundsätzlich als Teil des durch die Markenverletzung entstandenen Schadens geltend gemacht werden. Dies gilt jedoch nur für die notwendigen Kosten der Rechtsverfolgung (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., vor §§ 14-19, Rn. 150; BGH GRUR 1990, 381 – Antwortpflicht des Abgemahnten). Nachdem die Kl. im Zeitpunkt des Abmahnschreibens vom 27.09.2004 gegen den Bekl. bereits einen gerichtlichen Titel erwirkt hatte, war die Abmahnung nicht mehr notwendig, um den verfolgten Unterlassungsanspruch zu realisieren. Sie diente, wie bereits ausgeführt, lediglich dem im Hinblick auf den Streitgegenstand unbeachtlichen Kostenvermeidungsinteresse der Kl..
Schließlich scheidet auch eine entsprechende Anwendung des § 12 I Satz 2 UWG mangels Bestehens einer Regelungslücke als Anspruchsgrundlage aus (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aaO., § 12, Rn. 1.90). Für den Erstattungsanspruch aus einer wegen der Verletzung von Markenrechten ausgesprochenen Abmahnung stehen dem Abmahnenden – wie vorstehend erläutert – grundsätzlich die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag und § 14 Abs. 6 MarkenG zur Verfügung. Im Übrigen würde auch die Berufung auf § 12 I Satz 2 UWG der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Abmahnung für die Rechtsverfolgung entbehrlich war (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, aaO., § 12, RdNr. 186).
Lediglich der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der geltend gemachte Freistellungsanspruch auch nicht auf das Schreiben der vormaligen Prozessbevollmächtigten des Bekl. vom 09.12.2004 (Anl. MBP 14) gestützt werden kann, weil darin kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis zu sehen ist. Jedenfalls ist der dem Schreiben beigefügten Unterlassungserklärung des Bekl. zu entnehmen, dass er sich mögliche Einwendungen hinsichtlich der Frage der grundsätzlichen Ersatzfähigkeit eines von der Kl. geltend gemachten Schadens vorbehalten wolle. Zu Recht hat die Kl. insofern ihr Vorbringen in der Berufung auch nicht mehr auf die Einordnung des Schreibens vom 09.12.2004 als Schuldanerkenntnis und damit als eigene Anspruchsgrundlage gestützt.
III.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 I ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 II Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 II Nr. 2 ZPO nicht vorliegen (vgl. dazu BGH NJW 2003, 65 ff.). Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.
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