Kauf bricht nicht Miete - aber das Zurückbehaltungsrecht
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
19. 06. 2006
Aktenzeichen
VIII ZR 284/05
Wird vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, verliert der Mieter dem Veräußerer gegenüber sein Zurückbehaltungsrecht an der rückständigen Miete wegen eines Mangels der Mietsache, der vor der Veräußerung entstanden ist. Vom Zeitpunkt der Veräußerung an ist nur noch der Erwerber zur Mangelbeseitigung verpflichtet und kann der Mieter nur die Leistung der diesem geschuldeten Miete bis zur Mangelbeseitigung verweigern.
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin vom 11. November 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin war Eigentümerin und Vermieterin einer von der Beklagten seit dem 1. November 2000 gemieteten Wohnung. Für die Zeit von Dezember 2002 bis September 2003 war eine Nettokaltmiete von 809,45 € vereinbart. Wegen eines Wasser- und Schimmelflecks oberhalb des Balkonfensters der Wohnung gewährte die Klägerin eine Minderung von 15 %, so dass die Nettokaltmiete noch 688,03 € betrug. Die Beklagte zahlte darauf von Dezember 2002 bis September 2003 monatlich jeweils 568,48 €.
Im Dezember 2003 ließ die Klägerin Arbeiten an dem Wasser- und Schimmelfleck vornehmen. Am 29. Juni 2004 ist das Eigentum an der vermieteten Wohnung auf die D. Aktiengesellschaft in B. übergegangen.
Mit der Klage hat die Klägerin unter anderem restliche Miete für Dezember 2002 bis September 2003, - nach Abzug von weiteren Minderungsbeträgen für andere, im Januar 2003 beseitigte Mängel - insgesamt 1067,65 € nebst Zinsen, begehrt. Die Beklagte hat demgegenüber ein Zurückbehaltungsrecht wegen des Wasserflecks geltend gemacht, der nach ihrem Vortrag bereits kurze Zeit nach den von der Klägerin veranlassten Mangelbeseitigungsarbeiten erneut aufgetreten sei, wie sie dieser mit Schreiben vom 10. Dezember 2003 auch mitgeteilt habe.
Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich der restlichen Miete für Dezember 2002 bis September 2003 nur Zug um Zug gegen Beseitigung des Wasserflecks stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte uneingeschränkt zur Zahlung der rückständigen Miete von 1067,65 € nebst Zinsen verurteilt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie weiterhin ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete bis zur dauerhaften Beseitigung des Wasserflecks geltend macht.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - veröffentlicht in WuM 2006, 145 - ausgeführt:
Der Klägerin stehe für den Zeitraum von Dezember 2002 bis einschließlich Oktober 2003 (richtig: September 2003) gemäß § 535 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages ein restlicher Mietanspruch in Höhe von 1067,65 € zu. Die Beklagte könne sich gegenüber der Klägerin nicht auf ein Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 320, 322 BGB berufen, weil die Klägerin seit dem 29. Juni 2004 nicht mehr Eigentümerin der Wohnung sei. Mit dem Eigentumsübergang sei die D. gemäß § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetreten und Vermieterin geworden. Instandsetzungsansprüche stünden der Beklagten nach § 566 BGB nur noch gegenüber der neuen Vermieterin zu. Voraussetzung für ein Zurückbehaltungsrecht sei der synallagmatische Zusammenhang zwischen dem Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters auf der einen Seite und dem Mietzahlungsanspruch des Vermieters auf der anderen Seite. Daran fehle es im Verhältnis zum alten Vermieter. Dieser habe nach § 566 Abs. 2 BGB nur für Schadensersatzansprüche des Mieters gegenüber dem Erwerber wie ein Bürge einzustehen; darum handele es sich bei dem Zurückbehaltungsrecht wegen eines Mangelbeseitigungsanspruchs jedoch nicht. Der Mieter verliere daher das bis zur Veräußerung dem Vermieter gegenüber bestehende Zurückbehaltungsrecht und müsse die bis dahin einbehaltenen Beträge an den aus dem Mietverhältnis ausscheidenden alten Vermieter zahlen. Denn der Gegenanspruch des Mieters aus § 536 BGB und ein darauf gestütztes Zurückbehaltungsrecht richte sich nun nur noch gegen den Erwerber.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beklagten gegenüber dem Anspruch der Klägerin aus § 535 Abs. 2 BGB auf Zahlung der Mietrückstände von 1067,65 € für die Zeit von Dezember 2002 bis September 2003 ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB bis zur Beseitigung des nach der Behauptung der Beklagten erneut aufgetretenen Wasserflecks in der Wohnung nicht zusteht.
Der von der Beklagten mit dem Leistungsverweigerungsrecht geltend gemachte Anspruch auf Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist zwar ein echter Erfüllungsanspruch, der neben den Gewährleistungsrechten nach den §§ 536 ff. BGB besteht und grundsätzlich gegenüber dem Anspruch des Vermieters auf Mietzahlung als vertragliche Gegenleistung die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 BGB) rechtfertigen kann (BGH, Urteil vom 26. Februar 2003 - XII ZR 66/01, NJW-RR 2003, 727 unter 4; BGHZ 84, 42, 44 ff.). Das Berufungsgericht ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte Mangelbeseitigung gemäß § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB von der Klägerin nach § 566 BGB nicht mehr fordern kann und dass der an die Stelle dieser Forderung getretene Mangelbeseitigungsanspruch gegenüber der neuen Eigentümerin und Vermieterin der Beklagten nicht das Recht gibt, die Zahlung der Miete zu verweigern, die sie der Klägerin für die Zeit vor dem Eigentumsübergang schuldet.
1. Gemäß § 566 Abs. 1 BGB tritt der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Durch den Eigentumsübergang tritt hinsichtlich der vertraglichen Ansprüche eine Zäsur ein: alle schon vorher entstandenen und fällig gewordenen Ansprüche bleiben bei dem bisherigen Vermieter, und nur die nach dem Zeitpunkt des Eigentumswechsels fällig werdenden Forderungen stehen dem Grundstückserwerber zu. Ebenso richten sich vertragliche Ansprüche des Mieters gegen den Erwerber, falls sie erst nach dem Eigentumswechsel entstehen oder fällig werden (Senatsurteil vom 9. Februar 2005 - VIII ZR 22/04, NJW 2005, 1187 unter II 2 a m.w.Nachw.).
Zu den erst nach dem Eigentumswechsel entstehenden oder fällig werdenden Ansprüchen in diesem Sinne gehört auch der Anspruch des Mieters aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB auf Erhaltung der Mietsache in gebrauchsfähigem Zustand. Das gilt entgegen der Ansicht der Revision unabhängig davon, ob ein nach § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beseitigender Mangel vor oder nach dem Eigentumsübergang entstanden ist (MünchKommBGB/Häublein, 4. Aufl., § 566 Rdnr. 38; Erman/Jendrek, BGB, 11. Aufl., § 566 Rdnr. 11; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl., Rdnr. 1311). Denn bei der Verpflichtung des Vermieters, die Mietsache während der Mietzeit in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu erhalten, handelt es sich um eine Dauerverpflichtung, die auch hinsichtlich solcher Mängel, die bereits vor Eigentumsübergang aufgetreten sind, in die Zukunft gerichtet ist und die Gegenleistung für die laufend geschuldete Miete darstellt. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters begründet der Anspruch des Mieters auf Herstellung eines zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes der Mietsache deshalb unabhängig davon, ob der mangelhafte Zustand vor oder nach Eröffnung des Verfahrens entstanden ist, eine Masseschuld (BGH, Urteil vom 3. April 2003 - IX ZR 163/02, WM 2003, 984 = NZM 2003, 472 unter II 2 und 3). Entsprechend trifft bei einer Veräußerung der Mietsache gemäß § 566 Abs. 1 BGB die Erhaltungspflicht und damit die Verpflichtung zur Beseitigung von Mängeln ab dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs den Erwerber der Mietsache, auch wenn der Mangel schon vor dem Eigentumsübergang vorhanden war.
Der Erwerber wird "anstelle des (bisherigen) Vermieters" verpflichtet, das heißt, der auf Mangelbeseitigung gerichtete Erfüllungsanspruch gegen den Veräußerer geht unter (Senatsurteil, BGHZ 51, 273, 274; Schmidt-Futterer/ Eisenschmid, Mietrecht, 8. Aufl., § 536 BGB Rdnr. 350; Erman/Jendrek, aaO, § 566 Rdnr. 13). Insofern gilt für die Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand entgegen der Auffassung der Revision nichts anderes als für die Gebrauchsüberlassung, die der Mieter ab dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs ebenfalls nur noch von dem Erwerber verlangen kann (Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., § 566 Rdnr. 20).
2. Da die Klägerin danach nicht mehr zur Beseitigung des von der Beklagten behaupteten Mangels verpflichtet ist, fehlt es für ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten gegenüber dem Mietzahlungsanspruch der Klägerin an einem - damit synallagmatisch verbundenen (§ 320 BGB) oder dazu im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden und auf demselben Lebensverhältnis beruhenden (§ 273 BGB) - Gegenanspruch der Beklagten (Schenkel, NZM 1998, 502, 504; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, aaO; a. A. Gellwitzki, WuM 2006, 126, 129 f.; Kinne, Mängel in Mieträumen, 4. Aufl., § 536 Abs. 1 Rdnr. 140). Einen Schaden wegen Nichterfüllung der Mangelbeseitigungspflicht durch die Erwerberin, für den die Klägerin als ehemalige Vermieterin nach § 566 Abs. 2 Satz 1 BGB wie eine Bürgin einzustehen hätte, macht die Beklagte nicht geltend. Der nunmehr gegenüber der Erwerberin und neuen Vermieterin bestehende Mangelbeseitigungsanspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB berechtigt die Beklagte weder gemäß § 320 BGB noch gemäß § 273 BGB zur Zurückhaltung der Miete, die sie der Klägerin für die Zeit vor dem Eigentumsübergang schuldet.
Eine Fortdauer des Leistungsverweigerungsrechts des Mieters gegenüber dem Veräußerer über den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs hinaus ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht deshalb geboten, damit sich der durch § 566 Abs. 1 BGB angeordnete Vermieterwechsel nicht zum Nachteil des Mieters auswirkt. Die Regelung des § 566 BGB bezweckt zwar grundsätzlich den Schutz des Mieters und soll dessen Schlechterstellung durch den Verkauf des Mietobjektes vorbeugen (BGHZ 141, 239, 247). Sie bewirkt diesen Schutz aber dadurch, dass der Erwerber mietrechtlich an die Stelle des Veräußerers tritt und letzterer - vorbehaltlich der sich aus § 566 Abs. 2 BGB ergebenden Schadensersatzpflicht - aus dem Mietverhältnis ausscheidet. Soweit damit ein Nachteil des Mieters verbunden ist, weil er ein ihm bis zum Eigentumsübergang zustehendes Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Mietzahlungsverlangen des Veräußerers verliert, ist dies die notwendige Folge davon, dass nach diesem Zeitpunkt im Interesse des Mieters anstelle des Veräußerers der Erwerber für alle sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Pflichten einzustehen hat. Der Mieter kann deshalb bis zu der nunmehr von dem Erwerber geschuldeten Mängelbeseitigung die von diesem zu fordernde Miete zurückhalten. Allein auf diese Weise erfüllt das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB seinen Zweck, als Druckmittel zur Mangelbeseitigung zu dienen (BGHZ 127, 245, 253).
Das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung bleibt unabhängig davon auch im Verhältnis zum Veräußerer dadurch gewahrt, dass eine schon vor dem Eigentumsübergang wegen des Mangels nach § 536 BGB eingetretene - hier einvernehmlich erfolgte - Mietminderung diesem gegenüber fortbesteht. Es ist deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht aus Billigkeitsgründen geboten, dem Mieter darüber hinaus so lange ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Mietzahlungsverlangen des Veräußerers zu gewähren, bis der vertragsgemäße Zustand der Mietsache - durch den Erwerber - hergestellt worden ist.
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