Kein Ordnungsmittel bei Sternchen in Nachfolge-Werbung
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Beschluss über sofortige Beschwerde
Datum
19. 07. 2006
Aktenzeichen
3 W 127/06
Die Frage, ob die in Zusammenhang mit einer irreführenden Werbeaussage durch Sternchenverweis erfolgte Aufklärung die Irreführung ausschließt, ist nicht im Vollstreckungsverfahren zu prüfen, wenn der Verbotstitel lediglich auf Unterlassung der beanstandeten Werbeaussage lautet.
Wettbewerbsrechtliche Verletzungsformen, die nicht Gegenstand des Erlaßverfahrens sind, können nach der „Kernbereichslehre“ nicht im Rahmen eines Ordnungsmittelverfahrens nach § 890 ZPO angegriffen werden.
Die Ausdehnung des Schutzbereichs eines Unterlassungstitels auf Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung lediglich „ähnlich“ sind, ist im Vollstreckungsverfahren unzulässig.
Wird eine werbliche Maßnahme so verändert, dass sich deren Gesamteindruck – bezogen auf den Kern des Verbots – ändert, unterfällt die Änderung nicht mehr dem Verbotskern des Titels.
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerinnen wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 22. Mai 2006 abgeändert.
Der Antrag der Gläubigerin vom 10. Mai 2006 auf Festsetzung eines Ordnungsmittels wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens in beiden Instanzen.
Der Streitwert wird auch für die Beschwerdeinstanz auf 30.000.- € festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige sofortige Beschwerde der Schuldnerinnen hat auch in der Sache Erfolg. Ein Verstoß gegen das Verfügungsverbot liegt nach Auffassung des Senats nicht vor.
1.) Durch die Beschlussverfügung des Landgerichts vom 28. April 2006 ist den Schuldnerinnen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs - insbesondere in Werbeaussagen - zu behaupten und/oder zu verbreiten bzw. behaupten und/oder verbreiten zu lassen, ... sei Europas beliebteste Programmzeitschrift.
Zum Streitgegenstand gehören die zwei in der Antragsschrift vorgetragenen Verletzungsfälle, und zwar die öffentliche Stellungnahme des Verlagsleiters der Antragsgegnerin zu 2), Herrn ..., Anfang April 2006 (Anlage ASt 2) und die offizielle Pressemitteilung der Antragsgegnerin zu 1) (Anlage ASt 3) mit den Wendungen: "... als beliebteste TV-Programmzeitschrift Europas" (Anlage ASt 2) und "wirbt ... mit Kurzfilmen prominenter Filmgrößen, die exklusiv für Europas beliebteste Programmzeitschrift produziert werden" (Anlage Ast 3).
Zum Streitgegenstand gehören weiter die Ausführungen in der Antragsschrift zur Begründung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs, und zwar dahingehend, es sei eine ungerechtfertigte Alleinstellungsbehauptung; das Produkt müsse in allen marktrelevanten Aspekten einen deutlichen und dauerhaften Vorsprung haben. Das sei - so die Antragsschrift - vorliegend nicht gegeben. Bereits im Gesamtverkauf (für den Markterfolg und damit für die Beliebtheit entscheidend) seien ... und ... dauerhaft vor ..., ... verkaufe ca. 50 % mehr, ... etwa 25 % mehr (Anlage ASt 4).
2.) Die als gegen die Beschlussverfügung verstoßend beanstandeten Werbemaßnahmen der Antragsgegnerinnen zeigen bei den Spots (Anlagen ZV 3 und ZV 4) ein eingeblendetes Standbild und auf der Internetseite (Anlage ZV6) und bei dem Werbeplakat (Anlage ZV 5) jeweils eine Abbildung der Titelseite von ... und dazu den Hinweis: "Exklusiv für ... - Europas beliebteste Programmzeitschrift * ", d. h. es befindet sich jeweils nach dem Wort "Programmzeitschrift" ein Sternchen. Außerdem ist in der Werbung (Anlagen ZV 3-6) jeweils auf dem betreffenden Standbild oder Plakat neben der abgebildeten Titelseite von ... jeweils die Sternchenauflösung: "Lt. ma 2006 I" angegeben.
3.) Diese Werbemaßnahmen fallen auch unter Berücksichtigung der Kernbereichslehre nicht unter das ergangene Verbot.
Dies ergibt sich nach den Grundsätzen neuerer Entscheidungen des BGH (WRP 2006, 590 - Markenparfumverkäufe) bereits daraus, dass eine mit der verbotenen werblichen Anpreisung und dem aufklärenden Sternchen mit Sternchenvermerk versehene Werbung nicht Streitgegenstand des Erlassverfahrens gewesen ist. Eine solche Werbemaßnahme ist in der Begründung zum Verfügungsantrag nicht aufgeführt gewesen, die Zivilkammer kann diesen Fall durch Erlass der Verbotsverfügung also nicht bereits mitentschieden haben.
Der Senat sieht sich durch die zitierte BGH-Entscheidung in seiner bereits seit langen Jahren vertretenen Auffassung von der Kernbereichslehre bestätigt (siehe nur: OLG Hamburg, Beschluss vom 17.11.1989 - 3 W 119/89 - GRUR 1990, 637). Danach fallen unter den Tenor eines Unterlassungstitels zwar nicht nur identische Handlungen, sondern auch solche, die von dem wettbewerbswidrigen Kern der verbotenen Handlung nur geringfügig abweichen, ihr also praktisch gleichwertig sind, weil es sonst mühelos möglich wäre, den Titel zu unterlaufen. Eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Titels auf solche Wettbewerbshandlungen, die der verbotenen Handlung aber im Kern lediglich ähnlich sind, ist dagegen nach der Natur des Vollstreckungsverfahrens nicht möglich.
In Bezug auf Unterlassungstitel, die eine konkrete Wettbewerbshandlung verbieten, bedeutet dies, dass lediglich kosmetische Veränderungen der konkreten Verletzungsform, die Gegenstand des Verbots ist, die den Gesamteindruck der verbotenen Werbung aber nicht berühren, nicht aus dem Kernbereich des Verbots herausführen können. Wird die werbliche Maßnahme jedoch so verändert, dass sich deren Gesamteindruck bezogen auf den Kern des Verbots ändert, unterfällt die Änderung nicht mehr dem Verbotskern des Titels. Dies gilt auch dann, wenn die abgeänderte Form selbst wettbewerbswidrig ist. Die Wettbewerbswidrigkeit der Änderung kann in einem solchen Falle nur in einem neuen Erkenntnisverfahren, nicht aber in der Zwangsvollstreckung geprüft werden.
Danach macht es einen Unterschied, ob die in Rede stehende Alleinstellungsbehauptung "... - Europas beliebteste Programmzeitschrift" - wie in den in der Antragsschrift vorgetragenen Verletzungsfällen geschehen - ganz unerläutert transportiert wird, oder aber ob - wie in den Beanstandungsfällen des Ordnungsmittelsverfahrens - die Alleinstellungsbehauptung unter Angabe einer Quelle zu erläutern bzw. in ihrer Aussage zu modifizieren versucht wird.
Dass dies Fälle mit verschiedenen Streitgegenständen sind, ergibt sich im Übrigen auch aus BGH-Entscheidung "statt-Preis" (WRP 2005, 1009). Dort heißt es unter Bezugnahme auf frühere Rechtsprechung, dass in einem solchen Fall – irreführende Werbung ohne aufklärenden Hinweis - die Verurteilung nicht spätere Verletzungsformen umfasse, bei denen zwar ein aufklärender Hinweis gegeben werde, aber nicht in hinreichend deutlicher Form, weil dies eine andersartige Verletzungshandlung wäre (BGH a. a. O., S. 1010).
Dabei geht es im vorliegenden Ordnungsmittelverfahren nicht darum, ob die Werbemaßnahmen der Antragsgegnerinnen nicht ebenfalls irreführend sind, etwa weil das Sternchen nicht deutlich genug seine Auflösung im Sternchenvermerk erfährt, etwa wegen der Buchstabengröße, der Anordnung und/oder des Aussageinhalts; maßgeblich ist vielmehr, dass es im Kern ein nur ähnlicher, im Charakteristischen aber ungleicher Sachverhalt ist.
Das Argument der Antragstellerin, in den TV Spots (Anlagen ZV 4-5) sei jedenfalls im gesprochenen Text die beanstandete Angabe ganz unerläutert erfolgt, greift demgegenüber nicht durch. Es kommt bei einem TV Spot - wie auch sonst im Wettbewerbsrecht - auf den maßgeblichen Zusammenhang der Werbeaussage an. Zu dem gesprochenen Text im TV Spot gehört der gleichzeitig eingeblendete Text, und zwar (wie ausgeführt) mit dem Sternchen.
4.) Nach alledem ist der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsmittels unbegründet. Der Beschluss des Landgerichts war auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerinnen abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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