Auslegung von Eigentümerbeschlüssen

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

24. 03. 1997


Aktenzeichen

15 W 314/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Beschluß einer Eigentümerversammlung, der sich nach seinem in der Niederschrift wiedergegebenen Wortlaut auf eine Regelung zur Durchführung einer baulichen Veränderung beschränkt (hier: Umgestaltung der Gartenanlage), kann nicht dahin ausgelegt werden, daß gleichzeitig auch eine Regelung über die gemeinschaftliche Kostentragung entsprechend dem allgemeinen Verteilungsschlüssel getroffen worden ist.

  2. Die Kostenfreistellung nach § 16 III Halbs. 2 WEG betrifft alle Fälle, in denen ein Wohnungseigentümer einer baulichen Veränderung nicht zugestimmt hat. Sie beschränkt sich nicht auf den Fall, daß die Zustimmung eines Wohnungseigentümers nach §§ 22 I 2, 14 Nr. 1 WEG nicht erforderlich war.

  3. Durch die Bestandskraft eines Mehrheitsbeschlusses, der die Durchführung einer baulichen Veränderung vorsieht, verliert der nicht zustimmende Wohnungseigentümer nicht das Recht, von den durch diese Maßnahme veranlaßten Kosten freigestellt zu werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. streiten um die Verteilung der Kosten für die Vorgartengestaltung ihrer Wohnungseigentümeranlage. In der Eigentümerversammlung vom 22. 7. 1993 wurde in Abwesenheit der Bet. zu 1 beschlossen, den Vorgarten des Hauses von einer Fachfirma neu gestalten zu lassen. Die Arbeiten wurden in der Folgezeit ausgeführt und mit einem Gesamtbetrag von 5067 DM in Rechnung gestellt. In der Eigentümerversammlung vom 29. 3. 1994 wurde zu TOP 1 die Jahresabrechnung 1993 mehrheitlich genehmigt. In dieser Abrechnung wurden die für die Gartenumgestaltung angefallenen Kosten entsprechend dem allgemeinen Verteilungsschlüssel nach Miteigentumsanteilen auf die Wohnungseigentümer umgelegt. Diesen Beschluß hat das AG rechtskräftig für ungültig erklärt und zur Begründung ausgeführt, hinsichtlich der Abrechnungsposition Erneuerung der Außenanlagen fehle es an einer ordnungsgemäßen Verwaltung, weil Vergleichsangebote anderer Gartenbauunternehmen nicht eingeholt worden seien. In der Eigentümerversammlung vom 22. 3. 1995 legte die Verwalterin (Bet. zu 5) eine neu erstellte Jahresabrechnung für das Jahr 1993 zur Genehmigung vor. Diese sieht wiederum eine Verteilung der Kosten für die Umgestaltung des Vorgartens in Höhe von 5067 DM auf sämtliche Wohnungseigentümer nach Maßgabe des allgemeinen Verteilungsschlüssels vor. Nach dem Inhalt der von der Bet. zu 5 erstellten Niederschrift wurde die Abrechnung zu TOP 1 einstimmig, also mit der Stimme der anwesenden Bet. zu 1, genehmigt. Die Bet. zu 1 beantragt, den Beschluß der Eigentümerversammlung vom 22. 3. 1995 zu TOP 1 für ungültig zu erklären. Gegenstand des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde ist nur noch die Beanstandung, die die Bet. zu 1 gegen ihre anteilige Belastung mit den Kosten für die Gartenumgestaltung erhoben haben.

Das AG hat den Antrag der Bet. zu 1 zurückgewiesen. Das LG hat unter Zurückweisung der Beschwerde im übrigen die Entscheidung des AG abgeändert und den Beschluß der Eigentümerversammlung vom 22. 3. 1995 zu TOP 1 insoweit für ungültig erklärt, als er die Position Erneuerung der Außenanlagen mit einem Kostenbetrag von 5067 DM betrifft. Die sofortige weitere Beschwerde der Bet. zu 1 blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LG zutreffend von einer zulässigen Erstbeschwerde der Bet. zu 1 ausgegangen. Nicht zu beanstanden ist ferner die Beurteilung des LG, die Antragsbefugnis der Bet. zu 1 im Beschlußanfechtungsverfahren (§ 43 I Nr. 4 WEG) sei nicht dadurch ausgeschlossen, daß sie - auf der Grundlage des Vorbringens der Ag. - der angefochtenen Beschlußfassung zugestimmt hätten. Denn die Zustimmung der Bet. zu 1 schließt nicht bereits als solche ihre Anfechtungsbefugnis aus. Hinzutreten müssen vielmehr besondere Umstände, die die Anfechtung des Beschlusses der Eigentümerversammlung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BayObLG, WE 1993, 344; OLG Düsseldorf, DWE 1989, 29; Weitnauer/Lüke, WEG, 8. Aufl., § 23 Rdnr. 27). Das Vorliegen solcher besonderen Umstände hat die Kammer unbedenklich im Hinblick auf zumindest mißverständliche Erklärungen der Bet. zu 5 zeitlich vor der Beschlußfassung über den Inhalt der von ihr vorgeschlagenen Regelung verneint. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat insoweit auf die Ausführungen der landgerichtlichen Entscheidung Bezug.

Auch die Sachentscheidung des LG hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Kammer hat zu Recht den Beschluß zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 22. 3. 1995 teilweise für ungültig erklärt, weil die Bet. zu 1 an den Kosten für die Umgestaltung des Vorgartens in Höhe von 5067 DM nicht beteiligt werden dürfen. Die Kammer hat festgestellt, bei der aufgrund des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 20. 7. 1993 vorgenommenen Umgestaltung des Vorgartens handele es sich um eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 I WEG. Diese Beurteilung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine bauliche Veränderung im Sinne der Gesetzesbestimmung ist eine auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung realer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums. Davon erfaßt wird auch die Veränderung einer vorhandenen gärtnerischen Gestaltung des gemeinschaftlichen Grundstücks. Allerdings kann auch eine Maßnahme ordnungsgemäßer Verwaltung (§ 21 V Nr. 2 WEG) zu Veränderungen der Gartengestaltung führen und dann schon begrifflich nicht als bauliche Veränderung qualifiziert werden. Ist der Garten einmal ordnungsgemäß angelegt, so gehen Veränderungen, die nicht ihren Grund in der üblichen Gartenpflege haben, über eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinaus. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn eine vorhandene Bepflanzung radikal beseitigt wird und durch die Neuanlage eine nach Charakter, Erscheinungsbild und Funktion völlig andere Gartenanlage geschaffen wird (vgl. Senat, NJWE-MietR 1996, 85 = FGPrax 1996, 47).

So verhält es sich hier bezogen auf die vom LG verfahrensfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Die Kammer hat die Art und den Umfang der durchgeführten Arbeiten den zu der Beiakte eingereichten Rechnungen des Gärtnereibetriebs entnommen. Danach sind vorhandene Pflanzen einschließlich einer Eibe sowie eine Hecke ausgegraben und abgefahren worden. Sodann ist auf eine Fläche von 60 qm Rasen ausgesät worden, ferner sind einige kleinere Pflanzen eingepflanzt worden. Darüber hinaus sind 15 lfd. Meter Gartenplatten verlegt sowie 20 lfd. Meter Bonanza-Zaun hergestellt worden. Insgesamt ergibt sich, daß der bisher komplett mit Pflanzen ausgestattete Vorgarten grundlegend neu gestaltet worden ist im Sinne einer umzäunten Rasenfläche, in der nachträglich eine Bank aufgestellt worden ist. In diesem Sinne haben die Eigentümer die durchgeführten Maßnahmen auch bei ihrer Beschlußfassung in der Eigentümerversammlung vom 20. 7. 1993 verstanden. Dieser lautet dahin, daß der Vorgarten von einer Fachfirma „neu gestaltet“ werden sollte.

Auf dieser Grundlage bleibt die streitige Behauptung der Ag. ohne Bedeutung, die beseitigte Eibe sei ungepflegt gewesen und habe die Dachrinne beschädigt. Selbst wenn hinsichtlich der Eibe eine Maßnahme der Gartenpflege hätte getroffen werden können, die im Rahmen des den Wohnungseigentümern einzuräumenden Ermessensspielraumes auch die Beseitigung dieses Baumes hätte rechtfertigen können, so ist diese Maßnahme, deren Kosten ohnehin nur einen geringen Teil der angefallenen Gesamtkosten ausmachen, hier nicht zum Zweck einer Gartenpflege, sondern im Rahmen und mit der Zielsetzung einer grundlegenden Umgestaltung des Vorgartens insgesamt getroffen worden, der die Eibe zu weichen hatte.

Das LG hat weiter rechtlich zutreffend angenommen, daß eine Beteiligung der Bet. zu 1 an den Kosten dieser baulichen Veränderung nach § 16 III Halbs. 2 WEG ausgeschlossen ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Wohnungseigentümer nicht verpflichtet Kosten zu tragen, die durch eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 I WEG verursacht sind, der er nicht zugestimmt hat. Daß die Bet. zu 1 dieser Maßnahme zugestimmt haben, ist von den Ag. nicht vorgetragen. Aus dem Beschluß der Eigentümerversammlung vom 20. 7. 1993 ergibt sich eine solche Zustimmung nicht, weil die Bet. zu 1 an dieser Eigentümerversammlung nicht teilgenommen haben. Die Bestandskraft des nicht angefochtenen Eigentümerbeschlusses vom 20. 7. 1993 zu TOP 3 steht der Anwendung des § 16 III Halbs. 2 WEG nicht entgegen. Die in diesem Beschluß getroffene Regelung beschränkt sich auf die Durchführung der Gartenumgestaltung; eine Regelung über die Kostentragung für die Maßnahme ist nicht getroffen worden. Dieser Eigentümerbeschluß kann auch nicht dahin ausgelegt werden, daß die Kosten der Maßnahme im Rahmen der Jahresabrechnung auf alle Miteigentümer entsprechend dem allgemeinen Kostenverteilungsschlüssel umgelegt werden sollten. Die Auslegung eines Eigentümerbeschlusses hat wegen seiner allseitigen Bindungswirkung, auch gegenüber Rechtsnachfolgern, ausschließlich nach seinem objektiven Erklärungswert zu erfolgen (KG, OLGZ 1981, 307; OLG Stuttgart, NJW-RR 1991, 913; ; Senat, NJW-RR 1989, 1161). . Die subjektiven Vorstellungen der beschließenden Wohnungseigentümer, die in dem Wortlaut des Beschlusses keinen Niederschlag gefunden haben, müssen deshalb für die Auslegung ohne Berücksichtigung bleiben. Da der genannte Beschluß seinem Inhalt nach auch nicht andeutungsweise eine Regelung zu den Kosten der Maßnahme trifft, hatten die Bet. zu 1 auch keinen Anlaß, diesen unter dem Gesichtspunkt einer sie benachteiligenden Kostenregelung innerhalb der Frist des § 23 IV 1 WEG anzufechten. Es ist deshalb nicht möglich, im Wege der Auslegung in einem Beschluß über die Durchführung einer baulichen Veränderung eine Regelung über die gemeinschaftliche Kostentragung hinzudeuten (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 22 Rdnr. 216; a.A. Demharter, MDR 1988, 265 (267)).

Da die Teilungserklärung vom 20. 12. 1979 eine abweichende Regelung über die Kosten für die Durchführung baulicher Veränderungen nicht enthält, richtet sich die Kostentragung nach der gesetzlichen Regelung. Die Bestandskraft des Eigentümerbeschlusses vom 20. 7. 1993 führt lediglich zu der Rechtsfolge, daß ein Anspruch der Bet. zu 1 auf Beseitigung der baulichen Veränderung (§ 1004 BGB) ausgeschlossen ist. Dagegen ist zweifelhaft, welche Folgen sich aus diesem Beschluß für die Verpflichtung des Bet. zu 1 ergeben, die Kosten für die Neuanlage des Vorgartens zu tragen. In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, die Kostenfreistellung nach § 16 III Halbs. 2 WEG gelte nur für denjenigen Wohnungseigentümer, dessen Zustimmung zu der baulichen Veränderung nach den §§ 22 I 2, 14 Nr. 1 WEG nicht erforderlich sei, weil er durch die Maßnahme nicht über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werde (OLG Frankfurt a.M., OLGZ 1981, 313; Weitnauer/Hauger, WEG, 8. Aufl., § 16 Rdnr. 57; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 16 Rdnr. 148, § 22 Rdnr. 219; Palandt/Bassenge, BGB, 56. Aufl., § 16 WEG Rdnr. 3; Demharter, MDR 1988, 265 (266)). Daraus wird umgekehrt der Schluß gezogen, ein Wohnungseigentümer, dessen nach § 22 I 1 WEG erforderliche Zustimmung zu der baulichen Veränderung durch einen bestandskräftigen Eigentümerbeschluß ersetzt werde, müsse auch dessen Kosten entsprechend dem allgemeinen Verteilungsschlüssel mittragen (Palandt/Bassenge, § 16 WEG Rdnr. 3; sowie Demharter, MDR 1988, 265 (267)). Dieser Auffassung vermag sich der Senat indessen nicht anzuschließen.

Der Wortlaut des § 16 III WEG ergibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die hier getroffene besondere Regelung für die Nutzungsbefugnisse und die Kostentragung in Ansehung einer baulichen Veränderung davon abhängig sein soll, ob die Zustimmung eines Wohnungseigentümers nach § 22 I 1 WEG erforderlich oder nach S. 2 derselben Vorschrift entbehrlich war. Für den Fall, daß - etwa in einem Beschlußanfechtungsverfahren - zu überprüfen ist, ob die Zustimmung eines Wohnungseigentümers zu einer baulichen Veränderung nach § 22 I WEG erforderlich ist, ist anerkannt, daß eine Kostenbelastung des nicht zustimmenden Wohnungseigentümers als ein die Erforderlichkeit seiner Zustimmung begründender Umstand ausscheidet, weil er nach § 16 III WEG von der Kostentragung insoweit befreit ist (BGHZ 116, 392 = NJW 1992, 978; BayObLG, NJW 1981, 690 (691); ZMR 1987, 190; Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, 2. Aufl., Rdnr. 99 S. 166; st. Rspr. des Senats). Der BGH (BGHZ 116, 392 = NJW 1992, 978) hat die Kostenfreistellung uneingeschränkt demjenigen Wohnungseigentümer zugebilligt, der der baulichen Veränderung nicht zustimmen brauchte und ihr auch nicht zugestimmt hat, ohne insoweit zwischen dem Fall des § 22 I 1 WEG und demjenigen des S. 2 der Vorschrift zu differenzieren. Eine andere Betrachtung würde auf einen Zirkelschluß hinauslaufen: Wird eine bauliche Veränderung durch Mehrheitsbeschluß genehmigt, die sich als solche sachlich nicht störend auf andere Wohnungseigentümer auswirkt, so würde sich ihre Zustimmungspflicht gerade daraus ergeben, daß diese mit Eintritt der Bestandskraft des Beschlusses anteilig zu den Kosten der baulichen Maßnahme beizutragen hätten und dadurch über das Maß des § 14 Nr. 1 WEG hinaus benachteiligt würden. Eine durch Mehrheitsbeschluß genehmigte bauliche Veränderung wäre dann praktisch immer zustimmungspflichtig; für die Anwendung des § 22 I 2 WEG bliebe kein Raum (in der Sache ebenso BayObLG, ZMR 1987, 190). Ein Wohnungseigentümer kann gute Gründe haben, von seinem Recht, einen Mehrheitsbeschluß über eine bauliche Veränderung anzufechten, keinen Gebrauch zu machen. Dadurch verliert er jedoch nicht seinen Anspruch, von den durch diese Maßnahme veranlaßten Kosten freigestellt zu werden.

Der Beschluß des OLG Frankfurt a.M. (OLGZ 1981, 313) begründet für den Senat schon deshalb keine Vorlagepflicht nach § 28 II FGG, weil die hier vertretene Auffassung in Übereinstimmung mit der genannten Entscheidung des BGH steht. ...

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 14 Nr. 1, 16 III Halbs. 2, 22 I