Tarifzuständigkeit und OT-Mitgliedschaft
Gericht
LAG München
Art der Entscheidung
Beschluss über Beschwerde
Datum
12. 04. 2005
Aktenzeichen
11 TaBV 33/04
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1, 2 und 3 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 07.04.2004 – 5 BV 193/03 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 4 für den Beteiligten zu 5 nur bis zum 21.02.2000 tarifzuständig war.
Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Gründe:
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der L. (Beteiligte zu 4) für den Beteiligten zu 5, einem Einzelunternehmen und sog. OT - Mitglied im L., tarifzuständig ist.
Die Beteiligten zu 1 und 2 waren Arbeitnehmerinnen des Beteiligten zu 5. Sie sind Mitglieder der V., der Beteiligten zu 3.
Die Arbeitnehmerinnen streiten vor dem Arbeitsgericht Regensburg, Kammer Landshut, mit ihrem (ehemaligen) Arbeitgeber über Zahlungsansprüche aus Tarifverträgen, die die Beteiligte zu 3 mit dem Beteiligten zu 4 abgeschlossen hat.
Das Arbeitsgericht Regensburg hat die bei ihm anhängigen Verfahren gemäß § 97 Abs. 5 Satz 1 ArbGG im Hinblick auf die Entscheidung des BAG, Beschluss vom 23.10.1996 – 4 AZR 409/95 – (AP 15 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit) ausgesetzt, bis in einem Beschlussverfahren nach § 97 Abs. 1, § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG über die Tarifzuständigkeit des Beteiligten zu 4 für den Beteiligten zu 5 entschieden ist.
Nachdem der Beteiligte zu 4 durch Satzungsänderung vom 8. Juli 1999 die Möglichkeit geschaffen hatte, gegenüber dem Verband den Ausschluss der Tarifbindung zu erklären, machte der Beteiligte zu 5 mit Schreiben vom 20.02.2000, beim L. eingegangen am 21.02.2000, davon Gebrauch und erklärte gem. § 4a der Satzung den Ausschluss der Tarifbindung.
Die maßgebenden Satzungsbestimmungen lauten:
„§ 4 a
„Bei Tarifverträgen, die nicht für allgemeinverbindlich erklärt sind, können die Mitglieder den Ausschluss der Tarifbindung erklären. Die Erklärung ist schriftlich an die für den Sitz der gewerblichen Niederlassung des Mitgliedes zuständige Bezirksgeschäftsstelle zu richten. Sie wirkt zum Ablauf der jeweils geltenden Tarifverträge. Die Erklärung kann jederzeit widerrufen werden.
Nicht tarifgebundene Mitglieder sind nicht berechtigt, an der Abstimmung über tarifpolitische Entscheidungen mitzuwirken“.
§ 5
„Der Verband erhebt von seinen Mitgliedern einen jährlichen Mitgliedsbeitrag. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge sowie ihre Änderung werden durch die Landesdelegiertenversammlung festgesetzt. Die Höhe des Mitgliedsbeitrages ist unabhängig davon, ob das Mitglied der Tarifbindung unterliegt oder nicht. Der Mitgliedsbeitrag ist am 02. Januar eines jeden Jahres zur Zahlung fällig.
Bei besonderem Bedarf können durch Beschluss der Landesdelegiertenversammlung Sonderbeiträge erhoben werden.“
§ 14 Ziffer 4 a
„Zu den regelmäßigen Aufgaben der Landesdelegiertenversammlung gehören: ...
ff) die Wahl der Tarifkommission gemäß § 32; nicht tarifgebundene Delegierte sind nicht wahlberechtigt....“
§ 32
„Die Tarifkommission besteht aus bis zu 40 Mitgliedern sowie bis zu 10 Stellvertretern, die von der Landesdelegiertenversammlung gewählt werden. Nicht tarifgebundene Mitglieder können nicht Mitglied der Tarifkommission sein. Sie ist zuständig für alle tarifpolitischen Fragen, insbesondere für den Abschluss von Tarifverträgen. Die Zuziehung weiterer sachverständiger Mitglieder zu den Beratungen ist möglich. Die Tarifkommission wählt aus ihrer Mitte den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter.“
§ 32 a – Streikfonds
„1. ... Nicht tarifgebundene Mitglieder können nicht Mitglieder des Verwaltungsrates sein....“
Der Beteiligte zu 4 hat ca. 12.000 Mitglieder, wobei jährlich ca. 900 Mitglieder ein- und etwa ebenso viele austreten. Ca. 40 % der Mitglieder, meist die kleineren Unternehmen mit nur wenig Beschäftigten, haben mittlerweile von der Satzungsmöglichkeit Gebrauch gemacht und Mitgliedschaft ohne Tarifbindung erklärt.
Die antragstellenden Beteiligten zu 1 bis 3 haben die Meinung vertreten, dass der Einzelhandelsverband für alle Mitglieder tarifzuständig sei, denen die wesentlichen Mitgliedschaftsrechte zustehen. Deshalb sei der Beteiligte zu 5 an die zwischen der Beteiligten zu 3 und der Beteiligten zu 4 abgeschlossene Tarifverträge gebunden. § 3 Abs. 1 TVG regele zwingend und ohne Einschränkungsmöglichkeit die Tarifbindung für alle Mitglieder einer Tarifvertragspartei. Dadurch würde dem Interesse der Rechtsklarheit und Verlässlichkeit Rechnung getragen. Die Normsetzungsbefugnis der Verbände erfordere Sicherheit bei der Bestimmung der Normadressaten. Ein jederzeit möglicher Statuswechsel führe zu Unüberschaubarkeit, weil verbandsangehörige Arbeitgeber verbandsintern jederzeit den Ausschluss der Tarifbindung erklären, aber auch wieder rückgängig machen könnten. § 3 Abs. 1 TVG sehe neben der Verbandsmitgliedschaft keine zusätzliche Voraussetzung vor, etwa eine Unterwerfungserklärung der Mitglieder unter die vom Verband abgeschlossenen Tarifverträge. Die Satzungsautonomie finde ihre Grenze im zwingenden Tarifvertragsrecht. Die Satzungsbestimmungen, die den Mitgliedern die Freistellung von der Tarifbindung ermöglichen, seien unwirksam. Außerdem führe die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung zu Störungen der Verhandlungsparität zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft. Die Arbeitgeberseite könne mit begrenztem Einsatz spielen, könne nämlich einerseits das von allen Mitgliedsfirmen getragene organisatorische und finanzielle Potenzial im vollen Umfang einsetzen, schaffe aber andererseits nur für tarifoffene Mitglieder tarifliche Bindungen. So könne man Firmen mit niedrigem gewerkschaftlichem Organisationsgrad kaum mehr erreichen. Die Bündelung finanzieller Kräfte zeige sich vor allem darin, dass auch OT-Mitglieder gleich hohe Mitgliedsbeiträge an den Landesverband zu zahlen hätten, wie die Mitglieder mit Tarifbindung. Das steigere einerseits die Durchsetzungskraft bei andererseits begrenzter Wirkung und schrumpfender Reichweite der ausgehandelten Tarifverträge. Diese Asymmetrie schränke außerdem die Möglichkeiten eines Arbeitskampfes ein und störe die Parität nachhaltig.
Die Beteiligten zu 1, 2 und 3 haben beantragt:
Es wird festgestellt, dass der Antragsgegner und Beteiligte zu 4 für den Beteiligten zu 5 tarifzuständig ist.
Die Beteiligten zu 4 und 5 haben die Zurückweisung des Antrags beantragt.
Sie haben die Meinung vertreten, dass dem Antrag bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil die Entscheidung für die Ausgangsverfahren entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts Regensburg ohne Bedeutung sei. Der Beteiligte zu 5 falle als OT-Mitglied von vorneherein nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des dem Klagebegehren der Beteiligten zu 1 und 2 zugrunde liegenden Tarifvertrages über Sonderzahlungen. Jedenfalls fehle dem Landesverband die Tarifzuständigkeit für den Beteiligten zu 5. Der Landesverband könne nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung seine Tarifzuständigkeit aufgrund seiner Verbandsautonomie in persönlicher Hinsicht auf einen Teil seiner Mitglieder beschränken. Dies sei vom Bundesarbeitsgericht in verschiedenen Fällen für Gewerkschaften anerkannt worden und müsse auch für Arbeitgeberverbände gelten. Eine Koalition könne Tarifverträge nur für solche Mitglieder abschließen, für die sie auch tarifzuständig ist. Die Verbände bestimmten aufgrund ihrer Satzungsautonomie, in welchem räumlichen, fachlichen und persönlichen Bereich sie tätig werden können. Auch Gewerkschaften hätten Mitglieder, für die ihnen die Tarifzuständigkeit fehle. § 3 Abs. 1 TVG begrenze die Legitimation der Verbände zur Normsetzung, schaffe aber keine Tarifzuständigkeit. Welche Mitgliedschaftsmodelle ein Verband zur Verfügung stelle, unterliege seiner freien Organisationsbefugnis. Eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung sei ebenso zu akzeptieren, wie der Wille, überhaupt nicht Mitglied eines Verbandes zu sein. Dies folge aus der negativen Koalitionsfreiheit, die ebenso wie die positive geschützt sei. Das Selbstbestimmungsrecht einer Koalition hinsichtlich ihrer eigenen Organisation sei verfassungsmäßig durch Art. 9 Abs. 3 GG garantiert und durch § 3 Abs. 1 TVG nicht eingeschränkt.
Eine Störung der Verhandlungsparität der Tarifvertragsparteien sei durch die Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft nicht gegeben. Die Bündelung aller erreichbaren Kräfte sei zulässig und die Förderung eines Verbands auch durch Nichtmitglieder jederzeit möglich; dies führe zu keiner verfassungswidrigen Funktionsstörung der Tarifautonomie. Anders lautende Behauptungen könnten nicht durch Tatsachen belegt werden.
Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 17.03.2004 den Antrag zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Schaffung verschiedener Verbandsmitgliedschaften nicht gegen § 3 Abs. 1 TVG verstoße. Mitglieder ohne Tarifbindung seien nicht als Mitglieder im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Der Mitgliedsbegriff müsse nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschrift bestimmt werden. Mit Eintritt in einen tarifvertragschließenden Verband komme im Regelfall zum Ausdruck, sich an die Tarifverträge binden zu wollen. Bei Mitgliedschaft ohne Tarifbindung sei dies gerade nicht der Fall. Die Koalitionsfreiheit gewährleiste auch die Gestaltungsfreiheit der Verbände hinsichtlich ihrer inneren Struktur im Rahmen der verbandsrechtlich zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten einschließlich der Ausgestaltung von Mitgliederkategorien. Auch die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie werde durch die Schaffung von Mitgliedschaften ohne Tarifbindung nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Denn es wäre auch Nichtmitgliedern möglich, einen Verband ideell und finanziell zu unterstützen oder gegen Entgelt Dienstleistungen des Verbandes in Anspruch zu nehmen.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Beteiligten im ersten Rechtszug und den rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts im Übrigen wird auf den Beschluss des Arbeitsgerichts Bezug genommen.
Mit ihrer Beschwerde vom 25.05.2004, nach entsprechender Fristverlängerung am 25.08.2004 begründet, wenden sich die Beteiligten zu 1, 2 und 3 gegen den Ihnen am 26.04.2004 zugestellten Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 07.04.2004.
Die Beschwerdeführer vertreten die Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die verfassungsrechtlich geschützte Organisationsautonomie eines Verbandes auch abgestufte Mitgliedschaften ermögliche. § 3 Abs. 1 TVG enthalte eine koalitionsverfassungsrechtlich fundierte, satzungsfeste gesetzliche Grundentscheidung gegen die Möglichkeit einer abgestuften Mitgliedschaft. Die Beteiligung am Tarifsystem stehe nicht im Belieben der Mitglieder einer Koalition im Sinne des Tarifvertragsrechts. Im Gegensatz zur Meinung des Arbeitsgerichts sei auch die Verhandlungsparität durch die Möglichkeit von OT-Mitgliedschaften gestört. Zwar seien OT-Mitglieder nicht an tarifpolitischen Entscheidungen beteiligt, für die Wahl der Tarifkommission nicht wahlberechtigt und von der Mitgliedschaft in der Tarifkommission und im Verwaltungsrat des Streikfonds ausgeschlossen; doch könnten gemäß § 32 der Satzung weitere sachverständige Mitglieder zu den Beratungen der Tarifkommission zugezogen werden, so dass ein Einfluss der OT-Mitglieder nicht ausgeschlossen erscheine.
Neben einer Gefährdung der Rechtssicherheit und Ordnungsfunktion des Tarifvertragssystems durch derartige Satzungskonstruktionen bestehe für Dritte und vor allem die Gewerkschaft keinerlei Transparenz mehr, für welche Mitglieder des Landesverbands überhaupt Tarifbindung besteht. Die OT-Mitgliedschaft schaffe eine Option für ein ständiges verbandsinternes Hin- und Herwechseln zwischen Mitgliedschaft mit und ohne Tarifbindung und eröffne Manipulationsmöglichkeiten. Der Status der OT-Mitgliedschaft könne so als verdecktes Arbeitskampfmittel eingesetzt werden. Bei Tarifverhandlungen würde auch mit der Möglichkeit des Austritts der Mitglieder aus der Tarifbindung gedroht. Berechenbarkeit und Verlässlichkeit vor allem gegenüber dem Tarifpartner und den tarifgebundenen Arbeitnehmern gehe verloren, die Gefahr einer Destabilisierung des Tarifsystems verstärke sich.
Die Antragsteller beantragen:
Der Beschluss des Arbeitsgericht München vom 07.04.2004, Az.: 5 BV 193/03, wird aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beteiligte zu 4 für den Beteiligten zu 5 tarifzuständig ist.
Die Antragsgegner beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.
Sie sind der Auffassung, das Arbeitsgericht habe zu Recht den Antrag zurückgewiesen und führen ergänzend zum erstinstanzlichen Vortrag aus, § 3 Abs. 1 TVG sei dahingehend zu verstehen, dass die Mitgliedschaft im tarifvertragschließenden Verband für die Tarifgebundenheit Voraussetzung sei, sie aber nicht zwingend zur Folge habe. So würden Mitgliedschaften ohne Tarifbindung ohne weiteres für zulässig gehalten, wenn beide Tarifvertragsparteien den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages entsprechend beschränken. Die Antragstellerseite habe ferner nicht konkretisieren können, in welcher Weise die Verhandlungsparität und das Funktionieren der Tarifautonomie nach den bisherigen Erfahrungen durch OT-Mitgliedschaften gestört worden wäre. Weder habe es die Beteiligung von OT-Mitgliedern bei den Beratungen in der Tarifkommission gegeben, noch sei ersichtlich, dass sich ein OT-Mitglied einem Arbeitskampf um einen Firmentarifvertrag durch Widerruf der OT-Mitgliedschaft entzogen habe. Es stoße sich schließlich niemand daran, dass auch Gewerkschaften Beiträge von Mitgliedern erheben, für die Tarifverträge nicht gelten, z.B. von Rentnern oder Arbeitslosen. Auch die Transparenz sei nicht beeinträchtigt. Es gebe weder auf Gewerkschaftsseite noch bei Arbeitgeberverbänden eine Publizität für den Tarifvertragspartner hinsichtlich der von den Tarifverträgen erfassten Mitglieder. Insofern könne nur der einzelne Arbeitgeber zur Erklärung über seinen Status aufgefordert werden.
Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten auf die Beschwerdebegründung vom 25.08.2004 (Bl. 88 – 105 d.A.) und die Beschwerdebeantwortung vom 09.09.2004 (Bl. 112 – 117 d.A.) verwiesen.
B.
I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft (§§ 97 Abs. 2 i.V.m. § 87 Abs. 1 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 97 Abs. 2 i.V.m. § 89 Abs. 1 und 2, 87 Abs. 2 i.V.m. § 66 Abs. 1 ArbGG).
II. In der Sache hat die Beschwerde im Wesentlichen keinen Erfolg.
1. Der Antrag der Beteiligten zu 1, 2 und 3 auf Feststellung gem. § 97 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 und 2 i.V.m. § 2 a Abs. 1 Ziff. 4 und § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ist, wie das Arbeitsgericht zu Recht entschieden hat, zulässig.
Insbesondere fehlt es, im Gegensatz zur Meinung der Antragsgegner, nicht am Rechtsschutzbedürfnis.
In einem Beschlussverfahren nach §§ 97 Abs. 5 i.V.m. 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG ist das Arbeitsgericht an den Aussetzungsbeschluss des Ausgangsgerichts gebunden, das angenommen hat, die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hänge von der Entscheidung über die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung ab. Es ist im Beschlussverfahren nicht nachzuprüfen, ob diese Frage für das Ausgangsverfahren tatsächlich vorgreiflich ist (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, 5. Aufl. 2004, Rz. 13 zu § 97 m.w.N.). Dies folgt eigentlich schon daraus, dass ein Antrag nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG ohnehin immer dann gestellt werden kann, wenn eine in § 97 Abs. 1 ArbGG genannte Vereinigung, Behörde, oder sonst betroffene Person die Frage der Tariffähigkeit oder Tarifzuständigkeit einer Vereinigung für klärungsbedürftig hält (vgl. Germelmann a.a.O. Rz. 5 ff., 15 ff.). Eines besonderen Feststellungs- und Rechtsschutzinteresses bedarf es nicht. Dies gilt um so mehr, wenn ein Gericht entsprechende Zweifel hat und die Frage für entscheidungserheblich hält.
Das Arbeitsgericht Regensburg hat in zwei Verfahren, die zwischen den Beteiligten zu 1 bzw. 2 und dem Beteiligten zu 5 anhängig sind, beschlossen, den jeweiligen Rechtsstreit bis zum rechtskräftigem Abschluss eines einzuleitenden Beschlussverfahrens gem. § 97 Abs. 5 Satz 1, § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG auszusetzen. Es hat in seinen Aussetzungsbeschlüssen nicht näher danach differenziert, ob die Tarifzuständigkeit des Beteiligten zu 4 insgesamt oder ab der Erklärung des Ausschlusses der Tarifbindung in Frage steht. Deshalb ist der entsprechend allgemein gehaltene Antrag der Antragsteller nicht zu beanstanden und es bedarf keiner Prüfung, ob es im Ausgangsverfahren um Ansprüche aus dem zum 31.12.1999 gekündigten Tarifvertrag vom 16.06.1997 geht oder auch um Ansprüche aus dem nachfolgenden Tarifvertrag vom 23.04.2001. Die Antragsteller können wegen des insoweit allgemein gehaltenen Aussetzungsbeschlusses gem. § 97 Abs. 5 ArbGG das Verfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG mit einem entsprechend weiten Antrag durchführen, auch wenn zwischen den Beteiligten wohl unstreitig ist, dass die Tarifzuständigkeit des Beteiligten zu 4 für den Beteiligten zu 5 bis zu dessen Erklärung vom 20.02.2000 uneingeschränkt gegeben war.
2. Der Antrag ist im Wesentlichen nicht begründet. Denn der Beteiligte zu 5 hat mit Schreiben vom 20.02.2000 an den Beteiligten zu 4 gem. § 4 a der Verbandssatzung den Ausschluss der Tarifbindung erklärt. Damit fehlt dem Beteiligten zu 4 ab dem Tag nach Zugang dieses Schreibens, nämlich ab dem 22.02.2000, die Tarifzuständigkeit für den Beteiligten zu 5. Zwar wirkt laut § 4 a der Satzung eine entsprechende Erklärung erst zum Ablauf der jeweils geltenden Tarifverträge; damit wird aber nur der Regelung in § 3 Abs. 3 TVG Rechnung getragen. Die Tarifzuständigkeit des Verbandes entfällt dagegen sofort ab Zugang der schriftlichen Erklärung des Ausschlusses der Tarifbindung. Soweit nach der weiten Antragsformulierung die Tarifzuständigkeit auch für den Zeitraum vor dem 22.02.2000 festgestellt werden soll, ist der Antrag begründet, ansonsten unbegründet.
Zu Recht ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass der Beteiligte zu 4 durch entsprechende Satzungsregelung seine personelle Zuständigkeit auf den Teil seiner Mitglieder beschränken konnte und kann, der keinen Ausschluss der Tarifbindung erklärt hat. Die in der Satzung ermöglichte Mitgliedschaft ohne Tarifbindung ist verbandsrechtlich zulässig, begrenzt unter bestimmten – hier vorliegenden – Voraussetzungen die Tarifzuständigkeit des Verbandes und verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
a) Organisation, Willensbildung und Führung der Geschäfte im Innenverhältnis unterliegen der Selbstbestimmung eines jeden Verbandes und sind im Kernbereich verfassungsrechtlich geschützt (BVerfGE 28/305). Das Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches stellt die internen Strukturen im weitesten Umfang zur Disposition der Mitglieder. Deshalb kann satzungsautonom auch der Status der Mitglieder differenziert geregelt werden (Däubler NZA 96/225 ff., 230; Schaub, Arbeitsrechts- Handbuch, 11. Aufl. 2005, § 206 Rz. 28; derselbe in NZA 98/621 f.; Wiedemann-Oetker, TVG, 6. Aufl., Rz. 65 zu § 2 TVG m.w.N.).
Die durch Verbandssatzung eröffnete Möglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung führt zu einer abgestuften Mitgliedschaft, gegen die verbandsrechtlich keine Bedenken bestehen. Ein Verstoß gegen den verbandsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz käme nur dann in Betracht, wenn willkürliche, „irrationale“ Differenzierungen vorgenommen würden (Däubler a.a.O.), was aber vorliegend nicht anzunehmen ist. Denn die OT-Mitglieder des Beteiligten zu 4 sind von der Mitwirkung bei der Abstimmung über tarifpolitische Entscheidung ausgeschlossen, zur Tarifkommission aktiv und passiv nicht wahlberechtigt und an der Verwaltung des Streikfonds nicht beteiligt. Dass der Mitgliedsbeitrag für OT-Mitglieder und „Vollmitglieder“ gleich hoch ist, stellt keine willkürliche Differenzierung dar (überzeugend Otto, NZA 96/629 f. m.w.N.; dagegen Röckl, DB 93/2384). Denn auch OT-Mitglieder verbinden mit der tarifpolitischen Arbeit ihres Verbandes ein eigenes Interesse. Die Tarifabschlüsse des Verbandes haben immer auch für nicht tarifgebundene Arbeitgeber eine nicht unerhebliche Signalwirkung, der sich gerade auch die OT-Mitglieder des Beteiligten zu 4 langfristig kaum entzíehen werden können, weil es sich in aller Regel um kleine und kleinste Einzelhandelsunternehmen handelt.
b) Die danach verbandsrechtlich unbedenkliche Möglichkeit einer Mitgliedschaft beim Landesverband Einzelhandel ohne Tarifbindung führt zum Wegfall der Tarifzuständigkeit des Verbandes für Mitglieder, die, wie der Bet. zu 5, davon Gebrauch machen.
Unter Tarifzuständigkeit ist die in der Satzung eines tariffähigen Verbandes geregelte Befugnis zu verstehen, Tarifverträge mit einem bestimmten räumlichen betrieblich-fachlichen und persönlichen Geltungsbereich abzuschließen (BAG AP 1, 3 und 15 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; Schaub a.a.O. § 199 Rz. 15).
aa) Der Beteiligte zu 4 ist ein tariffähiger Verband und hat diese Fähigkeit nicht deshalb verloren, weil er nicht für alle seine Mitglieder tarifzuständig ist. Denn dadurch allein verliert er nicht die Fähigkeit, Partei eines Tarifvertrages zu sein und bleibt damit Koalition (vgl. Schaub aaO. § 187 Rz. 1 und § 199 Rz. 1 f.; ferner in NZA 98/62; Buchner NZA 94/4; Otto, NZA 96/230).
Die gegenteilige Meinung überzeugt nicht. Sie stützt sich vornehmlich auf die These, § 3 Abs. 1 TVG schreibe die Tarifgebundenheit der Verbandsmitglieder zwingend vor und stelle insofern ein tragendes, „satzungsfestes“, Element des auf der Koalitionsfreiheit aufbauenden Tarifvertragsrechts dar, dessen Anerkennung Voraussetzung der Tariffähigkeit sei (so Glaubitz, NZA 03/141 ff.; Kempen/Sachert, TVG, 3. Aufl. 1997, § 2 Rz. 90). Die Regelung in § 3 Abs. 1 TVG erschöpft sich indes darin, die Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für Individualnormen auf die Mitglieder der Koalitionen zu begrenzen (so zutreffend LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.02.1995, NZA 1995/800 ff., unter II 3). Dies allein ist der tragende Grundsatz des Tarifvertragsrecht, der in § 3 Abs. 1 TVG zum Ausdruck kommt. Die Regelung kann ohnehin nicht dahingehend verstanden werden, dass abgeschlossene Tarifverträge grundsätzlich für alle Mitglieder der tarifvertragschließenden Partei gelten. Denn die Tarifbindung kann sich nur auf solche Mitglieder einer Tarifvertragspartei erstrecken, die unter den im Tarifvertrag festgelegten Geltungsbereich fallen, gleich, ob und wie viele Mitglieder des Verbandes nicht darunter fallen. Ebenso wenig steht der Wortlaut des § 3 Abs. 1 TVG entgegen, wenn ein Verband durch Satzung seine Tarifzuständigkeit für einen Teil seiner Mitglieder ausschließt. Hinsichtlich der Tarifzuständigkeit einer Gewerkschaft für bestimmte Betriebe wird dies in der Rechtsprechung anerkannt (BAG AP 4, 5, 6 und 7 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit). Es ist auch zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die abweichende Auffassung eine Unterscheidung von Tarifgebundenheit und Tarifzuständigkeit im persönlicher Hinsicht sinnlos erscheinen ließe (Buchner NZA 94/6; LAG Rheinland-Pfalz aaO.).
Auch das Bundesarbeitsgericht hat bisher keine Zweifel an der Tariffähigkeit eines Arbeitgeberverbandes erkennen lassen, der zwischen Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung differenziert (BAG Urteil vom 24.02.1999 – 4 AZR 62/98 – AP 17 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit; vgl. auch die Vorinstanz: Hessisches LAG, Urteil vom 06.10.1997 – 16 Sa 585/97 – LAGE Nr. 1 zu § 97 ArbGG 79).
Der Beteiligte zu 4 konnte somit, ohne seine Tariffähigkeit zu verlieren, aufgrund seiner Satzungsautonomie seine Tarifzuständigkeit in personeller Hinsicht begrenzen. Er hat damit die Reichweite seiner Normsetzungskompetenz auf die Mitglieder begrenzt, die nicht ausdrücklich und schriftlich von der satzungsmäßigen Möglichkeit der Mitgliedschaft ohne Tarifbindung Gebrauch gemacht haben. Diese Begrenzung der Tarifzuständigkeit ist ebenso anzuerkennen, wie Beschränkungen der Tarifzuständigkeit durch Gewerkschaftssatzungen (vor allem BAG AP 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; Buchner NZA 94/5; LAG Rheinland-Pfalz aaO.).
bb) Die Besonderheiten einer satzungsmäßigen OT-Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband ändern an dieser rechtlichen Einschätzung nichts (a. A. Däubler NZA 96/231 Fn. 98). Zwar geht es in diesen Fällen nicht um eine Beschränkung der Tarifzuständigkeit nach fachlich-betrieblichen Kriterien, sondern um den Ausschluss von einzelnen Mitgliedern (Unternehmern) aus der Tarifbindung auf deren Wunsch und Entscheidung hin; dies rechtfertigt es aber nicht, die Satzungsautonomie von Arbeitgeberverbänden insofern einzuschränken.
Über die Erklärung eines Unternehmens, vom satzungsmäßig geschaffenen Status der OT-Mitgliedschaft Gebrauch zu machen, kann sich ein Verband in keinem Fall hinwegsetzen, gleich ob eine solche Satzungsregelung zulässig ist oder nicht. Wäre die Satzungsbestimmung zur OT-Mitgliedschaft nichtig, könnte ein OT-Mitglied überhaupt nicht als Verbandsmitglied angesehen werden (vgl. Hessisches LAG, Urteil vom 06.10.1997 a.a.O.); die Erklärung des Ausschlusses der Tarifbindung wäre als Verbandsaustritt zu werten. In jedem Fall aber wäre der Verband aufgrund des eindeutig erklärten Willens des OT-Mitglieds gehalten, Tarifverträge durch entsprechend auszuhandelnden persönlichen Geltungsbereich nur für „ordentliche“ Mitglieder abzuschließen. Soweit dies nicht geschieht, wären „überschießende“ Tarifverträge insoweit unwirksam (Buchner NZA 94/5; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 199 Rz. 16). Daran könnte auch der Tarifvertragspartner kein Interesse haben. Nicht nur die verbandsinterne Interessenlage spricht also für die Zulässigkeit einer OT-Mitgliedschaft durch entsprechende Satzungsregelung.
cc) Auch der Wortlaut des § 3 Abs. 1 TVG steht, wie das Arbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht entgegen. Nach seinem Sinn und Zweck regelt § 3 Abs. 1 TVG nur eine unverzichtbare Voraussetzung der Tarifgebundenheit, postuliert diese aber, wie bereits gezeigt, nicht als zwingende Folge einer verbandsrechtlichen Mitgliedschaft. Die Tarifbindung von Verbandsmitgliedern kann anerkanntermaßen grundsätzlich eingeschränkt sein, nämlich tarifvertraglich oder verbandsrechtlich. § 3 Abs. 1 TVG könnte weder die verfassungsrechtlich geregelte und geschützte Tarifautonomie, noch das ebenso geschützte verbandsrechtliche Selbstbestimmungsrecht einschränken. Der Mitgliedsbegriff dieser Vorschrift ist infolgedessen dahin auszulegen, dass nur solche Verbandsmitglieder einer Tarifvertragspartei darunter fallen, für die nach der Verbandssatzung die personelle Tarifzuständigkeit gegeben ist oder die dem persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags unterfallen (vgl. Otto NZA 96/628). Etwas anderes könnte nur gelten, wenn die Mitglieder ohne Tarifbindung in gleicher oder ähnlicher Weise, wie die übrigen Mitglieder, an der Tarifpolitik des Verbandes teilnehmen könnten (Wiedemann-Oetker aaO, Rz. 102 zu § 3 TVG).
c) Zu Unrecht wird gegen die Zulässigkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vorgebracht, dass dadurch die Verhandlungsparität zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft gestört werde (Schaub BB 94/2007; Röckl DB 93/2385; vgl. dagg. Wiedemann-Oetker aaO Rz. 65 zu § 2 TVG m.w.N.).
Nachdem die OT-Mitglieder nach der Satzung des Beteiligten zu 4 nicht an der tarifpolitischen Arbeit des Verbandes teilnehmen, ist ihr Einfluss auf Tarifverhandlungen und Arbeitskämpfe darauf beschränkt, dass sie den Verband organisatorisch und durch (gleich hohe) Mitgliedsbeiträge finanziell unterstützen. Dies allein vermag aber die Verhandlungsparität nicht in unzulässiger Weise zu verschieben. Zu Recht hat schon das Arbeitsgericht im Anschluss an Otto (NZA 96/628) darauf hingewiesen, dass es auch Nichtmitgliedern möglich ist, einen Arbeitgeberverband finanziell zu unterstützen oder gegen Entgelt Dienstleistungen des Verbandes in Anspruch zu nehmen (vgl. auch Buchner NZA 95/768 f.). Eine Bündelung von Kräften, um gegenüber dem Verhandlungspartner mehr Gewicht zu bekommen, führt also nicht zu einer unzulässigen, verfassungsrechtlich relevanten Störung der Verhandlungsparität. Dass sich Firmen mit einem geringen Organisationsgrad durch Erklärung der Mitgliedschaft ohne Tarifbindung der Erreichbarkeit der Gewerkschaft entziehen können, führt nicht zu einer unzulässigen „Asymmetrie“ und Einschränkung der Arbeitskampfmöglichkeiten. Dies kann ebenso durch eine formal genauso einfache Aufkündigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bewirkt werden und ist hinzunehmen.
d) Auch die von den Beteiligten 1, 2 und 3 vorgebrachten Gesichtspunkte der Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, Ordnungsfunktion, Transparenz, Manipulations- und Missbrauchgefahr und Destabilisierung des Tarifsystems stehen der Anerkennung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung nicht entgegen, soweit, wie vorliegend, die OT-Mitglieder an tarifpolitischen Entscheidungen und an der Verwaltung des Streikfonds nicht beteiligt sind.
Es mag zwar sein, dass der Entschluss eines Mitglieds zum Verbandsaustritt schwerer fällt, als der Entschluss zum Wechsel in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung, weil der Austritt den Verlust von sonstigen Verbandsleistungen nach sich zieht. Aus dem Tarifvertragsgesetz kann aber kein über § 3 Abs. 3 und § 4 Abs. 5 TVG hinausgehender Anspruch der anderen Tarifvertragspartei auf Schutz vor einem Rückzug von Unternehmen aus der Tarifbindung abgeleitet werden.
Auch Gesichtspunkte wie Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Transparenz können gegen eine OT-Mitgliedschaft nicht ins Feld geführt werden. Die von der Satzung geforderte schriftliche Erklärung des Ausschlusses der Tarifbindung gegenüber dem Verband ist im Wesentlichen ebenso wie ein Verbandsaustritt oder ein Verbandseintritt feststellbar und nachvollziehbar und genügt damit den Anforderungen an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, um den Zeitpunkt des Beginns der Tarifbindung, ihre Dauer (§ 3 Abs. 3 TVG) und ggfs. die Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) bestimmen zu können. Bei ca. 900 Ein- und ebenso vielen Austritten pro Jahr, wie der Beteiligte zu 4 vorgetragen hat, fehlt es ohnehin an der Transparenz, die die Gewerkschaft für wünschenswert hält. Auch gibt es weder auf Gewerkschaftsseite noch auf Seiten des Arbeitgeberverbandes eine Publizität hinsichtlich der von einem Tarifvertrag erfassten Mitglieder. Nur der einzelne Arbeitgeber kann zur Erklärung über seinen Status aufgefordert werden. Die gewünschte Verlässlichkeit und Sicherheit bei der Bestimmung der Normadressaten wird, im Gegensatz zum Vortrag der Antragsteller, durch die Anknüpfung der Tarifbindung an die Mitgliedschaft keineswegs erreicht, kann damit durch die Zulassung einer OT-Mitgliedschaft nicht verloren gehen.
Der beschworene ständige Wechsel zwischen Voll- und OT-Mitgliedschaft, der nach Belieben und für Außenstehende unmerklich stattfinden könne, spricht ebenfalls nicht gegen die Zulassung dieser Mitgliedsform. Selbst wenn ein solcher Wechsel häufiger stattfände – was der Beteiligte zu 4 bestreitet –, würde das nicht dazu führen, dass verbandsangehörige Arbeitgeber „ständig aus der Tarifbindung hinaus- und wieder hereintreten“ könnten (so Kempen/Sachert TVG, 3. Aufl. 97, Rz. 90 zu § 2). Dies ist schon durch die Nachbindung gem. § 3 Abs. 3 und die Nachwirkung gem. § 4 Abs. 5 TVG sowie die ständige Rechtsprechung des BAG dazu ausgeschlossen (vgl. BAG Urteile vom 17.05.2000 und vom 07.11.2001, AP 8 und 11 zu § 3 TVG Verbandsaustritt; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch aaO. § 206 Rz. 14). Im Übrigen gehen auch Verbandsein- und Verbandsaustritte für Außenstehende unmerklich vonstatten.
Schließlich überzeugt auch der Einwand der Antragsteller nicht, die Arbeitgeberverbände würden bei Tarifverhandlungen immer wieder auf die Möglichkeit des Wechsels weiterer Mitglieder zur Mitgliedschaft ohne Tarifbindung hinweisen und hätten damit ein zusätzliches Druckmittel. Ein solches besteht in gleicher Weise durch die Möglichkeit des Hinweises auf die Befürchtung von Verbandsaustritten. Die Akzeptanz von Tarifverträgen wird kaum deshalb höher sein, weil sich Verbandsmitglieder der Tarifbindung nur durch einen Verbandsaustritt und nicht auch durch einen leichteren Wechsel zur OT-Mitgliedschaft entziehen könnten. Selbst wenn dies aber in Einzelfällen zuträfe, könnte dies allein kein Grund sein, die Gestaltungsmöglichkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung für unzulässig zu erklären.
e) Die Satzungsregelungen des Beteiligten zu 4 gewährleisten, dass seine nicht tarifgebundenen Mitglieder auf tarifpolitische Beschlüsse und Wahlen und auf die Verwaltung des Streikfonds keinen – jedenfalls keinen direkten – Einfluss haben. Der Verzicht auf die Tarifbindung kann damit auch nicht als rechtsmissbräuchlich eingestuft werden (vgl. Otto a.a.O.).
3. Nach alledem ist die Beteiligte zu 4 seit 22.02.2000 für den Beteiligten zu 5 nicht mehr tarifzuständig. Im Interesse einer Klarstellung war dies unter teilweise Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts festzustellen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.
Rechtsmittelbelehrung.
Gegen diesen Beschluss können die Antragsteller Rechtsbeschwerde einlegen.
Für die Antragsgegner ist gegen den Beschluss kein Rechtsmittel gegeben.
Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb einer Frist von 1 Monat eingelegt und innerhalb einer Frist von 2 Monaten begründet werden. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses, spätestens aber mit Ablauf von 5 Monaten nach Verkündung des Beschlusses..
Die Rechtsbeschwerde muss beim
Bundesarbeitsgericht Erfurt ...
eingelegt und begründet werden.
Die Rechtsbeschwerde und die Rechtsbeschwerdebegründung müssen von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
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