Keine Gegendarstellung wegen falschen Eindrucks

Gericht

LG Offenburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

06. 07. 2006


Aktenzeichen

3 O 225/06


Tenor

  1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 08.06.2006 wird abgelehnt.

  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand

Die Antragstellerin verlangt den Abdruck einer Gegendarstellung in der von der Antragsgegnerin vorgelegten Zeitschrift "...".

In der genannten Zeitschrift erschien am 20.05.2006 ein Artikel über die Antragstellerin, wo es unter anderem folgendermaßen heißt:

"...

Mama hat meine erste Liebe zerstört

Liebeskummer tut so weh. Vor allem wenn die eigene Mutter ihn verursacht hat...

Nur zu gut kann sich die ... an ihre erste Liebe erinnern. Zu dieser Zeit fühlte sie sich wohl wie ihre Serienfigur ... - nämlich total unscheinbar. Er war älter und früher mit der Schule fertigt. Der hat mich überhaupt nicht gesehen. Auf seinem Abschlussball haben wir endlich miteinander gesprochen - das war eine ganz große Sache! Dann hat er doch tatsächlich bei mir zu Hause angerufen. Und ich war nicht da! Wochen später sagte meine Mutter zu mir: Ach, da hat übrigens mal irgend so ein Torsten angerufen... Ich hatte seine Nummer aber nicht!, erinnert sich ... in "...". Sie war todunglücklich, zumal ausgerechnet ihre geliebte Mama unwissentlich ihre erste Liebe zerstört hatte. Mittlerweile hat sie ihrer Mutter verziehen..."

Die Antragstellerin trägt vor, dieser Artikel stelle eine unwahre Tatsachenbehauptung dar. Die Antragstellerin habe diese Aussage weder getätigt noch habe sie einen derartigen Vorwurf gegenüber ihrer Mutter erhoben. Die in dem Artikel enthaltene Aussage, dass sie mittlerweile ihrer Mutter verziehen habe, erwecke den Eindruck, die Antragstellerin habe ihrer Mutter tatsächlich diesen Vorwurf gemacht. Dieses ist und sei zu keinem Zeitpunkt der Fall gewesen.

Die Antragstellerin beantragt:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift "..." in der der Artikel "... Mama hat meine erste Liebe zerstört" erschienen ist, mit gleicher Schrift und unter Hervorhebung des Wortes "Gegendarstellung" als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße wie "Mama hat meine erste Liebe zerstört" in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossene Nummer ohne Einschaltungen und Weglassungen die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen, die im Inhaltsverzeichnis anzukündigen ist:

In ... schreiben Sie in der Überschrift auf Seite 11 über mich:

"... Mama hat meine erste Liebe zerstört"

Hierzu stelle ich fest:

Zu keinem Zeitpunkt habe ich einen derartigen Vorwurf gegenüber meiner Mutter erhoben. Diese Aussage stammt auch nicht von mir.

... , 29. Mai 2006

...

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin nimmt Bezug auf ihre Schutzschrift vom 01.06.2006 und trägt vor, die Antragstellerin dementiere in ihrer Gegendarstellung etwas, was in der Erstmitteilung nicht so verbreitet worden sei. In dem von der Antragsgegnerin veröffentlichen Bericht stehe nämlich nicht, dass die Antragstellerin einen Vorwurf gegenüber ihrer Mutter erhoben habe.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung muss abgelehnt werden, da in dem Artikel in der "..." vom ... nicht die Behauptung aufgestellt wird, die Antragstellerin habe gegenüber ihrer Mutter den Vorwurf erhoben, diese habe ihre erste Liebe zerstört.

In dem Artikel heißt es zwar, die Mutter der Antragstellerin habe "unwissentlich ihre erste Liebe zerstört". Daraus ergibt sich jedoch nicht die Behauptung, die Antragstellerin habe diesbezüglich gegenüber ihrer Mutter einen "Vorwurf erhoben".

Es ist unstreitig und offensichtlich, dass in diesem Artikel nicht die Behauptung aufgestellt wird, die Antragstellerin habe einen diesbezüglichen Vorwurf gegenüber ihrer Mutter ausgesprochen.

Das Gericht kann sich nicht der Auffassung der Antragstellerin anschließen, einen Vorwurf gegenüber einer anderen Person könne man auch unausgesprochen erheben, allein in der eigenen Gedankenwelt, gewissermaßen als innere Anklage. Eine solche Interpretation über das Erheben eines Vorwurfs widerspricht dem allgemeinen Sprachverständnis und ist daher nicht vertretbar. Wenn man einen Vorwurf gegenüber einer anderen Person erhebt, bedeutet dies, dass man den Vorwurf gegenüber der anderen Person mündlich oder schriftlich oder in sonstiger Weise zum Ausdruck bringt. Der von der Antragstellerin bemühte Vergleich mit der "inneren Anklage" überzeugt nicht. Auch eine Anklage bedarf, genau so wie eine zivilrechtliche Klage, der Verlautbarung.

Solange ein Staatsanwalt die Anklage noch nicht an den Beschuldigten oder an das Gericht zugestellt hat bzw. solange ein Kläger die Klage noch nicht bei Gericht eingereicht hat, liegen noch keine Anklagen bzw. Klagen vor und bis dahin kann man nicht davon sprechen, dass die Staatsanwaltschaft gegenüber einem Beschuldigten Anklage erhoben habe bzw. dass ein Kläger gegenüber einer anderen Person Klage erhoben habe. Die Begriffe "innere Anklage" bzw. "innere Klage" gibt es weder im juristischen noch im allgemeinen Sprachgebrauch.

Es mag zwar durchaus richtig sein, wie die Antragstellerin vorträgt, dass beim Leser der Eindruck erweckt werde, die Antragstellerin habe ihrer Mutter das im Interview beschriebene Verhalten noch lange Zeit nachgetragen und sie habe ihre Mutter für ihren Liebeskummer verantwortlich gemacht. Die Antragstellerin begehrt jedoch nicht den Abdruck einer Gegendarstellung mit dem Wortlaut, sie habe ihrer Mutter das damalige Verhalten nie nachgetragen bzw. sie habe ihre Mutter nie für ihren Liebeskummer verantwortlich gemacht. Vielmehr begehrt sie eine Gegendarstellung mit dem Wortlaut, sie habe zu keinem Zeitpunkt einen derartigen Vorwurf gegenüber ihrer Mutter erhoben. Ein solches Erheben eines Vorwurfs gegenüber ihre Mutter im Sinne einer vorwurfsvollein Äußerung gegenüber der Mutter wird in dem Artikel jedoch nicht behauptet.

Dem steht auch nicht entgegen, dass dort zu lesen ist, die Antragstellerin habe ihrer Mutter mittlerweile verziehen. Zwar mag es richtig sein, dass man nur etwas verzeihen könne, was man jemanden vorher zum Vorwurf gemacht habe. Die Antragstellerin begehrt aber keine Gegendarstellung mit dem Inhalt, sie habe ihrer Mutter das damalige Verhalten nicht zum Vorwurf gemacht. Vielmehr begehrt sie Gegendarstellung mit dem Wortlaut, sie habe keinen derartigen Vorwurf gegenüber ihrer Mutter erhoben. Während man die Ausdrucksweise, man mache jemandem etwas zum Vorwurf, u.U.. lediglich als inneren, nicht verlautbarten Vorwurf interpretieren kann, ist dies bei der Wortwahl, man habe einen Vorwurf erhoben, nicht mehr vertretbar.

Die Antragstellerin, anwaltschaftlich vertreten, hätte diese unterschiedlichen Bedeutungen der genannten Formulierungen berücksichtigen können und hätten beispielsweise eine Gegendarstellung in folgender Weise beantragen können: "Zu keinem Zeitpunkt habe ich das in dem Artikel geschilderte Verhalten meiner Mutter nachgetragen bzw. als vorwerfbar angesehen".

Durch die gewählte Formulierung in der Gegendarstellung wird jedoch der unzutreffende Eindruck erweckt, in dem Artikel sei die Behauptung aufgestellt worden, die Antragstellerin habe das Verhalten ihrer Mutter nicht nur innerlich missbilligt, sondern sie habe dies gegenüber ihrer Mutter auch vorwurfsvoll zum Ausdruck gebracht. Eine solche "Gegendarstellung" gegen eine gar nicht aufgestellte Behauptung ist nicht zulässig (vgl. Löffler, Handbuch des Presserechts, 1986, Rn. 13 zu Kap. 25).

Da das Gegendarstellungsverlangen als Einheit anzusehen ist, war das Gericht nicht berechtigt, den Wortlaut des Gegendarstellungsverlangens anders zu formulieren bzw. die Gegendarstellung auf den Satz zu beschränken, dass die in dem Artikel zitierte Aussage nicht von der Antragstellerin stamme (vgl. Löffler a.a.O., Rn. 12 zu Kap. 26).

Die Entscheidung über Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 91, 708 Ziffer 6 ZPO.

Rechtsgebiete

Presserecht