Platzierungswunsch im Zeitschriftenvertrieb

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

19. 04. 2006


Aktenzeichen

315 O 183/06


Tenor

  1. Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 2. März 2006 wird mit der Maßgabe, dass es im Tenor unter Ziff. I anstelle von "Händlerposten" "Händlerposter" heißt, bestätigt.

  2. Die Antragsgegnerin trägt auch die weiteren Kosten des Verfahrens.

Tatbestand


Tatbestand:

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine Werbemaßnahme der Antragsgegnerin gegenüber Einzelhändlern von Presseerzeugnissen.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Verlagswesens, hier insbesondere betreffend den Markt für Zeitschriften mit ...

Die Zeitschrift ... hatte im letzten Quartal des Jahres 2005 eine verkaufte Auflage von mehr als 713.000 Exemplaren, die Zeitschrift ... eine solche von 84.578 Exemplaren.

Die Antragsgegnerin warb gegenüber Einzelhändlern für eine bestimmte Platzierung der von ihr herausgegebenen Zeitschrift ...

"GLEICH HIER
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... neben ...
platzieren. Vielen Dank!"

...

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 2. März 2006 ist auch unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens der Antragsgegnerin mit der Maßgabe zu bestätigen, dass es im Tenor unter Ziff. I anstelle von "Händlerposten" "Händlerposter" heißt (§§ 925 Abs. 1 und 2, 936 ZPO).

Der Antragstellerin steht der vor ihr geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 6 Abs. 2 Nr. 1 und 4 sowie 4 Nr. 10 UWG zu.


I.

Bei der Werbemaßnahme der Antragsgegnerin handelt es sich um eine vergleichende Werbung.

Vergleichende Werbung ist nach § 6 Abs. 1 UWG jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Das angegriffene Werbeposter beinhaltet eine Darstellung der Titelseiten der von den Parteien herausgegebenen Zeitschriften ... und ..., die dort nebeneinander liegend abgebildet sind. Der angegriffenen Werbung kann auch ein Vergleichscharakter nicht abgesprochen werden, weil zwei konkrete Kaufalternativen einander gegenüber gestellt werden und nicht etwa eine Hauptware einerseits und Ersatzteile. bzw. Zubehör andererseits (vgl. BGH GRUR 2005, S. 163 ff. (S. 165)).


II.

Vergleichende Werbung ist grundsätzlich zulässig, unterliegt jedoch den in § 6 Abs. 2 UWG genannten Grenzen.

Vergleichende Werbung ist nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG unlauter, wenn der Vergleich die Wertschätzung des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzt.

So liegt es hier.

In einem vergleichbaren Fall - allerdings unter Anwendung des seinerzeit geltenden UWG - hatte die Kammer mit Urteil vom 13. Juli 1977 zum Az. 15 O 323/77, welches insoweit von dem Hanseatischen Oberlandesgericht mit Urteil vom 2. März 1978 zum Az. 3 U 134/77 bestätigt worden ist, eine gegenüber Einzelhändlern ausgesprochene Platzierungsempfehlung, in welcher ein Konkurrenzprodukt benannt worden war, unter dem Gesichtspunkt der unlauteren offenen Anlehnung in der Form der Ausnutzung des guten Rufes des dargestellten Konkurrenzproduktes verboten.

Eine Platzierungsempfehlung, wie sie hier im Streit steht, unterfällt nach neuem Recht - im Zusammenspiel mit den weiteren, vorliegend die Unlauterkeit der angegriffenen Werbung begründenden Umständen - nach Auffassung der Kammer heute der Regelung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG.

Der Begriff der Wertschätzung in § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ist unter Beachtung der § 6 UWG zugrunde liegenden Richtlinie 97/55/EG (vgl. WRP 1998, S. 798 ff.), dort Art. 3a Abs. 1 lit. g, europarechtskonform als "Ruf" auszulegen, da die deutsche Richtlinienfassung insoweit auch mit der englischen (dort heißt es "reputation" im Gegensatz zu "repute") und französischen (dort heißt es "notoriété'" im Gegensatz zu "renommée") Fassung der Richtlinie 97/55/EG übereinstimmt.

Der Begriff des Rufes wird in § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG nicht qualifiziert. Erforderlich dürfte indes eine gewisse Bekanntheit des Unterscheidungszeichens am Markt, die diesem eine Assoziationskraft vermittelt, sein (vgl. Eck/Ikas in WRP 1999, S. 251 ff. (S. 271); Sack in WRP 2001, S. 327 ff. (S. 345)). Eine derartige Assoziationskraft kann den Zeichen ... der Antragstellerin angesichts der verkauften Auflage der unter Verwendung dieser Zeichen von der Antragstellerin herausgegebenen Zeitschrift ebenso wenig abgesprochen werden wie eine gewisse Werbewirkung und Ausstrahlung (vgl. Plaß in NJW 2000, S. 3161 ff. (S. 3166)).

Diesen Ruf hat die Antragsgegnerin im Rahmen der streitgegenständlichen Werbung in unlauterer Weise ausgenutzt.

Die angegriffene Werbung hat nicht einer Erhöhung der Markttransparenz gedient bzw. dienen sollen.

Eine sachlich gebotene Bezugnahme, die dazu dient, Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten der Konkurrenzprodukte deutlich zu machen, ist auch dann hinzunehmen, wenn sie zwangsläufig mit einer Anlehnung an den Ruf und Verkaufserfolg der fremden Ware verbunden ist.

Vorliegend ist es der Antragsgegnerin aber gar nicht darum gegangen, den Inhalt und die Vorteile des eigenen Angebots gegenüber dem konkurrierenden Angebot der Antragstellerin deutlich zu machen bzw. Informationen zu vermitteln.

Die Erwägungsgründe 14 und 15 der Richtlinie 97/55/EG lauten wie folgt:

"(14) Indessen kann es für eine wirksame vergleichende Werbung unerläßlich sein, Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers dadurch erkennbar zu machen, dass auf eine ihm gehörende Marke oder auf seinen Handeisnamen Bezug genommen wird.

(15) Eine solche Benutzung von Marken, Handelsnamen oder anderen Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers stellt keine Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts Dritter dar, wenn sie unter Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Bedingungen erfolgt und nur eine Unterscheidung bezweckt, durch die Unterschiede objektiv herausgestellt werden sollen. [Unterstreichung durch die Kammer]".

Der Zweck des von der Antragsgegnerin vorgenommenen Vergleichs ist hingegen auf die Ausnutzung des Rufes der Kennzeichen der Antragstellerin und der unter Verwendung dieser herausgegebenen Zeitschrift reduziert gewesen. Schon das begründet die Unlauterkeit der Werbemaßnahme der Antragsgegnerin. Ein Interesse der Antragsgegnerin an der Verwendung der Zeichen der Antragstellerin, welches gegenüber dem Interesse der Antragstellerin an der Untersagung einer solchen Verwendung überwiegen würde, ist bei dieser Konstellation nicht ersichtlich. Dem Einzelhändler und - sofern eine Platzierung, wie sie von der Antragsgegnerin gewünscht wird, erfolgt - dem Kioskbesucher wird suggeriert, ... und ... seien in ihren wesentlichen Merkmalen wie Qualität und Bekanntheit gleichwertige oder zumindest einander nahe stehende Zeitschriften, ohne dass die Werbung sich in der Sache mit Unterschieden oder Gemeinsamkeiten der dargestellten Produkte befassen würde. Der insoweit vermittelte Eindruck ist in Bezug auf die Auflagenstärke der beiden Zeitschriften auch unrichtig, ist die ... doch ungleich auflagenstärker als die ..., so dass es für den Zeitschrifteneinzelhandel nahe liegt, gerade die ... an auffälliger Stelle zu platzieren, um durch einen möglichst hohen Umsatz an dem Erfolg dieser Zeitschrift teilzuhaben.

Es treten vorliegend weitere, die Unlauterkeit der angegriffenen Werbemaßnahme begründende Umstände hinzu:

Zum einen sind die in der angegriffenen Werbung dargestellten Titel nicht funktionsidentisch und kommen aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher nicht als Substitutionsprodukte in Betracht (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG und BGH GRUR 1999, S. 501 ff. (S. 502)). Zwar handelt es sich bei beiden dargestellten Titeln um Zeitschriften, welche sich insbesondere mit Fragen rund um den Computer sowie Unterhaltungselektronik befassen. Die abgebildete ... indes ist nur aus dem Grund über einen EURO teurer als die abgebildete ..., weil ersterer – im Gegensatz zu letzterer - eine CD-ROM beiliegt. Die ...-Variante ohne CD-ROM oder DVD, die allenfalls als adäquates Vergleichsprodukt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG hätte herangezogen werden können, ist nur zehn Cent teurer als die Zeitschrift ... .

Weiter tritt hinzu - und insoweit folgt die Unlauterkeit der angegriffenen Werbung auch aus den §§ 3, 4 Nr. 10 UWG -, dass im Rahmen der angegriffenen Werbung der Antragsgegnerin der von dieser an die Einzelhändler herangetragene Platzierungswunsch eine Anordnung zum Gegenstand hat, bei der die ... zum Teil von der Zeitschrift ... verdeckt wird. Gerade der teilweise abgedeckte Teil aber gibt den Inhalt der ... wieder, wie dies auch bei dem rechten Rand der ... der Fall ist. Der angesprochene Händler soll die ... so anordnen, dass ein Kioskbesucher auf den ersten Blick nur den Inhalt der ..., nicht aber denjenigen der ... zur Kenntnis nehmen kann. Dies stellt eine gezielte Behinderung der Antragstellerin dar.


III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht