Gewinnherausgabe im Urheberrecht
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Berufungsurteil
Datum
14. 10. 2003
Aktenzeichen
20 U 40/03
Die Grundsätze, die der BGH in seiner Entscheidung „Gemeinkostenanteil“ (GRUR 2001, 329 = NJW 2001, 2173) zur Berechnung des Gewinnherausgabeanspruchs bei der Verletzung von Geschmacksmusterrechten entwickelt hat, sind auch im Urheberrecht bei der Ermittlung des Verletzergewinns gem. § 97 I 2 UrhG anzuwenden.
Gegen den Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns kann nicht eingewandt werden, er übersteige die ansonsten geltende Lizenzvergütung beträchtlich. Die Konsequenzen, die sich aus der Änderung der BGH-Rechtsprechung zur Berechnung des Verletzergewinns und der Nichtberücksichtigung von Gemeinkostenanteilen ergeben, können nicht auf diese Art und Weise wieder korrigiert werden.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. ist Urheberin von Motiven für Karten, über deren Urheberrechtsfähigkeit die Parteien nicht streiten. Sie schloss am 16. 11. 1993 mit dem Bekl. einen Vertrag über deren Vermarktung. In dem Vertrag heißt es u.a.: „Die Rechtseinräumung erfolgt zunächst für 2 Jahre, d.h. bis 31. 12. 1995“.
Der Bekl. hat die Motive über den genannten Zeitpunkt hinaus genutzt. Die Kl. hat für den Zeitraum ab 1996 einschließlich einen Verletzergewinn von 190104,43 Euro errechnet. Die Parteien streiten darüber, ob die Verwendung der Motive durch den Vertrag gedeckt war, insbesondere darüber, ob der Vertrag Ende 1995 automatisch endete oder ob er mangels Kündigung fortgesetzt wurde. Des Weiteren streiten sich die Parteien über die Bemessung eines etwaigen Schadens- bzw. Gewinnherausgabeanspruchs.
Das LG hat den Bekl. durch das angefochtene Urteil, zur Zahlung von 125886,99 Euro nebst Zinsen verurteilt und die weiter gehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Vertrag habe, ohne dass es einer Kündigung bedurft habe, Ende 1995 geendet. Zwar könne die Kl. daher grundsätzlich die Herausgabe des Verletzergewinns, welcher nach der Rechtsprechung des BGH nicht um die Gemeinkosten zu bereinigen sei, in Höhe von 190104,42 Euro verlangen. Dieser Betrag sei jedoch unbillig, weil er den für die frühere Zeit vereinbarten Lizenzbetrag um das 4,5fache überschreite.
Mit seiner Berufung hat der Bekl. beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils, die Zahlungsklage abzuweisen. Die Kl. hat beantragt, im Wege der Anschlussberufung, den Bekl. unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils zur Zahlung von insgesamt 190104,42 Euro zu verurteilen.
Die Berufung des Bekl. hatte keinen Erfolg. Die Anschlussberufung der Kl. war hingegen erfolgreich.
Auszüge aus den Gründen:
Auf die Anschlussberufung der Kl. ist der Bekl. zur Zahlung von insgesamt 190104,42 Euro nebst Zinsen zu verurteilen. Der Anspruch beruht auf § 97 I 2 UrhG. Der Bekl. hat das Urheberrecht an den Motiven der Kl., deren Urheberrechtsfähigkeit er nicht in Abrede stellt, ab dem 1. 1. 1996 schuldhaft verletzt. Er schuldet dementsprechend Herausgabe des Gewinns.
1. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass der Vertrag vom 16. 11. 1993 Ende 1995 geendet hat. Unter Nr. 1 IV heißt es: „Die Rechtseinräumung erfolgt zunächst für 2 Jahre, d.h. bis 31. 12. 1995“. Diese Klausel ist nicht, wie der Bekl. meint, so auszulegen, dass sich der Vertrag mangels rechtzeitiger Kündigung zu diesem Zeitpunkt verlängert. Dies kann nicht aus der Wahl des Wortes „zunächst“ abgeleitet werden. Zwar ist eine entsprechende Auslegung in diesem Sinne - abstrakt - möglich. Wie das LG zutreffend ausführt, weist das Wort jedoch in diesem Zusammenhang lediglich auf die von den Parteien ins Auge gefasste längerfristige Zusammenarbeit hin.
Dass eine Befristung - und nicht ein unbefristeter Vertrag mit Kündigungsmöglichkeit zum 31. 12. 1995 - gemeint war, ergibt sich zweifelsfrei jedenfalls aus der Entstehungsgeschichte des Vertrags. (Wird ausgeführt)
3. Der Schadensersatzanspruch der Kl. ist auch nicht verwirkt, § 242 BGB. Zwar ist eine Differenzierung insoweit zwischen dem Unterlassungsanspruch und einem Schadensersatzanspruch möglich, so dass das rechtskräftige Teilanerkenntnisurteil vom 28. 6. 2000 über eine Untersagung der Weiterbenutzung der Annahme einer Verwirkung nur des Schadensersatzanspruchs oder eines Teils desselben nicht entgegenstünde (vgl. Lütje, in: Möhring/Nicolini, UrhG, § 102 Rdnr. 14; für das Markenrecht Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 21 Rdnr. 47).
Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen jedoch nicht vor. Die Verwirkung eines Anspruchs setzt voraus, dass der Berechtigte den Anspruch für eine längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich auf Grund des Verhaltens darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass der Berechtigte sein Recht nicht geltend machen werde (vgl. allg. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 242 Rdnr. 87 m.w.Nachw.). Es kann bereits nicht davon ausgegangen werden, dass der Kl. der Weitervertrieb der Karten mit den von ihr gestalteten Motiven durch den Bekl. über das Jahr 1995 hinaus vor Juni 1999, dem Monat, in dem die Kl. gegen den Bekl. wegen der Nutzung vorgegangen ist, bekannt geworden ist. Der Bekl. verweist allein darauf, die betreffenden Karten seien während der gesamten Zeit in den Kartenabteilungen des Karstadt-Konzerns sowie einer Vielzahl anderer einschlägiger Geschäfte erhältlich gewesen. Es mag sein, dass der Kl. der Vertrieb der Motive aufgefallen ist oder ihr zumindest hätte auffallen müssen, was sie jedoch bestreitet. Der Vertrieb der Motive wäre jedoch rechtmäßig gewesen, wenn die Karten vor 1996 an den Handel ausgeliefert worden wären. Der Verkauf ließ nicht von vornherein auf ein rechtswidriges Verhalten des Bekl. schließen. Das Auslaufen des Vertrags zwischen den Parteien führte nicht dazu, dass auch der Weitervertrieb der bereits ausgelieferten Karten unzulässig wurde. Die vertragliche Vergütungspflicht des Bekl. knüpfte an seinen - den Beklagten-Umsatz. Die Rechte der Kl. hatten sich insoweit erschöpft. Karten mit Motiven, für die die Kl. bereits vertraglich zu vergüten war, konnten daher weiter vertrieben werden. Da die Motive unstreitig hochwertiger Natur waren und der Bekl. im Schreiben vom 4. 5. 1995 sich auf nunmehr eingetretene Umsatzschwierigkeiten berufen hatte, konnte die Kl. jedenfalls zunächst davon ausgehen, dass ein von ihr etwa wahrgenommener Verkauf von Motivkarten noch aus dem Warenvorrat stammte, den der Bekl. rechtmäßig vor 1996 an den Handel vertrieben hatte. Dies verringert den Zeitraum, in dem die Kl. gegen ein rechtswidriges Verhalten des Bekl. hätte einschreiten können, dies aber nicht getan hat, erheblich.
Des Weiteren hat der Bekl. nicht im Vertrauen auf eine von der Kl. geduldete Fortführung des Vertriebs gehandelt. Er konnte allenfalls von einer derartigen Duldung ausgehen, wenn er entweder weiterhin abrechnete und die Kl. dagegen keine Einwände erhob oder die Kl. selbst auf vertragsgemäße Abrechnung bestand. Ab 1996 ist jedoch keine Abrechnung, auch nicht gegenüber den bekannten Rechtsanwälten der Kl., durchgeführt worden. Der Bekl. musste mithin davon ausgehen, dass die Kl. von einer Beendigung des Vertrags ausging und den Weitervertrieb nicht bemerkte.
4. Die Verletzung des Urheberrechts der Kl. ist auch verschuldet. Der Bekl. hat nichts unternommen, um die aus seiner Sicht zumindest unklare Vertragsbestimmung durch die Kl.bzw. ihre Rechtsanwälte klarstellen zu lassen, und sei es auch nur mittelbar durch Abrechnung der Weiterverkäufe.
5. Der Kl. steht ein Anspruch in geltend gemachter Höhe zu.
a) Im Ansatzpunkt zu Recht hat das LG den Gewinnherausgabeanspruch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH (BGHZ 145, 366 = GRUR 2001, 329 = NJW 2001, 2173 - Gemeinkostenanteil) errechnet. Die von dem Bekl. grundsätzlich gegen eine Heranziehung dieser Entscheidung erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
Die in der zitierten Entscheidung für die Verletzung eines Geschmacksmusters vom BGH herangezogenen Argumente treffen grundsätzlich auch für die Verletzung eines Urheberrechts zu. Dies stellt auch der Bekl. nicht in Abrede.
Es kann offen bleiben, ob trotz der ausdrücklichen Zubilligung des Gewinnherausgabeanspruchs in § 97 I 2 UrhG - die Vorschrift enthält keine Einschränkungen - der Verletzer einwenden kann, dem Verletzten sei durch das Verhalten kein Schaden entstanden (so wohl Lütje, § 97 Rdnr. 170; a.A. Wild, in: Schricker, UrheberR, 2. Aufl., § 97 Rdnr. 67). Entgegen der Auffassung des Bekl. liegen die Besonderheiten, die den BGH in der Entscheidung GRUR 1995, 349 - Objektive Schadensberechnung - zu der Ablehnung eines Gewinnherausgabeanspruchs im Rahmen eines wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruchs bewogen haben, hier nicht vor. In der vom Bekl. herangezogenen Entscheidung führte das Verhalten des Verletzers zu einer Steigerung der Bekanntheit der Waren des Verletzten und damit zu einer Erhöhung seiner Absatzchancen; die rechtswidrige Handlung bestand allein darin, dass der Verletzer Fotos aus dem Katalog des Herstellers ohne dessen Zustimmung übernommen hatte, betraf also nicht den Vertrieb der Ware selbst, über den der Hersteller vielmehr - durch das Verhalten des Verletzers gar gesteigerten - Gewinn erzielen konnte.
Der Bekl. hat hier jedoch die Ware selbst unerlaubt weiter vertrieben. Er störte damit eigene Vertriebsbemühungen der Kl. Der Bekl. kann nicht darauf verweisen, der Kl. sei dadurch kein Schaden entstanden, weil ihr weiterhin Lizenzgebühren zustünden. Das ist bereits wegen des Auslaufens des Vertrags nicht der Fall; zudem hinderte das Verhalten die Kl. daran, die Motive selbst bzw. zu günstigeren Bedingungen über Dritte zu vertreiben.
Gegen den Gewinnherausgabeanspruch kann nicht eingewandt werden, er übersteige die ansonsten geltende Lizenzvergütung beträchtlich. Der Verletzte kann unstreitig wählen, ob er eine - fiktive - Lizenz, die Herausgabe des Gewinns oder seinen eigenen konkreten Schaden geltend macht. Der Gewinnherausgabeanspruch ist nicht durch die Höhe einer - gegebenenfalls fiktiven - Lizenz begrenzt. Die Konsequenzen, die sich aus der Änderung der Rechtsprechung zur Berechnung des Gewinns und der Nichtberücksichtigung von Gemeinkostenanteilen ergeben, können nicht auf diese Art und Weise wieder korrigiert werden. Auch im Übrigen beschränkt eine vereinbarte Lizenz den nachvertraglichen Schadensersatz nicht (vgl. für den Mietvertrag nach dessen Ablauf § 546a BGB). Gegen derartige Erwägungen spricht zudem, dass sogar Schadensersatzansprüche/Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung, die sich nach einer fiktiven Lizenz bemessen, nicht durch die Höhe einer - allein aus formalen Gründen unwirksamen - vereinbarten Lizenz begrenzt werden (BGH, NJW-RR 2001, 1332).
b) Die Höhe des Gewinns ist unstreitig. Die von dem Bekl. in der Berufungsbegründung als übergangen gerügte Zahlung in Höhe von 17903,94 DM ist nicht auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen. Sie betraf, wie sich bereits aus ihrem Zeitpunkt (August 1995) ergibt, - gepfändete - Ansprüche der Kl. auf Zahlung der vertraglichen Lizenzvergütung und ist damit allein auf diesen Anspruch anzurechnen, wie dies auch die Kl. getan hat.
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