Widerruf einer Einwilligung in die Veröffentlichung von Aufnahmen

Gericht

LG Hamburg


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

21. 01. 2005


Aktenzeichen

324 O 448/04


Tenor

  1. Die Bekl. wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250000 Euro; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre),

    zu unterlassen,

    die in der Reihe ... im Rahmen des Beitrags ... ausgestrahlten Filmaufnahmen, die die Kl. und / oder ihre Wohnräume zeigen, erneut auszustrahlen oder ausstrahlen zu lassen.

  2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kl. aber nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12000 Euro. Die Kl. kann die Vollstreckung der Bekl. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Bekl. vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet;

    und beschließt:

    Der Streitwert wird auf 20000 Euro festgesetzt.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Kl. nimmt die Bekl. wegen der Veröffentlichung von Filmaufnahmen auf Unterlassung und Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch.

Die Kl. ist alleinerziehende Mutter und bezieht erhöhtes Erziehungsgeld. Die Bekl. strahlt (u.a.) über den Sender „...“ die Reihe ... aus. Die freie Journalistin ... erstellte im Zeitraum November und Dezember 2003 eine mehrteilige Reportage für diese Reihe, bei der sie mit einem Kamerateam die Prüferinnen ... und ... vom Berliner Bezirksamt Steglitz / Zehlendorf u.a. bei deren Hausbesuchen begleitete. Hierbei wurde auch ein Besuch der Prüferinnen in der Wohnung der Kl. aufgenommen. Streitig sind der genaue Ablauf und Inhalt des Gespräches, das diesen Aufnahmen voranging, unstreitig ist jedoch, dass die Kl. letztlich dem Kamerateam und der Journalistin ... den Zutritt zu ihrer Wohnung gestattete und sich auch damit einverstanden erklärte, dass der Besuch der Prüferinnen gefilmt wurde.

Am 12.1.2004 erklärte die Kl. schriftlich den Widerruf ihrer Einwilligung und untersagte der Bekl., die mit ihrer Mitwirkung entstandenen Aufnahmen zu veröffentlichen (Anl. K 1), was die Bekl. mit Schreiben vom 15.1.2004 zurückwies (Anl. K 2). In der Folgezeit kam es zu weiterem Schriftwechsel zwischen der Kl. und der Bekl. (vgl. Anl. B 2, B 3, K 3 und K 4). Streitig ist zudem, ob die Journalistin ... in einem Telefonat zusicherte, dass der Beitrag mit den Aufnahmen der Kl. frühestens Ende März 2004 ausgestrahlt werden werde.

Tatsächlich wurde dann Mitte März 2004 in Rahmen der Reihe „...“ die zweite Folge der mehrteiligen Serie „...“ mit den Bildern aus der Wohnung der Kl. ausgestrahlt. Im streitgegenständlichen Beitrag ist der Besuch der Prüferinnen in der Wohnung der Kl. zu sehen, wobei die Kl. befragt und mehrere Räume ihrer Wohnung untersucht werden. Der Name der Kl. wird hierbei nicht genannt, die Kl. wird aber mehrfach im Bild gezeigt und ist deutlich zu erkennen. Die Aufnahmen der Kl. enden mit einer Sequenz, in der sich die Kl. direkt an die Kamera wendet und ihren Unmut über das Vorgehen der Prüferinnen zum Ausdruck bringt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Videomitschnitt des streitgegenständlichen Beitrags Bezug genommen (Anl. B 1), den das Gericht informationshalber angesehen hat.

Die Kl. ist der Ansicht, dass die von ihr zunächst erteilte Zustimmung unter Überrumpelung und unter erheblicher Fehldarstellung der tatsächlichen Umstände zustande gekommen sei. Sie behauptet hierzu, dass die beiden Prüferinnen des Jugendamtes, als sie - was unstreitig ist - unangemeldet bei ihr geklingelt hätten, darauf hingewiesen hätten, dass sie von einem Fernsehteam begleitet würden. Ihr sei aber nicht erläutert worden, welcher Art der zu drehende Beitrag sein werde, insbesondere sei sie nicht darauf hingewiesen worden, dass es sich um einen Beitrag über das Thema „Sozialmissbrauch“ handeln werde. Sie - die Kl. - habe daher davon ausgehen müssen, dass lediglich über den Tätigkeitsbereich des Jugendamtes berichtet werden würde. Sie beziehe auch keine Sozialhilfe, passe also gar nicht in einen solchen Beitrag. Ausdrücklich habe sie untersagt, in ihrem Schlafzimmer zu drehen. Durch die Ausstrahlung der Sendung, in der sie in Zusammenhang zu „Sozialbetrügern“ gestellt werde, werde der Eindruck erweckt, dass sie Sozialmissbrauch betreibe. Im Nachgang zur Ausstrahlung des Beitrags sei sie angesprochen worden, habe sich nicht mehr vor die Tür getraut, was zu Angstzuständen, Depression und Schlaflosigkeit geführt habe, die „zum Teil weiterhin sporadisch“ aufträten. Bei der Bemessung einer Geldentschädigung sei auch zu berücksichtigen, dass die Bekl. versucht habe, ihr- der Kl. - den Weg in den einstweiligen Rechtsschutz zu versperren, indem der Eindruck erweckt worden sei, der Beitrag werde nicht vor Ende März 2004 ausgestrahlt; mutmaßlich ebenfalls aus diesem Grund habe die Journalistin ... ihr nicht ihren Namen bekannt gegeben. Als Mindestbetrageiner Geldentschädigung gibt die Kl. einen Betrag von 10000 Euro an.

Die Kl. beantragt,

  1. die Bekl. zu verurteilen, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, den in ihren - der Kl. -Wohnräumen aufgenommenen filmischen Beitrag und das bei dieser Gelegenheit aufgenommene Interview über den vermeintlichen Missbrauch sozialer Leistungen auszustrahlen oder Dritten zur Verfügung zu stellen,

  2. die Bekl. zu verurteilen, an sie - die Kl. - zum Ausgleich des ihr durch die Verbreitung der in Ziffer 1) genannten Darstellungen entstandenen immateriellen Schadens einen Betrag zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

Die Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Bekl. trägt vor, dass die Kl. zutreffend über das Thema des geplanten Beitrages informiert worden sei. Sie behauptet, dass die Journalistin zunächst ohne das Kamerateam gefragt habe, ob die Kl. einverstanden sei, dass der Besuch der Prüferinnen gefilmt und die Aufnahmen für einen Beitrag über die Arbeit der sozialen Prüfdienste verwendet würden. Die Kl. habe zugestimmt, wenn ihr Name nicht genannt werde. Erst danach sei das vor dem Haus wartende Kamerateam herbei gerufen worden. Das Team habe erst angefangen zu filmen, als die Prüferinnen angefangen hätten, die Kl. in ihrem Wohnzimmer zu befragen; ihren Vortrag hierzu hat die Bekl. mit nachgelassenem Schriftsatz vom 10.12.2004 wiederholt und vertieft. Der Beitrag stelle die Kl. nicht in ein ungünstiges Licht, insbesondere nicht in einen Zusammenhang mit „Sozialbetrügern“. Der Widerruf der erklärten Einwilligung sei unwirksam. Die Voraussetzungen für einen Geldentschädigungsanspruch lägen selbst dann nicht vor, wenn die Einwilligung der Kl. durch den Widerruf doch entfallen sein sollte.

Mit dem nachgelassenen Schriftsatz hat die Bekl. zudem u.a. vorgetragen, dass es für Personen, die vom Sozialen Prüfdienst in Begleitung ihres - der Bekl. -Team aufgesucht würden, weder unmöglich noch besonders schwer sei, ihre Zustimmung zu den Aufnahmen und ihre Ausstrahlung zu verweigern; im Durchschnitt sagten rund 40% der von ihren Mitarbeitern angesprochenen Personen, dass sie keine Dreharbeiten und keine Veröffentlichung wünschten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Klage ist hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs begründet (1.), hinsichtlich der begehrten Geldentschädigung indes unbegründet (2.).

1. Der Kl. steht gegen die Bekl. gem. §§ 823, 1004 BGB (analog) i.V. mit Art.1 Abs.1, 2 Abs.1 GG bzw. §§ 22, 23 KUG ein Unterlassungsanspruch wegen der angegriffenen Berichterstattung zu. Die Veröffentlichung von Filmaufnahmen, die die Kl. oder ihre Wohnung zeigen, verletzt die Kl. bei bestehender Wiederholungsgefahr in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in ihrem Recht am eigenen Bild.

a. Die Veröffentlichung der die Kl. selbst zeigenden Filmaufnahmen war rechtswidrig, weil sie die Kl. in ihrem Recht am eigenen Bild aus § 22 KUG verletzte. Für die Ausstrahlung bedurfte die Bekl. nach dieser Vorschrift einer Einwilligung der Kl., da die Voraussetzungen einer einwilligungsfreien Veröffentlichung nach § 23 Abs.1 KUG nicht vorliegen. Insbesondere war die Bildnisveröffentlichung nicht durch den Rechtfertigungsgrund aus § 23 Abs.1 Nr.1 KUG gedeckt, denn die Kl. gehört nicht zum Kreis der Personen der Zeitgeschichte und die veröffentlichten Aufnahmen zeigen kein zeitgeschichtliches Ereignis, sondern einen in jeder Hinsicht alltäglichen Vorgang.

Eine Einwilligung der Kl. lag indes bei der Ausstrahlung der Filmaufnahmen jedenfalls nicht mehr vor. Zwar spricht einiges dafür, dass die von der Kl. unstreitig erteilte Einwilligung zur Anfertigung und Veröffentlichung der Aufnahmen sich auf eine Veröffentlichung gerade im Rahmen einer Sendung wie der streitgegenständlichen erstreckte: Selbst nach dem Vorbringen der Kl. war es dieser klar, dass es sich bei den Mitarbeiterinnen des Bezirksamtes um Prüferinnen handelte, und die Kl. nahm auch an (falls es ihr nicht sogar ausdrücklich mitgeteilt wurde), dass über deren Arbeit berichtet werden sollte; damit dürfte aber ein Beitrag, in dem über die Arbeit eben dieser Prüferinnen berichtet wird, auch dann von der Einwilligung gedeckt gewesen sein, wenn die Kl. nicht gewusst hat, dass der Beitrag unter dem Schlagwort „Sozialdetektivinnen“ aufgemacht werden würde.

Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn jedenfalls hat die Kl. eine -wohl - erteilte Einwilligung in die Veröffentlichung der Aufnahmen wirksam noch vor der Ausstrahlung widerrufen, nämlich mit dem Schreiben vom 12.1.2004 (Anl. K 1). Zwar weist die Bekl. zu Recht darauf hin, dass eine der bisher anerkannten Fallgruppen für einen solchen Widerruf hier nicht vorliegt. Die Einwilligung ist grundsätzlich eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung (Prinz / Peters, Medienrecht, Rdnr. 833); Anhaltspunkte dafür, dass hier ausnahmsweise ein Vertrag vorliegen könnte, sind nicht zu erkennen. Gleichwohl ist die Einwilligung keineswegs frei widerruflich, sondern als rechtsgeschäftliche Erklärung verbindlich (Prinz / Peters, Medienrecht, Rdnr.838). Ein Widerruf kann dann grundsätzlich nur erfolgen, wenn die Bedeutung des Persönlichkeitsrechts dies gebietet; dies kann namentlich der Fall sein bei von außen feststellbaren veränderten Umständen, die auf einer gewandelten inneren Einstellung basieren, so dass es dem Betroffenen nicht mehr zumutbar ist, an der einmal gegebenen Einwilligung noch festgehalten zu werden (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4.Aufl., Rdnr. 7.44 f.), was wiederum durch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen zu ermitteln ist (Prinz / Peters, Medienrecht, Rdnr. 838 f.). Ein Fall derart gewandelter innerer Einstellung - wie es etwa bei lange zurückliegenden Nacktaufnahmen in Betracht kommt - liegt hier nicht vor; ebenso wenig ist eine Situation vorgetragen, die eine Anfechtung rechtfertigen könnte. Die Kl. kann sich gleichwohl durch den von ihr erklärten Widerruf von der erteilten Einwilligung lossagen, denn die erforderliche Abwägung ergibt ein Überwiegen der Interessen der Kl.. Für die Kl. streitet nämlich, dass durch den angegriffenen Beitrag in ganz erheblicher Weise in ihr Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird. Ihre Privatsphäre wird ausgiebig und detailliert bis hin zum unaufgeräumten Schlafzimmer und dem Inhalt von Schränken einem unübersehbaren Publikum vorgeführt. Hierbei wird die Kl. nicht nur mehrere Minuten gut erkennbar im Bild gezeigt - und hierdurch in ihr Recht am eigenen Bild eingegriffen -, sondern sie wird zudem in wenig vorteilhafterweise präsentiert, da sie verunsichert und eingeschüchtert gezeigt wird. Dem stehen wenig gewichtige Interessen der Bekl. gegenüber: Es ist nicht ersichtlich, dass die Bekl. gerade auf die die Kl. zeigenden Aufnahmen zur Bebilderung ihres Beitrages angewiesen wäre; die Bekl. selbst hat in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vorgetragen, dass eine Vielzahl von Betroffenen sogar freudig darin einwilligt, dass sie in ihren Räumen gefilmt werden. Auch ist der Besuch der Prüferinnen bei der Kl. keineswegs von besonderem öffentlichem Interesse; vielmehr handelt es sich ersichtlich um eine Routinekontrolle in einem Allerweltsfall, die zudem nicht einmal Vorwerfbares gegen die Kl. ergab. Gegen die Position der Bekl. streiten zudem in ganz erheblichem Maße Treu und Glauben § 242 BGB), wie der in den Vorschriften der §§ 312, 355 BGB (früher: Haustür-WiderrufsG) niedergelegte Rechtsgedanke zeigt. Die Kl. wurde nämlich unstreitig überraschend mit der Situation konfrontiert, dass die - unangemeldet erschiene Prüferinnen von einem Kamerateam und einer Journalistin begleitet wurden. Auch wenn das Team der Bekl. hier - auch nach dem Vorbringen der Kl. keine Aufnahmen der Kl. und ihrer Wohnung angefertigt hat, bevor diese sich damit einverstanden erklärt hatte, so stellte dies doch eine Überrumpelungslage dar, denn ebenfalls unstreitig wurde die Kl. erst unmittelbar vor dem Betreten ihrer Wohnung mit dem Fernsehteam konfrontiert. Sie sah sich hierbei gleich mindestens drei, vielleicht auch fünf fremden Personen gegenüber, die Einlass in ihre Wohnung begehrten. War die Kl. bereits hierdurch in eine Drucksituation gebracht, so wurde diese dadurch in erheblichem Maße verschärft, dass das Fernsehteam gerade zwei behördliche Prüferinnen begleitete und sich die Kl. daher in der Situation einer amtlichen Überprüfung ihrer privaten Lebenssituation wiederfand. Hierbei war - wie der Beitrag selbst zeigt - von den Prüferinnen durch die Andeutung möglicher Konsequenzen hinsichtlich der bezogenen Leistung nicht ganz unerheblicher Druck auf die Kl. ausgeübt worden. Wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass dieser Druck dazu gedient haben wird, die Kooperationsbereitschaft der Kl. gegenüber den Prüferinnen zu erhöhen - und nicht etwa zur Bewirkung der Einwilligung eingesetzt wurde -, so handelte es sich insgesamt doch um eine Situation, in der die Kl. in erheblichem Maße abgelenkt und unter psychischem Druck war. Die erste gedankliche Priorität hat in einer solchen Situation nicht die Frage, ob man Filmaufnahmen zulassen will, sondern der überraschende und unangenehme Besuch von Amtspersonen; dementsprechend wirkt die Kl. im Beitrag während der Begutachtung ihrer Wohnung verunsichert und eingeschüchtert. In einer derartigen Lage kann dem Betroffenen nicht zugemutet werden, sich vorrangig über die Konsequenzen von Filmaufnahmen klare und abschließende Gedanken zu machen, weil die amtliche Kontrolle für ihn eine ganz gewichtige Rolle spielen, wenn nicht gar die Filmaufnahmen nebensächlich erscheinen lassen wird. Hinzu kommt, dass es in derartigen Situationen auch keineswegs fernliegt, dass Betroffene dazu neigen können, den anwesenden Amtspersonen in jeder Hinsicht „kooperativ“ zu erscheinen. Zwar hat sich die Kl. im Anschluss an den Besuch der Prüferinnen gegenüber der Journalistin in einem kurzen Interview geäußert und damit ihrerseits das Forum der Öffentlichkeit gesucht. Dies ist jedoch ersichtlich noch unter dem Eindruck der unangenehmen Situation und zudem quasi zur Rechtfertigung geschehen; die Kl. will erkennbar deutlich machen, dass sie keine sozialen Leistungen erschlichen habe. Damit stellt sich dieses Interview als Teil der beschriebenen Situation dar, die einer „Haustürsituation“ vergleichbar ist. Nach allem ergibt die erforderliche Interessenabwägung ein Überwiegen des Interesses der Kl., sich durch Widerruf von dieser Einwilligung zu lösen (vgl. auch LG Hamburg, Urt v. 24.10.2003, 324 O 634/03, zu unangekündigten Filmaufnahmen der hiesigen Bekl. während einer häuslichen polizeilichen Befragung). Der Widerruf ist auch zeitnah und rechtzeitig vor der geplanten Ausstrahlung im März 2004 erklärt worden, nämlich schon am 12.1.2004 (Anl. K 1), so dass es der Bekl. noch möglich gewesen wäre, die Aufnahmen aus dem Beitrag herauszuschneiden oder die Kl. wenigstens durch Pixelung o.ä. unkenntlich zu machen und den Beitrag so zu anonymisieren. Es ist nicht ersichtlich, weshalb dies der Bekl. unzumutbar gewesen sein sollte.

b. Soweit die angegriffenen Aufnahmen die Wohnung der Kl. zeigen, stellt dies einen Eingriff in ihre Privatsphäre dar, denn wie man sich einrichtet und seine Wohnräume gestaltet, gehört unmittelbar zu dem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Bereich der Privatsphäre, in dem sich jeder ungestört von Beobachtung durch die Öffentlichkeit entfalten können soll. Auch insoweit ist die Veröffentlichung der Aufnahmen nicht durch eine Einwilligung der Kl. gedeckt gewesen, denn die von der Kl. erteilte Einwilligung war bereits vor der Ausstrahlung der Filmaufnahmen insgesamt wirksam widerrufen worden; es wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

c. Eine Wiederholungsgefahr besteht, da zu vermuten ist, dass ein einmal erfolgter rechtswidriger Eingriff wiederholt wird (vgl. Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rdnr. 12.8; Schricker / Gerstenberg / Götting, Urheberrecht, 2.Aufl., § 60 / § 22 KUG, Rdnr.3). Die Bekl. hat keine Umstände vorgetragen, die diese Vermutung widerlegen könnten.

d. Die Tenorierung des Verbotes entspricht sachlich dem von der Kl. geltend gemachten Unterlassungsanspruch und ist lediglich sprachlich modifiziert.

2. Keinen Anspruch hat die Kl. dagegen auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Filmaufnahmen. Zwar verletzte die Ausstrahlung der beanstandeten Aufnahmen - wie ausgeführt - das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kl., aber nicht jede Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eigenen Bild löst einen solchen Anspruch gegen den Verletzer aus. Ein solcher Anspruch kommt vielmehr nur in Betracht, wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts gegeben ist, die die Zahlung einer Geldentschädigung erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, des weiteren von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGH NJW 1996, S. 985 ff., 986 unter II.1.c. m.w. Nachw.). Der in der beanstandeten Veröffentlichung liegende Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Kl. ist indes letztlich nicht so schwerwiegend, dass er die Zubilligung einer Geldentschädigung erforderlich macht, auch fehlt es an einem hinreichend schweren Verschulden der Bekl.:

Wie ausgeführt, wird durch die Ausstrahlung der Aufnahmen nicht nur in gravierender Weise in die Privatsphäre der Kl. eingegriffen, die Kl. erscheint im Beitrag auch als verunsichert und eingeschüchtert. Entgegen der Ansicht der Kl. wird sie im Beitrag aber keineswegs als „Sozialbetrügerin“ dargestellt oder auch nur in diesen Ruch gebracht. Vielmehr wird im Beitrag deutlich, dass die Prüferinnen nichts vorgefunden haben, was sie zu beanstanden hätten. Durch die ebenfalls ausgestrahlte Stellungnahme der Kl. wird dem Zuschauer zudem mitgeteilt, dass die Kl. gerade keine Sozialhilfe bezieht. Der Beitrag ist zwar insgesamt recht sensationsheischend aufgemacht, enthält aber keine Aussage, dass alle gezeigten Personen unberechtigt Sozialleistungen bezögen. Vielmehr erscheint die Kl. dem Zuschauer - auch durch ihre eigene Stellungnahme - eher als verunsicherte Betroffene eines insgesamt peinlichen Eingriffs in die Privatsphäre. Der Beitrag selbst erreicht damit zumindest kein Maß derart gravierender Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Kl., dass - ein hinreichendes Verschulden der Bekl. vorausgesetzt - alleine deshalb die Zuerkennung einer Geldentschädigung unabweislich erschiene.

Hinzu kommt, dass auch kein hinreichend schweres Verschulden der Bekl. vorliegt. Zwar hat sich die Bekl. unberechtigt über den ihr erkennbar gewordenen entgegenstehenden Willen der Kl. hinweggesetzt und den streitgegenständlichen Beitrag ausgestrahlt, obwohl die Kl. zuvor die von ihr erklärte Einwilligung widerrufen hatte. Die oben dargelegten Grundsätze hierzu stellen aber keine gefestigte Rechtsprechung dar. Zwar war der Bekl. aus dem genannten Verfahren zum Aktenzeichen 324 O 634 / 03 die grundsätzliche Auffassung der Kammer zu den Widerrufsmöglichkeiten von Betroffenen bekannt, die sich in einer Drucksituation an der Haustür zusätzlich einem Kamerateam gegenübersehen. Soweit ersichtlich, handelt es sich hierbei aber bisher um eine Einzelentscheidung; eine Überprüfung dieser Rechtsprechung durch eine höhere Instanz ist ebenfalls nicht erfolgt. Damit indes ist es der Bekl. jedenfalls nicht in erheblichem Maße vorzuwerfen, wenn sie davon ausging, dass die erteilte Einwilligung Bestand haben würde. Hinzu kommt, dass die Bekl. angesichts der Bereitschaft der Kl., vor laufender Kamera ihre Sicht zu äußern, zumindest guten Glaubens sein durfte, dass die Kl. sich in ihrer Willensentschließung nicht allzu sehr eingeschränkt gefühlt habe, als sie dem Kamerateam Zutritt gewährte; diese Situation kann so aufgefasst werden, als ob die Kl. das Kamerateam als „Verbündete“ aufgefasst hat, die ihr die Möglichkeit bieten, klarzustellen, dass sie sich nicht als „Sozialbetrügerin“ dargestellt sehen will. Trotz der evidenten Peinlichkeit, die die Kl. während der Besichtigung ihrer Wohnung durch die Prüferinnen empfunden hat, musste es sich der Bekl. daher nicht erschließen, in welchem Ausmaß dies zusätzlich an der Anwesenheit der Kamera gelegen hat. Damit indes liegt auch in der Ausstrahlung von Bildern aus dem Schlafzimmer per se keine hinreichend schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung und kein hinreichend schweres Verschulden der Bekl., selbst wenn die Kl. schon während der Aufnahmen irgendwie verdeutlicht haben sollte, dass sie das nicht wünsche. Im übrigen ist der Vortrag der Kl. hierzu auch sehr vage; im Beitrag jedenfalls ist kein Verhalten der Kl. zu sehen, dass sich als Vorbehalt gerade gegen derartige Aufnahmen verstehen lassen könnte. Schließlich ergibt sich auch aus der streitigen Frage, welches Ausstrahlungsdatum die Bekl. der Kl. für den streitgegenständlichen Beitrag mitgeteilt hat, keine besondere Rücksichtslosigkeit der Bekl.; vielmehr ist nach dem von der Bekl. vorgelegten Schriftwechsel sehr wohl klargestellt worden, dass der Beitrag Mitte März schon gesendet werden könnte (Anl. B 2 und B 3).


II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 I, 708 Nr.11, 709, 711 ZPO, die Streitwertfestsetzung erfolgt gem. § 3 ZPO.


III.

Der nachgelassene Schriftsatz der Bekl. vom 10.12.2004 sowie der Schriftsatz der Kl. vom 19.1.2005 gaben nach allem keinen Anlass, die Verhandlung wiederzueröffnen.

Rechtsgebiete

Presserecht