Eingriff in Natur und Landschaft durch Bebauungsplan

Gericht

BayVGH


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

09. 03. 2006


Aktenzeichen

1 NE 05.2570


Entscheidungsgründe

Bericht und Stellungnahme der Kanzlei zu diesem Verfahren (das sie auch selbst betrifft, so dass subjektive Bewertungen nicht völlig ausgeschlossen sind - die Kanzlei bemüht sich jedoch, objektiv darzustellen).

Die Schwierigkeiten des öffentlichen Rechts für Zivilrechtler. Ein Zivilrechtler sieht viel eher als ein Öffentlichrechtler einen Anspruch, Rechtswidrigkeiten zu beseitigen.

Zivilrechtler tun gut daran, davon auszugehen, dass sie bei Fällen des öffentlichen Rechts möglicherweise mit ihren Kategorien völlig falsch „liegen”. Ein aufschlussreiches Beispiel bietet eine neue Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, Az.: 1 NE 05.2570. Dieser Beschluss wird vor allem mit seinen Ausführungen zum Rechtsschutzbedürfnis für Anträge nach § 46 Abs. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung voraussichtlich auf Jahre hinaus in den Kommentaren und Lehrbüchern an erster Stelle stehen.
Sehen Sie sich bitte diese Fotos - im Vergleich vorher / jetzt - an. Bitte klicken Sie. Was meinen Sie zu diesem Unterschied? Ist diese Veränderung hinzunehmen oder nicht?
Der Hintergrund:
Auf einem Areal errichtet eine Privatschule mit max. 250 Schülern eine Mehrfachturnhalle. Sie ist auf der Basis eines speziell für sie erlassenen Bebauungsplans dabei, eine Grundstücksparzelle weitreichend einzubetonieren. Diese Parzelle ist zwar Teil eines Areals, aber, soweit es hier interessiert, gesondert zu betrachten, - so hat es der VGH-Beschluss festgestellt.
Umgeben ist dieses Grundstück von einem reinen Wohngebiet mit lockerer Bebauung. Würde das Grundstück so bebaut wie alle anderen Grundstücke in der Umgebung, würde die Halle nur stark ein Drittel dieser Parzelle ausfüllen und insbesondere nicht an der Straße bis auf wenige Meter voll von links nach rechts reichen. Der Gesamteindruck - wie er auf den Fotos mit den Bäumen zu sehen ist - hätte erhalten werden können.
Der VGH führt in seinem Beschluss zunächst aus:
Es spricht einiges dafür, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht ausreichend berücksichtigt hat, weil sie den Umfang des durch die Errichtung der Schulsporthalle verursachten Eingriffs in Natur und Landschaft nicht richtig erfasst hat”.
Die Gemeinde hat also vermutlich, nimmt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof an, mit dem Bebauungsplan, der die große Halle zulässt, rechtswidrig in Natur und Landschaft eingegriffen.
Dennoch hat der VGH den Bebauungsplan nicht außer Vollzug gesetzt. Es darf somit trotz des - vermutlich rechtswidrigen - Eingriffs in Natur und Landschaft weiter gebaut werden. (Anmerkung für Experten: Ein Verfahren auf vorläufigen Individualrechtsschutz beanspruchte beim Landratsamt und bei der Regierung von Oberbayern sieben Monate und ist seit Montag 10. April beim Bayerischen Verwaltungsgericht München anhängig.)
Wie ist es möglich, dass trotzdem weiter gebaut werden darf? Der VGH begründet das - unter Berufung auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts - damit, dass keine irreversible Tatsache vorliege. Wörtlich:
„Dies [dass eine irreversible Tatsache vorliegt] ist hier nicht der Fall, weil der Eingriff durch die Beseitigung der Bäume bereits erfolgt ist und eine möglicherweise erforderliche Fehlerbehebung auch nach Fertigstellung der Turnhalle durch die Festsetzung weiterer Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen in einem ergänzenden Verfahren zulässig ist”.
Die Schule hat also Erfolg damit, dass sie noch vor einer Entscheidung über die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans und der Baugenehmigung alles gerodet hat. Der VGH stellt in seinem Beschluss ausdrücklich fest, dass es sich um „einen wertvollen Laubbaumbestand mit starken Buchen” gehandelt hat. Er zitiert dazu aus einem Schreiben des Forstamts aus dem Jahre 2002. Jetzt wird die Schule dafür „belohnt”, dass sie trotz dieser Begutachtung und trotz der fragwürdigen Rechtslage im Jahre 2005 gegen alle Proteste der eingesessenen Nachbarn den „wertvollen Laubbaumbestand mit starken Buchen” nicht mehr für den Unterricht genutzt, sondern kurzerhand beseitigt hat.
Auch die Ironie des Schicksals fehlt nicht: Die Schule wirbt für sich damit, dass für sie „das Heils- und Unterscheidungswissen der Kirche die Basis bildet”, und dass dieses Heils- und Unterscheidungswissen der Kirche „das 'Ferment' ihrer Arbeit” sei. Dieses „Ferment ihrer Arbeit” gebietet selbstverständlich, in besonderem Maße, die Wald-, Natur- und Landschaft zu schützen.
Worin die vom Gericht angedachten Maßnahmen zum Ausgleich oder Ersatz bestehen sollen, führt der Beschluss nicht aus. Der Verfasser dieser Zeilen, ein betroffener Zivilrechtler, sieht keine wirklich hilfreichen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen, wenn man nicht an einen Geldersatz denkt, - der aber Natur und Landschaft nicht schützen kann. Wie soll ausgeglichen oder ersetzt werden, wenn die gesamte Parzelle mit einer riesigen Halle zugebaut ist?

Rechtsgebiete

Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht