Kündigung in der Arbeitsphase der Block-Altersteilzeit - Insolvenz

Gericht

BAG


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

16. 06. 2005


Aktenzeichen

6 AZR 476/04


Leitsatz des Gerichts

Die Stilllegung des Betriebes stellt ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv § 1 Abs 2 KSchG dar, das die Kündigung eines dort beschäftigten Arbeitnehmers auch dann bedingt, wenn er sich in der Arbeitsphase der Altersteilzeit nach dem Blockmodell befindet.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22. April 2004 - 14 Sa 1244/03 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 26. März 2003 - 2 Ca 9804/02 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand


Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der dem Kläger gegenüber durch den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 26. September 2002 zum 31. Dezember 2002 ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung während der Arbeitsphase des in Altersteilzeit im Blockmodell beschäftigten Klägers.

Der am 5. Januar 1945 geborene Kläger war seit dem 1. April 1959 bei der Schuldnerin als Karosseriebaumeister beschäftigt. Sein durchschnittliches Arbeitsentgelt belief sich zuletzt auf 2.426,12 Euro brutto. Über das Vermögen der Schuldnerin war am 1. Juli 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Der Kläger ist seit dem 14. September 2000 als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt.

Der Kläger und die Schuldnerin schlossen den Altersteilzeitvertrag vom 15. Januar 2001:

“...

Es wird angewandt der Tarifvertrag zur Altersteilzeit vom 07.02.2000. Mit dem Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses endet das Arbeitsverhältnis und Herr H beantragt Altersruhegeld.

Die Altersteilzeit wird vereinbart für die Zeit vom 01.02.2001 bis zum 31.01.2005. Die Altersteilzeit wird im Rahmen des Blockmodells erfüllt. Die erste Hälfte arbeitet Herr H 40 Stunden die Woche (01.02.2001 - 13.01.2003), in der zweiten Hälfte ist Herr H von der Arbeit freigestellt (01.02.2003 - 31.01.2005).

...”

Bei dem Betrieb der Schuldnerin handelte es sich um ein Unternehmen des Kfz-Gewerbes oder -Handwerks. Die Parteien sind tarifgebunden.

Nachdem eine vom Beklagten eingeleitete Prüfung der Möglichkeiten einer Sanierung des Unternehmens negativ verlaufen war, entschloss sich der Beklagte zur Stilllegung des Betriebes zum 31. August 2002. Von den insgesamt 47 Mitarbeitern der Schuldnerin wurden nach Ausspruch der betriebsbedingten Kündigungen 38 Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung freigestellt, die verbleibenden Arbeitnehmer führten bis Oktober 2001 Aufräumungs- und Abwicklungsarbeiten durch.

Der Beklagte erklärte nach erfolgter Zustimmung des Integrationsamtes gemäß Bescheid vom 15. September 2002 mit Schreiben vom 26. September 2002 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zum 31. Dezember 2002.

In dem zwischen den Parteien geführten Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main - 2 Ca 110/03 - vereinbarten sie, dass ausstehende Beiträge zur Insolvenzsicherung durch den Beklagten nachträglich beglichen würden. Diese Verpflichtung hat der Beklagte erfüllt.

Mit der beim Arbeitsgericht am 9. Oktober 2002 eingegangenen Klage wandte sich der Kläger gegen die Kündigung vom 26. September 2002. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei ausgeschlossen, weil der Altersteilzeitvertrag ein Kündigungsrecht nicht vorsehe. Angesichts der noch zu absolvierenden Arbeitsphase von einem Monat könne eine Dringlichkeit für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht angenommen werden. Zudem sei der Altersteilzeitvertrag im Hinblick darauf abgeschlossen worden, dass der Kläger gem. § 236a SGB VI ohne Abschläge mit Vollendung des 60. Lebensjahres Rente beziehen könne. Dem stehe die mögliche Entlastung der Masse von einem Monatslohn für den Kläger gegenüber. Die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses sei wegen der Zeitnähe des Ablaufs der Kündigungsfrist zum Beginn der Freistellungsphase unverhältnismäßig und daher unwirksam.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 26. September 2002 nicht beendet wurde.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, wegen der Stilllegung des Betriebes der Schuldnerin sei der Arbeitsplatz des Klägers entfallen, die Kündigung damit wirksam. Die Zulässigkeit der Kündigung mit abgekürzter Kündigungsfrist ergebe sich aus § 113 InsO. Die Problematik der kurzen Übergangszeit bis zur Freistellungsphase habe sich nur deshalb ergeben, weil er eine zunächst mit Schreiben vom 1. Juli 2002 zum 31. Oktober 2002 ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger habe zurücknehmen müssen, nachdem er von der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers und dem damit verbundenen Zustimmungserfordernis durch das Integrationsamt erfahren habe. Durch die Kündigung sei der Kläger nicht übermäßig belastet, zumal er im Anschluss an eine bestehende Arbeitslosigkeit vorgezogene Altersrente beziehen könne. Zudem habe der Kläger nach Absicherung seines Wertguthabens Anspruch auf Auszahlung des erarbeiteten Guthabens. Er werde daher so gestellt, als habe er in Vollzeit gearbeitet. Eine Änderungskündigung sei als milderes Mittel nicht in Betracht gekommen. Schließlich bestehe für ihn die Verpflichtung, die Masse bei der Stilllegung des Betriebes von Entgeltansprüchen der Arbeitnehmer zu entlasten. Dies gelte insbesondere hinsichtlich der Aufstockungsbeträge in der Freistellungsphase.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils und auf die Berufung des Beklagten unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts zur Abweisung der Klage. Die Kündigungsfeststellungsklage ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben verkannt, dass die Kündigung des Beklagten rechtswirksam ist.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, es lägen dringende betriebliche Erfordernisse vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb entgegenstünden. Nach dem unternehmerischen Konzept des Beklagten sei die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger spätestens mit Ablauf der für ihn einschlägigen Kündigungsfrist nicht mehr gegeben gewesen. Auch unter den Besonderheiten der Insolvenz folge die Unwirksamkeit der Kündigung aus § 1 Abs. 2 KSchG, dies jedenfalls dann, wenn nur noch ein Monat bis zur Beendigung der Arbeitsphase im Blockmodell offen sei. Dies ergebe die vorzunehmende Interessenabwägung angesichts einer bisher erbrachten Vorleistung von 23 Monaten und einer restlichen Zeit von lediglich einem Monat in der Arbeitsphase.

Zudem habe dem Beklagten als milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung die Möglichkeit der Änderungskündigung zum Zwecke der Verkürzung des gesamten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses offen gestanden, was dem Kläger den vorzeitigen Rentenzugang nach § 237 SGB VI ermöglicht hätte, dies jedoch mit erheblich geringeren Abschlägen als im Falle einer sofortigen Beendigung des Altersteilzeitvertrages mit der Frist des § 113 InsO und der Folge der Arbeitslosigkeit. In diesem Falle wäre für den Kläger allenfalls noch eine Frist von zwei Monaten bis zum Rentenbezug zu überbrücken gewesen.

II. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

1. Die Kündigung wegen Betriebsstilllegung in der Arbeitsphase gegenüber einem Arbeitnehmer, mit dem Blockaltersteilzeit vereinbart ist, wird, von der Befristung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und etwaigem Kündigungsschutz für länger beschäftigte, ältere Arbeitnehmer einmal abgesehen, nach § 1 Abs. 2 KSchG mit der Begründung als wirksam angesehen, dass die Betriebsstilllegung ein dringendes betriebliches Erfordernis darstelle, ohne dass sich dies nach der Dauer der über die Betriebsschließung hinausgehenden Arbeitszeit abstufen ließe (Hanau Anm. zu BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 571/01 - RdA 2003, 228, 231; Nicolai Anm. zu BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 571/01 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 125 S. 13; Stück Anm. zu BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 571/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 125 zu 1 b; vgl. auch Nimscholz/Oppermann/Ostrowicz Altersteilzeit 4. Aufl. S. 98; Stück NZA 2000, 749, 751; Schweig/Eisenreich BB 2003, 1434, 1435; vgl. auch BAG 23. Februar 2005 - 10 AZR 602/03 - BB 2005, 1393, 1395, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 4 a der Gründe; LAG Düsseldorf 27. Mai 2003 - 16 Sa 1439/02 - NZA-RR 2003, 635) .

2. Das ist zutreffend und gilt auch im Insolvenzverfahren, selbst wenn wie hier zwischen Kündigungstermin und Freistellungsphase nur ein Monat der Arbeitsphase liegt.

a) § 113 InsO gewährt dem Insolvenzverwalter eine von § 622 Abs. 2 BGB oder tariflichen Regelungen abweichende verkürzte Kündigungsfrist von drei Monaten.

Daraus folgt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, dass die vereinbarte Befristung des Altersteilzeitvertrags ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit, aber auch § 9 des Tarifvertrags zur Altersteilzeitarbeit vom 7. Februar 2000 (TV Altersteilzeitarbeit), in dem das “Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses” geregelt ist, ohne eine Kündigungsmöglichkeit vorzusehen, nicht insolvenzfest sind.

Ebenso wenig insolvenzfest sind die tariflichen Vorschriften zum Kündigungsschutz älterer Arbeitnehmer, die nach § 13 Abs. 3 TV Altersteilzeitarbeit unberührt bleiben, womit der “Tarifvertrag über Verdienstsicherung” vom 20. Juni 1977, gültig ab 1. Juli 1977, angesprochen ist, auf den die Revisionsbeantwortung abstellt. In ihm ist unter II. “Kündigungsschutz” vorgesehen, dass in Betrieben mit in der Regel mindestens 20 Arbeitnehmern einem Arbeitnehmer, der das 55. Lebensjahr, aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet und dessen Arbeitsverhältnis mindestens 10 Jahre ununterbrochen bestanden hat, das Arbeitsverhältnis nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden kann. Solche tariflich unkündbaren Arbeitsverhältnisse sind im Insolvenzverfahren ordentlich kündbar (BAG 19. Januar 2000 - 4 AZR 70/99 - AP InsO § 113 Nr. 5 = EzA InsO § 113 Nr. 10; ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. § 113 InsO Rn. 10 mwN). Daran hält der Senat trotz gelegentlicher abweichender Stimmen in der Literatur, auf die die Revisionsbeantwortung verwiesen hat, fest.

Das gilt entgegen der Ansicht des Klägers auch für Altersteilzeitarbeitsverhältnisse. Es ist zwar richtig, dass ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht als Vereinbarung einer besonders langen Kündigungsfrist anzusehen ist. Es handelt sich aber um ein befristetes Arbeitsverhältnis, für das das Kündigungsrecht des Insolvenzverwalters besteht, und zwar unabhängig davon, ob das ordentliche Kündigungsrecht vorbehalten wurde oder nicht (BAG 6. Juli 2000 - 2 AZR 695/99 - BAGE 95, 216). § 15 Abs. 3 TzBfG enthält nur eine gesetzliche Auslegungsregel die § 113 InsO nicht vorgeht (ErfK/Müller-Glöge 5. Aufl. § 113 InsO Rn. 11).

b) Da § 113 InsO keinen selbständigen Kündigungsgrund der Insolvenz oder Sanierung enthält, verbleibt es aber dabei, dass das Kündigungsschutzgesetz auch bei einer Kündigung nach § 113 InsO zu beachten ist, wenn es nach seinem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich Anwendung findet (BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 571/01 - BAGE 104, 131) .

Der Beklagte hat als Insolvenzverwalter eine betriebsbedingte Kündigung erklärt. Diese ist iSv. § 1 Abs. 2 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und damit sozial gerechtfertigt, wenn durch die unternehmerische Entscheidung des Insolvenzverwalters die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer entfallen ist (BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 571/01 - BAGE 104, 131) . Der Beklagte hat als Insolvenzverwalter beschlossen, den gesamten Betrieb zum 31. August 2002 stillzulegen. Das ist der typische Fall einer gestaltenden Unternehmensentscheidung. Dieser Beschluss wurde umgesetzt dadurch, dass allen Arbeitnehmern betriebsbedingt gekündigt wurde und sie wegen nicht mehr bestehender Beschäftigungsmöglichkeiten von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt wurden. Dem Kläger war nach Zustimmung des Integrationsamtes mit Schreiben vom 26. September 2002 zum 31. Dezember 2002 gekündigt worden. Eine Beschäftigungsmöglichkeit hat bereits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung nicht mehr bestanden. Die Kündigung ist daher “an sich” durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.

c) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit 24. Oktober 1979 - 2 AZR 940/77 - BAGE 32, 150) kann sich eine einzelfallbezogene Interessenabwägung bei betriebsbedingten Kündigungsgründen, wenn überhaupt, allenfalls in seltenen Ausnahmefällen zu Gunsten des Arbeitnehmers auswirken. Soweit die Rechtsprechung bisher beim Vorliegen betriebsbedingter Kündigungsgründe und durchgeführter Sozialauswahl die Möglichkeit einer Interessenabwägung nicht völlig ausgeschlossen hat, muss hier nicht abschließend entschieden werden, ob daran festzuhalten ist. Jedenfalls sind die aufgestellten Voraussetzungen für eine derartige “Härtefallregelung” so hoch anzusetzen, dass kaum mehr Raum für eine praktische Anwendung einer solchen Interessenabwägung bleibt (BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 500/03 - NZA 2005, 687, zu II 3 d aa der Gründe) .

Die Revision beanstandet mit Recht die Annahme eines solchen “Härtefalls” durch das Berufungsgericht. Von einem solchen “Härtefall” kann zumindest dann nicht ausgegangen werden, wenn die durch die Kündigung dem Arbeitnehmer zugefügten Nachteile nicht eindeutig außer Verhältnis zu den Nachteilen des Arbeitgebers im Falle des Verzichts auf die Kündigung stehen.

aa) Zutreffend weist die Revision darauf hin, der Kläger könne als Alternative zur Altersrente nach Altersteilzeit auch Altersrente wegen Arbeitslosigkeit beziehen. Das primäre Interesse des Klägers an einer Aufrechterhaltung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses mit dem Beklagten - nämlich der gleitende Übergang in den Ruhestand - könne bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung nicht zum Tragen kommen, da für dieses Ziel auch noch andere Möglichkeiten gegeben seien. Auf diesen Punkt sei das Berufungsgericht in seiner Entscheidung nicht eingegangen. Hierin zeige sich auch die Problematik der Argumentation der vorinstanzlichen Gerichte im Hinblick auf die nur noch kurze Zeitspanne bis zum Beginn der Freistellungsphase: Das Hauptargument zugunsten des Altersteilzeitarbeitnehmers liege darin, dass er mit der Altersteilzeit eine Disposition hinsichtlich des Rentenzugangs getroffen habe. Da sich hier jedoch Alternativen zur - vorgezogenen - Altersrente ergäben, gehe das Argument einer vermeintlich nur noch kurzen Überbrückung zur Freistellungsphase fehl.

bb) Die von dem Kläger angeführten Nachteile durch eine Kündigung zum 31. Dezember 2002 sind nicht von solchem Gewicht, dass daran zu denken wäre, trotz des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 KSchG für betriebsbedingte Kündigungen die von dem Beklagten ausgesprochene Kündigung für sozial ungerechtfertigt zu halten. Der Kläger bekommt für seine Arbeitsleistung die volle Vergütung über die Insolvenzsicherung. Zwar entgehen ihm die Aufstockungsbeträge und Rentenversicherungsbeiträge. Auch wird er Abschläge bei der Rente in Kauf nehmen müssen. Andererseits erspart der Beklagte für die Masse neben der Vergütung für Januar 2003 eben diese Aufstockungsbeträge und die zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge. Die Fortführung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses würde zu einer nicht unerheblichen Belastung der Insolvenzmasse führen. Der Entlastung der Masse dient gerade auch § 113 InsO. Mit dem Ausschluss einer betriebsbedingten Kündigung gegenüber Arbeitnehmern in Altersteilzeit, jedenfalls gegenüber solchen, die sich noch in der Arbeitsphase befinden, würden diese in massereichen Insolvenzverfahren gegenüber allen anderen Arbeitnehmern bevorzugt, ohne dass für diese Arbeitnehmergruppe ein unverhältnismäßiger Nachteil erkennbar ist, den es auszugleichen gölte.

3. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - genauer: das ultima-ratio-Prinzip - führt nicht zu einem anderen Ergebnis.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht das Kündigungsrecht des Arbeitgebers ganz allgemein unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Das Bundesarbeitsgericht hat diesen Grundsatz erstmals an Hand einer außerordentlichen Kündigung entwickelt (30. Mai 1978 - 2 AZR 630/76 - BAGE 30, 309) und dann auf die ordentliche Kündigung übertragen.

Daraus folgt, dass zB eine Änderungskündigung den Vorrang vor einer Beendigungskündigung hat.

a) Diese Frage hat der Zweite Senat in der bereits mehrfach genannten Entscheidung zur betriebsbedingten Kündigung wegen Betriebsstilllegung gegenüber einem Altersteilzeitarbeitnehmer in der Freistellungsphase vom 5. Dezember 2002 - 2 AZR 571/01 - (BAGE 104, 131, zu II 2 d der Gründe) angesprochen und ausgeführt: “Um die Masse von Forderungen des Arbeitnehmers auf die vereinbarten Aufstockungsbeträge während der Freistellungsphase zu entlasten, würde als milderes Mittel gegenüber einer Beendigungskündigung eine entsprechende Änderungskündigung reichen. Ob eine solche hier wirksam wäre, hat der Senat nicht zu entscheiden, da der Beklagte eine Beendigungskündigung ausgesprochen hat”.

b) Auch die Vorinstanzen haben sich mit unterschiedlichen Formen einer Änderungskündigung befasst.

aa) Das Arbeitsgericht hat eine Änderungskündigung dergestalt für geboten gehalten, dass der Beklagte das Ruhen der gegenseitigen Hauptpflichten aus dem Arbeitsvertrag bis zum Eintritt des Klägers in die Freistellungsphase hätte anbieten müssen.

Dieser Weg ist nicht möglich. Er würde das Altersteilzeitarbeitsverhältnis als solches in Frage stellen und zudem, wenn er denn das Altersteilzeitarbeitsverhältnis im Prinzip unberührt ließe, die Insolvenzmasse nicht nennenswert entlasten.

bb) Das Landesarbeitsgericht hat sich für eine Verkürzung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durch Änderungskündigung ausgesprochen. Auch eine solche Änderungskündigung würde jedoch die Masse nicht nennenswert entlasten, wenn sie nicht zugleich auf einen Wegfall der Aufstockungsbeträge gerichtet wäre, was wiederum das Altersteilzeitarbeitsverhältnis als solches in Frage stellen würde. Das zeigt, dass die Änderungskündigung in dieser Form kein milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung ist, denn den Anspruch auf das Entgelt für die bereits erbrachte Arbeitsleistung hat der Arbeitnehmer so oder so (vgl. Nicolai Anm. zu BAG 5. Dezember 2002 - 2 AZR 571/01 - EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 125, unter 3) . Das Insolvenzverfahren hat eine möglichst gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zum Ziel und verpflichtet den Insolvenzverwalter zu einer möglichst raschen Beendigung von die Masse nur belastenden Dauerschuldverpflichtungen. Dem würde eine bloße Änderungskündigung zur Abkürzung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses nicht Rechnung tragen, selbst wenn dieser Weg altersteilzeitrechtlich gangbar wäre.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Fischermeier
Dr. Armbrüster
Friedrich
Hinsch
Spiekermann

Rechtsgebiete

Arbeitsrecht