Widerruf allein des Sicherungsgeschäfts bei Haustürsituation
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
10. 01. 2006
Aktenzeichen
XI ZR 169/05
Das Widerrufsrecht eines Verpfänders gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB hängt nicht von der Verbrauchereigenschaft des persönlichen Schuldners oder einer auf diesen bezogenen Haustürsituation ab (Abweichung von BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - IX ZR 56/95, BGHZ 139, 21).
Zu den Voraussetzungen des § 312f Satz 2 BGB, wenn der persönliche Schuldner seine Ehefrau bittet, zur Abgabe einer Verpfändungserklärung aus der gemeinsamen Wohnung in seine Geschäftsräume zu kommen.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
vom 25. Mai 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, eine Rentnerin, nimmt die beklagte Bank auf Herausgabe
von Wertpapieren in Anspruch, die sie als Sicherheit für Darlehensverbindlichkeiten
des Unternehmens ihres Ehemannes und ihres
Sohnes verpfändet hat.
Der Ehemann und der Sohn der Klägerin betrieben in der Rechtsform
einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Luftheizungs- und Kaminbauunternehmen. Die Geschäftsräume dieses Unternehmens befanden
sich in einem Miets- und Geschäftshaus, das dem Wohnhaus der
Klägerin und ihres Ehemannes gegenüber liegt. Die beiden Gebäude, die
unterschiedliche Hausnummern haben, stehen auf verschiedenen Flurstücken,
die sich optisch als ein Grundstück darstellen und ein gemeinsames
Tor zur Straße haben. Am 5. Dezember 2002 suchte ein Mitarbeiter
der Beklagten den Ehemann und den Sohn der Klägerin in den Geschäftsräumen
auf. Der Ehemann rief die Klägerin aus dem Wohnhaus in
die Geschäftsräume. Dort unterzeichnete sie eine Erklärung über die
Verpfändung von Wertpapieren, die sie kurz zuvor von einer Verwandten
erhalten hatte. Auf die gleiche Weise kam es am 23. Dezember 2002 zur
Unterzeichnung der streitigen Verpfändungserklärung durch die Klägerin.
Diese Erklärung, die ebenso wie die vom 5. Dezember 2002 keine Belehrung
über das Recht zum Widerruf von Haustürgeschäften enthielt, diente
der Sicherung der Forderung der Beklagten gegen die Gesellschaft
bürgerlichen Rechts aus einem Darlehensvertrag vom 19. Dezember
2002 in Höhe von 115.000 €. Nachdem die Gesellschaft insolvent geworden
war, kündigte die Beklagte am 8. April 2003 die Geschäftsverbindung
und stellte der Klägerin die Verwertung der Sicherheiten in Aussicht.
Die Klägerin hat die Verpfändungserklärungen als Haustürgeschäfte
widerrufen. Sie ist der Auffassung, die Beklagte habe sie über die bereits
bei Unterzeichnung der Verpfändungserklärungen desolate wirtschaftliche
Lage der Gesellschaft ihres Ehemannes und ihres Sohnes
aufklären müssen und die mit der Verpfändung verbundenen Risiken verharmlost.
Das Landgericht hat der Klage auf Herausgabe der Wertpapiere
stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung
des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Herausgabe
der Wertpapiere, weil sie diese wirksam zur Sicherung der Ansprüche
der Beklagten aus dem Darlehensvertrag vom 19. Dezember
2002 verpfändet habe. Sie könne die der Pfandrechtsbestellung zugrunde
liegende Sicherungsabrede nicht gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 BGB
widerrufen. Die Bestellung eines Pfandrechts falle ebenso wie eine
Bürgschaftserklärung (EuGH WM 1998, 649, 651; BGHZ 139, 21, 25 f.)
nur dann in den Anwendungsbereich des Haustürwiderrufsgesetzes bzw.
des § 312 BGB, wenn das Pfandrecht eine Verbindlichkeit sichere, die
ein Verbraucher im Rahmen eines Haustürgeschäfts gegenüber einem
Gewerbetreibenden als Gegenleistung für Waren oder Dienstleistungen
eingegangen sei. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bestellung
einer Grundschuld (BGHZ 131, 1, 5) rechtfertige keine andere
Beurteilung, weil sie vor der zitierten Entscheidung des EuGH ergangen
sei. Zudem sei die Grundschuld anders als Bürgschaft und Pfandrecht
nicht akzessorisch. Da die gesicherte Forderung der Beklagten im Rahmen
der gewerblichen Tätigkeit der Gesellschaft des Ehemannes und
des Sohnes der Klägerin begründet worden sei, habe die Klägerin kein
Widerrufsrecht.
Außerdem lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin zur Abgabe
der Verpfändungserklärungen durch mündliche Verhandlungen bestimmt
worden sei, und dass eine Haustürsituation und das damit verbundene
Überraschungsmoment für die Abgabe der Erklärungen zumindest
mitursächlich geworden seien. Die Klägerin sei schon vor dem Besuch
des Mitarbeiters der Beklagten in den Geschäftsräumen ihres Ehemannes
und ihres Sohnes von ihrem Ehemann damit konfrontiert worden,
dass sie ihre kurz zuvor erlangten Wertpapiere voraussichtlich verpfänden
müsse, um einen finanziellen Engpass des Unternehmens zu
überbrücken. Hierzu sei sie ohne Einwirkung des Mitarbeiters der Beklagten
bereit gewesen. Ihr sei lediglich gesagt worden, sie solle dies
unterschreiben und dann wäre es gut. Ob der Mitarbeiter der Beklagten
am 5. Dezember 2002 gesagt habe, die Klägerin solle sich wegen des
Risikos, die Wertpapiere zu verlieren, keine Sorgen machen, könne dahinstehen.
Die maßgebliche Verpfändungserklärung, aus der die Beklagte
ihre Rechte herleite, habe sie erst am 23. Dezember 2002 unterschrieben.
Dass die Verpfändung die Gefahr begründe, den Pfandgegenstand
zu verlieren, sei der Klägerin bereits bewusst gewesen, als ihr
Ehemann sie erstmals gefragt habe, ob sie den finanziellen Engpass
seines Unternehmens mit ihren Wertpapieren überbrücken könne. Sie
habe nicht damit rechnen können, dass die Beklagte ihr dieses Risiko
abnehme.
Die Klägerin habe keinen Schadensersatzanspruch wegen positiver
Vertragsverletzung oder Verschuldens bei Vertragsverhandlungen,
der auf Rückabwicklung der Pfandrechtsbestellung gerichtet sei. Da die
Klägerin von ihrem Ehemann auf die Verpfändung der Wertpapiere angesprochen
worden sei, habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass
sie über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ihres Ehemannes
und ihres Sohnes unterrichtet sei. Es könne nicht festgestellt werden,
dass der Mitarbeiter der Beklagten die mit der Verpfändung der
Wertpapiere verbundenen Gefahren pflicht- und wahrheitswidrig verharmlost
habe.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht Stand. 10
1. Allerdings ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin
könne die Herausgabe der Wertpapiere nicht gemäß § 346 Abs. 1,
§ 355 Abs. 1 Satz 1, § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen, im Ergebnis
rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht kein Widerrufsrecht
gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB zu.
a) Dies kann aber, anders als das Berufungsgericht meint, nicht
damit begründet werden, dass das von der Klägerin bestellte Pfandrecht
einen gewerblichen Kredit sichert. Der Senat hat bereits in seinem Urteil
vom 26. September 1995 - XI ZR 199/94 (BGHZ 131, 1, 4) entschieden,
dass eine Sicherungsabrede, die auf die Bestellung einer Grundschuld
gerichtet ist, auch dann in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1
HWiG, der Vorgängerregelung des § 312 BGB n.F., fällt, wenn die
Grundschuld einen gewerblichen Kredit sichert. Dasselbe muss für die
Bestellung eines Pfandrechts und anderer akzessorischer Sicherungsrechte
gelten. Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat zwar im Anschluss
an das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) vom 17. März 1998 (WM 1998, 649 ff.) entschieden, dass ein
Bürgschaftsvertrag, der zur Absicherung eines gewerblichen Kredits geschlossen
wird, kein Geschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 HWiG sei
(BGHZ 139, 21, 24 ff.). Diese Auffassung, die in der Literatur ganz überwiegend
auf zum Teil massive Kritik gestoßen ist (MünchKomm/Ulmer,
BGB 4. Aufl. § 312 Rdn. 22; Ann, in: Bamberger/Roth, BGB § 312
Rdn. 8; Palandt/Grüneberg, BGB 65. Aufl. § 312 Rdn. 8; Allstadt-
Schmitz, in: Ebenroth/Boujong/Joost, HGB BankR IV Rdn. 522; Knops,
in: Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch für deutsches und internationales
Bankrecht § 20 Rdn. 64; Auer ZBB 1999, 161, 168; Canaris
AcP 200 (2000), 273, 353 f.; Drexl JZ 1998, 1046, 1055 f.; Horn
ZIP 2001, 93, 94; Kulke JR 1999, 485, 491 f.; Lorenz NJW 1998, 2937,
2939; Medicus JuS 1999, 833, 836 f.; Pfeiffer ZIP 1998, 1129, 1137;
Reinicke/Tiedtke ZIP 1998, 893, 894 f.; Riehm JuS 2000, 138, 143;
Tiedtke NJW 2001, 1015, 1027; Treber WM 1998, 1908, 1918 f.; a.A.:
Vowinckel DB 2002, 1362, 1364), teilt der nunmehr für das Bürgschaftsrecht
zuständige, erkennende Senat nicht.
§ 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB dient dem Schutz des Verbrauchers
vor der Gefahr, bei der Anbahnung eines Vertrages in einer ungewöhnlichen
räumlichen Situation überrumpelt und zu einem unüberlegten Geschäftsabschluss
veranlasst zu werden (Senat, Urteil vom 27. Januar
2004 - XI ZR 37/03, WM 2004, 620, 623; Palandt/Grüneberg, BGB
65. Aufl. § 312 Rdn. 3). Diese Gefahr droht einem Bürgen immer, wenn
er sich selbst in einer so genannten Haustürsituation befindet. Sie besteht
unabhängig davon, ob die Hauptschuld ein Verbraucherdarlehen
oder ein gewerblicher Kredit ist und ob der Hauptschuldner ebenfalls
durch eine Haustürsituation zum Vertragsschluss bestimmt worden ist
(Reinicke/Tiedtke DB 1998, 2001, 2003; Drexl JZ 1998, 1046, 1056). Die
Akzessorietät der Bürgschaft rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sie
eröffnet dem Bürgen zwar die Möglichkeit, sich analog § 770 BGB auf ein
etwaiges Widerrufsrecht des Hauptschuldners zu berufen (MünchKomm/
Habersack, BGB 4. Aufl. § 770 Rdn. 6; Riehm, JuS 2000, 138, 143),
macht aber die Begründung eines eigenen Widerrufsrechts des Bürgen
nicht von der Verbrauchereigenschaft des Hauptschuldners oder einer
auf diesen bezogenen Haustürsituation abhängig (Allstadt-Schmitz, in:
Ebenroth/Boujong/Joost, HGB BankR IV Rdn. 522; Auer ZBB 1999, 161,
168; Reinicke/Tiedtke ZIP 1998, 893, 894; Mayen, in: Festschrift für
Schimansky S. 415, 423). Der Bürgschaftsvertrag begründet ein eigenes
Schuldverhältnis (Kulke JR 1999, 485, 492) und unter den Voraussetzungen
des § 312 BGB ein eigenes Widerrufsrecht des Bürgen.
Dass ein Bürgschaftsvertrag, der eine im Rahmen der Erwerbstätigkeit
des Hauptschuldners begründete Verbindlichkeit sichert, nach Ansicht
des EuGH (WM 1998, 649, 651) nicht in den Geltungsbereich der
Richtlinie 577/85/EWG des Rates vom 20. Dezember 1995 betr. den
Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen
Verträgen (ABl. Nr. L 372/31) fällt, obwohl deren Wortlaut
dafür nichts hergibt und der vom EuGH angeführte akzessorische Charakter
der Bürgschaft und der Zweck des verbürgten Kredits für den von
der Haustürgeschäfterichtlinie bezweckten Schutz der Entscheidungsfreiheit
des Verbrauchers in einer Haustürsituation bedeutungslos sind
(Canaris AcP 200 (2000), 273, 353; Drexl JZ 1998, 1046, 1055; Reinicke/
Tiedtke ZIP 1998, 893, 895; Lorenz NJW 1998, 2937, 2938 f.; Treber
WM 1998, 1908, 1915; Mayen, in: Festschrift für Schimansky S. 415,
423 f.), ändert nichts. Nach Art. 8 dieser Richtlinie können die Mitgliedstaaten
günstigere Verbraucherschutzbestimmungen erlassen oder beibehalten.
Davon ist hier unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte
des Haustürwiderrufsgesetzes (vgl. Reinicke/Tiedtke DB 1998,
2001, 2002) sowie zur Vermeidung unerträglicher Wertungswidersprüche
auszugehen. Der Bürge, der in einer Haustürsituation einen gewerblichen
Zwecken dienenden Kredit verbürgt, darf nicht schlechter stehen
als derjenige, der in einer solchen Situation den Kreditvertrag als Mithaftender
unterzeichnet.
b) Hingegen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin
sei nicht durch mündliche Verhandlungen in einer Haustürsituation zur
Verpfändung der Wertpapiere am 23. Dezember 2002 bestimmt worden,
im Ergebnis rechtsfehlerfrei. Die Klägerin befand sich, als sie mit dem
Vertreter der Beklagten sprach und die Verpfändungserklärungen unterschrieb,
weder an ihrem Arbeitsplatz noch im Bereich einer Privatwohnung
im Sinne des § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB, sondern in den Geschäftsräumen
des Unternehmens ihres Ehemannes und ihres Sohnes.
Die Klägerin war in diesem Unternehmen nicht beschäftigt und hatte
dort keinen Arbeitsplatz.
Die Geschäftsräume gehören auch nicht zum Bereich der Privatwohnung
der Klägerin und ihres Ehemannes. Der Bereich einer Privatwohnung
umfasst den gesamten räumlichen Wohnbereich, der dem
Verbraucher oder anderen zum dauernden Aufenthalt dient (Erman/
I. Saenger, BGB 11. Aufl. § 312 Rdn. 41). Er erstreckt sich auch auf
Hausflur, Garten (BT-Drucks. 10/2876 S. 11) und andere zugehörige Anlagen
wie Garagen und private Parkplätze, da hier die private Sphäre
dominiert. Entscheidend ist, dass der Verbraucher an diesen Orten auf
ein werbemäßiges Ansprechen nicht eingestellt ist und sich in seiner
Entschließungsfreiheit typischerweise eingeengt fühlt (MünchKomm/
Ulmer, BGB 4. Aufl. § 312 Rdn. 36), weil er sich dem von anderer Seite
initiierten Gespräch nicht ohne weiteres durch Weggehen entziehen kann
(vgl. Senatsurteil BGHZ 131, 385, 390 f.).
Nach diesen Grundsätzen gehören die Geschäftsräume des Unternehmens
des Ehemannes und des Sohnes der Klägerin nicht zum Bereich
der Privatwohnung der Klägerin und ihres Ehemannes. Das zum
Teil vermietete Wohn- und Geschäftshaus, in dem sich die Geschäftsräume
befinden, liegt zwar in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses und
hat mit diesem ein gemeinsames Tor zur Straße. Die Geschäftsräume
gehören aber nicht zum Wohnbereich und sind nicht zum dauernden
Aufenthalt bestimmt. In ihnen dominiert nicht die private, sondern die geschäftliche
Sphäre. Die Klägerin hätte sich jederzeit aus freiem Entschluss dem Gespräch mit dem Angestellten der Beklagten und dessen
Einwirkung durch die Rückkehr in ihr Wohnhaus entziehen können.
19 Entgegen der Auffassung der Revision findet § 312 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 BGB auch nicht gemäß § 312f Satz 2 BGB Anwendung. § 312
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB ist nach dem im Revisionsverfahren zugrunde
zu legenden Sachvortrag der Klägerin, ihr Ehemann habe sie auf Veranlassung
des Angestellten der Beklagten ohne Angabe eines Grundes aus
dem Wohnhaus in die Geschäftsräume herüber gerufen, nicht durch anderweitige
Gestaltungen umgangen worden. Die für einen Vertragsschluss
im Bereich einer Privatwohnung typische situative Überrumpelung
lag bei Abgabe der Verpfändungserklärung am 23. Dezember 2002
nicht vor, weil für die Klägerin aufgrund der Bitte ihres Ehemannes, in die
Geschäftsräume zu kommen, vorhersehbar war, dass geschäftliche Angelegenheiten
und Vermögensdispositionen erörtert werden sollten. Die
Klägerin war von ihrem Ehemann bereits zuvor wegen der Pfandrechtsbestellung
für einen gewerblichen Kredit angesprochen worden und hatte
am 5. Dezember 2002 schon einmal, von ihrem Ehemann herbeigerufen,
in den Geschäftsräumen eine Verpfändungserklärung unterzeichnet.
2. Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Begründung, mit der das Berufungsgericht
einen auf Rückgängigmachung der Pfandrechtsbestellung
gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen
gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 249
Abs. 1 BGB verneint hat.
Ein Kreditinstitut ist zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, einen
Dritten, der eine Sicherheit zugunsten eines Schuldners des Kreditinstituts bestellt, über die damit verbundenen Risiken aufzuklären (BGHZ
125, 206, 218; BGH, Urteil vom 17. März 1994 - IX ZR 174/93, WM 1994,
1064, 1066 f.; Ganter, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch
§ 90 Rdn. 184; Joswig, in: Welter/Lang, Handbuch der Informationspflichten
im Bankverkehr, Rdn. 14.63). Pflichtwidrig handelt ein Kreditinstitut
aber dann, wenn es durch sein Verhalten erkennbar einen Irrtum
des Sicherungsgebers über das Risiko hervorruft oder dieses Risiko
bewusst verharmlost (Senat, Urteil vom 9. Oktober 1990 - XI ZR 200/89,
WM 1990, 1956; BGH, Urteil vom 24. Februar 1994 - IX ZR 227/93, WM
1994, 680, 684).
Ein solches Verhalten hat die Klägerin entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts in den Tatsacheninstanzen vorgetragen und unter
Beweis gestellt. Sie hat behauptet, sie habe vor Unterzeichnung der
Verpfändungserklärungen gesagt, sie habe ihre Brille vergessen und
könne die Erklärung nicht lesen. Außerdem habe sie gefragt, ob es denn
richtig sei, wenn sie das jetzt unterschreibe. Das Wertpapierdepot dürfe
auf keinen Fall verloren gehen. Darauf habe der Angestellte der Beklagten
erwidert, sie solle sich keinerlei Sorgen machen. Die Verpfändung
sei notwendig, weil das Unternehmen neuen Kredit brauche. Ferner sei
ihr gesagt worden, sie solle dies unterschreiben und dann wäre es gut.
Diese im Revisionsverfahren zugunsten der Klägerin zu unterstellenden
Äußerungen beinhalten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
eine Verharmlosung des Risikos, die für die Pfandrechtsbestellung ursächlich
geworden sein und deshalb einen auf deren Rückabwicklung
gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen
gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 249
Abs. 1 BGB begründen kann. Ein solcher Anspruch bestünde unabhängig
von einem Anfechtungsrecht gemäß § 123 Abs. 1 BGB und bliebe vom
Ablauf der Anfechtungsfrist gemäß § 124 Abs. 1 BGB unberührt (BGH,
Urteil vom 18. September 2001 - X ZR 107/00, NJW-RR 2002, 308,
309 f., m.w.Nachw.).
III.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und
die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Nobbe
Joeres
Mayen
Ellenberger
Schmitt
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen